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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 9 Ta BV 95/03
Rechtsgebiete: BetrVG, BRAGO
Vorschriften:
BetrVG § 111 Satz 2 | |
BetrVG § 40 | |
BRAGO § 20 |
Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Beschluss
Aktenzeichen: 9 TaBV 95/03
Verkündet laut Protokoll am 19. Februar 2004
In dem Beschlussverfahren
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 9, in Frankfurt am Main auf die mündliche Anhörung vom 19. Februar 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Bram als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Lonnendonker und den ehrenamtlichen Richter Lehr als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 18. März 2003 - 5 BV 7/02 - teilweise abgeändert:
Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1) von der Übernahme der Honorarnote der Rechtsanwälte H..., Dr. W... und T... vom 15. Oktober 2002 in Höhe von € 1.236,56 (i.W.: eintausendzweihundertsechsunddreißig 56/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2002 freizustellen.
Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Darüber hinaus wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligte zu 2) zugelassen.
Gründe:
Die Beteiligten streiten um die Kosten eines vom Betriebsrat im Rahmen einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG beauftragten Rechtsanwalts.
Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen mit seinerzeit fünf Standorten in B..., K..., Z..., R... und R... und gehört zum V...-Konzern mit Sitz in W... An den Standorten waren insgesamt mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Beteiligte zu 1) war der am Standort B... gewählte fünfköpfige Betriebsrat. Im August 2002 wurde von der Konzernleitung die unternehmerische Entscheidung getroffen, Umstrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen und im Zuge dessen den Standort B... vollständig zu schließen. Außerdem hat die Beteiligte zu 2) am Standort K... das Geschäftsfeld 3 und am Standort Z... das Geschäftsfeld 2 deutschlandweit zusammengeführt und Arbeitsplätze abgebaut bzw. verlagert. Hierüber hat die Beteiligte zu 2) den Betriebsrat mündlich am 19. August 2002, darüber hinaus in einer Auftaktsitzung am 27. August 2002 und mit Schreiben vom 2. September 2002 in Kenntnis gesetzt.
In der Betriebsratssitzung vom 23. August 2002 hat der Betriebsrat den Beschluss gefasst, Rechtsanwalt Dr. W... aufgrund der von der Beteiligten zu 2) geplanten Betriebsänderung und damit verbundenen Schließung des Standorts B... mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen. Mit Schreiben des Rechtsanwalts Dr. W... vom 29. August 2002 (Bl. 153, 154 d.A.) zeigte dieser seine Vertretung gegenüber der Beteiligten zu 2) nebst Honorarregelung vom 200,00 Euro/Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer mit der Bitte um Zustimmung bis zum 2. September 2002 an. Das Schreiben wird wie folgt eingeleitet:
"...
wir zeigen hiermit an, dass wir den Betriebsrat Ihres Unternehmens ...anwaltlich beraten..."
Mit Schreiben von Rechtsanwalt Dr. W... vom 9. Oktober 2002 und 15. Oktober 2002 machte dieser seine Honorarnote unter Darlegung einer Zeit- und Arbeitsaufwandsliste (vgl. Bl. 8, 9 d.A.) nebst Besprechungsinhalt gegenüber der Beteiligten zu 2) in Höhe von insgesamt 4833,34 Euro geltend. Die Übernahme der Anwaltskosten wurde durch die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 25. Oktober 2002 u.a. mit der Begründung abgelehnt, eine Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats für die geplante und durchgeführte Betriebsänderung im Unternehmen bestehe nicht. Am 24. September 2002 schloss die Beteiligte zu 2) mit dem im Unternehmen eingerichteten Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan über das geplante Sanierungs- und Restrukturierungskonzept im Unternehmen (vgl. Bl. 103-120 d.A.).
Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats zum Abschluss eines Interessenauusgleichs und Sozialplans hab bestanden, da lediglich der Standort B... von einer Schließung betroffen gewesen sei, während in den Standorten K... und Z... lediglich ein Personalabbau stattgefunden habe und zwei Standorte nicht betroffen gewesen seien. Nach der Neufassung des § 111 BetrVG sei er auch berechtigt gewesen, einen juristischen Sachverständigen ohne Zustimmung der Geschäftsleitung hinzuzuziehen. Letztlich entspreche das vereinbarte Zeithonorar den im mittelhessischen Raum üblichen Sätzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, ihn von der Übernahme der Honorarnote der Rechtsanwälte H..., Dr. W... und T... vom 15. Oktober 2002 in Höhe von 4.833,34 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 18. November 2002 freizustellen.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) ist der Auffassung gewesen, § 111 BetrVG setze voraus, dass im Betrieb mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt seien. Da es sich bei der geplanten Maßnahme um ein unternehmenseinheitliches Konzept gehandelt habe, sei die zwingende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats gegeben gewesen. Der Anspruch gemäß § 111 BetrVG auf Hinzuziehung eines Beraters habe daher dem für die Verhandlungen unzuständigen örtlichen Betriebsrat nicht zugestanden. Aus dem Beschluss des Betriebsrats und den Anschreiben seines Prozessbevollmächtigten ergebe sich im Übrigen auch nicht, dass dieser als Berater im Sinne des § 111 BetrVG beauftragt werden solle, sondern als Interessenvertreter. Letztlich bestehe aber auch nur ein Anspruch auf Übernahme derjenigen Kosten, die verhältnismäßig seien. Dabei sei auf die BRAGO unter Zugrundelegung des Regelgegenstandswerts gemäß § 8 Abs. 2 BRAGO und einer Erstberatungsgebühr in Höhe von maximal 180 Euro bzw. einer Mittelgebühr von 5,5/10 abzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Gießen hat dem Antrag durch Beschluss vom 18. März 2003 in Höhe von EUR 1.504,52 stattgegeben und ihn im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beratungsanspruch nach § 111 Satz 2 BetrVG entfalle nicht deshalb, weil der örtliche Betriebsrat - nach Ansicht der Beteiligten zu 2) - für die Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen nicht zuständig gewesen sei. Auch der für die anstehenden Verhandlungen vermeintlich nicht zuständige Betriebsrat sei hinsichtlich der zu erwartenden Folgen der Betriebsstillegung für den Betrieb und die von ihm vertretenen Arbeitnehmer derart betroffen, dass ihm ein Anspruch auf Hinzuziehung eines Beraters zustehen müsse. Dabei gehe es um eine Vielzahl von Fragestellungen, angefangen von allgemeinen Unterrichtungspflichten über bestehende Beteiligungsrechte des örtlichen Betriebsrats bis hin zur Frage, wie sich der Betriebsrat in der jeweiligen Situation gegenüber Arbeitnehmern, Arbeitgeber und gegebenenfalls auch gegenüber dem Gesamtbetriebsrat zu verhalten habe. Die geltend gemachten Kosten der Honorarnote des Rechtsanwalts Dr. W... in Höhe von insgesamt 4.833,34 Euro seien jedoch in dieser Höhe nicht verhältnismäßig. Nach dem Bewertungsmaßstab des LAG Mecklenburg-Vorpommern ergebe sich ein Verfahrenswert von EUR 90.666. Daraus errechne sich die zuerkannte Beratungsgebühr. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.
Gegen diesen ihr am 30. Mai 2003 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 30. Juni 2003 per Fax Beschwerde eingelegt und diese am 30. Juli 2003 ebenfalls per Telefax begründet.
Die Arbeitgeberin ist weiterhin der Auffassung, es mangele an einem Beschluss des Betriebsrats zur Hinzuziehung eines anwaltlichen Beraters. Nach § 111 S. 2 BetrVG sei der Betriebsrat lediglich befugt, sich zur eigenen Unterstützung externer Sachkundiger zu bedienen, nicht aber seine Rechte von einem externen Berater wahrnehmen zu lassen, wie dies nur im Fall einer Beauftragung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 BetrVG möglich wäre. § 111 S. 2 BetrVG erlaube zudem nur dem für die zu beratende Betriebsänderung zuständigen Betriebsrat die Hinzuziehung eines Beraters ohne die Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 BetrVG. Zuständig für die Verhandlungen mit der Beteiligten zu 2) über Inhalt und Umfang der geplanten Betriebsänderung sei der Gesamtbetriebsrat gewesen. Soweit das Arbeitsgericht im Hinblick auf die Zuständigkeit des Betriebsrats darauf verweise, es fehle bei den neben dem Betrieb in B... von der Betriebsänderung betroffenen Betrieben in Z... und K... an einer vergleichbaren Betroffenheit, habe es sich nicht mit den vorgetragenen Fakten befasst. Insgesamt habe die Beteiligte zu 2) mit dem Gesamtbetriebsrat einen Personalabbau durch Kündigungen im Umfang von 87 Arbeitsplätzen verhandelt. Davon hätten 37 Kündigungen das in dem Betrieb in B... angesiedelte Geschäftsfeld 03 (International) und weitere 6 Kündigungen das dort ebenfalls ansässige Geschäftsfeld 07 betroffen. Diese hätten weniger als die Hälfte der Personalanpassung ausgemacht. Auch mit der Tatsache, dass von der Gesellschafterseite der Beteiligten zu 2) nur ein einheitlicher Fonds für einen Sozialplan zur Verfügung gestellt worden sei, so dass schon aus diesem Grund nur einheitlich über die Verteilung dieses Fonds im Rahmen des Sozialplans hätte verhandelt werden können, habe sich das Arbeitsgericht nicht befasst. Die Bestimmung des Gegenstandswertes und die darauf fußende Gebührenberechnung seien nicht nachzuvollziehen, weil die Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern nicht ordnungsgemäß zitiert sei. Schließlich fehle es an jeglichen Ausführungen dazu, warum das Arbeitsgericht von einer vollen Gebühr nach § 20 BRAGO statt einer Mittelgebühr ausgegangen sei.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 18. März 2003 - 5 BV 7/02 - abzuändern und den Antrag insgesamt zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt, nachdem er seine zunächst eingelegte Anschlussbeschwerde zurückgenommen hat,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat ist weiterhin der Auffassung, der örtliche Betriebsrat sei zum Abschluss von Interessenausgleich und Sozialplan zuständig gewesen.
Jedenfalls sei diese Frage streitig gewesen und hätte einer Klärung bedurft. Zur entsprechenden Beratung sei die Hinzuziehung eines Anwaltes erforderlich gewesen. Ein Stundensatz von EUR 200 sei angemessen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19. Febr. 2004 verwiesen.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig, hat auch in der Sache jedoch in geringem Umfang Erfolg. Der Beteiligte zu 1) hat einen Anspruch auf Freistellung von den Beratungskosten in Höhe von EUR 1.236,56. Der Anspruch ergibt sich aus § 111 Satz 2 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 BetrVG. Nach § 111 Satz 2 BetrVG hat der Betriebsrat das Recht, einen Berater hinzuziehen. Hierdurch soll der Betriebsrat in die Lage versetzt werden, die Betriebsänderung im Hinblick auf ihre Auswirkungen zu erfassen und rechtzeitig Alternativvorschläge zu erarbeiten (vgl. GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 151). Hierzu gehört auch die Rechtsberatung durch einen Anwalt (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 111 Rz. 120; GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 153). Anders als nach § 80 Abs. 3 BetrVG ist die Hinzuziehung des Beraters nicht von einer vorherigen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber abhängig. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die Kosten für die Beratung zu tragen. Hinsichtlich der Beschäftigtenzahl ist auf das Unternehmen, nicht den Betrieb abzustellen (vgl. GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 157; Reichold, NZA2001, 857, 864; Richardi/Annuß, BetrVG, 8. Aufl., § 111 Rz. 53).
Der Betriebsrat hat bei der Frage, ob er einen Anwalt mit seiner Beratung beauftragt, ein Ermessen, das er pflichtgemäß auszuüben hat (vgl. Fitting/ Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 111 Rz. 125; GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 159, 160; Löwisch BB 2001, 1790, 1798; Richardi/Annuß, BetrVG, 8. Aufl., § 111 Rz. 53). Der Betriebsrat hat insoweit einen Beurteilungsspielraum. Er hat die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit zu beachten. Der Betriebsrat kann den Berater hinzuziehen, um sich bei der Ausübung seiner Beteiligungsrechte infolge der geplanten Betriebsänderung unterstützen zu lassen (vgl. GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 161). Die Auffassung, das Gesetz unterstelle die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Beraters (ErfK-Kania, 4. Aufl., § 111 BetrVG Rz. 22 a; Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 111 Rz. 123; Löwisch BB 2001, 1790, 1798), ist abzulehnen, da die Beratung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern immer im Zusammenhang mit der Kostentragung nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu sehen ist. Eine Beratung in dieser schwierigen Materie wird in der Regel erforderlich sein, muss dies aber nicht immer sein.
Die Beratung durch Rechtsanwalt Dr. W... ist durch einen Betriebsratsbeschluss gedeckt. Es schadet nicht, dass der Betriebsrat am 23. Aug. 2002 beschlossen (Protokoll Bl. 83 d. A.) und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat (Mail vom 27. Aug. 2002, Bl. 76 d. A.), er habe Dr. W... mit der Wahrnehmung der Interessen des Standort-Betriebsrats beauftragt. Der Berater ist kein Bevollmächtigter (vgl. GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 161), weshalb der Betriebsratsbeschluss seinem Wortlaut nach zu weit geht. Andererseits umfasst die Interessenwahrnehmung im weitesten Sinne auch eine Beratung, ist der Betriebsrat in der Regel nicht hinreichend rechtskundig, dass er zu derartigen Differenzierungen in der Lage wäre und hat schließlich Rechtsanwalt Dr. W... den Betriebsratsbeschluss richtig interpretiert, denn er hat der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 29. August 2002 (Bl. 153, 154 d.A.) mitgeteilt, er zeige an, dass er den Betriebsrat anwaltlich berate.
Die Beratung war erforderlich. Das gilt auch dann, wenn angenommen wird, das Recht einen Berater hinzuziehen, beschränke sich auf den Interessenausgleich nach § 112 Abs. 1 BetrVG, nicht jedoch auf den Sozialplan (GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 162). Zugunsten der Arbeitgeberin ist auch davon auszugehen, dass der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss des Sozialplans und Interessenausgleichs zuständig war. Nach der Kompetenzzuweisung des Betriebsverfassungsgesetzes ist zwar grundsätzlich der von den Arbeitnehmern gewählte Betriebsrat für die Ausübung der gesetzlichen Mitbestimmungsrechte zuständig. Er hat die Interessen der Belegschaft des einzelnen Betriebs gegenüber dem Unternehmer wahrzunehmen. Diese Aufgabe weist § 50 Abs. 1 BetrVG dem Gesamtbetriebsrat nur für den Fall zu, dass die zu regelnde Angelegenheit nicht auf den einzelnen Betrieb beschränkt ist und deshalb die Interessen der Arbeitnehmer nicht mehr auf der betrieblichen Ebene gewahrt werden können. Dazu muss ein zwingendes Erfordernis nach einer betriebsübergreifenden Regelung vorliegen (BAG Urteil vom 11. Dezember 2001 - 1 AZR 193/01 - EzA § 50 BetrVG 1972 Nr. 18; BAG Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 1 ABR 27/98 - BAGE 93, 75; BAG Beschluss vom 11. November 1998 - 7 ABR 47/97 - AP BetrVG 1972 § 50 Nr. 19 = EzA BetrVG 1972 § 50 Nr. 17; BAG Beschluss 30. August 1995 - 1 ABR 4/95 - BAGE 80, 366, 372). Der Gesamtbetriebsrat war für die nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu treffende Vereinbarung über einen Interessenausgleich zuständig, weil der geplanten Maßnahme ein unternehmenseinheitliches Konzept zugrunde lag und sich diese auf alle Betriebe ausgewirkt und deshalb einer einheitlichen Regelung bedurft hat. Zur Beratung des Betriebsrats gehörte es indessen auch, zu prüfen, ob ein Interessenausgleich mit dem örtlichen Betriebsrat in Frage kommt. Der Betrieb B... war derjenige, der von der Umstrukturierung am einschneidensten betroffen war. Stillgelegt werden sollte nur dieser Standort. Ob der mit dem Gesamtbetriebsrat zu regelnde Interessenausgleich dieser besonderen Situation gerecht wurde und ob ein Verhandlungsanspruch des örtlichen Betriebsrats bestand, gehörte hier zum Umfang der Beratung nach § 111 Satz 2 BetrVG. Zum Beratungsumfang gehörte auch die Verknüpfung des Interessenausgleichs mit dem Sozialplan in einer einheitlichen Urkunde (Entwurf Bl. 30 ff. d. A., Vereinbarung vom 29. April 2002, Bl. 103 ff. d. A.). Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats zum Abschluss eines Interessenausgleichs folgt nicht ohne weiteres die Zuständigkeit für den Abschluss eines Sozialplans. Auch dafür müssen die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 BetrVG erfüllt sein. Insoweit muss ein zwingendes Bedürfnis nach einer betriebsübergreifenden Regelung bestehen. Der Betriebsrat durfte sich darüber beraten lassen, ob der Sozialplan Teil einer Gesamtvereinbarung "Interessenausgleich und Sozialplan" sein durfte oder musste.
Der Umstand, dass die Arbeitgeberin ihre Auffassung über die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats dem Betriebsrat in der Auftaktveranstaltung vom 27. Aug. 2002 kund tat und durch Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 2. Sept. 2002 (Bl. 73 ff. d. A.) mitgeteilt hat, zuständig sei nach § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat, verwehrte dem Betriebsrat nicht, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. Der Betriebsrat darf zwar die Ausführungen der Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin hinsichtlich seiner Überlegungen, ob er sich von einem Rechtsanwalt beraten lässt, nicht übergehen, muss sich hinsichtlich seines Beratungsbedarfs, die Vertrauenssache ist, jedoch nicht auf die Ausführungen der Arbeitgeberin oder seines Bevollmächtigten verweisen lassen, denn diese werden naturgemäß interessenbezogen sein. Der Betriebsrat hat nicht nur einen Beratungsanspruch, wenn der Arbeitgeber mit ihm über die Betriebsänderung verhandelt, sondern auch dann, wenn er diese verweigert.
Die Vergütung richtet sich nach der Rechtsanwaltsgebührenordnung (vgl. Fitting/Kaiser/Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 21. Aufl., § 111 Rz. 127; GK-BetrVG-Fabricius/Oetker, 7. Aufl., § 111 Rz. 164; Löwisch BB 2001, 1790, 1798), hier § 20 Abs. 1 BRAGO. Sie berechnet sich aus einem Gegenstandswert von EUR 48.000.
Für die Auseinandersetzung um die Beteiligungsrechte ist je vier bis fünf betroffene Arbeitnehmer einmal der Ausgangswert des § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BRAGO festzusetzen (Hess. LAG, Beschlüsse vom 11. Febr. 2004 - 5 Ta 510/03 -, vom 20. Nov. 2003 - 5 Ta 399/03 - und vom 20. Nov. 2000 - 5 Ta 392/00 -). Das Berufungsgericht schließt sich der Rechtsprechung der zuständigen Beschwerdekammer an. Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte des § 111 handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Satz, 2. Halbsatz BRAGO, da der Betriebsrat insoweit keinen prozessualen Anspruch verfolgt, der auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet ist. Für solche Gegenstände ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BRAGO der Wert auf EUR 4.000, nach Lage des Falles auch niedriger oder höher festzusetzen. Dies wird durch die Bedeutung, den Umfang und den Schwierigkeitsgrad der Sache bestimmt. Bei dem Streit um die Beteiligungsrechte nach § 111 BetrVG kennzeichnen die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Bedeutung der streitigen Angelegenheit. Die Zahl der von der Betriebsstilllegung betroffenen Arbeitnehmer macht deutlich, dass die Bedeutung der Angelegenheit weit über die einer "normalen" betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheit hinausgeht. Vor allem geht es darum, ob die Betriebsstilllegung ganz oder nur teilweise durchgeführt wird und, falls unvermeidbar, unter welchen Bedingungen Kündigungen ausgesprochen oder sonstige personelle Maßnahmen umgesetzt werden. Geregelt wurden Versetzungen und Personal-Outplacement, eine Beschäftigungsgesellschaft, Unterstützung bei Unternehmensgründungen usw.. Das Beteiligungsrechtsrecht des § 111 BetrVG ist hinsichtlich der einzelnen betroffenen Arbeitnehmer nicht so intensiv, dass je Arbeitnehmer einmal der Wert von EUR 4.000 festzusetzen ist, eine Festsetzung auf 1/5 dieses Wertes für jeden durch personelle Einzelmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmer erscheint der Bedeutung der Angelegenheit jedoch gerecht zu werden. Zum Zeitpunkt der Einleitung der Beteiligung waren im Betrieb B... 59 Arbeitnehmer beschäftigt. Dies wurde in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht anhand der Übersicht "Mitarbeiterzahl Iststand per 2002-08-01" (Bl. 141 d. A.) errechnet. Der Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin trug unwidersprochen vor, dass der Zahl 55 in der linken Spalte noch vier Arbeitnehmer aus einem anderen Bereich hinzuzurechnen seien, so dass sich insgesamt die Zahl 59 ergebe. Daraus ergibt sich ein Wert von aufgerundet EUR 48.000.
Das Honorar beträgt nach § 20 Abs. 1 BRAGO eine volle Beratungsgebühr. Die Beratung ging über eine Erstberatung weit hinaus. Die volle Gebühr ist gerechtfertigt, wenn es sich um eine sehr umfangreiche und sehr schwierige Angelegenheit handelt (vgl. Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Aufl., § 20 Rz. 11). Nach der Zeit- und Arbeitsaufwandliste hatte dieser in der Zeit zwischen dem 21. Aug. und 8. Okt 2002 (Bl. 8, 9 d. A.) einen beträchtlichen Zeit- und Beratungsaufwand von etwa 20 Stunden, der sich aus Besprechungen mit dem Betriebsrat, dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsleitung, Überprüfung der Sach- und Rechtslage, Telefonaten, Durchsicht und Prüfung des Interessenausgleichsentwurfs der Geschäftsleitung usw. zusammensetzt. Ein Stundenhonorar kommt schon deshalb nicht Betracht, weil es dem Anwalt vom Betriebsrat nicht zugesagt worden ist. Es kann dahinstehen, ob der Betriebsrat im Einzelfall ein höheres Honorar überhaupt zusagen darf, z.B. wenn er keinen sachkundigen Berater zu den gesetzlichen Gebühren findet (vgl. BAG Beschl. vom 20. Okt. 1999 - 7 ABR 25/98 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 89; verneinend etwa Löwisch BB 2001, 1790, 1798). Dieses bedürfte einer Zusage aufgrund eines Betriebsratsbeschlusses, der hier nicht gefasst worden ist.
Eine volle Gebühr aus EUR 48.000 beträgt EUR 1.046,-. Zuzüglich der Auslagenpauschale von EUR 20 und 16 % MWSt in Höhe von EUR 170,56 ergibt sich ein Honorar in Höhe von EUR 1.236,56.
Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 12 Abs. 5 ArbGG nicht.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde für die Beteiligte zu 2) ist gesetzlich veranlasst, §§ 92 Abs. 1, 72 ArbGG, da die Auslegung des § 111 Satz 2 BetrVG höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, wohingegen der Beteiligte zu 1) in der Beschwerdeinstanz nur wegen der Herabsetzung des Gegenstandswerts unterlegen ist.
Ende der Entscheidung
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