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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.06.2009
Aktenzeichen: 1 VAs 32/09
Rechtsgebiete: BZRG, BVerfGG
Vorschriften:
BZRG § 49 | |
BVerfGG § 79 Abs. 1 |
2. Bei Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit muss der Betroffene ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG betreiben.
KAMMERGERICHT
Beschluß
Geschäftsnummer: 1 VAs 32/09
II B 3 - 4241 E - 6188/2009
In der Justizverwaltungssache betreffend
wegen vorzeitiger Tilgung einer Eintragung im Bundeszentralregister
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 16. Juni 2009 beschlossen:
Tenor:
1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 6. April 2009 wird verworfen.
Gründe:
Die nach den §§ 28 Abs. 3 EGGVG, 49 Abs. 1 Satz 1 BZRG auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung beschränkte Überprüfung der angefochtenen Entscheidung deckt keine Rechtsfehler auf.
Die Begründung, mit der es die Registerbehörde abgelehnt hat, die Verurteilung des Betroffenen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 EUR durch den Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 23. Juli 2002 vorzeitig aus dem Register zu tilgen, ist nicht zu beanstanden.
Die Registerbehörde hat mit zutreffenden Erwägungen dem öffentlichen Interesse am Fortbestand der Eintragung bis zum Ablauf der zehnjährigen Tilgungsfrist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2a BZRG) den Vorrang vor den persönlichen Belangen des Betroffenen bei seinen Bemühungen um eine Einbürgerung eingeräumt und dabei mit Recht auch berücksichtigt, daß bei einer vorzeitigen Entfernung der Eintragung in Zukunft die im Gesetz vorgesehene Unterrichtung insbesondere von Strafverfolgungsbehörden (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG) ausgeschlossen wäre, was zu einer ungerechtfertigten Besserstellung des Betroffenen gegenüber anderen Straftätern führen würde (vgl. KG, Beschluß vom 14. Januar 2004 - 4 VAs 87/03 -).
Daß der Fortbestand der Eintragung im Register für den Betroffenen eine unbillige, mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unvereinbare Härte wäre, ist nicht erkennbar. Er verfügt aufgrund seiner Ehe mit einer Deutschen und des gemeinsamen (deutschen) Kindes über einen gesicherten Aufenthaltstitel. Seine nicht näher begründete Auffassung, allein schon in einer nicht "familieneinheitlichen Staatsangehörigkeit" liege eine unbillige Härte, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Registerbehörde durfte bei ihrer Ermessensentscheidung ebenfalls die Mitteilung der Stadt Wuppertal vom 20. Oktober 2008 berücksichtigen, wonach - unabhängig von der Eintragung - der Einbürgerung des Betroffenen zur Zeit Unklarheiten über seine Sprachkenntnisse und finanziellen Mittel entgegenstünden. Dazu hat der Betroffene mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nichts vorgetragen.
Die Registerbehörde hat zu Recht auch eine Prüfung abgelehnt, ob die der Eintragung zugrunde liegende Verurteilung des Betroffenen wegen eines Vergehens gegen das Ausländergesetz im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2003 (2 BvR 397/02) rechtmäßig war oder - wie der Antragsteller meint - zumindest "verfassungsrechtlich bedenklich" ist. Die Registerbehörde ist grundsätzlich nicht befugt, rechtskräftige Strafurteile auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Senat, Beschluß vom 9. Februar 2009 - 1 VAs 4/09 -). Es ist ihr deshalb auch verwehrt, etwaige Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Verurteilung bei ihren Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen. Die Tilgung einer Eintragung kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn das Urteil offensichtlich fehlerhaft ist, d.h. solche Fehler aufweist, die ohne weitere Nachprüfung eindeutig ersichtlich sind (vgl. KG, Beschluß vom 6. März 2006 - 4 VAs 58/05 -). Davon kann hier keine Rede sein. Ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG, das insoweit eine Klärung hätte herbeiführen können, hat der Betroffene nicht betrieben.
Ebenso erfolglos macht der Antragsteller geltend, daß er seinen Einspruch gegen den Strafbefehl am 23. Dezember 2002 im Hinblick auf § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG aF, wonach Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen bei der Einbürgerung außer Betracht blieben, zurückgenommen und auf den Fortbestand der Vorschrift vertraut habe, was nach ihrer zwischenzeitlichen Verschärfung aus Billigkeitsgründen zur Tilgung der Eintragung führen müsse. Unzutreffend ist bereits seine Beurteilung der früheren Rechtslage. Abgesehen davon, daß der durch Gesetz vom 20. Juni 2002 eingefügte § 12a StAG bereits vor seinem für den 1. Januar 2003 beschlossenen Inkrafttreten durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 (2 BvF 1/02) für nichtig erklärt worden war, sollte die Bestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut (insoweit gleichlautend die am 1. Januar 2005 in Kraft getreten Fassung) nur bei den auf § 10 StAG gestützten Einbürgerungsanträgen für diejenigen Ausländer gelten, die schon seit acht Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatten, was auf den Betroffenen zum damaligen Zeitpunkt nicht zutraf. Für einen, wie hier, wegen eines deutschen Ehepartners nach § 9 StAG gestellten Antrag war die Ausnahmevorschrift des § 12a StAG hingegen nicht vorgesehen, so daß gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG - abgesehen von der Härtefallregelung des § 8 Abs. 2 StAG - die völlige Unbescholtenheit des Ausländers für dessen aus familiären Gründen beantragte Einbürgerung erforderlich war. Erst die mit dem Gesetz vom 19. August 2007 zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (BGBl. I S. 1970) geänderte Fassung des § 12a StAG sieht dessen Anwendung auch auf die Fälle des § 9 StAG mit der Folge vor, daß Geldstrafen - allerdings nur bis zu 90 Tagessätzen - bei der Entscheidung über die Einbürgerung außer Betracht bleiben. Die Frage, ob das (enttäuschte) Vertrauen des Antragstellers auf den unveränderten Fortbestand einer für ihn günstigen Rechtslage bei der Ermessensentscheidung nach § 49 Abs. 1 BZRG aus Billigkeitsgründen zu berücksichtigen ist, stellt sich danach hier nicht. Denn selbst bei einem Inkrafttreten des § 12a StAG in der ursprünglichen Fassung hätte diese Ausnahmeregelung dem Antrag des Betroffenen auf Einbürgerung nicht zum Erfolg verhelfen können.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130 KostO).
3. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt (§§ 30 Abs. 3 EGGVG, 30 KostO).
Ende der Entscheidung
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