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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 28.08.2003
Aktenzeichen: 9 Ta BV 40/03
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 76 a Abs. 2
BetrVG § 76 a Abs. 3
BetrVG § 33 Abs. 1
Der betriebsfremde, aber Unternehmensangehörige Beisitzer einer Einigungsstelle auf Betriebsebene hat nach § 76 a Abs. 2 BetrVG einen Vergütungsanspruch.

Auf das konkrete Bestreiten des Arbeitgebers hin hat der den Vergütungsanpruch geltend machende Beisitzer im Beschlussverfahren Einzelheiten zum ordnungsgemäßen Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses über seine Bestellung vorzutragen.


Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes ! Beschluss

Aktenzeichen: 9 TaBV 40/03

Verkündet laut Protokoll am 28. August 2003

In dem Beschlussverfahren

hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 9, in Frankfurt am Main auf die mündliche Anhörung vom 28. August 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bram als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Illing und den ehrenamtlichen Richter Hahn als Beisitzer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 18. November 2002 - 6 BV 7/01 - abgeändert.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Vergütung als Einigungsstellenbeisitzer.

Der Arbeitgeber betreibt mehrere D im Bundesgebiet, darunter eines in A und eines in M. Der Antragssteller ist im D A beschäftigt und dort gleichzeitig Vorsitzender des Betriebsrates.

Am 21. Juni 2001 verhandelte der Betriebrat des D M im Rahmen einer Einigungsstelle mit der Arbeitgeberin in N über den Einsatz D im H. Der Antragsteller war Beisitzer dieser Einigungsstelle, die unter dem Vorsitz eines Richters am Arbeitsgericht stattfand. Als Vergütungsanspruch macht der Antragsteller 7/10 des mit dem Einigungsstellenvorsitzenden vereinbarten Honorars geltend. Der Antragsteller stellte der Arbeitgeberin den Vergütungsbetrag in Höhe von DM 2.800,00 (= EUR 1.431,62) in Rechnung. Die Arbeitgeberin lehnte die Begleichung der Rechnung ab.

Der Antragsteller hat seinen Anspruch auf § 76 a Abs. 3 BetrVG gestützt. Er ist der Auffassung gewesen, er falle mit seiner Funktion als betriebsfremder Unternehmensangehöriger nicht unter § 76 a Abs. 2 BetrVG.

Der Antragsteller hat beantragt,

den Arbeitgeber zu verurteilen, an ihn EUR 1.431,62 nebst 9,26 % Zinsen seit dem 5. Oktober 2001 zu zahlen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat bestritten, dass der Bestellung des Antragstellers zum Einigungsstellenbeisitzer ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zu Grunde gelegen habe. Im Übrigen sei § 76 a Abs. 2 BetrVG hier anzuwenden. Zwar gehöre der Antragsteller nicht dem Betrieb der Arbeitgeberin in N an, Sinn und Zweck des § 76 a Abs. 2 BetrVG geböten aber, dass der Ausschluss der Vergütung auch für Betriebsratsmitglieder gelte, die dem Unternehmen angehörten. Zumindest sei bei der Höhe der Vergütung eine Kürzung vorzunehmen. Die Vergütung sei nach den §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen festzusetzen. Eine Vergütung von 7/10 des Honorars des Einigungsstellenvorsitzenden entspreche zwar im Regelfall billigem Ermessen, hier Fall müsse jedoch eine Kürzung vorgenommen werden, da der Antragsteller unternehmensangehöriges Betriebsratsmitglied sei. Die dem Antragsteller zustehende Vergütung sei nach billigem Ermessen auf 0 zu reduzieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Offenbach hat dem Antrag durch Beschluss vom 18. Nov. 2002 stattgegeben. Es hat angenommen, der Antragsteller habe gemäß § 76 Abs. 3 BetrVG einen Anspruch auf Vergütung für seine Tätigkeit als Einigungsstellenbeisitzer. Der Anspruch sei nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Antragsteller Unternehmensmitglied sei. Dieser Ausschluss sei weder dem Gesetz zu entnehmen noch durch Auslegung zu ermitteln. Substantiierte Zweifel an einem ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss habe der Arbeitgeber nicht vorgetragen, so dass von einem wirksamen Betriebsratsbeschluss ausgegangen werden müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diesen ihm am 28. Febr. 2003 zugestellten Beschluss hat der Arbeitgeber am 26. März 2003 Beschwerde eingelegt und diese am 25. April 2003 per Telefax begründet.

Der Arbeitgeber bestreitet weiterhin, dass der Antragsteller durch einen wirksamen Betriebsratsbeschluss zum Besitzer der Einigungsstelle bestellt worden sei. Er behauptet, in dem Dienstplan des D M sei am 28. Juni 2001 keine Betriebsratssitzung eingetragen worden. Es sei nicht nachvollziehbar, ob und wann eine außerordentliche Betriebsratssitzung stattgefunden habe. Dem Verwaltungsleiter Herrn M E sei eine Betriebsratssitzung an diesem Tage nicht bekannt, obwohl sich die Mitglieder beim Verlassen des Arbeitsplatzes abzumelden hätten. Bezeichnenderweise trage der Antragsteller diesbezüglich auch nicht substantiiert vor. Die Art und Weise der angeblichen Einladung unter Mitteilung des Tagesordnungspunktes sowie Zeitpunkt der Betriebsratssitzung würden nicht dargelegt. Der Betriebsrat bestelle seine Beisitzer durch Beschluss, der den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen eines Betriebsratsbeschlusses genügen müsse. Eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses sei die gemäß § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erfolgte rechtzeitige ordnungsgemäße Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung. Die Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift sei Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung. Fehle es an ihr, so entfalle schon deshalb ein Honoraranspruch aus § 76 a Abs. 3 BetrVG. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen sei vom Antragsteller nicht dargelegt worden. Für die Tatsache, dass die angebliche Betriebsratssitzung am 28. Juni 2001 dem Verwaltungsleiter im D M nicht bekannt und die Sitzung auch nicht im Dienstplan eingetragen gewesen sei, werde gegenbeweislich Herr M E zum Zeugenbeweis benannt. Der Arbeitgeber ist darüber hinaus weiterhin der Auffassung, der Vergütungsanspruch ergebe sich entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichtes nicht aus § 76 a Abs. 3 BetrVG.

Der Arbeitgeber beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 18. Nov. 2002 - 6 BV 7/01 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller meint, das neue Vorbringen des Arbeitgebers in der Beschwerdeinstanz dürfe keine Berücksichtigung finden. Die fehlende Eintragung in den Dienstplan und die fehlenden Mitteilung an Vorgesetzte über die außerordentliche Betriebsratssitzung seien auch nicht geeignet, insoweit ernsthafte Zweifel zu begründen. Er bezieht sich auf die Fotokopie eines Protokolls über eine außerordentliche Betriebsratssitzung zur "Beschlussfassung bezüglich Besetzung der Einigungsstelle H", auf das Bezug genommen wird (Bl. 96 d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 28. Aug. 2003 verwiesen.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag ist nicht begründet. Ein Vergütungsanspruch nach § 76 a Abs. 2 BetrVG besteht nicht. Einen Honoraranspruch hat zwar auch der betriebsfremde Unternehmensangehörige Beisitzer der Einigungsstelle. Eine andere Auslegung lässt § 76 a Abs. 2 BetrVG nicht zu. Ein Honoraranspruch ist nach § 76 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nur für Beisitzer, die dem Betrieb angehören ausgeschlossen.

Nach Satz 2 dieser Vorschrift erhalten auch Unternehmens- oder konzernangehörige Besitzer einer Einigungsstelle des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats keine Vergütung. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass dann, wenn die Einigungsstelle auf Betriebsebene gebildet ist, ein Besitzer, der dem Unternehmen oder Konzern angehört ist, betriebsfremd im Sinne des § 76 a Abs. 3 BetrVG ist und einen Anspruch auf Vergütung hat. Dies ist eine klare gesetzliche Regelung (ebenso BAG Beschluss vom 21. Juni 1989 - 7 ABR 92/87 - EzA § 76 BetrVG 1972 Nr. 49; FKHES BetrVG, 21. Aufl., § 76 a Rz. 13; GK-BetrVG, 7. Aufl., § 76 a Rz. 20; Richardi, BetrVG, 8. Aufl., § 76 a Rz. 14).

Der Antrag ist jedoch gleichwohl unbegründet. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller durch einen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss im Sinne des § 33 BetrVG zum Besitzer der Einigungsstelle bestellt worden ist. Der gesetzliche. Vergütungsanspruch des § 76 a Abs. 3 BetrVG knüpft an die organschaftliche Stellung des Beisitzers an. Er setzt eine wirksame Berufung in dieses Amt voraus (BAG, BAG Beschluss vom 24. April 1996 - 7 ABR 40/95 - EzA § 76a BetrVG 1972 Nr. 10; BAG Beschluss vom 19. August 1992 - 7 ABR 58/91 - EzA § 76a BetrVG 1972 Nr. 7). Dazu bedarf es eines Beschlusses des Betriebsrats. Dieser Beschluss muss den allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen genügen. Eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses ist die gem. § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG erfolgte rechtzeitige ordnungsgemäße Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung. Die Einhaltung dieser Verfahrensvorschrift ist Voraussetzung für eine wirksame Beschlussfassung. Fehlt es an ihr, so entfällt schon deshalb ein Honoraranspruch aus § 76 a Abs. 3 BetrVG.

Der Nachweis einer wirksamen Beschlussfassung des Betriebsrats ist zwar nur dann erforderlich, wenn hinter einer entsprechenden Rüge des Arbeitgebers Umstände stehen, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln geben können, ob tatsächlich ein Beschluss des Betriebsrats vorliegt oder dieser ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Ein bloßes Bestreiten einer entsprechenden Beschlussfassung des Betriebsrats mit Nichtwissen reicht mithin nicht aus (vgl. Hess. LAG Beschluss vom 23. Juni 1994 - 12 Ta BV 141/93 Juris; Hess. LAG Beschluss vom 17. August 1993 - 4 Ta BV 91/93 - BB 1994, 574).

Hier trägt der Arbeitgeber solche Anhaltspunkte jedoch vor, indem er behauptet, in dem Dienstplan des D M sei am 28. Juni 2001 keine Betriebsratssitzung eingetragen worden. Es sei nicht nachvollziehbar, ob und wann eine außerordentliche Betriebsratssitzung stattgefunden habe. Dem Verwaltungsleiter Herrn M E sei eine Betriebsratssitzung an diesem Tage nicht bekannt, obwohl sich die Mitglieder beim Verlassen des Arbeitsplatzes abzumelden hätten. Dieses Vorbringen in der Beschwerdebegründung ist gemäß §§ 87 Abs. 2, 67 Abs. 2, 3 ArbGG zulässig, weil es den Beschwerderechtszug nicht verzögert. Auf diesen Angriff der Beschwerde wäre es Sache des Antragstellers gewesen, zum ordnungsgemäßen Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses vorzutragen, insbesondere, welche Betriebsratsmitglieder oder Ersatzmitglieder auf welche Weise unter Mitteilung welcher Tagesordnungspunkte zu dieser Sitzung eingeladen worden sind. Zu diesem Vorbringen bestand Anlass, denn aus der erstmals in der Anhörung in der Beschwerdeinstanz vorgelegten Ablichtung eines Beschlusses vom 28. Juni 2001 ergibt sich, dass kurzfristig eine außerordentliche Sitzung einberufen worden ist, auf der nur drei Betriebsratsmitglieder anwesend waren und auch die Betriebsratsvorsitzende Frau W nicht zugegen war.

Der Antragsteller gehört zwar nicht dem Betrieb und Betriebsrat an, er hat aber auch nicht vorgetragen, dass ihm diese Informationen nicht zugänglich seien und er außer Stande sei, Näheres zur Einladung zur Sitzung vorzutragen. Aber auch dann, wenn man unter diesem Gesichtspunkt das Vorbringen des Antragstellers in Verbindung mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 25. Febr. 2002, Seite 2 (Bl 27 d. A.) als ausreichend ansähe, änderte dies am Ergebnis nichts, weil das Vorbringen verspätet wäre. Es müssten dann der vom Antragsteller erstinstanzlich benannte Zeuge W und gegebenenfalls der vom Arbeitgeber benannte Zeuge E vernommen werden, was einen neuen Termin notwendig machte und das Verfahren verzögerte. Dem Antragsteller wurde durch Beschluss vom 5. Mai 2003 unter Hinweis auf die Verspätungsfolgen der §§ 90 Abs. 2, 83 Abs. 1 a ArbGG aufgegeben worden ist, binnen Monatsfrist, also bis zum 27. Juni 2003, auf die Beschwerdebegründung zu erwidern. Er erwiderte jedoch erstmals mit im Anhörungstermin übergebenem Schriftsatz auf die Beschwerde, mit der auf nahezu drei engbedruckten Seiten eine nicht ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats gerügt wird.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.

Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht keine gesetzlich begründete Veranlassung, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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