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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: 9/10 Ta 25/09
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1
ArbGG § 48 Abs. 1
BetrVG § 78
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Dezember 2008 - 3 BV 557/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die richtige Verfahrensart.

Die Beteiligte zu 2) und Arbeitgeberin ist eine Fluggesellschaft. Die Beteiligte zu 1) war bis zum 20. Mai 2008 Mitglied der auf der Grundlage des im Unternehmen geltenden Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. Nov. 1972 gewählten Gruppenvertretung der Purseretten und Purser mit 15 Mitgliedern. Sie ist Mitglied im Aufsichtsrat der Arbeitgeberin und Mitglied der Gruppe "UFO-Wir bauen Brücken."

Mit Schreiben vom 20. Mai 2008 sprach die Beteiligte zu 2) gegenüber der Beteiligten zu 1) eine Abmahnung aus, zu deren Inhalt auf Bl. 11, 12 d. A. verwiesen wird. Ihr wird vorgeworfen, sie habe die Veröffentlichung "Purser News" vom 2. Mai 2008 (Bl. 48, 49 d. A.) in die ausschließlich dienstlichen Zwecken vorbehaltenen Crewpostfächer der Purser und Flugbegleiter geworfen. Die "Purser News" erweckten nach der Kopf- und Fußzeile den Eindruck, als stammten sie von der Gruppenvertretung. In Wahrheit handele es sich jedoch um Veröffentlichungen einzelner Mitglieder der Gruppenvertretung. Hierin liege eine Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten wegen des Missbrauchs von Ressourcen der Arbeitgeberin zu betrieblich nicht gerechtfertigten Zwecken.

Die Veröffentlichung "Purser News" vom 2. Mai 2008 war von Mitgliedern der Gruppenvertretung Purseretten/Purser und Stewardessen/Stewards unterzeichnet, die der Gruppierung "UFO-Wir bauen Brücken" angehören. Mitglieder dieser Gruppierung betreiben derzeit die Anfechtung der letzten Personalvertretungswahl. Am 5. Mai 2008 bat die Beteiligte zu 1) die zuständige Abteilung um Genehmigung der Sonderveröffentlichung. Diese Abteilung teilte der Beteiligten zu 1) durch Schreiben vom 6. Mai 2008 mit, die Veröffentlichung sei nicht rechtmäßig, da sie nicht auf einem Mehrheitsbeschluss beruhe. Die Einladung zu einem entsprechenden Personalgespräch erhielt sie per SMS durch den stellvertretenden Geschäftsführer der Personalvertretung.

Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung gewesen, es gehe nicht um einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten. Eine Pflicht, unter dem Briefkopf der Gruppenvertretung nur Texte zu veröffentlichen, die von der Vorsitzenden autorisiert seien, betreffe allein das Verhältnis zwischen der Beteiligten zu 1) als Mitglied der Gruppenvertretung und der Gruppenvertretung. Eine Abmahnung von Personalvertretungstätigkeit sei nicht zulässig. Die Abmahnung stelle eine Behinderung der Tätigkeit in der Personalvertretung dar. Auch das Einlegen der Veröffentlichungen in die Crewfächer stelle keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, denn diese dienten auch der Hinterlegung betrieblicher Mitteilungen. In der Vergangenheit hätten immer wieder Personalvertreter Veröffentlichungen in eigener Sache in die Postfächer verteilt. Die Beteiligte zu 1) habe zudem durch Abmahnung veranlasst werden sollen, ihre Tätigkeit im Aufsichtsrat arbeitgeberfreundlich zu gestalten. Die Gruppierung "UFO-Wir bauen Brücken" habe auch Wahlwerbung betreiben dürfen.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, die gegenüber ihr am 20. Mai 2008 ausgesprochene Abmahnung ersatzlos aus der Personalakte zu entfernen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat gerügt, der Antrag sei im Urteils- und nicht im Beschlussverfahren zu verfolgen, da es sich um eine individualrechtliche Abmahnung handele, die bei Missbrauch der Crewfächer jeder Beschäftigte erhalten hätte. Dies ergebe sich schon aus dem vorletzten Absatz der Abmahnung. Es sei der Gruppenvertretung erlaubt worden, die von den Vorsitzenden unterzeichneten monatlichen Rundschreiben direkt in die Postfächer zu verteilen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat das Beschlussverfahren durch Beschluss vom 4. Dez. 2008 - 3 BV 557/08 - für zulässig erklärt, da es in der Sache um einen Anspruch nach § 58 TVPV wegen Behinderung der Tätigkeit der Personalvertretung gehe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diesen ihr am 19. Jan. 2009 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) am 21. Jan. 2009 sofortige Beschwerde eingelegt und begründet, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

Die Beteiligte zu 2) rügt weiterhin, der Antrag der Beteiligten zu 1) sei im Urteilsverfahren zu verfolgen. Sie bleibt dabei, dass Gegenstand der Abmahnung eine "normale" arbeitsrechtliche Pflichtverletzung sei und dass es sich nicht um eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung handele.

Die Beteiligte zu 2) beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Dez. 2008 - 3 BV 557/08 - das Beschlussverfahren für unzulässig zu erklären und den geltend gemachten Entfernungsanspruch der Beteiligten zu 1) in das Urteilsverfahren überzuleiten.

Die Beteiligte zu 1) beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Sie trägt vor, die Beteiligte zu 2) habe alle Mitglieder der Gruppierung "UFO-Wir bauen Brücken" vor dem Hintergrund ihres Engagements in der Tätigkeit der Gruppenvertretung abgemahnt. Es handele sich um eine Einmischung in personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten.

Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist statthaft. Gegen die Entscheidungen der Arbeitsgerichte über die Zulässigkeit der Verfahrensart findet das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statt, § 48 Abs.1 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs.4 Satz 3 GVG. Sie ist auch zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt wurde, §§ 83 Abs. 5; 78 Abs.1 ArbGG i.V.m. § 569 Abs. 1 bis 3 ZPO.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist jedoch nicht begründet. Über den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Entfernung der streitbefangenen Abmahnung aus der Personalakte ist gemäß § 2 a Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit § 58 TVPV (§ 78 BetrVG) im Beschlussverfahren zu entscheiden, weil es sich um eine Angelegenheit aus dem Personalvertretungsgesetz handelt. Eine unberechtigte personalvertretungsrechtliche Abmahnung würde eine Störung der Personalvertretungsarbeit darstellen.

Das gilt, obwohl die Abmahnung vom 20. Mai 2008 äußerlich individualrechtlich gestaltet ist. So wird im vorletzten Absatz ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten gerügt und es werden arbeitsrechtliche Schritte angedroht. Mit der Abmahnung wird jedoch in der Sache allein das Verhalten der Beteiligten zu 1) als Mitglied der Personalvertretung verfolgt. Dabei kann dahinstehen, ob bei Amtspflichtverletzungen und / oder vor Einleitung eines Verfahrens gem. § 23 Abs. 1 BetrVG eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung des Arbeitgebers überhaupt zulässig ist. Dies ist in Rechtsprechung und Schrifttum streitig. Gegen die Zulässigkeit einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung des Arbeitgebers spricht, dass dieser dadurch die Möglichkeit bekäme, durch ihre Anwendung gezielt einzelne Betriebsratsmitglieder zu verunsichern und damit Einfluss auf den Betriebsrat zu nehmen. Abgelehnt wird die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung des Arbeitgebers deshalb zu Recht vom Bundesarbeitsgericht (Beschluss vom 26. Jan. 1994 - 7 AZR 640/92 - Juris; ferner etwa LAG Niedersachsen Beschluss vom 25. Okt. 2004 - 5 TaBV 96/03 - NZA-RR 2005, 530; Fitting § 23 BetrVG, Rn. 17a, Wolmerath dbr 2007, 36). Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei Verstößen gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten, die nicht zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, keine Kündigung und damit auch keine Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall in Betracht kommt, sondern nur ein Antrag nach § 23 Abs. 1 BetrVG und damit auch nur die Inaussichtstellung eines solchen Antrags für den Wiederholungsfall (für eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung etwa von ArbG Berlin Beschluss vom 10. Jan. 2007 - 76 BV 16593/06 - Juris; DKK/Klebe § 23 BetrVG Rn 12; Düwell § 23 BetrVG, Rn. 15).

Eine Pflichtverletzung durch ein Betriebsratsmitglied als Gegenstand einer Abmahnung kommt zwar in Betracht, wenn es zumindest auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Umgekehrt ist, wenn das Verhalten eines Arbeitnehmers zugleich auch eine Verletzung seiner Pflichten als Betriebsratsmitglied darstellt, eine Abmahnung wegen Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten nicht ausgeschlossen. (BAG Beschluss vom 10. Nov. 1993 - 7 AZR 682/92 - Urteil EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 29; BAG Beschluss vom 15. Juli 1992 - 7 AZR 466/91 - EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 26; BAG Beschluss vom 16. Okt. 1986 - 2 ABR 71/85 - AP Nr. 95 zu § 626 BGB, zu II 4 der Gründe). Hier handelt es sich der Sache nach indessen um eine personalvertretungsrechtliche Abmahnung. Die Abfassung und Verteilung der Purser News haben keinen individualrechtlichen Bezug, sondern ist ausschließlich personalvertretungsrechtlicher Natur. Diese werden als Rundschreiben der Gruppenvertretung Purser bezeichnet. Acht Gruppenmitglieder werden als Verfasser genannt. Die Purser News betreffen auch inhaltlich nur personalvertretungsrechtliche Angelegenheiten und am Ende überdies Wahlwerbung, deren Verteilung in die Postfächer nach Maßgabe des Wahlkodexes erlaubt gewesen wäre. Der Vorwurf, die Veröffentlichung der Mitglieder der Gruppenvertreter sei nicht von der Vorsitzenden autorisiert, betrifft das Verhalten der Beteiligten zu 1) als Gruppenmitglied. Das gilt auch für den Vorwurf, die Verfasser des Rundschreibens erweckten den Eindruck, als handele sich um eine Veröffentlichung der Gruppenvertretung. Der Einwurf in die Crewfächer kann hiervon nicht individualrechtlich abgespalten werden. Dies ist als notwendiger personalvertretungsrechtlicher Annex im Rahmen des vorgeworfenen Gesamtverhaltens, die jeglichen individualrechtlichen Bezuges entbehrt, zu sehen.

Eine Kostenentscheidung ergeht im Beschlussverfahren nicht, § 2 Abs. 2 GKG.

Gegen diesen Beschluss findet gemäß §§ 78 Abs. 2 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG, 72 Abs. 2 ArbGG keine weitere sofortige Beschwerde, die als Rechtsbeschwerde im Sinne von §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG anzusehen ist, statt. Gründe für eine Beschwerdezulassung im Sinne der §§ 72 Abs. 2 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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