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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: 1 W 227/04
Rechtsgebiete: BVormVG, VBVG


Vorschriften:

BVormVG § 1
VBVG § 4
Die Ausbildung zum Diplom-Militärwissenschaftler eines mit dem Dienstgrad "Oberstleutnant" aus der Nationalen Volksarmee ausgeschiedenen Berufsbetreuers war in ihrem Kernbereich nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse gerichtet (Abgrenzung zu BayObLG, Beschluss vom 15. September 1999, 3 Z BR 242/99, BayObLGZ 1999, 275)
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 227/04

11.04.2006

In der Betreuervergütungssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Betreuers vom 16. Juli 2004 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. Juni 2004 - 87 T 334/02 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Amtsgericht Müller am 11. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird bei einem Verfahrenswert von bis zu 1.000,00 EUR zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die sofortige weitere Beschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft, §§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG. Sie ist auch zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 29 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG.

II. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 56g Abs. 5 S. 2, 27 FGG, 546 ZPO, auf die sich die Prüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde zu beschränken hat.

1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Vergütung des Beschwerdeführers nach den in §§ 1836 ff BGB in der hier gemäß Art. 229 § 14 EGBGB bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl. I, S. 1580) enthaltenen Regelungen über die Vergütung eines Vormunds richtet, § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB. Hat das Vormundschaftsgericht bei der Bestellung des Betreuers festgestellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird, ist dem Betreuer eine Vergütung zu bewilligen, deren Höhe sich nach den für die Führung der Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen des Betreuers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der betreuungsrechtlichen Geschäfte richtet, § 1836 Abs. 2 S. 1 und S. 2 BGB. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 27. März 2000 zum Berufsbetreuer für die Betroffene bestellt. Nach Verlängerung der Betreuung durch Beschluss vom 22. Januar 2002 hat der Beschwerdeführer im hier maßgebenden Zeitraum vom 1. April 2001 bis zum 31. März 2002 die Betreuung berufsmäßig geführt.

Ist der Betreute mittellos, wie das vorliegend der Fall ist, kann der Betreuer die zu bewilligende Vergütung nach Maßgabe des § 1 BVormVG aus der Staatskasse verlangen, § 1836a BGB. Diese Vergütung beträgt für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit 18,00 EUR bzw. bis zum 31. Dezember 2001 35,00 DM, § 1 Abs. 1 S. 1 BVormVG. Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 23,00 EUR bzw. 45,00 DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; sie erhöht sich auf 31,00 EUR bzw. 60,00 DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind, § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG. Diese Vergütungssätze ermäßigten sich bis zum 28. Februar 2002 jeweils um 10 %, soweit der Betreuer im ehemaligen Ostteil von Berlin seinen Wohnsitz bzw. Sitz hatte, Art. 4 des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes in Verbindung mit § 19 ZSEG in der Fassung des Ermäßigungssatz-Aufhebungsgesetzes Berlin vom 22. Februar 2002 (BGBl. I S. 981).

2. Das Landgericht hat ausgeführt, aufgrund des Bescheids der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung vom 12. Juni 1995 stehe die Vergleichbarkeit der Ausbildung des Beschwerdeführers zum Diplom-Militärwissenschaftler mit einer entsprechenden Ausbildung an einer Hochschule in den alten Bundesländern fest. Die Ausbildung zum Diplom-Militärwissenschaftler sei jedoch keinesfalls in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens ausgerichtet gewesen. Insoweit käme von den zwanzig Ausbildungsfächern nur eines, nämlich "Militärpädagogik und Militärpsychologie" ernsthaft in Frage. Pädagogische und psychologische Kenntnisse seien dem Beschwerdeführer aber nur am Rande und vor dem Hintergrund ihrer militärischen Anwendbarkeit vermittelt worden. Auch die Ausbildung in Moskau habe im Kernbereich nicht der Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens gedient. Von den insgesamt 4.918 Ausbildungsstunden habe der Beschwerdeführer selbst nur 740 Stunden für teilweise betreuungsrelevant gehalten. Darin seien aber in erheblichem Umfang Inhalte rein weltanschaulicher, technischer und militärspezifischer Art, aber nicht betreuungsrelevante Kenntnisse gelehrt worden. Die verbleibenden als möglicherweise für Betreuungen allgemein nutzbar einschätzbaren Kenntnisse seien unter militärischen Gesichtspunkten, insbesondere bezogen auf durch Befehl und Gehorsam geprägte soldatische Beziehungen vermittelt worden. Sie wiesen keinen hinreichenden Bezug zum zivilen Umgang mit einzelnen psychisch erkrankten oder sonst geistig, seelisch oder körperlich behinderten Menschen auf.

3. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Feststellung, ob ein Berufsbetreuer im Einzelfall die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG erfüllt, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (BGH, FamRZ 2003, 1653f.). Dessen Würdigung ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur auf Rechtsfehler zu überprüfen, also insbesondere darauf, ob das Erstbeschwerdegericht von zutreffenden rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, § 12 FGG, bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentliche Umstände berücksichtigt, § 25 FGG, und nicht gegen gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze oder gegen Verfahrensrecht verstoßen hat (Senat, Beschluss vom 22. Januar 2002 - 1 W 246/01 -, BtPrax 2002, 167 ff.; Beschluss vom 8. Juni 2004 - 1 W 238/02 -, OLG-Report 2005, 550, 551). Derartige Fehler sind vorliegend nicht gegeben.

a) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Studiums den Anforderungen von § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG entsprechende Kenntnisse nicht vermittelt worden sind. Bei der Beurteilung der Frage, welche durch Ausbildung erworbenen Kenntnisse für Betreuungen allgemein nutzbar sind, sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, FamRZ 2003, 1653f.). Solche Kenntnisse liegen dann vor, wenn sie - bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet - über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und den Betreuer befähigen, seine Aufgaben besser und effektiver zu erfüllen (Senat, BtPrax 2002, 167ff; OLG-Report 2005, 550; OLG Naumburg, OLG-Report 2005, 184f.; BayObLG, BtPrax 2003, 135f.; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 349f.; NJ 2002, 97f.; OLG Jena, NJ 2003, 379). Da der Betreuer die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen hat, vgl. § 1901 Abs. 1 BGB, kommt den rechtlichen Kenntnissen eine besondere Bedeutung zu; betreuungsrelevant sind aber auch Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft (Senat, BtPrax 2002, 167f.; BayObLG, BtPrax 2003, 135f.; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 349f.; OLG Jena, NJ 2003, 379; OLG Dresden, FamRZ 2000, 847f.). Durch welche Ausbildungsgänge für eine Betreuung nutzbare Fachkenntnisse erworben werden, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Jedoch ist ein erhöhter Stundensatz nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil die Ausbildung wegen der Komplexität der betreffenden Fachrichtung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hatte. Erforderlich ist vielmehr, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auch auf die Vermittlung solcher Fachkenntnisse ausgerichtet war. Das ist der Fall, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet war, auch wenn in einzelnen Fächern nur Grundzüge gelehrt wurden, das Niveau des dadurch erworbenen betreuungsrechtlichen Gesamtwissens über ein Grundwissen deutlich hinausging und dieses Wissen selbständiger Teil der Prüfung war (Senat, BtPrax 2002, 167ff.). Dies gilt im Grundsatz ebenso, wenn die Ausbildung in der ehemaligen DDR abgeschlossen wurde. Insoweit ist zu fordern, dass der Betreuer trotz seiner inhaltlich auf das System der DDR ausgerichteten Ausbildung aufgrund der erworbenen formellen Kenntnisse (des juristischen bzw. ökonomischen "Handwerks") in der Lage ist, sich in die abweichende Rechts- und Wirtschaftsordnung einzuarbeiten, und insoweit einem Laien ohne besondere Fachkenntnisse nicht gleichzusetzen ist (Senat, BtPrax 2002, 167f.; BayObLG, BtPrax 2003, 135f.).

b) Den von dem Beschwerdeführer zur Akte gereichten Leistungsnachweisen und seinen eigenen Angaben hierzu ist zu entnehmen, dass nur ein geringer Teil der Ausbildungsinhalte betreuungsrelevant ist; die Ausbildungen des Beschwerdeführers waren danach in ihrem Kernbereich nicht auf die Vermittlung solcher Kenntnisse gerichtet.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Studieninhalte der Ausbildung des Beschwerdeführers an der Offiziershochschule der Lnnnnnnnn "Enn Tnnnn " in Lnn für nicht ausreichend angesehen hat. Insoweit kam es nicht darauf an, dass ein entsprechender Gleichstellungsbescheid nicht vorliegt und damit die Gleichwertigkeit dieser Ausbildung mit einem Hochschulstudium nicht ohne weiteres anzunehmen ist. Der Beschwerdeführer hat selbst nur das Fach "Militärpädagogik und Militärpsychologie" als betreuungsrelevant angesehen. Es ist offensichtlich, dass ein Studium mit zwanzig Ausbildungsfächern in seinem Kernbereich kein betreuungsrelevantes Wissen vermitteln kann, wenn nur eines dieser Fächer überhaupt für eine solche Beurteilung herangezogen werden kann. Zudem lässt sich dem Zeugnis vom 14. August 1976 auch entnehmen, dass dieses Fach in der Offiziersprüfung keine wesentliche Rolle gespielt hat, weil kein direkter Bezug hierzu erkennbar ist. Das Zeugnis weist lediglich eine schriftliche Prüfung zum Thema "Die Grundlagen des Schießens aus Panzern", eine mündliche Prüfung zu "Problemen der Militärpolitik der SED und der Führung der politisch-ideologischen Arbeit in der NVA" sowie eine militärfachliche Prüfung aus.

Auch die Beurteilung des Landgerichts, die Ausbildung des Beschwerdeführers in Moskau könne nicht ausreichend sein, die Anforderungen von § 1 Abs. 1 S. 2 BVormVG zu erfüllen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch bei dieser Ausbildung spielten betreuungsrelevante Aspekte lediglich eine untergeordnete Rolle, was bereits dadurch deutlich wird, dass die von dem Beschwerdeführer insoweit angegebenen Fächer nur ca. 15 % der Gesamtausbildungsstunden ausmachten. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht davon ausgegangen ist, dass diese Teile der Ausbildung zudem überwiegend weltanschauliche, technische und militärspezifische Inhalte aufwiesen und deshalb nicht betreuungsrelevant waren. Der weltanschauliche Schwerpunkt des Faches "Marxistisch-leninistische Philosophie und methodologische Probleme der Militärtheorie und -praxis" ist ohne weiteres anzunehmen (vgl. BayObLG, NJ 2002, 97f. zum schwerpunktmäßigen Studium des Marxismus-Leninismus). Soweit sich Ausbildungsfächer mit "Organisation und Methodik" befassten, ging es um die Gefechts-, Schieß- und Fahrausbildung, also letztlich um militärische und technische Fragestellungen. Auch die "logistische Sicherstellung der Truppen" unterscheidet sich grundlegend von den Aufgaben des Betreuers, die Angelegenheiten seiner Betreuten rechtlich zu besorgen. Damit verblieb letztlich das Fach "Truppenführung und Stabsdienst". Es kann unterstellt werden, dass im Rahmen dieses Faches auch die Führung von Menschen gelehrt wurde. Das allein konnte im Hinblick auf den Umfang der übrigen Ausbildungsinhalte nicht ausreichend sein, genügend betreuungsrelevante Kenntnisse zu vermitteln; im Übrigen hat der Schwerpunkt auch hier auf der Vermittlung militärisch verwertbarer Kenntnisse gelegen. Dass sich die Betreuung eines wegen einer psychischen Erkrankung oder auf Grund einer Behinderung Betreuungsbedürftigen hinsichtlich der dabei zu leistenden "Menschenführung" von der militärischen Truppenausbildung und -führung grundlegend unterscheidet, liegt auf der Hand. Insofern besteht auch ein Unterschied zu dem auf ein Lehramt ausgerichteten Hochschulstudium gleich welcher Fachrichtung, bei dem der Erwerb allgemein nutzbarer pädagogischer und psychologischer Fähigkeiten zum Kern des Studiums gehört (so OLG Dresden, FamRZ 2000, 847f.).

c) Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht von dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. September 1999 - 3 Z BR 242/99 - (FamRZ 2000, 32f.) ab. In der dortigen Entscheidung ging es um die Frage, ob die Ausbildung zum Stabsoffizier mit dem Dienstgrad Oberstleutnant einer abgeschlossenen Ausbildung an einer Hochschule vergleichbar ist, was durch das Gericht bejaht wurde. Dies war vorliegend jedoch nicht zu entscheiden. Durch den Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung und Forschung vom 12. Juni 1995 steht auch für das Vergütungsfestsetzungsverfahren die Vergleichbarkeit der Ausbildung des Beschwerdeführers jedenfalls in Moskau mit der Ausbildung an einer Hochschule fest. Liegt ein so genannter Gleichstellungsbescheid vor, ist es mit Sinn und Zweck des dem Bescheid vorgeschalteten Anerkenntnis- und Zertifizierungsverfahrens nicht vereinbar, das Tatbestandsmerkmal der Vergleichbarkeit in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BVormVG erneut und unabhängig von der zuständigen Behörde zu prüfen (Senat, unveröffentlichter Beschluss vom 27. April 2004 - 1 W 224 bis 226/03 -; OLG Dresden, FamRZ 2001, 188, OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 349).

Im Unterschied zum o.g. Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts war vorliegend nur zu entscheiden, ob dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner mit einem Hochschulstudium vergleichbaren Ausbildung Kenntnisse vermittelt wurden, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind. Dies war aufgrund des von dem Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten Sachverhalts nicht der Fall.

III. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 KostO. Einer Kostenentscheidung gemäß § 13a FGG bedurfte es nicht.

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