Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 11.04.2007
Aktenzeichen: 8 Sa 1279/06
Rechtsgebiete: GewO, BGB


Vorschriften:

GewO § 106
BGB § 315
Das Direktionsrecht kann den Arbeitgeber berechtigen den Arbeitnehmer anzuweisen, an Schulungen teilzunehmen bei denen Kenntnisse oder Fähigkeiten für seine Arbeit vermittelt werden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 29. März 2006 - 9 Ca 9801/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, an bestimmten Schulungen teilzunehmen und über Vergütung während seiner Freistellung.

Die Beklagte betreibt an verschiedenen Flughäfen in Deutschland Flugzeug- und Bodenabfertigung.

Der Kläger ist seit 1969 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in der Abteilung "Operations/Loadcontrol" beschäftigt. Seit dem 01. August 2001 ist der Kläger Leiter dieser Abteilung. Die Anforderungen und Aufgaben dieser Funktion sind in einer Stellenbeschreibung vom 15.05.2003 enthalten, wegen deren näheren Inhalts auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.01.2006 (Bl. 23 d.A.) verwiesen wird.

Der Kläger gehört zum Trainerpool der Beklagten und ist Mitglied des Betriebsrats.

Gemäß den Anforderungen des Luftfahrtbundesamtes und der IATA benötigt jeder in der Abteilung "Operations/Loadcontrol" beschäftigte Mitarbeiter ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang über die Gefahrgutvorschriften (DGR-Lehrgang). Dieses Zertifikat ist in einem Abstand von 24 Monaten durch Teilnahme an einem "Refresher-Lehrgang" zu erneuern.

Weiter benötigt jeder in der Abteilung "Operations" mit "Loadcontrol" befasste Mitarbeiter ein Zertifikat über die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang zur Erstellung von "Loadsheets". Dieses Zertifikat ist in einem Abstand von 36 Monaten durch Teilnahme an einem "Refresher-Lehrgang" zu erneuern. Diese Trainingsprogramme sind von der IATA und den Luftverkehrsgesellschaften den Abfertigungsgesellschaften vorgeschrieben und werden von den Luftverkehrsgesellschaften überprüft.

Im September 2005 wurde bei der Beklagten von einem Technischen Überwachungsverein bei einem "Überwachungsaudit" festgestellt, dass das Zertifikat des Klägers zur Loadcontrol (LCRA 3) bereits seit dem Jahr 2004 abgelaufen war und das Zertifikat über die Gefahrgutvorschriften (DGR-Zertifikat) zum 25. September 2005 ablief.

Die Beklagte stellte den Kläger ab Oktober 2005 widerruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Mit Schreiben vom 18. November 2005 bestätigte sie diese Freistellung und erklärte, dass davon nicht die Schulungen zur Wiedererlangung der Zertifikate betroffen seien und forderte ihn auf, im Dezember 2005 an zwei Schulungen in Düsseldorf und Frankfurt am Main teilzunehmen. Wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 4 d.A.) verwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er nicht verpflichtet sei, an den Fortbildungsveranstaltungen und Schulungen teilzunehmen. Die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats sei verletzt. Arbeitsvertraglich sei er nicht verpflichtet, die fraglichen Zertifikate zu erwerben oder Arbeiten, die mit den Zertifikaten ausgeführt werden können zu übernehmen. Da er wegen seiner Freistellung nicht arbeite, sei die Heranziehung zu den Schulungen schikanös.

Weiter hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, Zeiten der Freistellung mit angesammelten Stunden auf seinem Arbeitszeitkonto zu verrechnen.

Schließlich hat er die Auffassung vertreten, er habe während der Zeit der Freistellung Anspruch auf die Vergütung, die er erzielt hätte unter Einschluss der durchschnittlichen Arbeit an Sonntags- und Feiertagsdiensten und in der Nacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass er nicht verpflichtet ist, an Fortbildungsveranstaltungen und Schulungen zur Thematik LCRA 3 und Basis LDGB 9 teilzunehmen;

2. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, während der Zeit der Freistellung Mehrarbeit bzw. Überstunden in Höhe eines Plus-Saldos von 161,41 gemäß Aufstellung Oktober 2005 zu verrechnen;

3. die Beklagte zu verurteilen, sein Arbeitsverhältnis von Oktober 2005 bis Februar 2006 während der Freistellung in Höhe der durchschnittlichen Erbringung von Sonntags- und Feiertagsdiensten und Nachstunden abzurechnen und zu vergüten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger müsse die fraglichen Zertifikate besitzen. Er könne ansonsten nicht mehr in Operations eingesetzt werden. Der Kläger müsse selbst in der Lage sein, die Tätigkeiten dort zu übernehmen. Die Abteilung sei zu klein um ihren Leiter ganz mit administrativer Tätigkeit auszulasten, sodass diese selbst in der Lage sein müsse, operrationell Tätigkeiten zu übernehmen. Diese habe er auch in der Vergangenheit ausgeführt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. März 2006 der Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, während der Zeit der Freistellung Mehrarbeit zu verrechnen und im Übrigen die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, soweit er unterlegen war und die Beklagte Anschlussberufung, soweit der Klage stattgegeben worden war.

Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11. April 2007 (Bl. 99 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er trägt vor, die Beklagte sei nicht berechtigt, ihn zu Schulungsveranstaltungen zu entsenden angesichts des Umstandes, dass er nicht beschäftigt sei und deshalb auch die Kenntnisse nicht brauche, die ihm vermittelt werden sollten. Die Beklagte habe auch überhaupt nicht die Absicht ihn wieder einzusetzen. Die Schulungen seien völlig sinnlos.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 9 Ca 9801/05 - vom 29.03.2006 teilweise abzuändern und nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen, insoweit, als die klägerischen Ansprüche abgewiesen wurden und die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 9 Ca 9801/05 - vom 29.03.2006 in Ziffer 1. abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, sie sei zur Verrechnung von Plus-Stunden des Arbeitszeitkontos des Klägers mit Zeiten der Freistellung berechtigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung des Klägers war durch Teilurteil zu entscheiden, da sie zur Entscheidung reif ist. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht hinsichtlich der Anträge zu 1. und 3. abgewiesen. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des Arbeitsgerichts.

Auf die Berufung ist festzuhalten:

1.

Der Kläger kann nicht die Feststellung verlangen, dass er nicht verpflichtet sei, an Fortbildungsveranstaltungen und Schulungen zur Thematik LCRA 3 und Basis LDGB 9 teilzunehmen. Vielmehr ist die Beklagte berechtigt, den Kläger anzuweisen, an diesen Schulungen teilzunehmen, um die entsprechenden Zertifikate zu erwerben. Die Teilnahme an diesen Schulungen gehört zu den Arbeitspflichten des Klägers. Diese Zertifikate sind erforderlich, um seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Auch als Leiter der Abteilung Loadcontrol gehört es zu seinen Verpflichtungen, jedenfalls im Notfall auch Arbeiten im operativen Bereich durchzuführen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte nicht berechtigt wäre, den Kläger dazu anzuweisen. Es kann dahinstehen, ob das Weisungsrecht der Beklagten auf die in der Stellenbeschreibung aufgeführten Aufgaben eingeschränkt ist und ob diese zum Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien wurden. Auch nach dieser Stellenbeschreibung gehört zu den Aufgaben des Klägers die Wahrnehmung sonstiger im Betrieb der Station anfallenden Tätigkeiten. Darunter fallen auch operrationelle Tätigkeiten, für die die fraglichen Zertifikate erforderlich sind. Diese zu erwerben und an den dafür erforderlichen Schulungen teilzunehmen gehört damit zu den Tätigkeiten, die die Beklagte dem Kläger kraft ihres Direktionsrechts nach § 106 GewO zuweisen konnte.

Diese Arbeitsanweisung ist auch nicht willkürlich. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte berechtigt war, den Kläger von seiner Arbeit freizustellen. Diese Freistellung erfolgte aber ausdrücklich widerruflich und die Beklagte hat im Hinblick auf die fraglichen Schulungen diese Freistellung widerrufen. Dass dies, die Weisung an den streitigen Schulungen teilzunehmen, lediglich schikanös gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat dafür vorgetragen, dass der Kläger mangels der Zertifikate nicht mehr hätte eingesetzt werden können. Dabei kann dahinstehen, ob für einen Einsatz des Klägers als Leiter die Zertifikate unabdingbar erforderlich waren oder ein jedenfalls teilweiser Einsatz möglich gewesen wäre. Jedenfalls ist es nachvollziehbar und keineswegs abwegig, dass die Beklagte die Zertifikate für einen weiteren Einsatz des Klägers für erforderlich hielt und den Kläger jedenfalls so lange von der Arbeit frei stellte, wie er über die Zertifikate nicht verfügt. Angesichts des sehr überschaubaren Umfangs der Schulungen, nämlich einmal von 3 Tagen und einmal von 2 Tagen ist auch ansonsten nicht ersichtlich, inwiefern das Verlangen der Beklagten, dass der Kläger sich qualifiziere, in irgendeiner Weise schikanös sein sollte.

2.

Der Antrag des Klägers zu 3. ist unzulässig, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. In der Tat ist dieser Antrag, mit dem eine Abrechnung "in Höhe der durchschnittlichen Erbringung von Sonntags- und Feiertagsdiensten und Nachtstunden" verlangt wird, zu unbestimmt, da nicht ersichtlich ist, was der Kläger unter "durchschnittlich" versteht. Die Ausführungen in der Berufung bringen keine Klarheit. Auf S. 8 der Berufungsschrift führt der Kläger aus, dass er der Auffassung sei, dass er Anspruch auf eine Abrechnung für die Freistellungsmonate erhalte, und zwar unter Einschluss der durchschnittlichen Erbringung von Sonntags- und Feiertagsdiensten sowie Nachtstunden auf der Basis einer hypothetischen Berechnung, unter Berücksichtigung der Vergangenheit in der konkreten Ausführung und Gestaltung der Dienst- und Arbeitszeiten des Klägers. Auf S. 11 führt der Kläger hingegen aus, dass das Lohnausfallprinzip anzuwenden sei und dies zukunftsbezogen sei und nicht auf einen Referenzzeitraum in der Vergangenheit abstelle. Schon daraus ergibt sich, dass selbst aus den näheren Ausführungen der Berufungsbegründung nicht klar wird, wie eine antragsgemäße Abrechnung auszusehen hätte.

Schließlich gewährt § 108 GewO auch keinen selbstständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs, wie ihn der Kläger geltend macht sondern betrifft nur die Abrechnung der erfolgten Zahlung. Wenn der Kläger zur Vorbereitung seines Zahlungsanspruchs Auskünfte benötigt, weil er von bestimmten Tatsachen keine Kenntnis hat, so kann er diese nach den allgemeinen Regeln über den Auskunftsanspruch verlangen. Erforderlich dafür wäre aber jedenfalls, dass diese Tatsachen konkret benannt werden. Der Verweis auf das Lohnausfallprinzip genügt dafür jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

Zurück