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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 20.03.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 761/07
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 60
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2. (Beklagter persönlich) wird das Urteil des Arbeitsgerichts in Gießen vom 01. März 2007 (1/3 Ca 383/05) unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 1. (Beklagter als Insolvenzverwalter) abgeändert:

Die Klage gegen den Beklagten zu 2. wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Beklagte zu 1. und der Kläger je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. hat der Kläger zu tragen, die des Klägers trägt der Beklagte zu 1. zur Hälfte; im Übrigen tragen sie die Parteien selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt vom Beklagten sowohl als Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1.) über das Vermögen der Axxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx wie persönlich (Beklagter zu 2.) Ersatz des Schadens aus der fehlenden Befriedigung von Vergütungsansprüchen, die auf die Agentur für Arbeit übergegangen waren.

Der Kläger stand seit Oktober 2000 in den Diensten der Insolvenzschuldnerin.

Der Beklagte zu 2. ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx (Insolvenzschuldnerin) am 01. Juni 2004 zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Nach Kündigungen der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten als Insolvenzverwalter (Beklagter zu 1.) zahlte der Beklagte zu 1. dem Kläger von Juni bis Oktober 2004 keine Vergütung. Der Kläger hatte sich arbeitslos gemeldet und für diese Zeit von der Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld erhalten. Der Kläger klagte die Vergütung für diese Zeit abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes ein. Nachdem am 14. Oktober 2004 der Kläger und der Beklagte zu 1. einen Vergleich geschlossen hatten, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch eine außerordentliche Kündigung der Insolvenzschuldnerin vom 07. April 2004 nicht aufgelöst worden war, beschäftigte der Beklagte zu 1. den Kläger ab dem 30. Oktober 2004 weiter und zahlte ihm den Lohn. Ende November 2004 machte die Agentur für Arbeit Cxxxxx gegenüber dem Beklagten zu 1. wegen des vom 23. Juli bis 29. Oktober 2004 gezahlten Arbeitslosengeldes einen übergeleiteten Lohnzahlungsanspruch in Höhe von € 6.155,48 geltend. Mit Schriftsatz vom 06. Januar 2005 nahm der Beklagte zu 1. die im Kündigungsschutzverfahren gegen das Urteil vom 14. Oktober 2004 eingelegte Berufung zurück. Am 11. Januar 2005 schloss der Beklagte zu 1. mit dem Kläger einen Vergleich über die Ansprüche des Klägers auf Vergütung aus den Monaten Juni bis Oktober 2004. Auf die Agentur für Arbeit übergegangene Ansprüche für die Zeit vom 23. Juli bis 29. Oktober 2004 leistete der Beklagte zu 1. keine Zahlungen.

Am 01.03.2005 ging der Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt gewesen war, auf einen Erwerber über. Bis dahin hatte der beklagte Insolvenzverwalter die Löhne gezahlt.

Am 02. Mai 2005 zeigte der beklagte Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an.

Ab 01. Januar 2006 bezog der Kläger Arbeitslosengeld, und zwar gemäß Änderungsbescheides vom 20. Februar 2006 für eine Dauer von 892 Tagen in Höhe von € 38,81 täglich. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein mit dem Ziel, die ursprünglich bewilligte Anspruchsdauer von 931 Kalendertagen zu erreichen. Dieser Widerspruch wurde zurückgewiesen mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2006.

Nach dem Widerspruchsbescheid verringerte sich die Anspruchsdauer durch die Zahlung von Arbeitslosengeld für die Zeiträume vom 01.02.2004 bis 29.02.2004 (29 Tage) und vom 23. Juli 2004 bis zum 29.10.2004 (99 Tage). Die Zeit vom 01.02.2004 bis zum 29.02.2004 wäre demnach nur dann nicht anspruchsmindernd wirksam geworden, wenn der Agentur für Arbeit für diese Zeit das gezahlte Arbeitslosengeld erstattet worden wäre.

Der Kläger macht den Schaden geltend, der ihm daraus entstand, dass die Beklagten nicht vor Eintritt der Masseunzulänglichkeit der Arbeitsagentur den übergegangenen Lohnanspruch für die Zeit der Zahlung des Arbeitslosengeldes vom 23.07. bis 29.10.2004 erstatteten. Dadurch sei die Dauer der Leistung von Arbeitslosengeld auf 892 Tage statt auf 931 Tage begrenzt worden. Der Beklagte habe dadurch seine Pflichten als Insolvenzverwalter verletzt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger auch den weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm zukünftig daraus entsteht, dass die Beklagten die auf die Agentur für Arbeit Cxxxxx übergegangenen Teile der Vergütung für den Zeitraum vom 23. Juli 2004 bis 29. Oktober 2004 in Höhe von insgesamt € 6.155,48 nicht an diese abgeführt haben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, sie hätten keine Pflichten als Insolvenzverwalter verletzt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 01. März 2007, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Er trägt vor, es bestünden keine Schadenersatzansprüche, da kein Ruhenstatbestand vorgelegen habe. Der Kläger habe auch die Minderung der Anspruchsdauer selbst verschuldet, weil er Zahlungen der Agentur für Arbeit dem Beklagten zu 1. falsch mitgeteilt habe. Er habe auch Krankengeld nicht bzw. nicht rechtzeitig offenbart. Auch sei der Betriebsübergang nicht berücksichtigt. Der Beklagte habe auch nicht schuldhaft gehandelt. Jedenfalls hafte der Beklagte - als Beklagte zu 2. - nicht persönlich. Er habe keine insolvenzrechtlichen Pflichten verletzt.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 01.03.2007 - 1/3 Ca 383/05 - wird abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1. - als Insolvenzverwalter - ist unbegründet, des Beklagten zu 2. - Beklagter persönlich - ist begründet.

1.

Der Beklagte zu 1. - Partei kraft Amtes als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Dxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx - ist verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihm daraus ersteht, dass er den auf die Agentur für Arbeit übergegangenen Anspruch auf Vergütung für die Zeit vom 23. Juli bis 29. Oktober 2004 nicht an diese abgeführt hat. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Das Berufungsgericht folgt insoweit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts.

Der Insolvenzverwalter tritt mit der Verfahrenseröffnung gem. § 80 InsO in die Arbeitgeberposition des Insolvenzschuldners ein. Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gegenüber dem Arbeitnehmer gehört es auch, diesen durch Erfüllung aller Verpflichtungen gegenüber Sozialversicherungsträgern vor Nachteilen hinsichtlich ihrer sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen zu bewahren. Auch wenn die Vergütungsansprüche für die Zeit vom 23.07. bis zum 29.10.2004 auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen waren, blieb der Beklagte zu 1. als Arbeitgeber auch gegenüber dem Kläger verpflichtet, diese durch Zahlung an die Agentur für Arbeit zu erfüllen. Ohne Erfüllung dieses übergegangenen Anspruchs blieb es nämlich dabei, dass der Kläger für diesen Zeitraum Arbeitslosengeld erhalten hatte, und dieser Zeitraum mithin auf die Anspruchsdauer anzurechnen blieb. Indem der Beklagte zu 1. dieser Verpflichtung nicht nachkam, hat er seine Pflichten als Arbeitgeber verletzt und dadurch den Kläger insoweit geschädigt, als dieser Zeitraum auf die Höchstanspruchsdauer für das Arbeitslosengeld angerechnet wurde. Die Einzelheiten dazu ergeben sich aus dem Widerspruchsbescheid des Arbeitsamts und den Ausführungen des Arbeitsgerichts. Für diesen Schaden sind Fragen des Krankengeldbezugs und der Höhe des Bezugs der Leistungen unerheblich. Auch ist der Widerspruchsbescheid der Agentur für Arbeit offensichtlich zutreffend. Entscheidend für die Anspruchsdauer ist allein, für welche Zeit der Arbeitslose im Reverenzzeitraum Arbeitslosengeld tatsächlich gezogen hat. Dieser Zeitraum wäre kürzer gewesen, wenn der Beklagte zu 1. die auf die Agentur für Arbeit übergegangenen Vergütungsansprüche erfüllt und damit das Arbeitslosengeld erstattet hätte.

2.

Der Kläger kann den Beklagten zu 2. - den Beklagten persönlich - nicht gem. § 60 InsO in Anspruch nehmen. Nach dieser Vorschrift ist der Insolvenzverwalter allein Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach der Insolvenzordnung obliegen. Er haftet für die schuldhafte Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten. So ist er verpflichtet, die Ansprüche der Massegläubiger vorab aus der Masse zu befriedigen. Er hat vor der Befriedigung einzelner Massegläubiger zu prüfen, ob, in welchem Umfang und in welcher Reihenfolge Masseverbindlichkeiten zu befriedigen sind und ob die Masse überhaupt ausreicht um alle Masseforderungen zu bedienen (vgl. BAG vom 25. Januar 2007 - 6 AZR 559/06 - DB 2007, S. 1537). Diese Pflicht hat der Beklagte allerdings dadurch verletzt, dass er den Vergütungsanspruch für die Zeit vom 23. Juli bis zum 29. Oktober 2004 nicht vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit erfüllte. Spätestens Mitte Januar 2005 konnte der Beklagte keinen Zweifel mehr daran haben, dass diese Vergütungsansprüche als Masseverbindlichkeiten bestanden. Zu diesem Zeitpunkt stand fest, dass die zuvor ausgesprochenen Kündigungen des Arbeitsverhältnisses unwirksam waren und er hatte die dem Kläger zustehenden Vergütungsansprüche anerkannt. Weiterhin hatte der Beklagte danach noch spätere Vergütungsansprüche des Klägers, nämlich für Januar und Februar 2005, erfüllt, genauso wie die Vergütungsansprüche anderer Arbeitnehmer. Indem er diese aus der Zeit von Juli bis Oktober 2004 stammende Masseverbindlichkeit nicht erfüllte, verletzte er somit seine Pflichten als Insolvenzverwalter. Allerdings stand der Anspruch für die Zeit vom 23.07. bis 29.10.2004 nicht dem Kläger sondern der Bundesanstalt für Arbeit zu. Dieser gegenüber hat der Beklagte mithin seine Pflicht als Insolvenzverwalter verletzt, ihren Anspruch vorab aus der Masse zu befriedigen und sie nicht gegenüber anderen Massegläubigern zu benachteiligen. Der Kläger war insoweit nicht Beteiligter. Ihm gegenüber bestand keine Pflicht nach der Insolvenzordnung, die Masseverbindlichkeit zu befriedigen. Verletzt hat der Beklagte gegenüber ihm zwar seine Pflichten als Arbeitgeber, nicht aber die ihm nach der Insolvenzordnung obliegenden insolvenzspezifischen Pflichten. Der Kläger ist nur mittelbar dadurch geschädigt, dass der Beklagte seine Pflichten als Insolvenzverwalter gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit als Massegläubiger der Vergütungsansprüche für die Zeit vom 23.07. bis 29.10.2004 nicht erfüllt hat. Beides ist zu trennen.

Für die Erfüllung der dem Arbeitgeber obliegenden Pflichten haftet grundsätzlich die Insolvenzmasse. Es handelt sich dabei nicht um insolvenzspezifische Pflichten (vgl. Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 60 Rz 54, 55, 57).

Die Kosten des Rechtsstreits waren im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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