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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 24.04.2006
Aktenzeichen: 7/14 Sa 1401/05
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 64
Wird nur ein Gesellschafter einer GbR von einer Arbeitnehmerin klageweise in Anspruch genommen und erstinstanzlich verurteilt und zahlt der andere Gesellschafter vor Eingang der Berufung vorbehaltlos die seinem Gesellschaftsanteil entsprechende Quote an der ausgeurteilten Summe, dann ist die Berufung unzulässig, wenn der verbleibende Anteil weniger als 600,00 Euro ausmacht.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07. April 2005 - 5 Ca 3393/04 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Zahlung von Weihnachtsgeld für das Jahr 2004.

Die Beklagten waren gemeinsam mit Herrn A und Herrn B bis zum 31. Dezember 2004 Gesellschafter der Rechtsanwaltskanzlei A, GbR (im Folgenden: "A GbR"). Die Anteile an der Gesellschaft waren wie folgt verteilt:

Rechtsanwalt A: 32%

Rechtsanwalt B1: 32%

Rechtsanwalt B: 32%

Rechtsanwalt B2: 4%

Die Klägerin war auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30. Juni 1997, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 5 - 7 d.A. Bezug genommen wird, als Rechtsanwaltsfachangestellte zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.100,00 € bei der A GbR beschäftigt.

Mit ihrer Klage vom 03. Dezember 2004 hat die Klägerin die Beklagten auf Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2004 in Höhe von 1.050,00 € brutto in Anspruch genommen.

Die Beklagten haben im Rahmen der Klageerwiderung vom 04. März 2004 Drittwiderklage gegen die Rechtsanwälte A und B erhoben (Bl. 59 - 64 d.A.)

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin 1.050,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Januar 2005 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben widerklagend beantragt,

1. die Drittwiderbeklagten zu verurteilen, die Beklagten von sämtlichen Ansprüchen der Klägerin auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Kalenderjahr 2004 freizustellen,

2. hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Beklagten von der Klageforderung in Höhe von 2/3 als Gesamtschuldner freizustellen.

Die Drittwiderbeklagten haben beantragt,

die Drittwiderklage abzuweisen.

Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts im übrigen und des Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Teilurteils (Bl. 186 - 193 d.A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagten durch Teilurteil als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 639,11 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Januar 2005 zu zahlen und im übrigen die Klage abgewiesen.

Die Drittwiderklage hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 09. Juni 2005 abgetrennt und als selbständigen Rechtsstreit fortgeführt. Eine Entscheidung ist noch nicht ergangen. Soweit das Arbeitsgericht den Rechtsweg insofern für unzulässig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Wiesbaden verwiesen hatte, ist der Beschluss inzwischen durch die erkennende Kammer aufgehoben und der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt worden (Beschluss vom 17. Februar 2006 - 7/6/5 Ta 357/05).

Gegen das Teilurteil vom 07. April 2005, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Beklagten.

Mit Schreiben vom 13. April 2005 (Bl. 183 d.A.) erklärten die Drittwiderbeklagten auf einem Briefbogen der A, B und Partner GbR (im Folgenden: "AB GbR") gegenüber der Klägerin:

"Sehr geehrte Frau ....,

unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07.04.2005 erklären wir Ihnen gegenüber hiermit, dass wir die Herren B1 + B2 in Höhe von 2/3 von der Urteilssumme freistellen.

Mit freundlichen Grüßen

RAe A - B - Partner GbR

durch:

A B

Rechtsanwalt Rechtsanwalt"

Durch Schriftsatz vom 07. Juni 2005 setzte der Klägervertreter die Beklagten von dieser Freistellungserklärung in Kenntnis. Der Schriftsatz wurde den Beklagten am selben Tag durch das Arbeitsgericht Wiesbaden per Telefax übermittelt.

Am 04. Juli 2005 wurde den Beklagten das Urteil vom 07. April 2005 zugestellt.

Am 01. August 2005 teilte der Klägervertreter den Beklagten mit, dass die Klägerin Zahlung in Höhe von 2/3 erhalten hat.

Am 03. August 2005 ging die Berufung der Beklagten beim Hessischen Landesarbeitsgericht ein.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Berufung sei zulässig, da sie weiterhin in voller Höhe des ausgeurteilten Betrags beschwert seien.

Die Beklagten seien zu keinem Zeitpunkt von 2/3 der Urteilssumme freigestellt worden. Das Schreiben vom 13. April 2005 sei ausschließlich an die Klägerin gerichtet. Außerdem sei darin gerade nicht die Freistellung durch die Drittwiderbeklagten als Gesellschafter der A GbR, sondern durch die AB GbR erklärt worden. Dies habe kein Wirkung gegenüber den Beklagten entfaltet. Vielmehr könnte die AB GbR die gezahlten Beträge jederzeit von der A GbR zurückfordern, da ein Forderungsübergang geltend gemacht werden könne.

Dass die Beklagten nicht freigestellt worden seien, folge auch daraus, dass die Drittwiderbeklagten im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden Abweisung der Widerklage beantragt haben.

Ferner sei in den Schreiben gegenüber den Beklagten keine Freistellung erklärt worden, zumal Rückgriffsansprüche völlig offen seien. Auch das Schreiben vom 1. August 2005 habe keine Klärung gebracht, da darin lediglich die Zahlung, nicht aber die Annahme durch die Klägerin erklärt worden sei. Der Schriftverkehr, der danach folgte, zeige, dass die Freistellung keineswegs eindeutig erklärt worden sei.

Schließlich fehle es an der Unwiderruflichkeit der Freistellung. Angesichts der Tatsache, dass über das Rechtsverhältnis der früheren Gesellschafter immer noch Rechtsunsicherheit bestünde, seien die Beklagten weiterhin in voller Höhe beschwert. Eine Freistellung hätte nur dann zu einem Wegfall der Beschwer geführt, wenn die Beklagten ebenfalls Schuldner des Anspruchs gewesen wären. Dies sei aber wegen der Unbegründetheit der Klage nicht der Fall.

Die Beklagten beantragen,

1. das Teilurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 07. April 2005 - 5 Ca 3393/04 abzuändern,

2. die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält die Berufung für unzulässig, da der Beschwerdewert bereits vor Einlegung der Berufung durch die Freistellung der Beklagten in Höhe von 2/3 des Urteilsbetrags auf unter 600,00 € gesunken sei.

Bereits im Schriftsatz vom 01. April 2005 hätten die Drittwiderbeklagten die Freistellung der Beklagten in Höhe von 64% des Weihnachtsgeldes erklärt und dies gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 13. April 2005 wiederholt. Sollte trotz alledem bei den Beklagten noch eine Unklarheit über den Umfang der Freistellung bestanden haben, so sei diese spätestens durch das Schreiben vom 01. August 2005 ausgeräumt worden, mit dem der Klägervertreter die erfolgte Zahlung an die Klägerin bestätigte. Damit war den Beklagten bekannt, dass sie zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung nicht mehr in voller Höhe der Urteilssumme beschwert waren. Auf einen etwaigen Ausgleich im Innenverhältnis komme es im Verhältnis der Klageparteien nicht an.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien, insbesondere auch zur Begründetheit des Klageanspruchs, wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unzulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro nicht übersteigt, § 64 Abs. 2 b) ArbGG.

Für die Berechnung der Beschwer kommt es auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung - hier also den 03. August 2005 - an (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG § 64 Rn. 21). Zu diesem Zeitpunkt machte die Beschwer nur noch 1/3 der Summe aus, zu deren Zahlung die Beklagten durch das Teilurteil vom 07. April 2005 verurteilt wurden. Dies ist mit 213,04 € ein Betrag, der weit unter der Berufungsgrenze des § 64 Abs. 2 b) ArbGG liegt.

Bereits mit Schriftsatz vom 01. April 2005 (Bl. 87 - 93 d.A.) hatten die Drittwiderbeklagten die Freistellung der Beklagten in Höhe von 64% der Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für 2004 unter Bezugnahme auf die entsprechenden Gesellschaftsanteile angekündigt. Die Tatsache, dass sie diese Freistellungserklärung nicht direkt abgaben, sondern in den für den Kammertermin angekündigten Antrag kleideten, musste den Beklagten bereits deutlich machen, dass die Widerbeklagten sie insoweit freistellen würden.

Dies erfolgte dann auch gegenüber der Klägerin durch das Schreiben vom 13. April 2005 unmittelbar nach der Verkündung des angefochtenen Teilurteils. Dieses Schreiben wurde den Beklagten am 07. Juni übermittelt.

Die darin erklärte Freistellung ist auch unmissverständlich. Insbesondere ändert daran die Tatsache, dass sie auf einem Briefbogen der AB GbR erklärt wurde, nichts, denn die Erklärung wurde von beiden Drittwiderbeklagten persönlich und unter Bezugnahme auf das bereits verkündete Urteil unterzeichnet.

Schließlich wurde den Beklagten auch durch das Schreiben des Klägervertreters vom 01. August 2005 mitgeteilt, dass die Drittwiderbeklagten 2/3 der Urteilssumme gezahlt haben. Dies durften die Beklagten nach den dargestellten Erklärungen nur so auslegen, dass die Klägerin die Freistellungserklärung angenommen hat. Dass in der Folge noch über Einzelheiten der Abrechnung, insbesondere der Höhe des brutto oder netto zu zahlenden Betrags korrespondiert wurde, ändert nichts an der erklärten Freistellung.

Durch diese Freistellungserklärung verminderte sich der Beschwerdewert für die Beklagten auch tatsächlich auf 213,04 €, denn nur noch in dieser Höhe sind sie durch das Teilurteil vom 07. April 2005 beschwert.

Die Beklagten können sich insbesondere nicht auf das Urteil des BGH vom 13. Januar 2000 - VII ZB 16/99 - berufen, denn dieses betraf eine andere Rechtslage als im vorliegenden Fall. Dort hatte ein durch Versäumnisurteil verurteilter Gesamtschuldner vor Einlegung der Berufung durch den anderen - durch streitiges Urteil verurteilten Gesamtschuldner - die gesamte Summe gezahlt. Dennoch erkannte der Bundesgerichtshof die Berufung als zulässig, da der Berufungskläger weiterhin in voller Höhe durch den von ihm bestrittenen Zahlungsanspruch beschwert war. Denn dieser hatte gerade bestritten, überhaupt Schuldner der geltend gemachten Forderung zu sein.

Hier liegt der Fall jedoch anders: Zwar bestreiten auch hier die Berufungskläger, überhaupt etwas der Klägerin gegenüber zu schulden. Dadurch, dass die Drittwiderbeklagten sie in Höhe eines ihrem Gesellschaftsanteil entsprechenden Teils der Urteilssumme freigestellt haben, reduziert sich ihr Klagerisiko auf einen Betrag, der einer Überprüfung durch die Berufungsinstanz nicht zugänglich ist.

Dem können die Beklagten nicht entgegenhalten, sie müssten weiterhin mit innergesellschaftlichen Ausgleichsansprüchen in einer 600,00 € übersteigenden Höhe rechnen, denn aus den von den Drittwiderbeklagten abgegebenen Erklärungen folgt entgegen der Auffassung der Beklagten, dass diese die Beklagten gerade als Anteilseigner zu je 32% von jeglicher Inanspruchnahme durch die Klägerin oder andere im Hinblick auf 2/3 des Weihnachtsgeldes 2004 freistellen.

Insbesondere wäre eine von den Beklagten ins Feld geführte Ausgleichsforderung der HPP GbR wegen der Erklärung vom 13. April 2005 grob rechtsmissbräuchlich, denn sowohl in Verbindung mit der Ankündigung vom 01. April 2005 als auch mit der später erfolgten Zahlung ist ersichtlich, dass nicht etwa diese Gesellschaft, sondern die Drittwiderbeklagten als frühere Partner der Beklagten die Freistellung erklärten. Dass sie über die Unterschriftsleiste "RAe A - B - Partner GbR" setzten, ändert nichts daran, denn durch die Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil und die persönlichen Unterschriften wird hinreichend deutlich, dass es die beiden Unterzeichner und nicht die GbR sind, die die Beklagten gegenüber der Klägerin freistellten.

Schließlich bleibt die Beschwer auch nicht im Hinblick auf etwaige Ausgleichsansprüche innerhalb der A GbR in voller Höhe bestehen. Denn die Drittwiderbeklagten haben einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Weihnachtsgeldes nie bestritten. Wenn sie dann einen ihrem Gesellschaftsanteil entsprechenden Teil des ausgeurteilten Betrags an die Klägerin zahlen, haben sie erkennbar eine eigene Schuld erfüllt, so dass die Beklagten angesichts der bestehenden Rechtslage keine Inanspruchnahme befürchten müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO

Für die Zulassung des Rechtsmittels der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG bestand keine gesetzlich begründbare Veranlassung.

Ende der Entscheidung

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