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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 5 TaBVGa 170/07
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 85 Abs. 2
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 936
Bei Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Wege der einstweiligen Verfügung trägt der Betriebsrat auch die Glaubhaftmachungslast für die behauptete Nichteinhaltung seiner Mitbestimmungsrechte.
Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 08. August 2007 - 15 BVGa 1137/07 - abgeändert.

Die Anträge des Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1 (Betriebsrat) macht Unterlassungsansprüche wegen eines aus seiner Sicht betriebsvereinbarungswidrigen Verhaltens der Beteiligten zu 2 (Arbeitgeberin) geltend.

Am 27. Februar 2007 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung über Grundsätze zur Dienstplangestaltung. Sie lautet auszugsweise:

§ 5 Vorlage an den Betriebsrat

(1) Der so erstellte Dienstplan wird dem Betriebsrat spätestens am 14. Tag vor dem Beginn des Jeweiligen Dienstplanes übergeben mit einer Kopie der Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(2) Sind der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter verhindert, kann der Dienstplan in das Postfach des Betriebsrats eingeworfen werden.

(3) [ ...]

§ 6 Ausübung der Mitbestimmung

(1) Sollte der Betriebsrat dem ihm vorgelegten Dienstplan nicht binnen fünf Tagen schriftlich widersprochen haben, so gilt seine Zustimmung als erteilt. Das bedeutet, dass ein Widerspruch spätestens am 9. Tag vor dem Beginn des jeweiligen Dienstplanes an das Unternehmen übergeben werden muss.

(2) [ ...]

(3) Sollte der Betriebsrat dem Dienstplan widersprechen, werden die Betriebsparteien unverzüglich versuchen, eine Einigung zu erzielen.

Seit ihrer außerordentlichen Kündigung durch die Arbeitgeberin am 21. März 2007 unterliegen der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates einem Hausverbot; sie sind nur zwecks Ausübung des Betriebsratsamtes berechtigt, den Betrieb zu betreten. Hiervon machen sie "nur alle paar Wochen" Gebrauch. Der Betriebsrat hat durch eidesstattliche Versicherung seines Vorsitzenden vom 31. Juli 2007 (Bl. 17 d. A.) glaubhaft gemacht, dass diesem ein Schichtführerdienstplan für den Zeitraum vom 01. August bis 31. August 2007 nicht übergeben worden sei. Demgegenüber hat die Arbeitgeberin mit eidesstattlicher Versicherung vom 08. August 2007 (Bl. 18 d. A.) glaubhaft gemacht, den fraglichen Schichtführerdienstplan am 16. Juli 2007 in den Briefkasten des Betriebsrates eingeworfen zu haben.

Mit am 08. August 2007 verkündetem Beschluss hat das Arbeitgericht Frankfurt am Main - 15 BVGa 1137/07 - der Arbeitgeberin aufgegeben, es zu unterlassen, für den Zeitraum vom 01. August bis zum 31. August 2007 Arbeitszeiten gegenüber Schichtführern anzuordnen und / oder entgegenzunehmen, so lange nicht er, der Betriebsrat, einem entsprechenden Dienstplan zugestimmt hat oder ein diese Zustimmung ersetzender Spruch der Einigungsstelle vorliegt. Wegen der Einzelheiten des Tenors wird auf Bl. 20 d. A. ergänzend Bezug genommen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die sich aus den widersprüchlichen eidesstattlichen Versicherungen der Beteiligten ergebende Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes ("non liquet") gehe zu Lasten der darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Arbeitgeberin, zu deren Pflichtenkreis die Übergabe des Dienstplanes entsprechend der Betriebsvereinbarung gehöre. Wegen der Einzelheiten der weiteren Begründung wird ergänzend auf die Seiten 4 - 6 des Beschlusses (Bl. 23 - Bl. 25 d. A.) Bezug genommen.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 13. August 2007 zugestellten Beschluss hat sie am 16. August 2007 Beschwerde eingelegt und dieses Rechtsmittel zugleich begründet. Sie ist der Auffassung, dass die Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes zu Lasten des antragstellenden Betriebsrats gehe. Er müsse nämlich beweisen, dass sie, die Arbeitgeberin, sich nicht an das in der Betriebsvereinbarung geregelte Verfahren gehalten habe. Da der Betriebsratsvorsitzende und sein Stellvertreter am 16. Juli 2007 nicht erreichbar gewesen seien, sei auch der für diesen Tag an Eides statt versicherte Einwurf des Augustdienstplanes in den Briefkasten des Betriebsrates gerechtfertigt gewesen. Die Arbeitgeberin beantragt,

1. der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main, Az.: 15 BVGa 1137/07 vom 08. August 2007 wird abgeändert;

2. die Anträge werden zurückgewiesen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen des vollständigen Vortrags der Beteiligten im Beschwerderechtszug wird ergänzend auf die Beschwerdebegründung (Bl. 50 bis Bl. 53 d. A.) sowie auf die Beschwerdebeantwortung (Bl. 85 f d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.

Der Antrag des Betriebsrates ist unbegründet, weil er für die begehrte Unterlassung den erforderlichen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG in Verb. m. §§ 935, 936, 920 Abs. 2 ZPO).

Der Betriebsrat hat Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht verletzt und dass sie nicht gegen die Betriebsvereinbarung vom 27. Februar 2007 verstößt. Gegen drohende Verletzungen dieser Rechte kann er sich mit der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs wehren (BAG, Beschluss vom 03.05.1994 - 1 ABR 24/93 - DB 1994 S. 2450 ff. zum allgemeinen Unterlassungsanspruch; BAG, Beschluss vom 10.11.1987 - 1 ABR 55/86 - AP Nr. 24 zu § 77 BetrVG 1972 zum Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Betriebsvereinbarungen).

Voraussetzung eines solchen Unterlassungsanspruchs ist aber im einstweiligen Verfügungsverfahren die Glaubhaftmachung einer entsprechenden Verletzung (§ 520 Abs. 2 ZPO). Sie läge vor, wenn dem Betriebsrat trotz seiner Erreichbarkeit der Dienstplan für August 2007 nicht spätestens bis zum 18. Juli 2007 übergeben worden wäre (§ 5 der Betriebsvereinbarung) oder bei Nichterreichbarkeit nicht bis zum selben Zeitpunkt in sein Postfach eingeworfen worden wäre. Eine solche Verletzungshandlung der Arbeitgeberin hat der Betriebsrat nicht glaubhaft gemacht.

Der Betriebsrat hat lediglich an Eides statt versichert, ihm sei für August 2007 kein Schichtführerdienstplan übergeben worden. Demgegenüber hat die Arbeitgeberin an Eides statt versichert, einen solchen Dienstplan am 16. Juli 2007 um ca. 19.40 Uhr in den Betriebsratbriefkasten eingeworfen zu haben. Dass die Arbeitgeberin diesen Übermittlungsweg unberechtigt genutzt habe, weil er, der Betriebsrat nicht verhindert gewesen sei, hat der Betriebsrat nicht glaubhaft gemacht. Ebenso wenig hatte er an Eides statt versichert, in seinem Briefkasten keinen solchen Dienstplan für August 2007 vorgefunden zu haben. Dieses Beweisergebnis geht zu seinen Lasten.

Im einstweiligen Verfügungsverfahren gelten die gleichen Beweislastgrundsätze wie im Hauptsacheverfahren (Münchener Kommentar 3. Aufl. 2007 § 920 Randnummer 21). Danach trägt der Anspruchsteller die Beweislast für die rechtsbegründeten Tatbestandsmerkmale (Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl. vor § 284 Randnummer 17 mit Rechtsprechungshinweisen). Dies gilt auch für solche Fallgestaltungen, in denen das materielle Recht das Nichtvorliegen von Tatsachen zur Anspruchsvoraussetzung erhebt (Zöller a. a. O. Randnummer 24). Bezogen auf Unterlassungspflichten gilt, dass der Gläubiger die Zuwiderhandlung, nicht aber der Schuldner die Erfüllung zu beweisen hat (Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl. 1965 S. 347).

Der Betriebsrat hätte daher beweisen müssen, dass die Arbeitgeberin ihm den fraglichen Dienstplan nicht (rechtzeitig) überließ. Dies erst hätte die Verletzung der Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bzw. der Betriebsvereinbarung vom 27.02.2007 beinhaltet und den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ausgelöst.

2.

Zusätzlich gestützt wird dieses Ergebnis dadurch, dass die vom Betriebsrat begehrte Unterlassungsverfügung eine Vorwegnahme der Hauptsache beinhaltet, die nur ausnahmsweise in Betracht kommt.

Eine inhaltlich dem Hauptanspruch entsprechende Unterlassungsverfügung kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG in Verb. mit § 938 ZPO nur dann in Betracht kommen, wenn Art und Ausmaß der Gefahr und die eindeutig im Vordergrund stehenden Interessen des Antragstellers dies rechtfertigen (Münchener Kommentar a. a. O. § 938 Randnummer 38). Nur wenn das Gericht auf Grund entsprechender Glaubhaftmachung des Anspruchstellers davon überzeugt ist, dass eindeutig eine Rechtsverletzung droht, kann eine so folgenreiche Verbotsverfügung begehrt werden, wie der Betriebsrat sie im vorliegenden Fall beantragt. Eine solche eindeutige Beweislage ergibt sich hier nicht.

Die Kammer konnte es nach alledem dahinstehen lassen, ob es nicht gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG Sache des Betriebsrates gewesen wäre, seinerseits bei Ablauf der Frist des § 5 der Betriebsvereinbarung nach der beabsichtigten Dienstplangestaltung für den Monat August bei der Arbeitgeberin nachzufragen. Dies hätte vor allem deshalb nahe gelegen, weil der Betriebsrat auch bereits für den Vormonat Juli - wegen ähnlich widersprüchlicher eidesstattlicher Versicherungen erfolglos - einen entsprechenden Unterlassungsantrag gestellt hatte. Gegen diese gemäß § 2 Abs. 2 Gerichtskostengesetz kostenfrei ergehende Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 92 Abs.1 Satz 3 ArbGG).

Ende der Entscheidung

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