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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 23.05.2006
Aktenzeichen: 9 TaBVGa 81/06
Rechtsgebiete: ZPO, BetrVG, SGB II


Vorschriften:

ZPO § 940
ZPO § 945
BetrVG § 7
BetrVG § 8
BetrVG § 9
BetrVG § 19
SGB II § 16 III 2
Abbruch einer Betriebsratswahl im Eilverfahren, weil die beim Arbeitgeber beschäftigten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit Aufwandsentschädigung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II als wahlberechtigt angesehen und bei der Berechnung der Betriebsratsgröße mitberücksichtigt worden sind.
Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 5) und 6) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. Mai 2006 - 5/6 BVGa 233/06 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) verfolgen im Eilverfahren den Abbruch einer Betriebsratswahl, die gemäß Wahlausschreiben vom 20. April 2006 (Bl. 48 - 49 d. A.) in der Zeit vom 7. bis 9. Juni 2006 stattfinden soll. Hilfsweise begehren sie eine Abänderung dieses Wahlausschreibens.

Der Arbeitgeber ist ein stadtnaher, gemeinnütziger Verein, der u. a. Beschäftigungsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose zur Verfügung stellt, um die Vermittlungschancen dieser Personen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen. Zweck des Vereins ist u.a. eine sinnvolle Gestaltung der Hilfe zur Arbeit im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes durch Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose A Sozialhilfeempfänger. Der Verein ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Zur Erfüllung seines Vereinszwecks arbeitet der Verein mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie Organisationen mit ähnlicher Zielsetzung, sowie den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit, dem Sozialamt der Stadt A sowie mit Trägern von Maßnahmen und Einrichtungen, die der Hilfe für die genannten Personen dienen, zusammen. Er betreibt u.a. eine Gärtnerei, nimmt für die B an der Abfallsammlung teil, recycelt Geräte, führt einen Second Hand Verkauf durch, betreibt das Licht- und Luftbad und das C Cafe, führt Arbeiten der Garten- und Landschaftspflege und der Haus- und Gebäudereinigung durch und ist für die Stadt A tätig bei der Altgeräteverwertung und -entsorgung. Der Beteiligte zu 5.) (nachfolgend "Wahlvorstand") ist der für die Durchführung der Betriebsratswahlen bestimmte Wahlvorstand. Der Beteiligte zu 6.) ist der für den Betrieb D gewählte Betriebsrat, dessen Amtszeit am 31. Mai 2006 endet.

Mit Wahlausschreiben vom 20. April 2006 (BI. 48 - 49 d. A.) schrieb der Wahlvorstand die Wahl zum Betriebsrat im Betrieb D aus. Nach dem Wahlausschreiben wird ein Betriebsrat aus 13 Mitgliedern gewählt.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind der Ansicht gewesen, bei dem Arbeitgeber seien lediglich 258 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Demzufolge habe der Betriebsrat lediglich aus 9 Arbeitnehmern zu bestehen. Insbesondere seien die bei ihm eingesetzten 506 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 16 Abs. 3 SGB II nicht als wahlberechtigte Arbeitnehmer im Sinne von §§ 7 bis 9 BetrVG anzusehen, da diese Vorschriften für die Wahlberechtigung auf die Eigenschaft als Arbeitnehmer abstelle. In § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II habe der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich angeordnet, dass Arbeiten, die von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wahrgenommen werden, kein Arbeitsverhältnis begründeten. Unerheblich sei insofern, ob die jeweiligen Arbeiten auch die übrigen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II erfüllten, es sich also um "im öffentlichen Interesse liegende zusätzliche Arbeiten" handele. Auf dieser Grundlage wäre die Betriebsratswahl nichtig oder zumindest anfechtbar.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) haben beantragt:

1. die am 20. April 2006 im Betrieb des D eingeleiteten Betriebsratswahlverfahren abzubrechen,

hilfsweise,

2. den Wahlvorstand zu verpflichten, das Wahlausschreiben vom 20. April 2006 dahingehend abzuändern, dass die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder auf neun und die Anzahl der zwingenden Unterschriften unter den Vorschlagslisten nach § 14 Abs. 4 BetrVG auf 13 festgesetzt wird.

Wahlvorstand und Betriebsrat haben beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Wahlvorstand und Betriebsrat sind der Ansicht gewesen, unabhängig davon, ob erwerbsfähige Hilfebedürftige generell wahlberechtigte Arbeitnehmer im Sinne von §§ 7, 9 BetrVG seien, sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Menschen, die als erwerbsfähige Hilfebedürftige bei dem Arbeitgeber tätig werden, nicht - wie in § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II gefordert - "zusätzliche Arbeiten" verrichteten. Vielmehr würden sie zum Beispiel in dem von dem Arbeitgeber betriebenen Second Hand Warenhaus oder dem Recyclingzentrum mit Tätigkeiten betraut, die ständig anfielen und in der Vergangenheit von Arbeitern oder Angestellten wahrgenommen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf die Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Antrag zu 1) durch Beschluss vom 2. Mai 2006 - 5/6 BVGa 233/06 - stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Einbeziehung der erwerbstätigen Hilfebedürftigen als wahlberechtigte Arbeitnehmer hätte mit Sicherheit eine erfolgreiche Wahlanfechtung zur Folge. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen seien nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II keine Arbeitnehmer. Nur so erkläre sich die ausdrückliche Anordnung, dass bestimmte arbeitsrechtliche Bestimmungen auch für erwerbsfähige Hilfebedürftige gälten (§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB Il am Ende). Dem stünde es nicht entgegen, wenn die bei der Arbeitgeberin tätigen Personen keine "zusätzlichen" Arbeiten im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II verrichteten und damit die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt wären. Auch dann könne nicht zwangsläufig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden. Vielmehr werde das Verhältnis zwischen dem Tätigen und denjenigen, die die Arbeitsgelegenheiten bereitstellen, als öffentlich-rechtlicher Vertrag gewertet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Die Beteiligten zu 5) und 6) haben gegen den ihnen am 5. Mai 2006 zugestellten Beschluss am 5. Mai 2006 Beschwerde eingelegt und diese am 17. Mai 2006 begründet.

Die Beteiligten zu 5) und 6) meinen, bei einem Blick in das Betriebsverfassungsgesetz wäre die Dauer des betriebsratslosen Zeitraums berechenbar gewesen und hätte als lang beschrieben werden müssen. Der Wahlvorstand halte die Menschen für wahlberechtigt, die im Betrieb des Arbeitgebers weisungsgebundene Tätigkeiten verrichteten. Dies seien überwiegend Menschen, die im betrieblichen Sprachgebrauch als "MAE" bezeichnet werden (Mehraufwandsentschädigung), darüber hinaus Menschen im Rahmen des von dem Arbeitgeber genannten "A Wegs" sowie entliehene Arbeitnehmer der E mbH, einer Tochtergesellschaft des Arbeitgebers. Aus der Sicht des Wahlvorstands betrage die Zahl der Wahlberechtigten derzeit 760, von denen etwa 20 Arbeitnehmer von der E entliehen seien. Es stelle sich die Frage, ob an der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts festzuhalten sei, dass neben der Eingliederung in die Betriebsorganisation auch ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber bestehen müsse. Die wesentlichen Zweifel habe Dörner (Festschrift für Wissmann, 286 ff.) dargelegt. Die dort von ihm erörterten Gründe, die es nahelegten, zukünftig auf ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber zu verzichten, gälten in gleicher Weise für die sog. MAEs wie für die Leiharbeitnehmer. Die Diskussion darüber, welche betriebsverfassungsrechtlichen Konsequenzen bei der Beschäftigung von sog. MAEs entstünden, erübrigt sich, wenn diese Menschen keine "Arbeiten im öffentlichen Interesse" oder keine "zusätzlichen Arbeiten" verrichteten. In diesem Fall wären sie im Rahmen eines faktischen Arbeitsverhältnisses tätig mit der Folge, dass sämtliche Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes auf sie ohne Einschränkung anwendbar wären. Die als MAE bezeichneten Menschen verrichteten Arbeiten, wie sie bisher von anderen Arbeitnehmern geleistet worden seien. Sämtliche dieser Tätigkeiten seien Arbeiten, die nicht "zusätzlich" erbracht würden, sondern von anderen Arbeitnehmern oder anderen Unternehmen erbracht werden müssten, wenn sie nicht von dem Arbeitgeber mit seinen Mitarbeitern geleistet würden. Auf die Broschüre und den Internet-Auftritt der B, wonach ihre Aufgaben (die Entsorgung von Elektrogeräten und Elektronikteilen) über die D organisiert seien, wird Bezug genommen. Während die B aufgrund des "Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten" an drei Orten selbst die Geräte in Empfang nehme, habe sie an einem vierten Ort das Recyclingzentrum des Arbeitgebers beauftragt, diese Aufgaben für sie wahrzunehmen. Auch im Malerbereich würden Arbeiten verrichtet, die ansonsten von anderen gewerblichen Unternehmen zu leisten wären. In der Vergangenheit habe der Arbeitgeber derartige Leistungen durch Arbeiter und Angestellte mit entsprechenden Arbeitsverträgen erbracht. Zu den Aufgaben, die der Arbeitgeber für die B leiste, gehöre auch das Abholen von Sperrmüll. Die Zahl der hier Tätigen solle auf einen MAE reduziert worden sein, im Übrigen sollen feste Arbeitnehmer tätig werden. Soweit ersichtlich beschäftige der Arbeitgeber Arbeitnehmer, die im TVÖD oder im Haustarif eingruppiert seien oder die von der E oder der F AG entliehen seien. Aus allen vier Gruppen würden die sog. MAEs angeleitet. Daneben seien Menschen im Rahmen des sog. A Modells mit dem Ziel, nach einem Zeitraum von ein bis drei Jahren eine Abschlussprüfung als Externer bei der IHK oder Handwerkskammer abzulegen, beschäftigt. Bei der inhomogenen Struktur der für den Arbeitgeber tätigen Menschen werde man nicht sagen können, eine mögliche Wahlanfechtung werde von Erfolg gekrönt sein.

Die Beteiligten zu 5) und 6) beantragen,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 2006 abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) und 7) beantragen

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 1) bis 4) und 7) meinen, bei dem Beschäftigungsverhältnis gemäß § 16 Abs. 3 SGB II handele es sich um ein öffentlich-rechtliches. Ein solches entstehe aufgrund öffentlich rechtlicher Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 SGB II oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Heranziehungsbescheides nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Die Durchführung der Arbeitspflicht der nach § 16 III SGB Il Beschäftigten diene somit der Erfüllung von Rechten und Pflichten, die der Beschäftigte gegenüber den Leistungsträgern nach § 15 SGB II hätten und die durch die mit ihm zustande gekommene Eingliederungsvereinbarung oder einen entsprechenden Verwaltungsakt konkretisiert seien. Die Vereinbarung zwischen dem nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II Beschäftigten und dem Dritten, der den Beschäftigungsplatz zur Verfügung stelle, stelle einen öffentlich-rechtlichen Vertrag dar. Die beim Beteiligten zu 7) tätigen Beschäftigen gemäß § 16 Abs. 3 SGB II verrichteten auch "Arbeiten im öffentlichen Interesse" und "zusätzliche Arbeiten". Entsprechend seiner Satzung verfolge er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Wohlfahrtszwecke. Die Arbeitsplätze in der Gärtnerei, dem Recyclingzentrum, dem Second-Hand-Warenhaus, dem Licht- und Luftbad sowie dem C-cafe seien sämtlich zusätzlich und einzig im Sinne des Vereinszwecks eingerichtet worden, um arbeitslose Menschen zu fördern und ihnen den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die Zuweisungen der Beschäftigten gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II erfolge durch das G Jobcenter. Dieses habe vor der Zuweisung zu prüfen, ob der Träger der Beschäftigungsmaßnahme die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, also insbesondere "zusätzliche" Arbeitsplätze zur Verfügung stelle. Das G Jobcenter habe diese Prüfung durchgeführt und - wie auch in der Vergangenheit bei Beschäftigungsmaßnahmen, die beim Beteiligten zu 7) durchgeführt worden seien - festgestellt, dass von ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsplätze "zusätzliche" Arbeitsplätze im Sinne der gesetzlichen Definition seien. Die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit seien verpflichtet, vor Zuweisung eines Arbeitslosen auf einen Arbeitsplatz zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und insbesondere eine zusätzliche, gemeinnützige und damit arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Tätigkeit vorliege. Das G Jobcenter habe geprüft, ob die Voraussetzungen des "öffentlichen Interesses" und der "Zusätzlichkeit" beim Beteiligten zu 7) vorliegen und das Vorliegen dieser Voraussetzungen bejaht und weise dem Beteiligten zu 7) Beschäftigte gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB Il zu. Dem G Jobcenter obliege auch die Entscheidungskompetenz für die Anerkennung und für die Finanzierung aller Arbeitsgelegenheiten im Sinne des SGB II. Auf die entsprechenden Förderbescheide und Anerkennungsbescheide wird verwiesen. Zu keiner Zeit habe es sich bei den Tätigkeiten im Recyclingzentrum, der Gärtnerei, dem Second-Hand-Warenhaus etc. um Arbeitsverhältnisse gehandelt, deren Zweck einer wirtschaftlichen Betrachtung gedient habe. Es sei entsprechend dem Satzungszweck des Beteiligten zu 7) stets um die Förderung Langzeitarbeitsloser gegangen. Ohne Förderung durch öffentliche Gelder gäbe es diese Arbeitsplätze nicht. Soweit eine Beschäftigung im Rahmen von § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB Il erfolge, liege ein öffentlich rechtliches Beschäftigungsverhältnis vor und kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis. Die Durchführung der Arbeitspflicht der nach § 16 Abs. 3 SGB II Beschäftigten diene einzig der Erfüllung von Rechten und Pflichten, die der Beschäftigte gegenüber dem Leistungsträger nach § 15 SGB II habe. Es gehe nicht um die Erfüllung eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Inhalt der Beschwerdeschriftsätze sowie den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 23. Mai 2006 verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 5) und 6) ist nicht begründet. Für einen Abbruch der Wahl ist ein ausreichender Grund im Sinne der §§ 935, 940 ZPO gegeben. In laufende Betriebsratswahlen kann im Wege der einstweiligen Verfügung eingegriffen werden, wenn die Wahl als nichtig anzusehen wäre (Hess. LAG in st. Rspr., zuletzt etwa Beschluss vom 19. März 2006 - 9 Ta 149/06 -; Beschluss vom 17. Febr. 2005 - 9 TaBVGa 28/05 - ) oder zumindest eine mit Sicherheit erfolgreiche Wahlanfechtung wegen feststehender Wahlfehler festgestellt werden kann (etwa Hess. LAG Beschluss vom 24. Juni 2004 - 9 TaBVGa 83/04 -; LAG Berlin Beschluss vom 7. Febr. 2006 - 4 TaBV 214/06 - NZA 2006, 509; LAG Düsseldorf Beschluss vom 25. Juni 2003 - 12 TaBV 34/03 - Juris; Veit/Wichert DB 2006, 390; Rieble/Triskatis NZA 2006, 233; Bram FA 2006, 66).

Die Einbeziehung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II Arbeitsleistungen erbringen, in die Betriebsratswahl gemäß §§ 7, 8 und 9 BetrVG führt mit hinreichender Sicherheit zur Anfechtung der Wahl. Dies hat das Arbeitsgericht, auf dessen Beschlussgründe Bezug genommen wird, zutreffend erkannt. Die Beschwerde rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach § 7 BetrVG in Verb. mit § 5 Abs. 1 BetrVG sind nur diejenigen Arbeitnehmer wahlberechtigt, die in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und innerhalb seiner Arbeitsorganisation abhängige Arbeit erbringen (BAG Beschluss vom 13. Okt. 2004 - 7 ABR 6/04 - EzA § 5 BetrVG 2001 Nr. 1; BAG Beschluss vom 5. April 2000 - 7 ABR 20/99 - EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 63).

Der Gesetzgeber hat es so gemeint wie er es normiert hat: erwerbsfähige Hilfebedürftige, die nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II Arbeitsleistungen erbringen, fallen unter die Arbeitsschutzvorschriften, erhalten den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG und fallen unter die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung, haben aber keine Arbeitnehmerrechte. Ihre Beschäftigung begründet kein Arbeitsverhältnis und sie werden als Arbeitnehmer von Gesetzes wegen auch nicht angesehen. Dass diese Personen nicht wählen und gewählt werden und bei der Berechnung der Betriebsratsgröße nicht berücksichtigt werden dürfen, entspricht allgemeiner Auffassung ( vgl. LAG Rheinlad-Pfalz Beschluss vom 3. Febr. 2006 - 10 Ta 14/06 - BeckRS 2006 Nr. 40792; ArbG Lübeck, Beschl. Vom 18. Aug. 2005 - 6 BVGa 91/05 - Bl. 72 ff. d. A.; ArbG Weiden Urteil vom 29. Sept. 2005 - 2 Ca 480/05 - Bl. 175 ff. d. A.; GK-BetrVG-Raab, 8. Aufl., § 5 Rz. 32; Scheriau AiB 2005, 16; Verdi: Arbeitsgelegenheiten nach dem SGB II, ein Leitfaden für Interessenvertretungen [Bl. 18 ff. d. A.]; Ver.di: 1-Euro-Jobs: Rechte und Möglichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung [Bl. 22 ff. d. A.]; Ver.di: Wahlrundschreiben vom 28. Febr. 2006 [Bl. 29 ff. d. A.]; Zwanziger AuR 2005, 14 ) und gilt unabhängig vom Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG. Das Beschäftigungsverhältnis dient, solange die Beschäftigten lediglich Unterstützungsleistungen erhalten (Arbeitslosengeld II und eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen), lediglich der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (ebenso GK-BetrVG/Raab, a.a.O.). § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II enthält eine negative gesetzliche Fiktion (ebenso ArbG Weiden a.a.O.). Die Beschäftigung erfolgt aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 SGB II), die nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB einen Verwaltungsakt ersetzt. Sie ist ein subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne der §§ 53 ff. SGB X, weil das Rechtsverhältnis auch durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte (ebenso Eicher/Spellbrink/Rixen, SGB II § 15 Rz. 3 mit weiteren Nachw.).

Die Äußerungen des Vorsitzenden des Siebten Senates (FS Wissmann, 286 ff., 295 ff.) beziehen sich auf die veränderte Bewertung des Arbeitnehmerüberlassungsrechts durch den Gesetzgeber und die Problematik der dauerhaften bzw. langfristigen Einbindung der Leiharbeitnehmer in den Entleiherbetrieb und eine mögliche Abkehr vom Erfordernis der arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer, der allerdings auch nach Auffassung Dörners (a.a.O., S. 296) das Gesetz (§§ 7 Satz 2 BetrVG, 14 AÜG) entgegenstehen dürfte. Der Übertragung seiner Überlegungen zu einer arbeitsvertraglichen Bindung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher (S. 298) steht im vorliegenden Fall § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II entgegen.

Auch nach § 7 Satz 2 BetrVG besteht kein Wahlrecht, da erwerbsfähige Hilfebedürftige dem Beteiligten zu 7) nicht von einem anderen Arbeitgeber überlassen werden, sondern durch öffentlich-rechtlichen Vertrag oder Verwaltungsakt. Schulze (NZA 2005, 1332, 1334) kann mit seiner Auffassung, das Tatbestandsmerkmal in § 7 Satz 2 BetrVG "Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers" sei untechnisch zu verstehen, nicht gefolgt werden, da diese Vorschrift die Leistungen zur Eingliederung im Sinne des § 16 Abs. 3 SGB II nicht erfasst. Abgesehen davon dürften die Beschäftigten dann zwar mitwählen, zählten aber bei der Berechnung der Betriebsratsgröße nicht mit (BAG Beschluss vom 16. April 2003 - 7 ABR 53/02 - EzA § 9 BetrVG 2001 Nr. 1).

Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II sind erfüllt. Arbeiten sind zusätzlich, wenn sie ohne die Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden (§ 261 Abs. 2 SGB III). Nach der Satzung des Beteiligten zu 7) (Bl. 183 ff. d. A.) verfolgt dieser ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke und hat sich die Gestaltung der Hilfe zur Arbeit durch Schaffung von Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose Sozialhilfeempfänger und die Beschäftigung arbeitsloser Menschen im Rahmen gemeinsamer Programme mit den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit zur Aufgabe gemacht. Nach Mitteilung des Personal- und Organisationsamtes vom 21. Febr. 2005 hat die Stadtverordnetenversammlung am 16. Dez. 2004 beschlossen, es sei sicherzustellen, dass es bei der Schaffung von Arbeitsgelegenheiten zu keiner Verdrängung oder Beeinträchtigung regulärer Arbeitsverhältnisse komme. Eine Wahrnehmung von Aufgaben, die - auch teilweise - Bestandteil von Tätigkeitsgebieten regulärer Planstellen im Bereich der Stadt A sei, sei ausgeschlossen. Auf die Mitteilung des Jobcenters G vom 19. Mai 2006 und die früheren Bewilligungsbescheide des Arbeitsamtes wird Bezug genommen. Entgegen der Meinung der Beteiligten zu 2) und 3) wird das Recyclingzentrum durch Bescheid des G-Jobcenter als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert.

Selbst wenn die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II nicht gegeben wären, käme kein faktisches Arbeitsverhältnis zustande. Das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift ersetzte nicht den übereinstimmenden Willen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und des Beteiligten zu 7), einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Es wurden keine nichtigen oder anfechtbaren Arbeitsverträge abgeschlossen. Es fehlt überhaupt an einem Arbeitsvertrag als Grundlage für ein faktisches Arbeitsverhältnis (ebenso ArbG Weiden a.a.O.; allg. BAG Beschluss vom 25. Febr. 1998 - 7 ABR 11/97 - EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 62).

Eine Korrektur der Wahl ist nicht mehr möglich (vgl. ArbG Lübeck, Beschl. vom 18. Aug. 2005 - 6 BVGa 91/05 - zu II 2 d. Gr., Bl. 72 ff. d. A), da das aktive und passive Wahlrecht, die Größe des Betriebsrats, die Zusammensetzung nach Geschlechtern und die Vorschlagslisten betroffen sind. Angesichts dieser deutlichen Fehlerhaftigkeit der Wahl muss ein vorübergehender betriebsratsloser Zustand hingenommen werden, zumal der Wahlvorstand Verzögerungen im Wahlverfahren zu verantworten hat. Nach dem anfänglichen, vom Wahlvorstand nicht zu vertretenden Streit um die Zusammensetzung des Wahlvorstandes und die Beschwerdeentscheidungen vom 9. März 2006 ( 9 TaBVGa 27/06 und 28/06 ) musste das erst einen Monat später, nämlich am 4. April 2006 erlassene Wahlausschreiben zurückgenommen werden, weil es fehlerhaft war. Dadurch musste die Wahl erneut am 20. April 2006 eingeleitet werden und sollte am 9. Juni 2006 stattfinden, so dass bereits dadurch ein betriebsratsloser Zustand in Kauf genommen wurde.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, § 2 Abs. 2 GKG.

Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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