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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 15.08.2001
Aktenzeichen: 8 Sa 1098/00
Rechtsgebiete: BetrAVG
Vorschriften:
BetrAVG § 1 |
Der Gleichbehandlungsgrundsatz erstreckt sich betriebsübergreifend auf das gesamte Unternehmen. Sachliche Gründe - wie die Zugehörigkeit zu verschiedenen Branchen oder unterschiedliche wirtschaftliche Situation - können Differenzierungen zwischen Betrieben rechtfertigen (im Anschluss an BAG v. 17.11.1998 - DB 1999, 637 - 639).
2.
Auch aus einer betrieblichen Übung, eine Altersversorgung jeweils erst im Versorgungsfall zuzusagen, kann sich eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung ergeben.
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Urteil
Aktenzeichen: 8 Sa 1098/00
Verkündet laut Protokoll am 15.08.2001
In dem Rechtsstreit
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 8 in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am LAG Dr. Roßmanith als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richterinnen Schorn und Seifert-Witt als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 18. April 2000 - 8 Ca 5996/99 - wird abgeändert:
1.
Es wird festgestellt, dass dem Kläger gegen die Beklagte eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung zusteht.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe er Versorgungsleistungen bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beanspruchen kann.
3.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine unverfallbare Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung zusteht.
Der am 13. Dezember 1960 geborene Kläger trat am 01. Mai 1986 aufgrund Arbeitsvertrages vom 25. Februar 1986 (Bl. 80 d. A.) in die Dienste der 1996 auf die Beklagte verschmolzene "T " und war in deren F Niederlassung bis 31. Dezember 1998 beschäftigt. Von August 1991 bis Dezember 1996 war der Kläger dort bei der "T" und sodann wieder bei der Beklagten angestellt unter jeweiliger Zusicherung, dass alle Bedingungen des ursprünglichen Anstellungsvertrages vom 25. Februar 1986 und alle erworbenen Anwartschaften erhalten bleiben.
Die Beklagte und die "B" betreiben die Niederlassung F gemeinsam. Die Beklagte hat weiterhin Niederlassungen in D und H. Jede dieser Niederlassungen hat einen eigenen Betriebsrat und wird von einem Generalmanager geleitet, der sämtliche personellen und sozialen Angelegenheiten selbständig entscheidet und mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten mit dem jeweiligen Betriebsrat regelt.
Die A hatte ihren drei altersbedingt ausgeschiedenen Arbeitnehmern beim Ausscheiden Altersrente zugesagt. Zuletzt war das 1989 der Fall gewesen. In der F Niederlassung hat sie außertariflichen Angestellten, sei es bei der Einstellung, sei es beim Wechsel in den außertariflichen Bereich, eine Ruhegeldzusage erteilt.
Die Arbeitnehmer der Niederlassungen D und H erhalten bei Eintritt in den Ruhestand von der Beklagten eine Betriebsrente.
Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung ebenfalls eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung zu. Die Niederlassungen bildeten einen einheitlichen Betrieb.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass für ihn bei der Beklagten eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistung einer betrieblichen Altersversorgung besteht.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe er Versorgungsleistungen bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beanspruchen kann.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nur betriebsbezogen Anwendung finde und ihre Niederlassung in D, H und F jeweils selbständige Betriebe bildeten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen mit Urteil vom 18. April 2000, auf das Bezug genommen wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15. August 2001 verwiesen.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 2000 aufzuheben und
1. festzustellen, dass für den Kläger bei der Beklagten eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistung einer betrieblichen Altersversorgung besteht.
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe er Versorgungsleistungen bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze beanspruchen kann.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern, da die Klage begründet ist. Der Kläger hat gegen die Beklagte eine unverfallbare Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und kann Auskunft darüber verlangen, in welcher Höhe er Versorgungsleistungen bei Erreichen der Altersgrenze beanspruchen kann.
Der Kläger hat Anspruch auf betriebliche Altersversorgung gemäß dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
I.
Dieser Grundsatz gebietet nach ständiger Rechtsprechung dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleich zu behandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Dabei ist nicht nur eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe verboten, sondern vor allem eine sachfremde Gruppenbildung. Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, so kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden. Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG v. 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - DB 1999, 637 bis 638).
Unstreitig hat die Beklagte in ihrer F Niederlassung, der auch der Kläger angehörte, außertariflichen Angestellten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt. Ein sachlicher Grund, dem Kläger keine derartigen Leistungen zuzusagen, besteht nicht. Die Beklagte beruft sich auf die Arbeitsmarktlage in F, die es gebiete, qualifizierte Arbeitnehmer durch Zusage von Ruhegeld zu gewinnen. Damit hat die Beklagte nicht genügend substantiiert einen sachlichen Grund dargelegt. So ist es bei den Banken in F jedenfalls bei den Großbanken, allgemein üblich, sämtlichen Arbeitnehmern betriebliche Altersversorgung über die BW-Versorgung hinaus zu gewähren. Die Beklagte hat auch nicht näher dargelegt, was sie unter besonders qualifizierten Fachkräften versteht und welcher Zusammenhang mit außertariflichen Mitarbeitern besteht. Schließlich hat die Beklagte selbst vorgetragen, dass die Gewährung von Ruhegeldzusagen für außertarifliche Mitarbeiter meist nicht bei Einstellung - die meist zu Tarifbedingungen erfolge - geschieht, sondern später beim Wechsel in den außertariflichen Bereich. Der Rekrutierung kann diese Zusage mithin nicht dienen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Versorgungslücke bei außertariflichen Mitarbeitern höher sei als bei tariflichen Mitarbeitern, hat sie dies ebenfalls nicht näher dargelegt, insbesondere nicht dadurch, dass sie die Art und den Inhalt der Ruhegeldzusagen für die außertariflichen Angestellten erläutert hätte. Es ist deshalb insbesondere nicht ersichtlich, inwieweit die Ruhegeldzusagen für außertarifliche Mitarbeiter gerade auf den Bereich oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Rente abhebt. In dieser Hinsicht wäre eine Differenzierung der Leistungshöhe wohl möglich.
2.)
Der Beklagten war es gleichfalls verboten, den Kläger anders zu behandeln als ihre Arbeitnehmer der Niederlassungen D und H. Bei diesen Niederlassungen handelt es sich um weitere Betriebe des gleichen Unternehmens neben dem F Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt war. Diese drei Niederlassungen haben jeweils einen eigenen Betriebsrat, eine eigene Leitung, eigene Aufgaben und sind räumlich deutlich getrennt. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich lediglich, dass einzelne Betriebe bestimmte Aufgaben für das Gesamtunternehmen erledigen. Das ist aber lediglich die Folge davon, dass sie einem Unternehmen angehören, macht diese Betriebe aber nicht zu einem Betrieb. Auch die Zentrale eines Unternehmens, die zentral für alle Betriebe des Unternehmens bestimmte Aufgaben übernimmt, ist - wenn sie von den anderen Betrieben räumlich getrennt und einer eigenen Leitung unterstellt ist - ein eigener Betrieb.
Der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist aber nicht auf den Betrieb zu beschränken, sondern ist betriebsübergreifend auf das ganze Unternehmen zu erstrecken. Dies ergibt sich aus der Begründung und Ausprägung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 17. November 1998 (a.a.O.) ausgeführt. Dem folgt die Kammer. Allerdings kann die räumliche Entfernung zwischen verschiedenen Betrieben desselben Unternehmens, deren mögliche Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Branchen sowie die zwischen ihnen bestehenden organisatorischen Trennlinien sowie sonstige Unterschiede, etwa in der wirtschaftlichen Situation, Differenzierungen als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen. Für solche Differenzierungen ist hier aber nichts dargelegt. Es ist nichts dafür ersichtlich, wieso die Arbeitnehmer hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung in den Niederlassungen D, H und F unterschiedlich behandelt werden sollten. Vielmehr wird im Allgemeinen das Ruhegeld nicht nur unternehmensweit, sondern meist auch konzernweit gleich geregelt.
3.)
Es kann dahinstehen, ob sich darüber hinaus aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung ein Anspruch des Klägers in Hinblick auf die Ruhegeldzusagen für tarifliche Mitarbeiter ergeben könnte. Ausgeschlossen wäre dies jedenfalls nicht deshalb, weil die Zusagen jeweils erst beim Ausscheiden wegen Alters erfolgten. Auch darin wäre eine betriebliche Übung zu sehen, Ruhegeld bei Eintritt des Versorgungsfalles-Alter zu gewähren. Es kommt nicht darauf an, wann jeweils die Zusage erfolgte. Die betriebliche Übung besteht darin, dass Ruhegeld gewährt wird. Daraus ergibt sich der Anspruch unabhängig davon, ob und wann eine ausdrückliche Zusage erfolgt. Gegen eine betriebliche Übung würde auch nicht sprechen, dass seit 1989 solche Ruhegeldgewährungen nicht mehr neu erfolgten. Der Kläger hat unbestritten vorgetragen, dass seit dieser Zeit kein Mitarbeiter mehr mit Eintritt eines Versorgungsfalles bei der Beklagten ausschied.
II.
Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.
Ende der Entscheidung
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