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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 9 TaBVGa 32/07
Rechtsgebiete: BetrVG, BGB, ArbGG, ZPO


Vorschriften:

BetrVG § 78
BGB § 859
BGB § 862
ArbGG § 85 Abs. 2
ZPO § 935
ZPO § 940
Der Betriebsrat hat einen im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren besitzrechtlichen Anspruch auf Störungsbeseitigung, wenn der Arbeitgeber einseitig das Schwarze Brett des Betriebsrats vom Eingangsbereich der Kantine in einen Seitengang umhängt, weil nach seiner Auffassung betriebsfremde Kantinenbesucher nicht über Betriebsinterna informiert werden sollten.
Tenor:

Der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 2007 - 8 BVGa 31/07 - wird abgeändert.

Der Beteiligten zu 2) wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, das Schwarze Brett des Betriebsrats bis zur Verkündung einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache am bisherigen Standort im Eingangsbereich der Kantine gegenüber der Kaffeebar aufzuhängen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um den Standort eines Schwarzen Brettes.

Antragsteller und Beteiligter zu 1) ist der im Betrieb der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin in A gewählte Betriebsrat. Seit der Verlagerung des Betriebes nach A im Jahr 2000 hängt das dem Betriebsrat zur Verfügung gestellte Schwarze Brett im Eingangsbereich der Kantine gegenüber der Kaffeebar. Gebäude und Kantine werden auch von anderen Unternehmen und ihren Mitarbeitern genutzt. Am 12. Jan. 2007 ließ die Arbeitgeberin, nachdem sie dies bereits im Dezember 2006 angekündigt und der Betriebsrat dem widersprochen hatte, das Schwarze Brett mitsamt Aushängen in einen seitlichen Gang umhängen, in dem sich die Büros des Betriebsrats, des B Managements und der Gebäudeleittechnik befinden. Dort befindet sich ein weiteres Schwarzes Brett des Betriebsrats mit weniger aktuellen Informationen, eines für jedermann und eines der Arbeitgeberin mit Ausschreibungen (Ablichtungen von Lichtbildern Bl. 49 ff. d. A). Der Betriebsrat vertritt etwa 560 Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat ist der Auffassung gewesen, die Arbeitgeberin habe durch das Umhängen des Schwarzen Brettes verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB verübt und sei verpflichtet, das Schwarze Brett wieder am bisherigen Ort aufzuhängen. Ein Eilgrund ergebe sich aus der Besitzstörung. Da der Betriebsrat ein Selbsthilferecht im Sinne des § 859 Abs. 1 BGB habe, sei ihm gerichtlicher Rechtsschutz im Eilverfahren zu gewähren.

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, das Schwarze Brett des Betriebsrats am bisherigen Standort im Eingansbereich der Kantine gegenüber der Kaffeebar aufzuhängen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, der bisherige Standort sei kein geeigneter Platz für das Schwarze Brett, da der Bereich vor der Kantine auch von rund 350 unternehmensfremden Personen genutzt werde. Diese hätten die Möglichkeit, Informationen einzusehen, die nur für die Betriebsangehörigen bestimmt gewesen seien. Es handele sich u.a. um die C GmbH mit etwa 175 Mitarbeitern, die D AG mit rund 90 Arbeitnehmern und die E mit ca. 80 Arbeitnehmern. Die vom Betriebsrat zum Teil mit Schärfe geführte Kommunikation sei nicht für die betriebsfremde Öffentlichkeit bestimmt. Verbotene Eigenmacht liege zudem nicht vor. Der Betriebsrat habe kein Besitzrecht am Standort des Schwarzen Brettes. Schließlich fehle es an der Eilbedürftigkeit für den Antrag. Alle Arbeitsplätze seien mit PC ausgestattet und jeder Mitarbeiter habe Zugang zum Intranet und damit auch zu dem vom Betriebsrat eingerichteten elektronischen Schwarzen Brett (Ausdrucke Bl. 43 ff. d. A.). Jeder Mitarbeiter könne dort Zugriff zu den Informationen des Betriebsrats nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag durch Beschluss vom 30. Jan. 2007 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Arbeitgeberin habe das Besitzrecht des Betriebsrates nicht beeinträchtigt. Es liege allenfalls eine Besitzstörung vor, durch die die Nutzungsmöglichkeiten des Betriebsrats bezüglich des Schwarzen Bretts nicht eingeschränkt würden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die arbeitsgerichtlichen Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diesen ihm am 6. Febr. 2007 zugestellten Beschluss hat der Betriebsrat am 15. Febr. 2007 Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Der Betriebsrat rügt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass das Besitzrecht am Schwarzen Brett auch das Recht beinhalte, den Ort zu bestimmen, wo es hängen solle. Der neue Standort sei abseitig und werde nur von wenigen Mitarbeitern aufgesucht und schränke die bisher übliche Kommunikation ein. Der bisherige Standort sei durch eine Regelungsabrede festgelegt.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Jan. 2007 - 8 BVGa 31/07 - abzuändern und der Arbeitgeberin im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, das Schwarze Brett des Betriebsrats am bisherigen Standort im Eingansbereich der Kantine gegenüber der Kaffeebar aufzuhängen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Arbeitgeberin verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss und trägt vor, eine Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten sei mit der Umhängung des Schwarzen Brettes nicht verbunden. Der Wechsel des Standortes sei sachlich geboten. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, die außerbetriebliche Öffentlichkeit über betriebsinterne Vorgänge zu unterrichten. Im Übrigen fehle es angesichts des elektronischen Schwarzen Brettes an einem Eilgrund.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf die Beschwerdeschriftsätze und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15. März 2007 verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, das eigenmächtige Umhängen des Schwarzen Brettes zu unterlassen. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 78 Satz 1 BetrVG in Verb. mit § 862 Abs. 1 BGB, wonach der Betriebsrat in der Ausübung seiner Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden darf (BAG Beschluss vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 67). Der Begriff der Behinderung umfasst jede unzulässige Erschwerung oder Störung der Betriebsratsarbeit, ohne dass ein Verschulden erforderlich wäre (BAG Beschluss vom 3. Sept. 2003 - 7 ABR 12/03 - EzA § 40 BetrVG 2001 Nr. 5), insbesondere widerrechtliches Handeln in Gestalt verbotener Eigenmacht.

Das Abhängen des Schwarzen Brettes und Aufhängen in einem Seitengang war verbotene Eigenmacht. Nach § 858 Abs. 1 BGB begeht verbotene Eigenmacht, wer den Besitzer im Besitze stört. Er handelt widerrechtlich. Eine Besitzstörung ist die Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes, z.B. durch körperliche Einwirkungen.

Der Betriebsrat kann Besitzrechte hinsichtlich der ihm nach § 40 Abs. 2 BetrVG überlassenen Sachen und Gegenstände ausüben. Er ist zwar mangels Vermögensfähigkeit (vgl. BAG Beschluss vom 29. Sept. 2004 - 1 ABR 30/03 - EzA § 40 BetrVG 2001 Nr. 7) nicht unmittelbarer Besitzer, aber auch nicht bloßer Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB, da er die tatsächliche Gewalt über die ihm überlassenen Sachen nicht für den Arbeitgeber ausübt und nicht dessen Weisungen unterworfen ist (GK-BetrVG/Wiese, 8. Aufl. § 40 Rz. 183 ). Der Arbeitgeber ist jedoch im Innenverhältnis in seiner Rechtsstellung hinsichtlich seines Besitzes gegenüber dem Betriebsrat beschränkt. Der Betriebsrat kann in entsprechender Anwendung der §§ 859 ff. BGB gegenüber dem Arbeitgeber die Rechte aus Besitz ausüben (GK-BetrVG/Wiese a.a.O.).

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat das Schwarze Brett seit etwa sechs Jahren zur Verfügung gestellt. Der Betriebsrat hat im Rahmen des Rechtsverhältnisses nach § 40 Abs. 2 BetrVG Besitzrechte nicht nur am Schwarzen Brett selbst, sondern auch an der Wandfläche erworben, auf der sein Schwarzes Brett seit etwa sechs Jahren angebracht ist (LAG Frankfurt Urteil vom 16. April 1971 - 5 Sa 72/71 - DB 1972, 1027). Das Abhängen des Schwarzen Brettes und Aufhängen in einem Seitengang stellt sich ebenso wie das Entfernen von Aushängen als verbotene Eigenmacht dar (LAG Frankfurt a.a.O.; Staudinger-Elmar Bund, § 858 BGB Rz. 30; MünchKomm-Joost, § 858 BGB Rz. 11). Der Betriebsrat ist in seinem Besitzrecht gestört, wenn das Schwarze Brett von dem publikumswirksamen Standort gegenüber der Cafeteria in einen Seitengang umgehängt wird und ihm die ursprüngliche Hängefläche nicht mehr zur Verfügung steht.

Der Arbeitgeber hat vorliegend kein Selbsthilferecht. Es gehört zwar nicht zu den dem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz obliegenden Aufgaben, die außerbetriebliche Öffentlichkeit über Vorgänge des Betriebs zu unterrichten (BAG Beschluss vom 18. September 1991 - 7 ABR 63/90 - EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 67). Aber auch, wenn eine Veröffentlichung des Betriebsrats den Aufgabenbereich des Betriebsrats überschreitet, ist der Arbeitgeber - ohne Vorliegen der Voraussetzungen der Nothilfe oder Notwehr - nicht berechtigt, einseitig Aushänge vom Schwarzen Brett oder gleich das Schwarze Brett zu entfernen oder umzuhängen (LAG Hamm Beschluss vom 12. März 2004 - 10 TaBV 161/03 - Juris), da dies verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs.1 BGB ist. Der Arbeitgeber muss den Anspruch auf Herausgabe seines Eigentums (§ 985 BGB) auf dem Rechtsweg durchsetzen. Die Voraussetzungen des Selbsthilferechts gemäß § 229 BGB liegen nicht vor. Sofern er einzelne Aushänge für beleidigend ansieht und sich dadurch in seiner Ehre verletzt fühlt, kommt Notwehr gemäß § 227 BGB in Betracht oder ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Entfernung dieser Aushänge (LAG Frankfurt am Main, a.a.O.).

Die Beseitigung der Störung im Sinne des § 862 BGB geschieht durch Zurückhängen des Schwarzen Brettes an die ursprünglich vorgesehene Wandfläche.

Ein Eilgrund besteht unabhängig davon, ob der Betriebsrat die Mitarbeiter auch über das Intranet informieren kann. Die Ausübung verbotener Eigenmacht begründet im Verfahren der einstweiligen Verfügung einen Verfügungsgrund ( OLG Saarbrücken Urteil vom 9. April 2003 - 1 U 4/03 - 1, 1 U 4/03 - NJW-RR 2003, 1717; OLG Düsseldorf Urteil vom 15. Nov. 2001 - 10 U 125/01 - Juris; OLG Koblenz Beschluss vom 24. Juli 2000 - 3 W 472/00 - Juris; OLG Stuttgart Urteil vom 19. Jan. 1996 - 2 U 164/95 - NJW-RR 1996, 1516). Das Vorliegen verbotener Eigenmacht stellt regelmäßig einen ausreichenden Verfügungsgrund für eine Leistungsverfügung dar, welche der Befriedigung des Besitzschutzanspruches dient (OLG Koblenz a.a.O.). Der durch verbotene Eigenmacht herbeigeführte Zustand wird bereits als solcher vom Gesetz missbilligt. Außerdem gewährt § 859 Abs. 1 BGB ein Recht auf Besitzwehr ohne die besonderen Voraussetzungen des § 229 BGB. Deshalb kann dem in seinem Besitz Gestörten nicht mit der Begründung mangelnder Eilbedürftigkeit eine Wiederherstellung des alten Zustandes durch einstweilige Verfügung verwehrt werden, wie er ihn gemäß § 859 Abs. 1 BGB durch Selbsthilfe herstellen dürfte (OLG Koblenz a.a.O.).

Die Verpflichtung ist gemäß § 938 ZPO auf den Zeitraum bis zur Verkündung einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu begrenzen.

Eine Kostenentscheidung ergeht nach § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben, § 92 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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