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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.01.2007
Aktenzeichen: 6 Sa 1393/06
Rechtsgebiete: BGB, EFZG


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
EFZG § 3
Mit einer Freistellungsvereinbarung verpflichtet sich der Arbeitgeber in der Regel nicht zu einer über die gesetzliche Verpflichtung (§ 3 EntgeltFG) hinausgehenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 6. Juli 2006 - 2 Ca 44/06 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlungsansprüche bei Erkrankung.

Die Klägerin war seit dem 01. Juli 1990 bei der Beklagten als Raumpflegerin mit einem Stundenlohn von € 7,87 brutto beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt mit Kündigung vom 30. Mai 2005. Kündigungsgrund war, dass die Beklagte zur Jahresmitte 2005 einen Reinigungsauftrag verloren hatte. Die Parteien schlossen im anhängigen Kündigungsschutzverfahren am 11. Juli 2005 daraufhin einen Vergleich auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Oktober 2005. Weiter wurde vereinbart, dass die Klägerin unwiderruflich unter Fortzahlung ihres Lohnes freigestellt wird.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Freistellungsvereinbarung im Vergleich vom 11. Juli 2005 die Beklagte verpflichtet Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall auch über den 6-wöchigen Zeitraum hinaus zu leisten. Die Klägerin macht einen Lohnanspruch für Oktober 2005 in Höhe von € 1.361,64 brutto geltend. Unstreitig war vor dem 01. Oktober 2005 der 6-wöchige Entgeltfortzahlungszeitraum abgelaufen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06. Juli 2006 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. September 2004 - 5 AZR 99/04 - die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 24. Januar 2007 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt. Die Klägerin meint, die vom Arbeitsgericht angezogene Entscheidung sei nicht einschlägig. Das Bundesarbeitsgericht habe ausgeführt, dass trotz unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitsleistung bei Erkrankung des Arbeitnehmers über den Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen hinaus eine Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers nicht mehr bestehe und dies damit begründet, dass dem Arbeitnehmer im Anschluss an den Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums Sozialversicherungsleistungen zufließen würden. Dies sei jedoch im vorliegenden Streitfall nicht so. Die Klägerin habe im Hinblick auf die vereinbarte Freistellung keinerlei Krankengeldleistungen erhalten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hanau vom 06. Juli 2006 - 2 Ca 44/06 - die Beklagte zu verurteilen, weitere € 1.353,64 brutto nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10. Mai 2005 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie meint, mit der vergleichsweisen Vereinbarung einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeit unter Fortzahlung der Vergütung werde zu Lasten des Arbeitgebers regelmäßig kein Grund für eine Entgeltfortzahlungspflicht geschaffen, die über die gesetzlich geregelten Fälle der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hinausgeht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 22. September 2006 (Bl. 37 - 39 d.A.) und die Berufungserwiderungsschrift vom 14. November 2006 (Bl. 45, 46 d.A.) und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 06. Juli 2006 - 2 Ca 44/06 - ist statthaft und außerdem form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 66 ArbGG, 517, 519 ZPO).

In der Sache ist die Berufung der Klägerin jedoch erfolglos. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Mit einer Freistellungsvereinbarung verpflichtet sich der Arbeitgeber in der Regel nicht zu einer weitergehenden Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Arbeitsunfähigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 29.09.2004 - 5 AZR 99/04 - BAGE 112, 120 = AP Nr. 23 zu § 3 EFZG). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Krankenkasse keine Leistungen erhält. Mangels entsprechender Anhaltspunkte in der Freistellungsvereinbarung kann auch in einem solchen Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber den Willen hatte, dieses Risiko zu übernehmen. Im Streitfall sind keine Gesichtspunkte in dem Text des Prozessvergleichs ersichtlich, die darauf schließen lassen, dass die Parteien den Willen hatten (§ 133 BGB) die gesetzliche Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers zu erweitern. Die Parteien haben in dem gerichtlichen Vergleich vom 11. Juli 2005 insofern lediglich vereinbart:

"Bis zum 31. Oktober 2005 wird die Klägerin unwiderruflich von der Arbeitsleistung unter Anrechnung noch bestehender Urlaubsansprüche und Freizeitausgleichs aus Überstunden unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt."

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass bei Vergleichsabschluss über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zwischen den Parteien gesprochen wurde, zumal die Klägerin unstreitig am 11. Juli 2005 auch gar nicht arbeitsunfähig war und eine Erkrankung auch nicht absehbar war.

Nicht entscheidungserheblich ist daher, ob die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes zu Recht verweigert. Das Berufungsgericht ist darüber hinaus allerdings der Ansicht, dass dies hier nicht der Fall ist. Jedenfalls für den Fall aber, dass die Krankenkasse zu Unrecht die Zahlung des Krankengeldes verweigert, ist erst recht nicht anzunehmen, dass der Arbeitgeber mit der Freistellungsvereinbarung trotz unrechtmäßiger Verweigerung der Krankengeldzahlung durch die Krankenkasse für diese leisten möchte.

Es soll deshalb nur kurz darauf hingewiesen werden, dass das Bundessozialgericht nur für einen Sonderfall des Sperrzeitenrechts entschieden hat, dass das Beschäftigungsverhältnis schon im Zeitpunkt der Freistellung als gelöst gelten soll (vgl. BSG vom 25.04.2002 - B11 AL 65/01 R - BSGE 89, 243 - 250). Weiter ist darauf hinzuweisen, dass in einer gemeinsamen Besprechung vom 05./06. Juli 2005 sich die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband deutscher Rentenversicherungsträger und die Bundesagentur für Arbeit auf einheitliche Grundsätze zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Freistellungsvereinbarungen verständigt haben. Dabei ist die Auffassung der Spitzenverbände, mit dem Beginn einer einvernehmlichen, unwiderruflichen Freistellung ende das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis, durchaus als dogmatisch nicht haltbar und im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stehend kritisiert worden (vgl. Bauer/Krieger in DB 2005, 242 ff., Freistellungsvereinbarungen: Neue sozialversicherungsrechtliche Spielregeln - Rechtsfolgen, Kritik, Alternativen). Jedenfalls aber soll es nach Auffassung der Spitzenverbände eine Ausnahme geben, wenn durch Arbeitsgerichtsurteil oder arbeitsgerichtlichen Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen Zeitpunkt nach dem letzten Arbeitstag festgelegt wird und dem Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung der tatsächlichen Arbeitsleistung das bisherige Arbeitsentgelt oder ein Teilarbeitsentgelt gezahlt wird. In diesem Fall gelte der im Urteil festgesetzte oder im Vergleich vereinbarte Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch als Zeitpunkt der Beendigung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Bauer/Krieger, a.a.O.). Dieser Ausnahmefall jedenfalls ist im Streitfall gegeben, weil sich die Parteien im gerichtlichen Vergleich vom 11. Juli 2005 nach Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte vom 30. Mai 2005 auf die Freistellung der Klägerin unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts verständigt haben.

Die Klägerin hat die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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