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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.06.2003
Aktenzeichen: 1 W 495/02
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 8 Abs. 1 S. 1
GKG § 54 Nr. 1
Die Nichterhebung des Vorschusses vom Kläger nach einer Klageerweiterung befreit den Beklagten als Entscheidungsschuldner nicht von der Kostenhaftung.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 495/02

In Sachen

Der 1 Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 6. November 2002 in der Sitzung vom 3. Juni 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 5 Abs.2 S.1 GKG zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Kostenbeamte hat die von dem Beteiligten zu 1) nicht beanstandete Höhe der Kostenforderung unter Berücksichtigung der durch den Kläger geleisteten Zahlungen nach dem mit Beschluss vom 9. August 2002 festgesetzten Wert von 13.082.082,34 DM (richtig, aber gebührenrechtlich unerheblich: 13.082.028,34 DM) zutreffend ermittelt.

Der Beteiligte zu 1) haftet auf Grund des Urteils des Landgerichts vom 9. August 2002 für die Gerichtskosten gemäß § 54 Nr.1 GKG als Entscheidungsschuldner. Die gerichtliche Entscheidung i.S.v. § 54 Nr.1 GKG braucht weder rechtskräftig noch vollstreckbar zu sein; solange sie - wie hier- - nicht im Rechtsmittelverfahren abgeändert worden ist, bleibt die Einlegung der Berufung unerheblich (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 54 GKG Rn. 3 und 4). Die Inanspruchnahme des Beteiligten zu 1) ist nicht ermessensfehlerhaft, sondern entspricht dem Gesetz. Gemäß § 58 Abs.2 S.1 GKG soll zunächst die Haftung des Entscheidungsschuldners geltend gemacht werden, sobald ein solcher vorhanden ist. Demgemäß sieht auch § 8 Abs.1 und 3 S. 2 Nr.1 Kostenverfügung (KostVfg) vor, dass vorrangig der Entscheidungsschuldner in Anspruch zu nehmen ist.

Die Voraussetzungen für eine Nichterhebung der Kosten nach § 8 Abs.1 S.1 GKG liegen nicht vor.

Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Streitwertfestsetzung des Landgerichts vom 6. Dezember 2000 unzutreffend war, denn eine unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 8 Abs.1 S.1 GKG liegt nach überwiegender und vom Senat geteilter Ansicht nur vor, wenn dem Gericht ein offen zu Tage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist (vgl. BGH VersR 1994, 77, 78; Senat, JurBüro, 1997, 654, 655; Hartmann, a.a.O., § 8 GKG Rn. 8 ff. jew. m.w.N.). Das ist hier zu verneinen, Es ist nicht unvertretbar, § 19 Abs.4 GKG dahin zu verstehen, dass bei einem Vergleich § 19 Abs.1 S.2 GKG für den Verfahrensstreitwert nur dann zur Anwendung kommt, wenn bereits zuvor die innerprozessuale Bedingung des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs - hier die Abweisung des Hauptantrags - eingetreten ist (so OLG Köln JurBüro 1996, 476; Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 19 Rn. 17; a.A.: Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 2483; Anders/Gehle/Kunze, Streitwertlexikon, 4. Aufl., "Vergleich", Rn. 17 f.; unklar Hartmann, a.a.O., § 19 Rn. 50).

Die in Rede stehende Sachbehandlung war auch nicht ursächlich für den beanstandeten Kostenansatz. Die dem Beklagte in in Rechnung gestellten Gerichtskosten wären vielmehr auch dann entstanden, wenn der Wert des Streitgegenstands bereits mit Beschluss vom 6. Dezember 2000 auf 13.082.028,34 DM festgesetzt worden wäre. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt von den Fällen, in denen die kostenauslösende Maßnahme bei richtiger Sachbehandlung unterblieben wäre (vgl. den der Entscheidung des LG Koblenz, MDR 1999, 1024 zu Grunde liegenden Fall, dass der Antrag auf öffentliche Zustellung nach einer Vorschussanforderung zurückgenommen worden wäre).

Es kann dahinstehen, ob eine Ursächlichkeit i.S.v. § 8 Abs.1 S.1 GKG auch dann anzunehmen ist, wenn die Kosten bei richtiger Sachbehandlung zwar entstanden wären, aber gerade der in Anspruch genommene Kostenschuldner dann nicht gehaftet hätte (vgl. OLG Frankfurt, Rpfleger 1979, 152; Hartmann, a.a.O., § 8 GKG Rn. 41). Das kann nämlich allenfalls gelten, wenn die Kostenschuld des in Anspruch Genommenen allein auf der Antragstellerhaftung nach § 49 GKG beruht (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.). In einem solchen Fall mag es gerechtfertigt sein, den gemäß §§ 49, 58 Abs.2 S.1 GKG nur nachrangig haftenden Zweitschuldner aus Gründen der materiellen Kostengerechtigkeit von der Kostenschuld zu befreien. In dem hier gegebenen umgekehrten Fall kommt eine Kostenniederschlagung hingegen nicht in Betracht, da der Beteiligte zu 1) nach der gerichtlichen Entscheidung die Kosten gerade - vorrangig - tragen soll. Die daneben bestehende Zweitschuldnerhaftung des Klägers dient allein dem Interesse der Staatskasse und nicht einer Entlastung des Entscheidungsschuldners. Im Übrigen müsste der Beteiligte zu 1) die Gerichtskosten im Ergebnis auch dann tragen, wenn der Kläger diese auf Grund einer höheren Streitwertfestsetzung bereits bezahlt hätte; der Kläger hätte in diesem Fall eine (höhere) Erstattungsforderung gegen den Beteiligten zu 1). Der Umstand, dass der Kläger aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. September 2002 die Zwangsvollstreckung z.Zt. nicht betreibt, kann dem Beteiligten zu 1) nicht zu Gute kommen, da er den festgesetzten Betrag jedenfalls schuldet und bei einer Hinzusetzung weiterer Gerichtskosten auch diese schuldete. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Kläger bei einer Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leisten müsste. Denn der Beteiligte zu 1) ist bei einer Zahlung an die Staatskasse in gleicherweise gesichert; wird auf die Berufung des Beteiligten zu 1) die Kostenentscheidung geändert, werden von ihm gezahlte Kosten von der Staatskasse zurückerstattet (§§ 54 Nr.1, 57 S.2 GKG).

Schließlich ist es auch unerheblich, ob das Landgericht bereits nach Anfechtung des Prozessvergleichs durch Schriftsatz vom 23. Juli 2001 bzw. Antragstellung im Termin am 18 September 2001 den höheren Streitwert hätte festsetzen und vom Kläger sodann gemäß §§ 49, 61, 65 Abs.1 S.3 GKG, §§ 13 Abs.1, 22 Abs.2, 31 Abs.1 KostVfg die erhöhten Gerichtskosten hätte anfordern müssen Unabhängig von der Frage, ob in der Unterlassung eine unrichtige Sachbehandlung i. S. v. § 8 Abs. 1 S. 1 GKG gesehen werden konnte, fehlt es aus den oben genannten Gründen jedenfalls an einer Ursachlichkeit für die Kostenentstehung.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 5 Abs. 6 GKG).

Ende der Entscheidung

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