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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 930/08
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
Ein Anspruch auf die in einem Merkblatt für die Personalabteilung vorgesehene erhöhte "direktorale Altersversorgung" war nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu bejahen für einen stellvertretenden Direktoren, dem diese im Gegensatz zu einer Reihe anderer Direktoren versagt wurde.
Tenor:

Die Berufung der Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 27.02.2008 - 22 Ca 2985/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, dass sie ihm eine Versorgungszusage mit einem erhöhten Steigerungssatz (1,75% statt 1,25% für jedes anrechenbare Dienstjahr) gewährt.

Der Kläger ist am ... geboren. Seit dem 01. Februar 1979 ist er bei der Beklagten beschäftigt. Zum 01. Januar 1992 erhielt der Kläger Prokura und im Zusammenhang damit einen neuen Anstellungsvertrag vom 30. Dezember 1991, in dessen § 5 die Altersversorgung geregelt ist. Hinsichtlich dieser verweist der Vertrag auf die entsprechenden Dienstvereinbarungen und bestimmt, dass der Steigerungsbetrag einzelvertraglich auf 1,25% der anrechenbaren Bezüge für jedes anrechenbare Dienstjahr festgelegt wird.

Ende 2000 wurde der Kläger mit Wirkung zum 01. Januar 2001 zum stellvertretenden Direktor ernannt. Im Zusammenhang damit schlossen die Parteien unter dem 07. Februar/29. März 2001 einen neuen Anstellungsvertrag. Dieser nahm hinsichtlich der betrieblichen Altersversorgung auf die entsprechenden Betriebsvereinbarungen in Verbindung mit der einzelvertraglich erteilten Versorgungszusage Bezug. Weiter sagte die Beklagte dem Kläger eine Regelung der Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung, den sog. "Katastrophenschutz", zu.

In der Personalabteilung der Beklagten gibt es ein "Merkblatt für die betriebliche Altersversorgung". Darin sind Hinweise hinsichtlich der Dienstvereinbarung von 1987 und deren Anwendbarkeit auf verschiedene Mitarbeitergruppen enthalten. Unter anderem heißt es darin:

"Ab Prokuristen aufwärts wird der Steigerungssatz anders ermittelt. Im Einzelnen gilt: ...

d) Direktoren/stv. Direktoren (Pensionsschlüssel 020)

Für jedes volle Dienstjahr, das nach Vollendung des 40. Lebensjahres in dieser Position abgeleistet wird, beträgt der Steigerungsbetrag 1,75% der anrechenbaren Bezüge zuzüglich eines Sockelbetrages von 30% der anrechenbaren Bezüge. Der Sockelbetrag ersetzt evtl. bis Alter 40 aufgelaufene Steigerungsbeträge.

Zwischen dem vollendeten 40. Lebensjahr und einem späteren Zeitpunkt der Ernennung zum Direktor/stv. Direktor aufgelaufene Steigerungsbeträge bleiben dagegen erhalten und werden dem Sockelbetrag hinzugerechnet. Das Ruhegeld ist zusammen mit Versorgungsleistungen anderer Arbeitgeber auf 65% der anrechenbaren Bezüge begrenzt. Bei einem Überschreiten des Höchstsatzes wird das Ruhegeld entsprechend gekürzt.

Die Versorgungszusage erfolgt nach 2-jähriger Vertragslaufzeit als Voll-Direktor bzw. nach 4-jähriger Vertragslaufzeit als stv. Direktor. Der Katastrophenschutz wird bei Eintritt/Ernennung erteilt und von der späteren Versorgungszusage abgelöst."

Mit einer "Information für die Mitarbeiter der ... Bank - Intern" vom 06. September 2001 teilte die Beklagte ihren Mitarbeitern u.a. mit:

"Neue Titelstruktur in der XY Bank / AT-Gehaltsstruktur

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in der ... BANK wird es künftig nur noch vier Titelebenen geben. Das haben die Vorstände von XY BANK und xx Z-Bank bei ihrer jüngsten Sitzung beschlossen. Mit der Neufassung der Titelstruktur sollen die in beiden Banken bestehenden Regelungen harmonisiert und zugleich im Sinne einer klaren Trennung von Titel und Funktion vereinbart werden.

So sieht die neue Titelstruktur der XY BANK künftig die Titelebenen Stellvertretender Abteilungsdirektor, Abteilungsdirektor, Stellvertretender Direktor und Direktor vor. Die Titel Generalbevollmächtigter und Prokurist werden nicht mehr neu vergeben. Die Eintragung einer Prokura ins Handelsregister wird nur noch dann erfolgen, wenn es die Funktion zwingend erfordert. Zugleich wird die Vergabe von Titeln künftig nicht mehr mit materiellen Aspekten (Altersversorgung, Dienstwagen) verknüpft sein. ...

Bestehende Titel sind von der Neuregelung nicht betroffen. ..."

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2003 teilte die Beklagte dem Gesamtbetriebsrat unter dem Betreff "Betriebliche Altersversorgung - Streichung der Steigerungssätze in Verbindung mit BV bAV 87 und Übergang" mit, dass mit Vorstandsbeschluss vom 30. September 2003 entschieden worden sei, dass ab 01. Oktober 2003 die einzelvertragliche Anhebung der Steigerungssätze bei zukünftigen Vertragsänderungen (z. B. TG-AT-Wechsel) entfalle, wovon Mitarbeiter betroffen seien, für die die Betriebsvereinbarung "bAV" und/oder "Übergangsregelung" vom 22. Dezember 1987 gelten.

Seit 01. Januar 1996 wurden eine Reihe von Mitarbeitern zu stellvertretenden Direktoren oder Direktoren berufen, von denen ein Teil eine verbesserte (direktorale) Altersversorgung entsprechend dem Merkblatt erhielten und ein Teil nicht. Von den im Jahr 2001 zu stellvertretenden Direktoren oder Direktoren Ernannten, erhielten 11 keine verbesserte Altersversorgung, 3 erhielten eine Zusage.

Der Kläger hat behauptet, dass es bei der Beklagten seit Ende der 70er Jahre eine durchgängig geübte betriebliche Praxis dahingehend gegeben habe, dass nach Ablauf der jeweils maßgeblichen Vertragslaufzeit von 2 Jahren seit Ernennung bei Direktoren bzw. von 4 Jahren nach Ernennung bei stellvertretenden Direktoren eine schriftliche Versorgungszusage mit einem erhöhten Steigerungssatz von 1,75% pro anrechenbaren Dienstjahr erteilt worden sei, wie unter Ziffer 2. d) des "Merkblatts für betriebliche Altersversorgung" im Einzelnen beschrieben.

Anlässlich des Abschlusses der Dienstvereinbarung "Betriebliche Altersversorgung" vom 22. Dezember 1987 habe zwischen der Beklagten und Mitarbeitern der Arbeitnehmervertretung Einvernehmen bestanden, dass die Praxis der Erhöhung von Versorgungszusagen gegenüber Direktoren und stellvertretenden Direktoren fortgeführt werden solle.

Bereits in der Mitarbeiterzeitschrift "Per Saldo" 1/78 habe der damalige Bereichsleiter Personal ausgeführt, dass durch einzelvertragliche Zusagen, die jedoch festen Regeln folgen, die jährlichen Steigerungssätze für außertarifliche Angestellte so angehoben würden, dass das relative Zurückbleiben der mit festen Höchstbeträgen ausgestatteten Angestelltenversicherungsrente angemessen ausgeglichen werde.

Ihm, dem Kläger, sei diese Praxis bekannt geworden durch Gespräche mit seinen in vergleichbaren Positionen beschäftigten Kollegen. Im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden seiner Ernennung zum stellvertretenden Direktor habe der Kläger erfahren, dass die in vergleichbarer Position beschäftigten Kollegen nach 4-jähriger Wartezeit eine direktorale Altersversorgung erhielten, wie er sie forderte.

Der Kläger behauptet, dass die ganz überwiegende Anzahl derjenigen Mitarbeiter, die zum stellvertretenden Direktor berufen wurden und die Voraussetzungen des Merkblattes erfüllten, nach Ablauf der dort vorgegebenen Wartezeiten eine direktorale Altersversorgung erhalten habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Versorgungszusage wie folgt zu erteilen:

"Wir gewähren Ihnen Versorgungsansprüche gemäß Betriebsvereinbarungen vom 22.12.1987 (Betriebsvereinbarung "Betriebliche Altersversorgung" und "Übergangsregelung") in der jeweils gültigen Fassung mit folgender Abweichung:

Gemäß Ziffer 2 Abschnitt B der Betriebsvereinbarung "Übergangsregelung" wird der Steigerungsbetrag wie folgt angehoben:

Für jedes volle Dienstjahr, das Sie nach Vollendung des 40. Lebensjahres in der Position als stellvertretender Direktor ableisten, beträgt der Steigerungsbetrag 1,75% der anrechenbaren Bezüge zuzüglich eines Sockelbetrages von 30% der anrechenbaren Bezüge. Der Sockelbetrag ersetzt eventuell bis Alter 40 aufgelaufene Steigerungsbeträge.

Zwischen dem vollendeten 40. Lebensjahr und einem späteren Zeitpunkt der Ernennung zum stellvertretenden Direktor aufgelaufene Steigerungsbeträge bleiben Ihnen dagegen erhalten und werden dem Sockelbetrag hinzugerechnet.

Der bisher gewährte Katastrophenschutz (Invaliditäts- und Hinterbliebenenrente) entfällt mit dieser Zusage."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass es keine Grundlage gäbe für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Weder läge eine betriebliche Übung vor, noch vergleichbare Fälle, auf die gestützt der Kläger die Gleichbehandlung verlangen könne.

Die Beklagte hat behauptet, die Vorstände der xx Bank und der xy-Bank hätten im Hinblick auf die Zusammenführung der beiden Banken, die im Herbst 2001 erfolgte, bereits zu Beginn des Jahres 2001 beschlossen, die Titelstrukturen neu zu fassen und zu harmonisieren und zukünftig mit der Vergabe von Titeln keinerlei materielle Aspekte mehr zu verknüpfen. Dies sei bereits zu Beginn des Jahres 2001 kommuniziert worden. Das ergebe sich insbesondere aus dem Informationsschreiben vom 06. September 2001. Seit 2001 habe die Beklagte damit zu erkennen gegeben, dass zukünftig mit der Zuweisung von Titeln keine finanziellen Veränderungen mehr verbunden seien, insbesondere keine Veränderungen der Versorgungsregelung. Die Beklagte sei seit 2001 auch so verfahren. Abweichungen beruhten auf individuellen Vereinbarungen und Vorstandsbeschlüssen im Einzelfall.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 27. Februar 2008, auf das Bezug genommen wird hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts und des streitigen Vortrags der Parteien im Einzelnen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll der Sitzung vom 25. März 2009 verwiesen.

Die Beklagte trägt vor:

Der Anspruch des Klägers könne nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden. Der Vorstand der Beklagten habe entschieden, generell keine Verbesserung der Leistungen bei einer Ernennung zum Direktor oder stellvertretenden Direktor zu gewähren, d.h. grundsätzlich überhaupt keine Anpassungen der Versorgungsregelungen mehr bei einer solchen Ernennung ab 01.01.2001 vorzunehmen. Die Beklagte führt nach dem 01.01.2001 ernannte 26 Direktoren und stellvertretende Direktoren auf, die keine Verbesserung der Altersversorgungsregelung erhielten, und räumt ein, dass 3 Mitarbeiter berufen wurden, bei denen eine solche Verbesserung erfolgte.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 2008 - Az.: 22 Ca 2985/07 - wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er weist darauf hin, dass mehr als die Hälfte der zwischen 1996 und 2000 zu stellvertretenden Direktoren oder Direktoren ernannten Personen eine direktorale Altersversorgung erhalten hätten und im Jahr 2001 insbesondere Personen eine solche verbesserte Altersversorgung erhalten hätten, die seit 1997 ernannt wurden und auch der von der Beklagten eingeräumte Anteil der Begünstigten an den nach 2001 ernannten genüge, um den Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung zu stützen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht als begründet stattgegeben. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des Arbeitsgerichts, jedenfalls soweit es den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Begründung des Anspruchs des Klägers heranzieht.

Die Ausführungen in der Berufung vermögen keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Auch nach dem Vortrag in der Berufungsinstanz steht fest, dass jedenfalls 3 von 14 im Jahr 2001 zu stellvertretenden Direktoren oder Direktoren ernannte Angestellte eine direktorale Altersversorgung zugesagt erhielten, wie sie der Kläger verlangt. Dabei ist davon auszugehen, dass die 3 begünstigten Arbeitnehmer wie der Kläger im Jahr 2001 ernannt wurden und eine Zusage entsprechend der Regelung für Direktoren/stellvertretende Direktoren im Merkblatt erhielten. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, abweichendes darzulegen, wenn dies günstiger für sie wäre. Die Beklagte hat damit jedenfalls für die Ernennungen während des Jahres 2001 die Regelung, wie sie im Merkblatt enthalten ist und wie sie die Beklagte zuvor in einer Vielzahl von Fällen angewandt hat, nicht aufgegeben.

Der Kläger kann Gleichbehandlung mit den 3 begünstigten Arbeitnehmern verlangen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz greift nicht erst dann ein, wenn die Mehrheit der Arbeitnehmer begünstigt wird. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber - wie hier - eine kollektive Regelung trifft. Die Bestimmungen des Merkblattes sind eine kollektive Regelung, die die Beklagte sich selbst gegeben und für die dort genannten Gruppen angewendet hat. Gerade wenn die Regelung nicht auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer hier: die stellvertretenden Direktoren und Direktoren angewandt wird, stellt sich die Frage der Gleichbehandlung. Maßgeblich ist dann nicht das quantitative Verhältnis der Gruppen zueinander. Die begünstigte Gruppe kann auch zahlenmäßig kleiner als die benachteiligte Gruppe sein. Daher kann auch die Begünstigung einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern den Arbeitgeber dazu verpflichten, sie mit einer zahlenmäßig größeren Gruppe von Arbeitnehmern gleich zu behandeln (BAG vom 08. August 2000 - 9 AZR 517/99 - dort Verhältnis 4 Begünstigte zu 180 nicht Begünstigten; BAG 19. August 1987 - 5 AZR 222/86; 25. Januar 1984 - 5 AZR 89/82 - BAGE 45, 76) .

Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, aus welchen sachlichen Gründen der Kläger anders behandelt wurde als andere Angestellte, die wie er zum stellvertretenden Direktor bzw. Direktor ernannt wurden. Die Behauptung, es habe sich um individuelle Vereinbarungen aufgrund Vorstandsbeschlusses im Einzelfall gehandelt, genügt nicht. Erforderlich wäre gewesen darzulegen, welche besonderen individuellen Umstände gegeben sind, den Kläger anders als die im Merkblatt genannte Gruppe der Direktoren zu behandeln.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sie erfolglos blieb.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund.

Ende der Entscheidung

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