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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 9 TaBV 88/05
Rechtsgebiete: BetrVG


Vorschriften:

BetrVG § 13 II Nr. 2
BetrVG § 16 III
BetrVG § 19
1. Eine wirksame Erledigungserklärung setzt auch im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren ein zulässiges Rechtsmittel voraus.

2. Bestellt der Restbetriebsrat im Falle des Absinkens der Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG) keinen Wahlvorstand, ist der Gesamtbetriebsrat in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 BetrVG hierzu berechtigt.


Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 03. März 2005 - 10 BV 12/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) wird als unzulässig verworfen.

Das Verfahren hinsichtlich der Beschwerde der Beteiligten zu 6) wird eingestellt.

Die Rechtsbeschwerde für die Beteiligte zu 4) wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten zuletzt noch um die Nichtigkeit der Betriebsratswahl vom 5. Aug. 2004.

Die inzwischen dort ausgeschiedenen Beteiligten zu 1) bis 3) waren wahlberechtigte Arbeitnehmer der Beteiligten zu 6), der A GmbH B. Sie sind Mitglieder der Beteiligten zu 4). Der Beteiligte zu 5) ist der bei der Wahl am 5. Aug. 2004 gewählte Betriebsrat.

Der Beteiligte zu 5) hat unter dem 3. Nov. 2005 (Bl. 218 d. A.) schriftlich erklärt, dass er sein Amt als Betriebsobmann seit dem 1. Juli 2005 nicht mehr ausübe, da die gesetzlichen Voraussetzungen entfallen seien und hat vorsorglich seinen Rücktritt erklärt. Mit Telefax vom 6. Dez. 2005 (Bl. 237 d. A.) hat er mitgeteilt, dass er sein Amt endgültig und unwiderruflich niedergelegt habe.

Im Betrieb der Beteiligten zu 6), dem noch weitere Standorte angehörten, waren ursprünglich mehr als 20 Arbeitnehmer ständig beschäftigt. Am 25. April 2002 war ein dreiköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Am 21. Juni 2004 traten die Betriebsratsmitglieder C und D zurück. Es gab keine Ersatzmitglieder mehr, die in den Betriebsrat hätten nachrücken können.

Das verbliebene Betriebsratsmitglied, der Beteiligte zu 1), wurde aufgefordert, die Neuwahl einzuleiten, lehnte dies jedoch ab. Am 12. Juli 2004 forderte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende E den Beteiligten zu 1) auf, einen Wahlvorstand zur Betriebsratswahl einzuberufen und kündigte für den Fall der Untätigkeit bis 16. Juli 2004 an, selbst einen Wahlvorstand zu benennen, (Bl. 109 d.A.). Am 15. Juli 2004 fand im Betrieb der Beteiligten zu 6) eine von drei Arbeitnehmern einberufene Wahlversammlung zur Wahl eines Betriebsrates statt. Es wurde ein Wahlvorstand bestehend aus den Arbeitnehmern F, C und G; Ersatzmitglied: H gewählt und das Ergebnis dem Gesamtbetriebsrat mitgeteilt. Durch Schreiben vom 16. Juli 2004 setzte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende E für den Gesamtbetriebsrat die Arbeitnehmer F, C und G zum Wahlvorstand ein. Bis zu diesem Zeitpunkt war weder vom Gesamtbetriebsrat noch vom Gesamtbetriebsausschuss ein entsprechender Beschluss gefasst worden. Die Betriebsratswahl fand am 5. Aug. 2004 statt; gewählt wurde ein einköpfiger Betriebsrat. Das Wahlergebnis wurde am 12. Aug. 2004 (BI. 20 d.A.) bekannt gegeben.

Mit am 26. Aug. 2004 bei Gericht eingegangenem Antrag haben die Beteiligten zu 1) bis 4) die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl vom 5. Aug. 2004 geltend gemacht. Sie haben gemeint, die Wahl sei unwirksam, weil bereits ein Betriebsrat im Amt gewesen sei, dessen Amtszeit nicht abgelaufen gewesen sei. Der amtierende Betriebsrat habe gute Gründe gehabt, keine Neuwahlen einzuleiten, da er sich mit der Arbeitgeberin in Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan wegen der zum 31. Dez. 2004 beschlossenen Betriebsschließung befunden habe. Die Durchführung von Neuwahlen sei deshalb unsinnig gewesen. Einzig der Betriebsrat sei berechtigt gewesen, Neuwahlen einzuleiten; allenfalls habe er mit einem Verfahren gemäß § 23 BetrVG dazu angehalten werden können. Die Einsetzung des Wahlvorstandes auf der Wahlversammlung vom 15. Juli 2004 - falls eine solche stattgefunden habe - sei unwirksam, da § 14 a BetrVG nur Anwendung auf Betriebe finde, in denen kein Betriebsrat bestehe. Eine Einsetzung des Wahlvorstandes durch den Gesamtbetriebsrat sei nicht möglich, da § 16 Abs. 3 BetrVG bei nicht turnusmäßiger Wahl keine Anwendung finde. Die Einsetzung des Wahlvorstandes durch den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden E sei auch nicht später genehmigt worden noch überhaupt genehmigungsfähig, da die Entscheidung Gestaltungswirkung gehabt habe. Schließlich sei die Betriebsratswahl auch deshalb unwirksam, weil die Arbeitnehmer des Ausbildungszentrums I daran hätten beteiligt werden müssen. Dieses sei organisatorisch von B aus mitbetreut worden.

Die Antragsteller zu 1) bis 4) haben beantragt,

festzustellen, dass die Betriebsratswahl der A GmbH B vom 5. August 2004 unwirksam ist,

hilfsweise

die Wahl des Betriebsrates der A GmbH B vom 5. August 2004 für unwirksam zu erklären.

Die Beteiligten zu 5) und 6) haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 5) hat gemeint, der Wahlvorstand sei sowohl von der Wahlversammlung am 15. Juli 2004 als auch vom Gesamtbetriebsrat am 16. Juli 2004 ordnungsgemäß eingesetzt worden. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende sei zum Handeln befugt gewesen, da seit vielen Jahren eine Absprache bestanden habe, nach der der Gesamtbetriebsratsvorsitzende in Eilfällen alle erforderlichen Schritte einleiten könne. Gesamtbetriebsausschuss und Gesamtbetriebsrat müssten dies anschließend auf der nächsten Sitzung legitimieren. Hier habe der Gesamtbetriebsausschuss am 21./22. Juli 2004 der Einsetzung des Wahlvorstandes zugestimmt und der Gesamtbetriebsrat am 14./15. Sept. 2004 beschlossen, diesen Beschluss mitzutragen. Durch diese Genehmigung sei eine eventuelle Unwirksamkeit der Erklärung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden geheilt worden. Der Gesamtbetriebsrat sei gemäß § 16 Abs. 3 BetrVG berechtigt gewesen, den Wahlvorstand einzusetzen. Schließlich sei auch der Betriebsbegriff nicht verkannt worden. Mit Schließung des Standortes I sei die Zuordnung der Arbeitnehmer des Standortes I ausgelaufen. Zudem habe durch die Nichtberücksichtigung der Arbeitnehmer des Standortes I auch das Wahlergebnis nicht beeinflusst werden können.

Die Beteiligte zu 6) ist ebenfalls der Auffassung gewesen, der Betriebsbegriff sei nicht verkannt worden und eine mögliche Verkennung habe am Wahlergebnis nichts ändern können. Am Standort I sei allenfalls eine Arbeitnehmerin - Frau J - wahlberechtigt gewesen. Herr K sei zum 30. Juni 2004 gekündigt, Herr L sei leitender Angestellter gewesen. Für die Einsetzung des Wahlvorstandes sei der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen. Dessen Handeln sei wirksam, zumindest rückwirkend genehmigt worden. Zudem hätten mögliche Fehler bei der Wahlvorstandsbestellung nicht zwangsläufig Auswirkungen auf das Wahlergebnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat die Wahl durch Beschluss vom 3. März 2005 - 10 BV 12/04 - für ungültig erklärt, den auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl gerichteten Antrag jedoch zurückgewiesen. Die Nichtigkeit der Wahl hat es verneint, weil kein schwerer Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vorliege. Auch wenn der Betriebsbegriff vom Wahlvorstand verkannt worden wäre, führte dies nicht zur Nichtigkeit der Wahl. Nach dem Rücktritt zweier Betriebsratsmitglieder am 21. Juni 2004, der Aufforderung des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden E vom 12. Juli 2004, einen Wahlvorstand zu bestellen und der entsprechenden Weigerung des Beteiligten zu 1) habe gemäß § 16 Abs. 3 BetrVG vom Gesamtbetriebsrat ein Wahlvorstand eingesetzt werden können. Eine entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 3 BetrVG sei hier geboten, da die Situation, dass ein Betriebsrat infolge Ablaufs der regulären Amtszeit nach § 13 Abs. 1 zu wählen sei oder aufgrund der Sondertatbestände des § 13 Abs. 2, vergleichbar sei. Anderenfalls könne eine Betriebsratsneuwahl über lange Zeit verhindert werden, obwohl sie gemäß § 13 Abs. 2 BetrVG zwingend sei. Dies sei ein unhaltbares Ergebnis. Der Verweis der Antragsteller auf ein Verfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG führe nicht weiter, da während der Dauer dieses Verfahrens die Neuwahl des Betriebsrates ebenfalls für lange Zeit verhindert würde. Die Betriebsratswahl sei jedoch gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG für unwirksam zu erklären, weil der Wahlvorstand nicht durch den Gesamtbetriebsrat, sondern allein durch dessen Vorsitzenden bestellt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Den Beteiligten zu 4) und 5) wurde der Beschluss des Arbeitsgerichts am 31. Mai 2005 zugestellt, der Beteiligten zu 6) am 1. Juni 2005. Die Beteiligte zu 4) hat gegen den Beschluss am 24. Juni 2005 Beschwerde eingelegt und diese am 1. Aug. 2005 per Telefax begründet. Die Beschwerde des Beteiligten zu 6) ging am 15. Juni 2005 ein, ihr Schriftsatz vom 4. Juli 2005 am 6. Juli 2005. Der Beteiligte zu 5) hat am 16. Juni 2005 Beschwerde eingelegt.

Die Beteiligte zu 4) hält die Wahl weiterhin für nichtig, weil es zum Zeitpunkt der Wahl noch einen amtierenden Betriebsrat gegeben hätte. Es habe zwar ein Fall des § 13 Abs. 2 Ziff. 2 BetrVG vorgelegen, wonach Neuwahlen einzuleiten gewesen seien, § 16 Abs. 3 BetrVG finde jedoch keine entsprechende Anwendung. Bei Untätigbleiben des Rumpfbetriebsrats könne ein Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG gestellt werden. Der Betrieb sei noch betriebsratsfähig. Es würden die Mitarbeiter/innen M, D, J, C, F, G und eine weitere Mitarbeiterin aus N, die nunmehr organisatorisch zu B gehöre, beschäftigt. Der Mitarbeiter G sei zur Durchführung von Lehrgängen in O eingesetzt, dieser Bereich gehöre jedoch organisatorisch zum Betrieb B.

Der Beteiligte zu 5) hat vorgetragen, der Betrieb sei nicht mehr betriebsratsfähig, weil die Mitarbeiter G und J nicht mehr dem Betrieb angehörten, Frau M sei leitende Angestellte.

Die Beteiligte zu 6) ist ebenfalls der Auffassung, das Verfahren sei erledigt, weil der Betrieb nicht mehr betriebsratsfähig sei. Er habe nur noch vier Mitarbeiter/innen (F, M, D und C). Die Beteiligte zu 4) sei nach Ausscheiden der Beteiligten zu 1) bis 3) nicht mehr im Betrieb vertreten.

Die Beteiligte zu 4) beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 3. März 2005 - 10 BV 12/04 - abzuändern und festzustellen, dass die Betriebsratswahl der A GmbH B vom 5. Aug. 2004 unwirksam ist.

Der Beteiligte zu 5) hat seinen ursprünglichen Antrag aus der Beschwerdeschrift, die Anträge unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen, für erledigt erklärt.

Die Beteiligte zu 6) hat ihren ursprünglichen Antrag, die Anträge unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses insgesamt zurückzuweisen, für erledigt erklärt. Sie verfolgt in erster Linie ihre Erledigungserklärung und stellt die ursprünglichen Anträge nur noch hilfsweise. Sie beantragt außerdem die Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 4) und vorsorglich auch der Beteiligten zu 1) bis 3).

Die Beteiligten zu 1) bis 4) schlossen sich im Hinblick auf die Anfechtung der Betriebsratswahl der Erledigungserklärung der Beteiligten zu 6) an und beantragten im Übrigen, die gegnerischen Beschwerden zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 8. Dez. 2005 verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 5) ist gemäß § 89 Abs. 3 ArbGG als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht begründet worden ist, was nach §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG binnen zwei Monaten nach Zustellung des Beschlusses hätte geschehen müssen. Der Beteiligte zu 5) hat jedoch das Verfahren mit Schriftsatz vom 15. Juli 2005 lediglich für erledigt erklärt und dies innerhalb der bis 1. Sept. 2005 verlängerten Begründungsfrist (Bl. 174 d. A.) nicht begründet. Erst mit am 5. Sept. 2005 eingegangem Schriftsatz vom 1. Sept. 2005 und mit Schriftsatz vom 19. Sept. 2005 erfolgte eine Begründung. Es bedarf zwar, wenn der Beschwerdeführer lediglich geltend machen will, das Verfahren habe sich wegen eines zwischenzeitlichen Ereignisses erledigt, keiner Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Beschluss mehr, zumindest ist aber innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist darzulegen, aus welchen Gründen die Erledigung eingetreten sein soll (so BAG Beschluss vom 26. Sept. 1990 - 7 ABR 70/87 - Juris; BVerwG Beschluss vom 20. Nov. 1998 - 6 P 8/98 - NZA-RR 1999, 504). Daran fehlt es hier. Wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde ist die vom Beteiligten zu 5) abgegebene Erledigungserklärung unwirksam. Die Erledigung der Hauptsache setzt ein zulässiges Rechtsmittel voraus (vgl. BFH Beschluss vom 17. Aug. 1995 - VIII R 64/94 - Juris).

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) ist statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Der auf Feststellung der Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichtete Antrag ist zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung noch zulässig. Insbesondere besteht ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, obwohl nach Amtsniederlegung des Betriebsrats F dessen Mitgliedschaft im Betriebsrat nach § 24 Nr. 2 BetrVG erloschen ist, ein Betriebsrat damit nicht mehr existiert, eine Weiterführung der Geschäfte nach § 22 BetrVG nicht stattfindet und überdies streitig ist, ob der Betrieb überhaupt noch betriebsratsfähig ist. Die Nichtigkeit der Wahl kann indessen von jedermann geltend gemacht werden (GK-BetrVG/Kreutz, 8. Aufl., § 19 Rz. 145 mit weiteren Nachw.). Darauf, ob die Beteiligte zu 4) im Betrieb noch vertreten ist, kommt es nicht an. Die Regelung des § 19 Abs. 2 BetrVG findet in diesem Falle keine Anwendung (LAG Berlin Beschluss vom 8. April 2003 - 5 TaBV 1990/02 - NZA-RR 2003, 587). Bei Nichtigkeit der Wahl wäre der Beteiligte zu 1), Mitglied der Beteiligten zu 4), weiterhin Betriebsratsmitglied gewesen. Sämtliche Amtshandlungen des gewählten Betriebsrats wären ex tunc als unwirksam anzusehen.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Die Betriebsratswahl ist nicht nichtig. Die Nichtigkeit einer Betriebsratwahl ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt (so BAG, Beschluss vom 21. Juli 2004 - 7 ABR 57/03 - EzA § 4 BetrVG 2001 Nr 1; BAG, Beschluss vom 19. Nov. 2003 - 7 ABR 25/03 - EzA § 19 BetrVG 2001 Nr. 1). Von einer Wahl im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist nicht mehr auszugehen, wenn die Verstöße gegen die Vorschriften des Wahlverfahrens so offensichtlich und schwerwiegend sind, dass das Wahlverfahren nicht mehr als ein nach dem Gesetz durchgeführter Wahlakt angesehen werden kann. Die Betriebsratswahl muss den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen. Ein derartiger Verstoß gegen das Wahlverfahren liegt - wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat und auf dessen Begründung verwiesen wird - nicht vor.

Es kann insbesondere dahinstehen, ob bei der Wahl der Betriebsbegriff verkannt worden ist, weil dies nicht zu deren Nichtigkeit führte. Die Verkennung des Betriebsbegriffs gemäß §§ 1, 4 BetrVG hat nicht die Nichtigkeit, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 BetrVG nur die Anfechtbarkeit einer darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge ( BAG Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 39; BAG, Beschluss vom 22.3.2000 - 7 ABR 34/98 - EzA § 14 AÜG Nr. 4).

Dass zunächst nur der Gesamtbetriebsratsvorsitzende den Wahlvorstand bestellt hat, kann die Nichtigkeit der Wahl ebenfalls nicht begründen. Liegt seiner Erklärung ein Beschluss des Gesamtbetriebsrats nicht zugrunde, ist diese schwebend unwirksam. Ihre Wirksamkeit ist von einer Genehmigung durch einen nachträglichen Beschluss abhängig (BAG Urteil vom 8. Juni 2004 - 1 AZR 308/03 - NZA 2005, 66; BAG Urteil vom 24. Febr. 2000 - 8 AZR 180/99 - NZA 2000, 785). Es gibt keinen überzeugenden Grund dafür, weshalb die Bestellung eines Wahlvorstandes nicht rückwirkend genehmigt werden kann (vgl. 184 Abs. 1 BGB). Wird die Genehmigung nicht erteilt, ist die Wahl nicht nichtig, aber anfechtbar. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende E hat jedoch mit seiner Zeugenaussage vor dem Arbeitsgericht bestätigt, dass die Einladung zur Gesamtbetriebsratssitzung im September 2004 den Tagesordnungspunkt "Wahlvorstand B" enthalten und der Gesamtbetriebsrat seine Entscheidung über die Bestellung des Wahlvorstandes nach Diskussion genehmigt hätte

Die Wahl ist auch nicht deshalb nichtig, weil der Gesamtbetriebsrat - jedenfalls mit nachträglicher Genehmigung - den Wahlvorstand bestellt hat. Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ist ein Betriebsrat zu wählen, wenn die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder sinkt. Aufgabe des Rumpfbetriebsrates ist dann die Bestellung eines Wahlvorstandes. Das Verfahren richtet sich nach § 16 BetrVG. § 16 Abs. 1 BetrVG findet, wenn nicht unmittelbare, so doch jedenfalls entsprechende Anwendung. Kommt der Rumpfbetriebsrat seiner Verpflichtung, einen Wahlvorstand zu bestellen, nicht nach, finden § 16 Abs. 2 und 3 BetrVG Anwendung und ist der Gesamtbetriebsrat hierzu berechtigt (so DKK/Schneider, BetrVG, 9. Aufl., § 13 Rz. 13; ErfK/Eisemann, 6. Aufl., § 13 BetrVG Rz. 4,5; Fitting, BetrVG, 22. Aufl., § 16 Rz. 32; GK-BetrVG/Kreutz, 8. Aufl., § 22 Rz. 18; § 16 Rz. 11; Richardi/Thüsing, BetrVG, 9. Aufl., § 16 Rz. 4, 22). Es bedeutet in der Sache keinen Unterschied, ob die Amtszeit des bisherigen Betriebsrats noch läuft oder ob er die Geschäfte nach § 22 BetrVG lediglich weiterführt. Die nach § 16 BetrVG berechtigten Personen oder Gremien, sind nicht gehalten, erst ein unter Umständen über die Instanzen hinweg langwieriges Ausschlussverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu führen, damit ein Wahlvorstand bestellt werden kann. Wird der Auflösungsantrag dann noch zurückgewiesen, weil zwar eine Pflichtverletzung, aber keine grobe angenommen wird, liefe § 13 Abs. 2 BetrVG vollends leer. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein.

Hinsichtlich des Hilfsantrages der Antragssteller, die Betriebsratswahl für ungültig zu erklären, ist das Verfahren einzustellen, da sämtliche Beteiligten das Verfahren für erledigt erklärt oder sich der Erklärung angeschlossen haben, § 83 a Abs. 2 ArbGG. Die Beteiligte zu 6) konnte eine entsprechende Erklärung abgeben, weil ihre Beschwerde zulässig war. Ihr Schriftsatz vom 4. Juli 2005 (Bl. 171, 172 d. A.) reicht als rechtzeitige Beschwerdebegründung aus. Sie hat dort vorgetragen, dass der Betrieb nur noch vier Arbeitnehmer habe und nicht mehr betriebsratsfähig sei und hat deshalb das Verfahren für erledigt angesehen. Dies macht wie eingangs ausgeführt eine Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen entbehrlich.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da die Frage der entsprechenden Anwendung des § 16 BetrVG auf den Fall des § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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