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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 1035/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 611 | |
ZPO § 258 |
2. Wird ein Arbeitgeber auf Beschäftigung in Anspruch genommen, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er den Arbeitnehmer beschäftigt.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach am Main vom 11. Mai 2005 - 4 Ca 355/04 - abgeändert unter Zurückweisung der Berufung im übrigen:
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Boten, Drucker oder mit einer sonstigen Tätigkeit der Entgeltgruppe 1 zu beschäftigen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagten je zur Hälfte zu tragen. *Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen, die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen. *berichtigt gem. Beschluss vom 28.06.2006
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Berufung darüber, ob der Kläger verlangen kann, dass die Beklagte ihn tatsächlich beschäftigt.
Der am 21.07.1957 geborene Kläger ist verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig. Er trat am 01. Juni 1977 als Arbeiter in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die Arbeitsverträge mit dieser verwiesen auf die Bestimmungen des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost und der sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost in ihrer jeweiligen Fassung.
Der Kläger ist aufgrund eines Gehfehlers mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug zuletzt €2.700,00. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 1 des Entgeltgruppenverzeichnisses zum bei der Beklagten geltenden Entgelttarifvertrag eingruppiert. Diese ist definiert:
"Entgeltgruppe 1:
Tätigkeiten, die ohne Vorkenntnisse nach Anweisung und/oder kurzer Anleitung ausgeführt werden können.
Richtbeispiele: Hausarbeiter, Lagerarbeiter, Reinigungskraft, Verlader/ Transportkraft"
Die Beklagte hatte den Kläger, der seit Januar 2002 für die Beklagte im Botendienst der Serviceniederlassung X tätig war, im August 2004 in die Abteilung Y versetzt. Den dagegen gerichteten Klageantrag hat das Arbeitsgericht abgewiesen mit Urteil vom 02. Februar 2005, das rechtskräftig geworden ist.
Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass die Beklagte ihm seit 01. April 2002 keine Arbeit zuweise, an seiner Anwesenheitspflicht aber festhalte. Ihm sei es nicht zumutbar, tagtäglich seine Arbeitszeit damit zu verbringen, in einem Raum ohne jede sinnvolle Beschäftigung herumzusitzen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Boten, Drucker oder mit vergleichbaren Tätigkeiten zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, dass sie den Kläger nach wie vor mit anfallenden Botentätigkeiten betraue. Diese fielen allerdings in einem wesentlich geringeren Umfang an als früher. Einen anderen Arbeitsplatz könne die Beklagte dem Kläger nicht zuweisen. Botentätigkeiten seien die einzigen derzeit vorhandenen Aufgaben, mit denen der Kläger im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und seiner aufgrund der Schwerbehinderung eingeschränkten physischen Möglichkeiten beschäftigt werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auch insoweit abgewiesen mit Schlussurteil vom 11. Mai 2005, auf das Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 01. März 2006 verwiesen.
Der Kläger rügt insbesondere, dass das Arbeitsgericht die Darlegungs- und Beweislast verkannt habe. Nicht er müsse darlegen und beweisen, dass er nicht beschäftigt werde, sondern die Beklagte, dass sie ihn beschäftige. Jedenfalls sei es menschenunwürdig, den Kläger die Dienstzeit an seinem Tisch absitzen zu lassen, ohne ihm eine sinnvolle Beschäftigung zuzuweisen. Der Kläger müsste freigestellt werden, wenn keine Einsatzmöglichkeit für ihn besteht.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Boten oder Drucker oder hilfsweise mit einer anderen leidensgerechten Tätigkeit zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihr Vorbringen, sie komme ihrer Verpflichtung zur tatsächlichen Beschäftigung nach. Der Kläger sei mit allen anfallenden Botendiensten der Beklagten in seinem Zuständigkeitsbereich betraut. Sonstige freie Arbeitsplätze, auf denen der Kläger eingesetzt werden könnte, seien bei der Beklagten nicht vorhanden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist in dem Umfang, der sich aus dem Tenor ergibt, begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Der Kläger verlangt, daß die Beklagte ihn beschäftigt. Damit macht er eine zukünftige Leistung geltend. Nach § 258 ZPO kann bei wiederkehrenden Leistungen auch wegen erst nach Erlass des Urteils fälliger Leistungen Klage auf zukünftige Entrichtung erhoben werden. Anders als §257 ZPO ist § 258 ZPO nicht nur auf Geld, sondern auch auf andere Leistungen anwendbar ( vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 258 Rz 2; Baumbach/Hartmann ZPO, § 258 Rz 5). Die Verpflichtung zur Beschäftigung ist auch nicht von einer Gegenleistung abhängig und ergibt sich - nur noch vom Zeitablauf abhängig - wiederkehrend aus dem Arbeitsverhältnis.
II.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger kann verlangen, dass die Beklagte ihn als Boten, Drucker oder mit einer sonstigen Tätigkeit der Entgeltgruppe 1 beschäftigt.
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass er von der Beklagten vertragsgemäß beschäftigt wird (ständige Rechtsprechung, BAG Großer Senat, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84, NZA 1985, S. 702). Davon ist auch das Arbeitsgericht zutreffend ausgegangen und das ist auch zwischen den Parteien unstreitig. Im Fall des Klägers richtet sich dieser Anspruch auf eine Beschäftigung als Bote oder Drucker - beides Tätigkeiten, die der Kläger schon ausübte für die Beklagte - oder eine sonstige Beschäftigung der Entgeltgruppe 1, in die der Kläger unstreitig eingruppiert ist. Auch dies wird von der Beklagten nicht bestritten. Soweit der Kläger auch nach Hinweis seinen Antrag nicht auf die Entgeltgruppe 1 einschränken und präzisieren wollte, war die Berufung zurückzuweisen.
Da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in diesen Grenzen besteht, war es Sache der Beklagten die Erfüllung darzulegen und zu beweisen. Das hat sie nicht getan. Sie hat sich darauf beschränkt zu behaupten, der Kläger werde nach wie vor mit anfallenden Botentätigkeiten betraut. Sie hat trotz des Bestreitens des Klägers und seines Vortrags, er müsse mit verschiedenen Kollegen in einem Raum beschäftigungslos sitzen, keine einzige Botentätigkeit benannt, die dem Kläger zugewiesen worden wäre. Wenn sie gleichzeitig vorgetragen hat, dass es die Tätigkeit des traditionellen Amtsboten nicht mehr gebe, erscheint schon fraglich, ob ihr Vortrag überhaupt dahin zu verstehen ist, dass dem Kläger tatsächlich irgendwelche Botentätigkeiten zugewiesen wurden.
Da die Beklagte behauptet, sie komme ihrer Beschäftigungspflicht nach, indem sie den Kläger mit anfallenden Botentätigkeiten betraue - ohne dies allerdings in irgendeiner Weise zu substantiieren - muss auch davon ausgegangen werden, dass es grundsätzlich bei der Beklagten eine solche Tätigkeit gibt. Ansonsten hätte die Beklagte behaupten müssen, sie könne den Kläger auch mit Botentätigkeiten nicht beschäftigen, da solche Aufgaben nicht vorhanden sind. Der Beklagten ist es demnach auch nicht unmöglich, den Kläger zu beschäftigen. Es braucht deshalb auch nicht näher darauf eingegangen werden, inwieweit die Beklagte den Kläger bei zumutbarer Organisation mit einer Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 1 als Hausarbeiter, Lagerarbeiter oder Reinigungskraft beschäftigen könnte. Die Beklagte hat demnach nicht substantiiert dargetan, dass sie den Anspruch des Klägers auf Beschäftigung erfüllt hätte.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte zu tragen, da der Kläger dort mit seinem Klageantrag zu 1. unterlegen ist, sein Antrag zu 2. aufgrund der Berufung im Wesentlichen erfolgreich war. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen, da der Kläger hier im Wesentlichen obsiegt hat und die Berufung nur in geringfügigem Umfang zurückgewiesen wurde.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Ende der Entscheidung
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