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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 9 TaBV 189/06
Rechtsgebiete: BetrVG
Vorschriften:
BetrVG § 9 | |
BetrVG § 19 |
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 06. September 2006 - 6 BV 12/06 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 4) zugelassen.
Gründe:
I.
Im Streit steht die Wirksamkeit der im Betrieb der Beteiligten zu 5) am 20. April 2006 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die Antragsteller (Beteiligte zu 1) bis 3)) waren am Wahltag Arbeitnehmer der Beteiligten zu 5), die eine C betreibt. Der Beteiligte zu 4) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 5) am 20. April 2006 gewählte Betriebsrat. Das Wahlausschreiben vom 22. Febr. 2006 (Bl. 43, 44 d. A.) führt insgesamt 206 wahlberechtigte Arbeitnehmer auf, davon 170 festangestellte Mitarbeiter und 36 Aushilfen. Nach dem Wahlausschreiben sollte ein Betriebsrat aus neun Mitgliedern gewählt werden. Die Wählerlisten basieren auf der von der Geschäftsleitung erstellten Mitarbeiterliste. Am Tag der Wahl wurden 184 Arbeitnehmer als wahlberechtigt angesehen, weil der Wahlvorstand nur diejenigen Aushilfen als wahlberechtigt ansah, die an diesem Tag Dienst hatten. Die Beteiligte zu 5) schließt mit den studentischen Aushilfskräften Rahmenarbeitsverträge und befristete Tagesverträge ab.
Am Wahltag gab Frau D die Wahlumschläge ihrer Kolleginnen E und F sowie ihren eigenen mit persönlicher Erklärung, jedoch ohne Freiumschlag beim Wahlvorstand ab. Dieser legte die Wahlzettel in einen Freiumschlag. Gegen 20 Uhr waren die Freiumschläge zur schriftlichen Stimmabgabe geöffnet und die Wahlumschläge in die Wahlurne gelegt. Die Auszählung erfolgte ab 21.00 Uhr. Das Wahlergebnis wurde am 21. April 2006 bekannt gegeben. Von der Briefwahl hatten 69 Mitarbeiter Gebrauch gemacht. Auf die Wahlniederschrift wird verwiesen (Bl. 45, 46 d. A.).
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben mit ihrer am 4. Mai 2006 eingereichten Antragsschrift gerügt, durch eine frühzeitige Öffnung der Freiumschläge zur schriftlichen Stimmabgabe, die bereits kurz nach 20 Uhr abgeschlossen gewesen sei, sei das Gebot der Öffentlichkeit verletzt worden. Mitarbeiter hätten zudem vom Wahlvorstand Unterlagen zur schriftlichen Stimmabgabe erhalten, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die schriftliche Stimmabgabe der Mitarbeiterinnen D, E und F hätte für unwirksam angesehen werden müssen. Schließlich hätte die Zahl der im Rahmen von § 9 BetrVG zu berücksichtigenden wahlberechtigten Arbeitnehmer bei 182 gelegen, da nur 12 Aushilfen hätten zugrunde gelegt werden dürfen.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) haben beantragt,
die Betriebsratswahl im Betrieb der Beteiligten zu 5) vom 20. April 2006 für unwirksam zu erklären.
Der Beteiligte zu 4) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 5) hat keinen Antrag gestellt.
Der Beteiligte zu 4) hat vorgetragen, der Wahlvorstand habe allen Mitarbeitern, von denen ihm bekannt gewesen sei, dass sie am Wahltag voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend seien, Briefwahlunterlagen zukommen lassen. Die Dienstpläne hätten sich zwischen Wahlausschreiben und Wahl noch geändert. Der Wahlvorstand habe zu Recht alle Aushilfen in seine Berechnung der Betriebsratsgröße einbezogen, da sie dem Betrieb regelmäßig angehört hätten. Bei Öffnung der Freiumschläge der Briefwähler wenige Minuten vor Beendigung der Stimmabgabe seien etwa 20 Personen anwesend gewesen, so dass die Öffentlichkeit gewahrt gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat dem Antrag durch Beschluss vom 6. Sept. 2006 - 6 BV 12/06 - stattgegeben, da die Wahl gegen § 9 BetrVG verstoße. Die Anzahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sei nach den vorhandenen Arbeitsplätzen zu bestimmen. Aushilfsarbeitnehmer würden mitgezählt, wenn sie zum regelmäßigen Beschäftigtenstand gehörten. Zu den 170 fest angestellten Mitarbeitern müssten 12 weitere Aushilfen hinzugerechnet werden. Im A-Bereich seien im Durchschnitt pro Tag etwa fünf Aushilfen, im B-Bereich etwa vier Aushilfen im G und etwa drei für sonstige Tätigkeiten beschäftigt gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Gegen diesen ihm am 19. Sept. 2006 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 4) am 13. Okt. 2006 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist bis zum 19. Dez. 2006 an diesem Tag begründet.
Der Betriebsrat ist weiterhin der Auffassung, der Wahlvorstand habe seiner Berechnung 36 Aushilfen zugrunde legen dürfen. Er müsse damit rechnen, dass die Aushilfen Entfristungsklage erhöben und die Feststellung erreichten, dass sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stünden.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Sept. 2006 - 6 BV 12/06 - abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) meinen, der Einlegung der Beschwerde liege kein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde, da hierüber lediglich der Betriebsausschuss beschlossen habe. Es werde bestritten, dass der Betriebsrat den Beschluss über die Einlegung der Beschwerde einstimmig bestätigt habe. Die Wahl leide an einem Mangel, denn entweder seien die Aushilfen arbeitsrechtlich als teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter zu betrachten, dann seien sie am Wahltag auch alle wahlberechtigt gewesen und nicht nur 14, oder ihre Arbeitsverhältnisse seien auf den Einsatztag befristet, dann dürften nicht alle Aushilfen bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße mitzählen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt der Beschwerdeschriftsätze sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 3. Mai 2007 verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und zulässig. Der Einlegung der Beschwerde und Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats liegt ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss zugrunde. Der Beschluss des Betriebsausschusses vom 24. Sept. 2006 (vgl. Einladung, Anwesenheitsliste, Protokoll, Bl. 249 ff. d. A.) wurde in der Betriebsratssitzung vom 5. Okt. 2006 einstimmig bestätigt (vgl. Einladung, Protokoll, Anwesenheitsliste Bl. 254 ff. d. A.).
Die Beschwerde ist jedoch, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat und auf dessen Entscheidungsgründe deshalb verwiesen werden kann, nicht begründet, da die Betriebsratswahl vom 20. April 2006 ungültig ist. Die Angriffe der Beschwerde rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Die Wirksamkeit der Wahl scheitert zwar nicht daran, dass der Wahlvorstand die nicht im Freiumschlag abgegebenen Wahlumschläge und Erklärungen der Mitarbeiterinnen D, E und F mit persönlicher Erklärung, jedoch ohne Freiumschlag entgegengenommen und die Wahlzettel mitsamt den Wahlumschlägen in einen Freiumschlag gelegt hat. Dies ist zwar ein Verstoß gegen § 25 Satz 1 Nr. 3 WO, wonach der Wähler den Wahlumschlag und die unterschriebene Erklärung in dem Freiumschlag verschließt, um einen späteren Austausch des Wahlumschlages mit Stimmzettel zu verhindern (vgl. GK-BetrVG/Kreutz, § 25 WO Rz. 1). Wenn später festgestellt worden wäre, dass eine Erklärung nicht ordnungsgemäß abgegeben worden wäre, hätte zudem auch der Wahlumschlag der ungültigen Erklärung nicht mehr zugeordnet werden können. Da aber alle drei Erklärungen als gültig behandelt worden sind und somit alle drei Wahlumschläge in die Wahlurne gelangt sind, hat sich der Verfahrensfehler letztendlich nicht ausgewirkt.
Dass einer Gruppe von Mitarbeitern ohne deren Verlangen Briefwahlunterlagen zugesandt worden sind, erscheint vertretbar, da der Wahlvorstand nicht sicher beurteilen konnte, welcher der Beschäftigten letztendlich am Wahltag zum Dienst eingeteilt sein würde. Da zumindest eine Reihe dieser Arbeitnehmergruppe am Wahltag "voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend" waren (§ 25 Abs. 2 WO), aber nicht sicher vorhergesagt werden konnte, welche Arbeitnehmer und diese erfahrungsgemäß allein wegen der Wahl wohl nicht in den Betrieb gekommen wären, konnte durch die Anordnung der schriftlichen Stimmabgabe gewährleistet werden, dass alle Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stimmabgabe erhielten. Ob der Wahlvorstand im Rahmen seines Beurteilungsspielraumes den Begriff "wahrscheinlich" verkannt und die Zahl der Briefwähler gesetzeswidrig ausgeweitet hat, kann jedoch dahinstehen, weil die Wahl aus anderen Gründen ungültig ist.
Es kann auch dahinstehen, ob der Wahlvorstand gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit (§ 13 BetrVG) verstoßen hat. Wenn der Zeitpunkt des Öffnens der Freiumschläge bereits gegen 20 Uhr abgeschlossen war, also nicht erst "unmittelbar vor Abschluss der Stimmabgabe" im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 WO kurz vor 20.30 Uhr mit dem Öffnen der Freiumschläge begonnen worden wäre, wäre dies ein Verfahrensfehler, der den Grundsatz der Öffentlichkeit verletzte. Die gesetzliche Zeitangabe "unmittelbar" gestattete es nicht, bereits um 19.30 Uhr mit der Öffnung der Freiumschläge zu beginnen. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer, die hierbei anwesend sein wollen, können sich darauf verlassen, dass dieser Vorgang nicht bereits eine knappe halbe Stunde vor der Beendigung der Stimmauszählung abgeschlossen ist. Dass etwa 20 Mitarbeiter anwesend waren, heilte den Verstoß nicht, denn es sollen alle Interessierten Gelegenheit haben, diesem Vorgang beizuwohnen. Der Betriebsrat behauptet allerdings, die Öffnung der Freiumschläge hätte erst wenige Minuten vor Beendigung der Stimmabgabe stattgefunden, was noch unmittelbar sein könnte. Einer Vernehmung der von den Beteiligten zu 1) bis 3) hierzu benannten Zeugen H und I bedarf es indessen nicht, denn die Wahl ist unabhängig hiervon für ungültig zu erklären.
Ein erheblicher Verfahrensfehler ist darin zu sehen, dass entgegen § 9 BetrVG ein Betriebsrat aus neun Mitgliedern statt aus sieben Mitgliedern gewählt worden ist (vgl. BAG Beschluss vom 29. Mai 1991 - 7 ABR 67/90 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 31; BAG Beschluss vom 12. Okt. 1976 - 1 ABR 1/76 - EzA § 8 BetrVG 1972 Nr. 2). Es hätten für die Staffel des § 9 BetrVG nur 182 Arbeitnehmer berücksichtigt werden dürfen. Nach dieser Vorschrift kommt es auf die Zahl der "in der Regel" im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer an. In Betrieben, in denen regelmäßig Aushilfsarbeitnehmer beschäftigt werden, kommt es darauf an, welche Zahl von nicht ständig beschäftigten Arbeitnehmern dem Regelstand entspricht (ebenso GK-BetrVG/Kreutz § 9 Rz. 11). Maßgeblich ist die normale Beschäftigtenzahl, also diejenige Personalstärke, die für den Betrieb im Allgemeinen kennzeichnend ist (so LAG Düsseldorf Beschluss vom 26. Sept. 1990 - 12 TaBV 74/90 - DB 1990, 239, Rechtsbeschwerde: BAG Beschluss vom 29. Mai 1991 - 7 ABR 67/90 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 31).
Der Wahlvorstand durfte für die Berechung der Betriebsratsgröße nach § 9 BetrVG nicht von 36 Aushilfen als ständige Arbeitnehmer ausgehen. Die Arbeitgeberin schließt mit den studentischen Aushilfen Rahmenvereinbarungen in dem Sinne ab, wie sie von den Beteiligten zu 1) bis 3) im Schriftsatz vom 26. Jan. 2007, Seite 6 (Bl. 232 d. A.) beispielhaft zitiert wird. Auf der Grundlage dieser Rahmenvereinbarungen werden befristete Tagesaushilfsverträge abgeschlossen. Die Rahmenvereinbarungen, welche nur die Bedingungen der erst noch abzuschließenden, auf den jeweiligen Einsatz befristeten Arbeitsverträge wiedergeben, selbst aber noch keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründen, sind keine Arbeitsverträge (BAG Urteil vom 16. April 2003 - 7 AZR 187/02 - EzA § 620 BGB 2002 Nr. 5; BAG Urteil vom 31. Juli 2002 - 7 AZR 181/01 - EzA § 12 TzBfG N. 1; BAG Beschluss vom 17. Okt. 1990 - 7 ABR 66/89 - Juris). Mit den studentischen Aushilfen wurden zwar regelmäßig Tagesaushilfsverträge abgeschlossen und sie wurden auch regelmäßig eingesetzt, aber in der Regel nicht mehr als 12 am Tag. Zu besetzen waren also regelmäßig nur 12 Arbeitsplätze. Diese wären auch nur zu berücksichtigen, wenn die Arbeitgeberin sie nicht mit befristeten Tagesaushilfen auf der Grundlage von Rahmenvereinbarungen, sondern jeweils neu mit externen Arbeitskräften besetzt hätte. Die regelmäßige Beschäftigung von 36 Tagesaushilfen bedeutet zwar für den Betriebsrat einen dem Einsatz von 36 Stammkräften nahekommenden erhöhten Beratungs- und Tätigkeitsbedarf, das ändert jedoch nichts daran, dass es eine feste Obergrenze für den täglichen Einsatz von zwölf Aushilfen gibt, also in der Regel nur zwölf Arbeitnehmer als Aushilfen beschäftigt werden, die für den Betrieb kennzeichnende Personalstärke mithin 182 beträgt und sich danach die Betriebsratsgröße bemessen muss.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.
Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG, da die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Auslegung des § 9 BetrVG bei der Beschäftigung von Tagesaushilfen aus einem Mitarbeiterpool grundsätzliche Bedeutung hat.
Ende der Entscheidung
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