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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 9 TaBVGa 188/08
Rechtsgebiete: BetrVG, SGB II, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 19
BetrVG § 8
BetrVG § 9
SGB II § 44 b
ZPO § 935
ZPO § 940
Unbegründeter Eilantrag auf Abbruch der Wahl eines Betriebsrats in einem Jobcenter, das die Agentur für Arbeit und die Stadt im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft nach § 44 b SGB II führen und in das sie Mitarbeiter abgestellt haben.
Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 2008 - 14 BVGa 542/08 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) verfolgt im Eilverfahren den Abbruch der für den 13. August 2008 im Jobcenter A ausgeschriebenen Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 1) ist eine von den Beteiligten zu 3) und zu 4), die je zur Hälfte ihre Gesellschafter sind, gemäß § 44 b SGB II gegründete Arbeitsgemeinschaft in der Rechtsform einer GmbH. Der Beteiligte zu 2) ist der für die Durchführung der Betriebsratswahlen bestimmte Wahlvorstand. Im Betrieb der Beteiligten zu 1) existiert bisher kein Betriebsrat. In den Betrieben der Beteiligten zu 3) und zu 4) bestehen Personalvertretungen nach den jeweils anwendbaren Personalvertretungsgesetzen. Aktuell sind 236 Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3) und 137 Arbeitnehmer der Beteiligten zu 4) für die Beteiligte zu 1) tätig. Neben diesen Mitarbeitern sind 25 Arbeitnehmer von Zeitarbeitsfirmen, drei Arbeitnehmer des "B e.V." sowie fünf Mitarbeiter des "C e.V." tätig. Die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3) und zu 4) stehen weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 3) bzw. der Beteiligten zu 4). Bereits am 22. April 2008 hatte der Beteiligte zu 2) die Wahl zum Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 1) ausgeschrieben. Die Beteiligte zu 1) beantragte mit Schriftsatz vom 7. Mai 2008 den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Abbruch der Betriebsratswahl. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main gab dem Antrag durch Beschluss vom 28. Mai 2008 - 14 BVGa 338/08 - statt. Die von dem Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss eingelegte Beschwerde - 9 TaBVGa 136/08 - nahm er zurück.

Mit Wahlausschreiben vom 1. Juli 2008 schrieb der Beteiligte zu 2) nunmehr eine Betriebsratswahl für den 13. August 2008 aus. Die Wählerliste Frauen zählt 273 wahlberechtigte Frauen, die Wählerliste Männer 137 wahlberechtigte Männer, mithin insgesamt 410 Mitarbeiter. Gewählt werden soll ein aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat. Auf das Minderheitengeschlecht der Männer entfallen drei Mindestsitze. Nach dem Wahlausschreiben sind alle Arbeitnehmer wahlberechtigt und wählbar, die in die Wählerliste eingetragen sind.

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2008 beantragte die Beteiligte zu 1) erneut eine einstweilige Verfügung auf Abbruch der Betriebsratswahl. Sie ist der Ansicht gewesen, bei ihr bestehe kein betriebsratsfähiger Betrieb i.S.d. BetrVG. Die Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3) und 4), die bei ihr tätig sind, seien bei der Frage, ob ein betriebsratsfähiger Betrieb existiere, nicht zu berücksichtigen, da sie lediglich überlassen würden. Bei ihr existiere auch keine einheitliche Leitung. Vielmehr seien sämtliche Entscheidungen in den wesentlichen personellen und sozialen Angelegenheiten der bei ihr eingesetzten Mitarbeiter immer von dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber zu entscheiden. Dies ergebe sich aus den von ihr dargestellten Verfahrensbeispielen, zu denen auf Bl. 46 bis 52 d. A. verwiesen wird. Zudem seien die Angaben des Beteiligten zu 2) auf dem Wahlausschreiben hinsichtlich der wahlberechtigten Arbeitnehmer einerseits und der Größe des zu wählenden Betriebsrats andererseits widersprüchlich. Es sei unklar, ob die Angaben zur Größe des zu wählenden Betriebsrats und die Anzahl der Vertreter des Minderheitsgeschlechts zutreffend seien. Außerdem sei nicht erkennbar, welche Beschäftigten trotz ihrer Aufnahme in die Wählerliste nicht als wahlberechtigte Arbeitnehmer bei der Bestimmung der Größe des zu wählenden Betriebsrats berücksichtigt wurden bzw. ob nun alle in den Wählerlisten genannten Personen einheitlich über das aktive und passive Wahlrecht verfügten. Auf dieser Grundlage sei die Betriebsratswahl nichtig oder zumindest anfechtbar.

Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,

dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, die für den 13. August 2008 bei der Beteiligten zu 1) geplante Betriebsratswahl abzubrechen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Beteiligte zu 2) ist der Ansicht gewesen, die eingeleitete Betriebsratswahl sei nicht mit Sicherheit anfechtbar. Insbesondere sei die Frage, ob es sich bei der Beteiligten zu 1) um einen betriebsratsfähigen Betrieb i.S.d. BetrVG handele, nicht mit Sicherheit zu verneinen. Vielmehr weise der von der Beteiligten zu 1) beschriebene Betrieb alle Merkmale eines Gemeinschaftsbetriebes auf. Die Beteiligten zu 3) und 4) hätten eine einheitliche Organisationsstruktur zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke geschaffen. Das Zusammenwirken werde zur Erfüllung der Zwecke bei gemeinsamer Nutzung von Räumen sowie sonstiger materieller und immaterieller Betriebsmittel koordiniert. Die Mitarbeiter seien ungeachtet der Arbeitgeberzuordnung den jeweiligen Arbeits- und Aufgabenbereichen zugeteilt. Die Beteiligte zu 1) habe die gesetzliche Vermutung eines einheitlichen Leitungsapparates nicht entkräftet. Wenn von einem Gemeinschaftsbetrieb auszugehen sei, hätten die fehlenden Vertragsbeziehungen der beschäftigten Mitarbeiter zur Beteiligten zu 1) keine Relevanz, da das aktive und passive Wahlrecht in einem Gemeinschaftsbetrieb lediglich eine arbeitsvertragliche Beziehung zu einem der den Gemeinschaftsbetrieb errichtenden "Unternehmen" voraussetze. Auch der Widerspruch in der Wahlausschreibung führe nicht mit Sicherheit zur Anfechtbarkeit der Wahl, da sich dieser Verstoß nicht auswirke.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 31. Juli 2008 - 14 BVGa 542/08 - zurückgewiesen, weil die angesetzte Wahl weder nichtig noch mit hinreichender Sicherheit anfechtbar sei. Der Wahlvorstand sei vertretbar davon ausgegangen, dass der Personaleinsatz der Beteiligten zu 3) und 4) im Rahmen eines gemeinsamen Betriebes organisiert sei. So sei im Kooperationsvertrag die Institutionalisierung eines einheitlichen Leitungsapparates vereinbart. Dass die formale Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse hinsichtlich der gestellten Arbeitnehmer bei den Beteiligten zu 3) und 4) verbleibe, stünde der Annahme eines gemeinsamen Betriebes nicht entgegen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen diesen ihr am 4. Aug. 2008 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) am selben Tag Beschwerde eingelegt und gleichzeitig begründet.

Die Beteiligte zu 1) verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag weiter und rügt, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei ein schwerer Wahlfehler darin zu sehen, dass der Wahlvorstand den Betriebsbegriff verkannt habe. Das Arbeitsgericht habe sich offenbar nicht genügend mit den vertraglichen Grundlagen und der gelebten Praxis der Entscheidungsfindung hinsichtlich der sozialen und personellen Angelegenheiten bei der Beteiligten zu 1) befasst. Eine einheitliche institutionelle Leitung bestünde gerade nicht. Es sei nicht erkennbar, auf welche Absprachen das Arbeitsgericht insoweit abstelle.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Juli 2008 - 14 BVGa 542/08 - dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, die für den 13. August 2008 bei der Beteiligten zu 1) geplante Betriebsratswahl abzubrechen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 3) und 4) haben keinen Antrag gestellt.

Der Beteiligte zu 2) verteidigt den angefochtenen Beschluss und meint, bereits der gesetzliche Auftrag, eine Arbeitsgemeinschaft zu gründen, enthalte den Auftrag zur Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs. Die Beschäftigten der Beteiligten zu 3) und 4), die unter Leitung der Beteiligten zu 1) die gesetzlichen Aufgaben wahrnähmen, seien in gemeinsamen Büros zusammengefasst. Die Besetzung der Teams sei gemischt. Auf das vom Beteiligten zu 2) eingereichte Organigramm wird Bezug genommen. Die Beteiligte zu 1) nutze räumlich erkennbare Büroteile in Gebäuden der Beteiligten zu 4). Es gäbe gemeinsame Arbeitsanweisungen und Signaturen im dienstlichen E-Mailverkehr. Die Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten werde einheitlich geplant. Die Koordinierung von Öffnungszeiten, Sprechtagen und Arbeitszeiten werde einheitlich für alle Beschäftigten geleistet. Die Lage des Urlaubs sei zunächst in den Teams abzusprechen

Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt der Beschwerdeschriftsätze sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 7. Aug. 2008 verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Für eine Korrektur der Wahl ist ein ausreichender Grund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO nicht gegeben. In laufende Betriebsratswahlen kann im Wege der einstweiligen Verfügung eingegriffen werden, wenn die Wahl als nichtig anzusehen wäre (Hess. LAG in st. Rspr., zuletzt etwa Beschluss vom 28. Mai 2008 - 9 TaBVGa 133/08 - n.v.; Beschluss vom 19. März 2006 - 9 Ta 149/06 - n.v.; Beschluss vom 17. Febr. 2005 - 9 TaBVGa 28/05 - EzAÜG § 14 AÜG Betriebsverfassung Nr. 61 m.w.N.; Hess. LAG Beschluss vom 24. Juni 2004 - 9 TaBVGa 83/04 - n.v.) oder zumindest eine mit Sicherheit erfolgreiche Wahlanfechtung wegen feststehender Wahlfehler festgestellt werden kann (Hess. LAG a.a.O., ferner LAG Berlin Beschluss vom 7. Febr. 2006 - 4 TaBV 214/06 - NZA 2006, 509; LAG Düsseldorf Beschluss vom 25. Juni 2003 - 12 TaBV 34/03 - Juris; Veit/Wichert DB 2006, 390; Rieble/Triskatis NZA 2006, 233; Bram FA 2006, 66).

Von einer nichtigen Wahl kann nicht ausgegangen werden. Eine nichtige Betriebsratswahl ist nur bei so schwerwiegenden Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts gegeben, dass keine Wahl im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes mehr vorliegt (vgl. BAG Beschluss vom 21. Juli 2004 - 7 ABR 38/03 - AP Nr. 8 zu § 9 BetrVG 1972; BAG Beschluss vom 19. November 2003 - 7 ABR 25/03 - EzA § 19 BetrVG 2001 Nr. 1; BAG Beschluss vom 10. Juni 1983 - 6 ABR 50/82 - AP Nr. 10 zu § 19 BetrVG 1972; BAG Beschluss vom 11. April 1978 - 6 ABR 22/77 - AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972). Die Betriebsratswahl muss den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen. Ein Nichtigkeits- oder sicherer Anfechtungsgrund ist hier nicht in einer Verkennung des Betriebsbegriffs und der Zugrundelegung eines gemeinsamen Betriebs durch den Wahlvorstand zu sehen. Die Verkennung des Betriebsbegriffs gemäß §§ 1, 4 BetrVG hat nicht die Nichtigkeit, sondern bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 BetrVG nur die Anfechtbarkeit einer darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge (BAG Beschluss vom 31. Mai 2000 - 7 ARR 78/98 - NZA 2000, 1350 m.w.N.). Genauso wenig wie einzelne Verstöße gegen Vorschriften des Wahlverfahrens die Nichtigkeit der Betriebsratswahl begründen (vgl. BAG Urteil vom 27. April 1976 - 1 AZR 482/75 - AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972), kann auch eine Verkennung des Betriebsbegriffs bei im Übrigen ordnungsgemäßer Wahl zu deren Nichtigkeit führen. Bereits die erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl setzt einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren voraus.

Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, dass der Wahlvorstand willkürlich, rechtsmissbräuchlich oder offensichtlich fehlerhaft von einem gemeinsamen Betrieb ausgegangen ist, was eine Anfechtung mit einiger Sicherheit rechtfertigte. Der Wahlvorstand hat vertretbar angenommen, dass der Personaleinsatz im Rahmen eines gemeinsamen Betriebes organisiert ist.

Ein gemeinsamer Betrieb besteht, wenn festgestellt werden kann, dass sich die Unternehmen - ausdrücklich oder konkludent - zur Führung eines gemeinsamen Betriebs rechtlich verbunden haben. Dabei kann auf die Existenz einer Führungsvereinbarung aus den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden (BAG Beschluss vom 11. Februar 2004 - 7 ABR 27/03 - EzA § 1 BetrVG 2001 Nr. 2; BAG 24. Januar 1996 - 7 ABR 10/95 - EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 10, zu B 3 b bb der Gründe). Die einen Betrieb konstituierende Leitungsmacht wird dadurch bestimmt, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung im Wesentlichen selbständig ausgeübt und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. (BAG Beschluss vom 11. Dez. 2007 - 1 AZR 824/06 - EzA § 77 BetrVG 2001 Nr. 21; BAG Beschluss vom 17. Aug. 2005 - 7 ABR 62/04 - Juris; BAG Beschluss vom 25. Mai 2005 - 7 ABR 38/04 - EzA § 1 BetrVG 2001 Nr. 3; BAG Beschluss vom 11. Februar 2004 - 7 ABR 27/03 - EzA § 1 BetrVG 2001 Nr. 2; BAG Beschluss vom 21. Juli 2004 - 7 ABR 56/03 - Juris; BAG Urteil vom 3. Juni 2004 - 2 AZR 386/02 - EzA § 23 KSchG Nr. 27). Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten erstrecken. Die Funktionen des Arbeitgebers müssen institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden.

Im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung ist die Annahme eines Gemeinschaftsbetriebes durch den Wahlvorstand als vertretbar anzusehen. Die Beteiligten zu 3) und 4) sind schon - jedenfalls zunächst bis Ende 2010 (vgl. BVerfG Urteil vom 20. Dez. 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - Juris) - von Gesetzes wegen (§ 44 b SGB II Abs. 1 Satz 1) zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach dem SGB II gezwungen. Die Beteiligten zu 3) und 4) als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 6 SGB II) sind zur Bildung von Arbeitsgemeinschaften verpflichtet. Die Mitglieder schalten die ARGE in den Vollzug der ihnen obliegenden Aufgaben ein. Ausgestaltung und Organisation überlässt das Gesetz den Leistungsträgern (vgl. Eicher/Spellbrink/Rissen. SGB II, 2. Aufl. § 44 b Rz. 8). Die Beteiligten zu 3) und 4) haben zu diesem Zweck die Beteiligte zu 1) durch Gesellschaftsvertrag vom 22. Dez. 2004 (Bl. 61 ff d. A.) in der Rechtsform einer GmbH gegründet und für die Zusammenarbeit im Rahmen der ARGE den Kooperationsvertrag vom selben Tag abgeschlossen (Bl. 78 ff. d. A.). In § 2 sind die Grundsätze der Zusammenarbeit festgelegt. Nach Ziff. 1 der Grundsätze der fachlichen Zusammenarbeit nimmt die ARGE die ihr nach dem SGB II obliegenden Aufgaben in einer Arbeitsgemeinschaft in den nach § 9 Abs. 1 a SGB III eingerichteten Job-Centern wahr. Leistung und Vermittlung werden zwar getrennt bearbeitet, die abgestellten Mitarbeiter arbeiten jedoch in Teams. Das mit der Beschwerdeerwiderung vom Wahlvorstand eingereichte Organigramm der Beteiligten zu 1) zeigt, dass die von den Beteiligten zu 3) und 4) gestellten Mitarbeiter gemischt in Teams eingesetzt werden. Für die Tätigkeiten bestehen als Anhang zum Kooperationsabkommen gemeinsame "Jobprofile", z. B. für Teamleiter, Fachberater, Persönlicher Ansprechpartner usw. Nach den Grundsätzen der finanziellen Zusammenarbeit trägt jeder Vertragspartner die Kosten für das von ihm eingebrachte Personal selbst. Die Sachkosten werden nach einer Formel aufgeteilt.

Der Betrieb der Beteiligten zu 1) wird zwar in organisatorisch-fachlicher Hinsicht selbständig geführt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beteiligten zu 3) und 4) die fachliche Führung wahrnähmen. Für die Beteiligte zu 1) sind zwei Geschäftsführer bestellt, aktuell Herr D und Frau E. Nach dem Kooperationsabkommen ist die ARGE nicht dienstherrenfähig. Anders als etwa im Fall des BAG vom 16. April 2008 (- 7 ABR 4/07 - ) gilt dies nicht für die Ausübung der Arbeitgeberbefugnisse im Bereich der sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 87 ff., 99 ff., 106 ff. BetrVG). Den Geschäftsführern ist nach Anhang 3 Ziff. 1 zum Kooperationsabkommen nur das fachliche Weisungsrecht einschließlich der Einhaltung der Arbeitszeit und Urlaub gegenüber den Arbeitnehmern übertragen worden. Nur in Eilfällen dürfen die Geschäftsführer vorläufige arbeitsrechtliche oder dienstrechtliche Maßnahmen anordnen. Dienstvorgesetzte bleiben die Beteiligten zu 3) und 4). Nach § 2 des Dienstleistungsüberlassungsvertrages zwischen den Beteiligten zu 1) und 4) vom 14. April 2005 werden die Rechtsverhältnisse der Mitarbeiter durch die Dienstleistungen nicht berührt. Entsprechend ist dies in § 6 der Rahmenvereinbarung zwischen der Beteiligten zu 3) und dem Personalrat des Jugend- und Sozialamtes vom 15. März 2005 geregelt. Im Betrieb der Beteiligten zu 1) findet keine Personalleitung statt, sie hat auch keine Personalleitung oder Personalabteilung. Soweit Frau F mit Personalangelegenheiten befasst ist, geschieht dies als Koordinierungs- oder Scharnierfunktion zwischen der Beteiligten zu 1) und den Beteiligten zu 3) und 4) wie es die Beteiligte zu 1) mit zahlreichen Beispielen (Bl. 40 ff., 237 ff. d. A.) zu belegen versucht hat.

Angesichts dieser Konstruktion erscheint es zwingend, dass die Beteiligten zu 3) und 4) ihre Arbeitgeberbefugnisse in sozialen und personellen Angelegenheiten gemeinsam ausüben. Denn bei der Beteiligten zu 1) werden diese Befugnisse nur sehr eingeschränkt wahrgenommen, nämlich hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeit, des Urlaubs und bezüglich vorläufiger Maßnahmen in Notfällen. Die Geschäftsführer sind insoweit in ihren Personalentscheidungsbefugnissen weitgehend entmachtet. Wie jedoch eine Arbeitsgemeinschaft, die zu bilden und zu führen die Beteiligten zu 3) und 4) gesetzlich verpflichtet sind, in der die Mitarbeiter in gemischten Teams tätig werden und in der die Geschäftsführer die Arbeitgeberbefugnisse in sozialen und personellen Angelegenheiten nach §§ 87 ff., 99 ff. BetrVG nur in Randbereichen ausüben dürfen, ohne Abstimmung und Absprache der Beteiligten zu 3) und 4) über die Ausübung dieser Befugnisse funktionieren soll, ist nicht erkennbar. Die Führung des Betriebes einer Arbeitsgemeinschaft mit gemischten Teams aus Mitarbeitern der Beteiligten zu 3) und 4) wie zwei getrennte Betriebe kann nicht reibungslos und sachgerecht funktionieren. Es bedarf Absprachen, welche Tätigkeiten in den gemischten Teams den abgestellten Mitarbeitern übertragen werden, inwiefern Versetzungen oder Änderungen der Arbeitsbedingungen vorzunehmen sind, inwiefern die Mitarbeiter den Anforderungsprofilen der Anlage zum Kooperationsabkommen entsprechen, inwiefern zu den Service- und Kernzeiten eine vollständige Besetzung der Teams gewährleistet ist mit den entsprechenden Regelungen nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG, über Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG usw. Die Führung eines Betriebs mit rund 400 Mitarbeitern mit zwei getrennten, nicht passgenau koordinierten Leitungen ist ohne einheitliche institutionelle Leitung mit Personalbefugnissen nicht vorstellbar. Die Absprachen erfolgen dann zwangsläufig in den Gesellschafterversammlungen oder informell vermittelt durch Frau F. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Beteiligten zu 3) und 4) sich in Gesellschafterversammlungen direkt absprechen oder ihre Absprachen über Frau F koordinieren.

Im Rahmen der nach §§ 85 Abs. 2 ArbGG, 935, 940 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung ist abzuwägen, ob der Wahlabbruch, der keine Regelung eines einstweiligen Zustandes darstellt, sondern endgültig ist und weiter geht als eine erfolgreiche Wahlanfechtung, bei der der Betriebsrat jedenfalls vorübergehend wirksam im Amt ist, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Wahl belastet die Beteiligte 1) mit den Wahlkosten, die sie nach § 21 Abs. 3 BetrVG zu tragen hat, falls sich die Wahl am Ende als ungültig erweist, mit der Vergütung für die Zeit der Stimmabgabe sowie mit dem Personalaufwand und den Kosten der vorübergehenden Betriebsratstätigkeit. Dies ist insgesamt ein erheblicher Kostenaufwand. Auf der anderen Seite sind ohne die Betriebsratswahl 236 Mitarbeiter, die bis 31. März 2005 (vgl. §§ 9 HPVG, 13 BPersVG) eine Interessenvertretung durch den Personalrat hatten, für weitere 2 1/2 Jahre in einer schwierigen Situation (vgl. den Aufruf der Mitarbeiter des Jobcenters G von Januar 2008) ohne jegliche betriebliche Interessenvertretung. Durch den Abbruch der Wahl würde für rund 400 Arbeitnehmer, von denen 236 überhaupt keine betriebliche Interessenvertretung mehr haben, bis zum Jahre 2010 nicht rückgängig zu machende Fakten geschaffen. Bei der letzten Personalratswahl bei der Beteiligten zu 3) wurde diesen Arbeitnehmern kein Wahlrecht zuerkannt. Die 137 Mitarbeiter der Beteiligten zu 4) haben den Personalrat der Beteiligten zu 4) mitgewählt und beide Wahlen sind soweit ersichtlich nicht angefochten worden. Ob die zur Arbeitsgemeinschaft abgestellten Mitarbeiter bei der Personalratswahl der Beteiligten zu 3) und 4) wahlberechtigt waren, ist rechtlich umstritten. Das VG Meiningen (Beschluss vom 24. Mai 2006 - 4 E 50010/06.Me - Juris) hat angenommen, mit der Eingliederung in die Arbeitsgemeinschaft nach § 44 Abs.1 SGB II verlören die Beschäftigten das aktive und passive Wahlrecht in der abgebenden Dienststelle. Anknüpfungspunkte für die Wahlberechtigung sei deshalb die Eingliederung eines Beschäftigten in einer Dienststelle. Eine Eingliederung sei dann gegeben, wenn eine regelmäßige und dauernde, nicht bloß vorübergehende und auch nicht geringfügige Arbeit verrichtet werde und ob ein Mindestbestand an arbeitsrechtlichen Beziehungen bestünde. Mit der Vereinbarung über die Bildung der Arbeitsgemeinschaft und der damit verbundenen Aufgabenübertragung auf die Arbeitsgemeinschaft sowie die Überstellung der Mitarbeiter von den kommunalen Einrichtungen sowie der Agentur für Arbeit sei die Regelungskompetenz in Bezug auf die überstellten Mitarbeiter in personeller Hinsicht weitestgehend und in sachlicher Hinsicht für die Dauer der Überstellung mit übertragen. Die Regelungskompetenz in personeller Hinsicht gehe für diese Zeit auf den Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft über, mit Ausnahme derjenigen personellen Angelegenheiten, die das Grundverhältnis zwischen den Beschäftigten und den beteiligten Einrichtungen beträfen. Bei der Aufgabenübertragung sei die Regelungskompetenz der beteiligten Einrichtungen in sachlicher Hinsicht auf die Arbeitsgemeinschaft übergegangen. Dagegen meint das VG Arnsberg (Beschluss vom 22. März 2007 - 20 K 2029/06.PVL - PersR 2007, 255 = Juris), die ARGE sei keine Dienststelle im personalvertretungsrechtlichen Sinne, wenn ihrem Leiter mit Bezug auf das ausschließlich von der Agentur für Arbeit, einem Kreis und den kreisangehörigen Kommunen zur Verfügung gestellte "Fremdpersonal" bei gebotener Gesamtbewertung und Gewichtung im Wesentlichen nur beteiligungspflichtige Zuständigkeiten zur Betriebsleitung zugewiesen seien und die mitbestimmungsrechtlich bedeutsamen Zuständigkeiten in Personalangelegenheiten überwiegend bei den Leitern der Entsendedienststellen verblieben.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage die Anforderungen an den Verfügungsgrund erhöht ist und Zurückhaltung geboten ist, auf ungeklärter Rechtsgrundlage im Eilverfahren die Hauptsache vorwegzunehmen (ebenso etwa Hess. LAG Beschluss vom 27. April 2006 - 9 TaBVGa 61/06 - n.v.; LAG Köln Urteil vom 13. Mai 2005 - 4 Sa 400/05 - Juris; Sächs. LAG Urteil vom 19. Februar 2001 - 2 Sa 624/00 - NZA-RR 2002, 439: "Eine in einem Eilverfahren ergehende und überdies nicht anfechtbare landesarbeitsgerichtliche Entscheidung ist kein Ort für die Klärung der offenen Rechtsfragen.").

Der Verfahrensfehler, dass Mitarbeiter von Leiharbeits- oder Fremdfirmen als passiv wahlberechtigt auf der Wählerliste standen, führt ebenfalls nicht zum Abbruch der Wahl, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Verstoß gegen die Wahlvorschriften das Wahlergebnis beeinflusst oder geändert hat. Nach den Erörterungen in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht wurde nur ein Wahlvorschlag eingereicht. Dieser enthält keine Mitarbeiter von Leiharbeits- oder Fremdfirmen als Wahlbewerber.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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