Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 12.04.2001
Aktenzeichen: 12 U 14/99
Rechtsgebiete: StVO, BGB, GG, ZPO


Vorschriften:

StVO § 38 Abs. 1
StVO § 38 Abs. 1 Satz 2
BGB § 839
GG Art. 34
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 12 U 14/99

Verkündet am: 12. April 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß, den Richter am Kammergericht Hinze und den Richter am Amtsgericht Dr. Wimmer für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten zu 2) wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers, die im Übrigen zurückgewiesen wird, wird das am 30. November 1998 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin - 24.O.626/97 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 25.053,71 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Dezember 1997 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszuges haben der Kläger und der Beklagte zu 2) je die Hälfte zu tragen. Die aussergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) im ersten Rechtszug hat der Kläger zu tragen, diejenigen des Beklagten zu 2) hat dieser selbst zu tragen.

Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt für keine der Parteien 60.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

I. Berufung des Beklagten zu 2)

Die Berufung des Beklagten zu 2) bleibt erfolglos.

1. Das Landgericht hat ihm im Ergebnis zu Recht eine Haftung für die Schäden des Klägers aus dem Zusammenstoß seines Zollfahrzeuges (VW Golf, B, im Unfallzeitpunkt mit zivilem Kennzeichen B) mit dem Taxi des Klägers jedenfalls zu 50% auferlegt (§§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, § 839 BGB, Art. 34 GG), denn der Fahrer des Zollfahrzeuges hat die für ihn durch Rotlicht gesperrte Kreuzung "Platz der Vereinten Nationen" in nördlicher Richtung sorgfaltswidrig überquert und dadurch den Unfall verursacht.

a) Auch für das Überqueren einer durch Rotlicht gesperrten Kreuzung kann ein Vorrang eines Dienstfahrzeuges durch rechtzeitiges Einschalten von Blaulicht und Martinshorn geschaffen werden (ständige Rechtsprechung BGHZ 63, 327 = NJW 1975, 648; Senat DAR 1975, 78 = VersR 1976, 887; DAR 1976, 16 = VersR 1976, 193; VerkMitt 1998, 36 = NZV 1989, 192 = VersR 1989, 268; VerkMitt 1998, 14 = MDR 1997, 1121; VerkMitt 1998, 90). Dieses Wegerecht wird durch die Signale "Martinshorn und Blaulicht" eines Einsatzfahrzeuges ausgelöst, und das Gebot nach § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO, freie Bahn zu schaffen, ist von den anderen Verkehrsteilnehmern unbedingt und ohne Prüfung des Wegerechts zu befolgen (Senat VerkMitt 1998,14 = MDR 1997, 1121).

Das bedeutet jedoch nicht, daß der Fahrer eines Dienstfahrzeuges "blindlings" oder "auf gut Glück" in eine Kreuzung bei rotem Ampellicht einfahren darf. Er darf vielmehr auch unter Inanspruchnahme von Sonderrechten bei rotem Ampellicht erst dann in die Kreuzung einfahren, wenn er den sonst bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern rechtzeitig zu erkennen gegeben hat, solche Rechte in Anspruch nehmen zu wollen und sich überzeugt hat, daß ihn alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt haben. Erst unter diesen Voraussetzungen darf er darauf vertrauen, daß ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern freie Fahrt gewährt wird (§ 35 Abs. 8 StVO; BGH a.a.O.; Senat, a.a.O.).

Der Fahrer des Einsatzfahrzeuges, der bei für ihn rotem Ampellicht eine Kreuzung überqueren will, muß sich vorsichtig in diese vortasten, um sich auf diese Weise davon zu überzeugen, ob sämtliche Teilnehmer des Querverkehrs die Signale wahrgenommen haben (Senatsurteil vom 5. März 1994 - 12 U 3820/83 = VerkMitt 1985, 4 (LS)). Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann das sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit einzufahren (Senat, VerkMitt 1982, 37; VerkMitt 1989, 36 = VersR 1989, 268 = NZV 1989, 192). Angesichts seiner durch die besondere Gefahrenlage verstärkten Sorgfaltspflicht kann es im Einzelfall für den Fahrer des Einsatzfahrzeuges durchaus zumutbar sein, sein Fahrzeug fast zum Stillstand abzubremsen, um auf diese Weise eine hinreichende Übersicht über die Verkehrslage zu gewinnen (Senatsurteil vom 24. September 1990 - 12 U 4980/89 -).

Die Verpflichtung, dem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu verschaffen, trifft die anderen Verkehrsteilnehmer also erst, nachdem sie das Blaulicht und das Martinshorn wahrgenommen haben oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen können (BGH VersR 1975, 380 = NJW 1975, 648 = DAR 1975, 111= VerkMitt 1975 Nr. 33; Senatsurteile, VersR 1976, 193; VerkMitt 1981, 95; vom 5. März 1984 -12 U 3820/83 -; vom 12. Juni 1989 -12 U 41 27/88 -; vom 20. Januar 1993 -12 U 4863/93 -). Der Fahrer eines Einsatzwagens darf zwar annehmen, daß Fahrer von Fahrzeugen in der Nähe (50 m) die obigen Zeichen wahrnehmen (BGH NJW 1959, 339), muß dabei aber beachten, daß andere Verkehrsteilnehmer der Verpflichtung des § 38 Abs. 1 Satz 2 StVO, sofort freie Bahn zu schaffen, erst nachkommen können, nachdem sie diese Signale haben wahrnehmen können. Hiernach muß den übrigen Verkehrsteilnehmern eine zwar kurz zu bemessende, aber doch hinreichende Zeit zur Verfügung stehen, um auf die besonderen Zeichen nach § 38 Abs. 1 StVO reagieren zu können (Senat VerkMitt 1981, 95). Der Fahrer des Einsatzfahrzeugs kann nicht damit rechnen, daß die anderen Fahrer ihre Fahrzeuge, wenn sie die Signale bemerken, von einem Augenblick zum anderen zum stehen bringen oder die sonst nach der jeweiligen Verkehrslage gebotenen Maßnahmen treffen (Senat VerkMitt 1981, 95).

Wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 38 Abs. 1 StVO trifft nach der Rechtsprechung des BGH und des Senats den Halter des Einsatzfahrzeuges die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu "mißachten" (BGH VersR 1962, 834, 836; Senatsurteile, VerkMitt 1982 Nr. 41, 46; VerkMitt 1998, 14 = MDR 1997, 1121; VerkMitt 1998, 90).

b) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß der Fahrer des Dienstfahrzeuges des Beklagten zu 2) seine Sorgfaltspflichten nicht hinreichend beachtet und sich insbesondere nicht durch geeignete Maßnahmen Gewißheit verschafft hat, daß der Querverkehr, für den die Kreuzung durch grünes Ampellicht freigegeben war, die von seinem Fahrzeug ausgehenden Sondersignale tatsächlich wahrgenommen und sich auf sein Wegerecht eingestellt hat.

aa) Zweifellos war die Sicht des Sonderrechtsfahrers nach Überqueren des Mittelstreifenbereichs mit den Straßenbahnschienen auf den von rechts im mittleren Fahrstreifen herannahenden Querverkehr beeinträchtigt durch die im linken Fahrstreifen befindlichen Fahrzeuge, die zum Zwecke des Linksabbiegens angehalten hatten.

Dies folgt aus den Angaben des Fahrers des Dienstfahrzeuges, persönlich sowie aus den Angaben des Beifahrers im Dienstfahrzeug, des Zollbeamten, dem hinter dem Beifahrer im Dienstfahrzeug sitzenden Zollbeamten sowie dem Fahrer des nachfolgenden Dienstfahrzeuges, dem Zollbeamten vor dem Landgericht.

So hat der Fahrendes verunfallten Dienstfahrzeuges u.a. persönlich erklärt (Bd. Bl. 86 d.A.): "Ich konnte die Spur, auf der die Taxe fuhr, nicht einsehen".

Sein Beifahrer hat ausgesagt: "Ich schätze, daß ich die Spur etwa 10m einsehen konnte".

Ob eine derartige Sichtmöglichkeit auch für den Fahrer bestand, der links vom Beifahrer saß, erscheint schon wegen der Sitzposition zweifelhaft. Darüber hinaus hat der Beifahrer erklärt, er habe über die Dächer der Linksabbieger die Geradeausspuren einsehen können; auch dies erscheint für einen Beifahrer in einem VW Golf, der nicht erhöht sitzt, eher fragwürdig. Entscheidend ist jedoch, daß der Fahrer selbst erklärt hat, er habe keine Sicht in den Fahrstreifen gehabt, auf dem sich das Taxi von rechts genähert hat.

Nach den Aussagen der vorbezeicheten Zeugen steht ferner fest, daß der Fahrer des Dienstfahrzeuges nicht vor seiner Vorbeifahrt an den Linksabbiegern im nördlichen Bereich des Mittelstreifens oder vor dem mit Linksabbiegern besetzten linken Fahrstreifen des Querverkehrs angehalten hat, um Übersicht nach rechts zu gewinnen und Gewißheit zu erlangen, daß sich von dort kein Fahrzeug annähert oder dortige Fahrzeugführer seine Sondersignale (Blaulicht und Horn) wahrgenommen haben und beachten würden.

Der Fahrer des Dienstfahrzeuges durfte an diesen Linksabbiegern jedoch nicht mit der vom früheren Beklagten zu 1) und des Zeugen angegebenen Geschwindigkeit von etwa 10 km/h oder der vom Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren angegebenen Geschwindigkeit von 10-15 km/h vorbeifahren; denn er durfte nicht darauf vertrauen, daß auf dem rechten neben der Geradeausspur verlaufenden freien Fahrstreifen (Busspur), auf dem kein Fahrzeug stand, nicht ein Fahrzeug an den stehenden oder wartenden Fahrzeugen rechts vorbeifahren würde.

Denn die rechts von einem durch Rotlicht gesperrte Kreuzung überquerenden Einsatzfahrzeugs auf Fahrstreifen stehenden oder anhaltenden Fahrzeuge geben gerade keine Gewißheit, daß Verkehrsteilnehmer auf benachbarte Fahrstreifen in gleicher Weise auf das Sonderrechtsfahrzeug reagieren und gleichfalls anhalten (Senat, Urteile vom 27. März 2000 - 12 U 6791/98 - sowie vom 8. Januar 2001 - 12 U 7095/99 -).

bb) Je mehr der Sonderrechtsfahrer von der Verkehrsregel abweicht, um so mehr muß er Warnzeichen geben und sich vergewissern, daß der Verkehr sie befolgt (BGH VRS 36, 40; BGH VersR 1974, 577; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, StVO § 35 Rn. 8).

Wie das Landgericht auf S. 9 des angefochtenen Urteils zutreffend festgestellt hat, erreicht das Tonsignal des Horns eines zivilen Einsatzfahrzeuges nicht die Lautstärke eines Martinshorns eines Feuerwehrfahrzeuges oder Polizeifahrzeuges, das außen montiert ist und seine Schallwellen ungehindert abstrahlen kann. Dies entspricht aus dem Wissen des Senats, der dies auch schon in seiner Entscheidung vom 14. Juli 1997 - 12 U 1541/96 - (= MDR 1997, 1121, 1122) betont hat.

Zwar trifft es zu - wie das Landgericht auf S. 9 des angefochtenen Urteils erwähnt - daß der Senat (a.a.O.) ausgeführt hat, daß auch die - relativ leiseren - akustischen Sondersignale eines zivilen Polizeifahrzeuges noch so laut sind, daß sie von aufmerksamen Verkehrsteilnehmern gehört werden können und müssen; diese Aussage konnte in dem dort entschiedenen Fall auch deshalb getroffen werden, weil ein Zeuge, der in derselben Richtung wie der dortige Kläger fuhr und von diesem überholt wurde, das Horn des sich im Querverkehr nähernden zivilen Polizeifahrzeuges noch in einem Abstand von etwa 50 m vor der Kreuzung deutlich gehört hatte.

Ob auch das Horn des zivilen Zollfahrzeuges im vorliegenden Streitfall für den Querverkehr aus einer Entfernung von etwa 50 m hörbar war, hat der Beklagte zu 2), der in dem vom Senat am 14. Juli 1997 entschiedenen Verfahren die geringere Lautstärke des Horns eines zivilen Polizeifahrzeuges gegenüber einem Martinshorn der Feuerwehr ausdrücklich bestätigt hat, nicht dargelegt und bewiesen. Insbesondere gibt es im vorliegenden Fall keinen Zeugen, der in derselben Richtung wie der klägerische Taxifahrer auf die Kreuzung zufuhr und bekundet hätte, er hätte das Horn des im Querverkehr herannahenden zivilen Einsatzfahrzeuges bereits etwa aus einer Entfernung von 50 m gehört.

Für ein schwächeres Tonsignal spricht vorliegend die vom Beklagten zu 2) hergereichte Einbauzeichnung der Volkswagen AG (Bd. II, Bl. 7 d.A.), aus der deutlich wird, wie das Signalhorn unter der Karosserie versteckt eingebaut war. Es liegt auf der Hand, daß ein derart verstecktes Horn in seiner Leistung hinter derjenigen eines konventionellen "Außenhorns" zurückbleibt; Gegenteiliges hat der Beklagte nicht dargelegt, etwa unter Vorlage von Unterlagen der akustischen Eigenschaften eines Martinshorns eines herkömmlichen Polizeifahrzeuges im Vergleich mit dem zivilen Zollfahrzeug.

Den Umstand der relativ geringeren Lautstärke des Sondersignals mußte der Fahrer des Dienstfahrzeuges des Beklagten zu 2) bei seiner Fahrweise berücksichtigen und auch deshalb sich vor den im linken Fahrstreifen stehenden Linksabbiegern langsam weiter in die Kreuzung hineintasten, d.h. zentimeterweises Vorrollen mit der Möglichkeit, sofort anzuhalten (vgl. zum Begriff des Hineintastens BGH NJW 1985, 2757; Senat NZV 1999, 85).

Er durfte dagegen nicht - wie der Fahrer eines Feuerwehrfahrzeuges oder Polizeifahrzeuges, an welchem außen starke Martinshörner angebracht sind, in gewissem Maße davon ausgehen, daß der Querverkehr sein akustisches Sondersignal schon von Ferne werde wahrnehmen und sich darauf einstellen können; ferner mußte er bei seiner Fahrweise auch beachten, daß sein ziviles Dienstfahrzeug nicht schon aufgrund einer auffälligen Lackierung als Polizeifahrzeug oder Feuerwehrfahrzeug erkennbar ist, so daß andere Verkehrsteilnehmer mehr Zeit brauchen, ein akustisches Sondersignal zu lokalisieren.

Unabhängig davon, daß der Beklagte zu 2) - wie noch auszuführen ist - nicht dargelegt oder bewiesen hat, aus welcher Entfernung der im Querverkehr herannahende Taxifahrer des Klägers das akustische Signal des zivilen Zollfahrzeuges hat wahrnehmen können, kann festgestellt werden, daß bereits die vom Beklagten zu 2) im Berufungsverfahren eingeräumte Geschwindigkeit seines Zollfahrzeuges von 10 bis 15 km/h nach den gegebenen Umständen sorgfaltswidrig zu hoch war.

So hatte sich in dem vom Senat am 14. Juli 1997 entschiedenen Fall (MDR 1997, 1121, 1122 = VerkMitt 1998, 14) der Fahrer des dort in einen Unfall verwickelten zivilen Polizeifahrzeuges mit Automatikgetriebe in der Weise vorgetastet, daß er immer nur kurz den Fuß von der Bremse genommen hatte und so Stück für Stück vorgerollt war; derartiges kann im hier zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden.

2. Im Ergebnis hat der Beklagte zu 2) daher nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, daß der Fahrer des Zollfahrzeuges die für ihn durch Rotlicht gesperrte Kreuzung hinreichend sorgfältig überquert hat, sich durch geeignete Maßnahmen Gewißheit verschafft hat, daß der Querverkehr, für den die Kreuzung durch grünes Ampellicht freigegeben war, die von seinem Fahrzeug ausgehenden Sondersignale Blaulicht und Horn tatsächlich wahrgenommen und sich darauf eingestellt hat.

aa) Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Landgerichts auf S. 9 des angefochtenen Urteils, daß sich die hinreichende Wahrnehmbarkeit des Signals aus den Umständen vor Ort oder den Aussagen der Beklagtenzeugen entnehmen läßt.

Zwar haben die Zeugen den unstreitigen Umstand zusätzlich bestätigt, daß das Signalhorn eingeschaltet war. Daß der VW Golf akustische Signale ausgesandt hat, hat der Kläger eingeräumt, aber gerügt, sie seien zu leise gewesen ("Martinshörnchen"). Zur Intensität dieses Signals läßt sich auch nichts daraus ableiten, daß andere Fahrzeuge bei Einfahrt in die Kreuzung eine Gasse gebildet haben, denn es ist ebenfalls unstreitig, daß das Signalhorn jedenfalls aus der Nähe wahrnehmbar war. Dies hat auch der Zeuge, Fahrer des Taxis, sowohl bei seiner Vernehmung vor der Polizei (Akte der Amtsanwaltschaft, Bl. 7) wie auch vor dem Landgericht (Bd. I Bl. 91 d.A.) eingeräumt, allerdings hinzugefügt, er habe erst ein leises Horngeräusch vernommen, nachdem er das Zollfahrzeug gesehen habe. Einen Zeugen, der in derselben Richtung wie der klägerische Taxifahrer auf die Kreuzung zufuhr und bekundet hätte, er hätte das Horn des im Querverkehr herannahenden zivilen Einsatzfahrzeuges bereits aus einer Entfernung von etwa 50 m gehört, gibt es im Streitfall nicht - anders als in dem durch Urteil des Senats vom 14. Juli 1997 (a.a.O.) entschiedenen Fall.

bb) Dann war es aber Sache des Beklagten zu 2), zur Begründung einer Mithaftung des Taxifahrers des Klägers detailliert zu schildern, daß der Taxifahrer quer über die gesamte großräumige Kreuzung hinweg gleichwohl durch dieses Horn gewarnt war, nachdem schon vom Äußeren des schlicht rot lackierten Fahrzeuges nicht die Signal- und Warnwirkung ausging wie etwa von einem Polizeiwagen oder Feuerwehrwagen in Speziallackierung mit Aufbauten.

Dieses ist ihm auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen. Trotz erkennbarer umfassender Bemühungen hat er die ihm mit Senatsbeschluß vom 13. Juli 2000 (Bd. 2 Bl. 1 d.A.) abverlangten Informationen zur technischen Beschaffenheit und Wahrnehmbarkeit des Signalhorns nicht vorgelegt. Zwar hat er Typ und Hersteller des Horns mitgeteilt, jedoch nicht zu dessen akustischen Eigenschaften im Umkreis von 50m unter Berücksichtigung des Einbauortes unter der Karosserie etwas ausgeführt. Die hergereichte Einbauzeichnung der Volkswagen AG besagt für die Frage der deutlichen Hörbarkeit des akustischen Sondersignals für einem im Querverkehr sich der belebten Großstadtkreuzung nähernden Fahrer eines PKW Mercedes Benz D 220 aus einem Abstand von etwa 50m nichts (vgl. die Auflage im vorbezeichneten Beschluß), sondern spricht eher - wie bereits hervorgehoben - gegen eine gute Hörbarkeit des Signals. Mangels Darlegung entsprechender Beweistatsachen bestand daher keine Veranlassung, das beantragte Gutachten eines Sachverständigen für Akustik einzuholen.

Auch die vom Beklagten noch in der mündlichen Verhandlung vom 12. April 2001 überreichte Rechnung der Volkswagen AG vom 15.06.93 rechtfertigt nichts anderes, zumal dieses Vorbringen bei Erheblichkeit wegen Verspätung zurückzuweisen gewesen wäre (§§ 523, 296 Abs. 1 ZPO).

3. Schon aus diesen Erwägungen ist der Senat gehindert, die Haftungsquote des Beklagten zu 2) - wie begehrt - unter 50% herabzusetzen.

Auf den Streit zwischen den Parteien, ob die vom Landgericht auf Grundlage des Gutachtens angenommene Geschwindigkeit von 30 km/h zutreffend ermittelt worden ist, ob also noch ein gröberer Pflichtverstoß des ehemaligen Beklagten zu 1) feststellbar ist, kommt es danach nicht mehr an.

II. Berufung des Klägers

Die Berufung des Klägers, mit der er über die ihm zugesprochene Haftung des Beklagten zu 2) nach einer Quote von 50 % die volle Haftung der Beklagten für den ihm unfallbedingt entstandenen Schaden erstrebt, hat bezüglich des Beklagten zu 2) Erfolg: denn dieser hat nicht dargelegt und bewiesen, daß die von seinem Dienstfahrzeug ausgehenden akustischen Sondersignale für den Taxifahrer des Klägers so rechtzeitig zu erkennen waren, daß dieser seine Fahrweise darauf anstellen und bei gebotener Aufmerksamkeit rechtzeitig anhalten konnte, ihn also ein Mitverschulden am Unfall trifft.

Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seiner Klage gegen den Beklagten zu 1) bleibt erfolglos.

1. Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung die Verurteilung des Beklagten zu 1) entsprechend seinen erstinstanzlichen Anträgen erstrebt, hat er keinen Erfolg.

a) Denn ausweislich der Berufungsschrift vom 4. Januar 1999 (Bl. 189) richtet sich das Rechtsmittel des Klägers nur gegen "das Land Berlin", also den Beklagten zu 2), nicht aber gegen den Fahrer des Dienstfahrzeuges des beklagten Landes, den der Kläger im ersten Rechtszuge zusätzlich verklagt hatte und gegen den die Klage durch das Landgericht abgewiesen worden ist.

Innerhalb der Rechtsmittelfrist muß unzweifelhaft erkennbar sein, gegen wen Berufung eingelegt ist (BGH NJW-RR 1997,1020); dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - der Kläger zwei Parteien in Anspruch genommen hat und er durch das angefochtene Urteil im Verhältnis zu den hier jeweiligen Beklagten in unterschiedlicher Weise beschwert ist.

Innerhalb der Berufungsfrist ist auch aus sonstigen Umständen nicht erkennbar geworden, daß die Berufung des Klägers sich auch gegen den Beklagten zu 1) richten soll.

b) Im Übrigen hätte eine Berufung gegen den Beklagten zu 1) auch in der Sache keinen Erfolg. Denn das Landgericht hat auf S. 6 des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, daß der frühere Beklagte zu 1) selbst dann in Ausübung öffentlicher Gewalt, also hoheitlich gehandelt hat, wenn er außerhalb einer Einsatzfahrt Sondersignale eingesetzt und Sonderrechte in Anspruch genommen hat; im Übrigen ist aufgrund der Angaben der Zeugen (Bl. 89) und (Bl. 68 f.), die mit den persönlichen Angaben des früheren Beklagten zu 1) vor dem Landgericht übereinstimmen, bewiesen, daß sich das Zollfahrzeug des Beklagten zu 2) auf einer Einsatzfahrt befunden hat.

Das hat zur Folge, daß die persönliche Haftung des Beklagten zu 1) aus § 839 BGB gemäß Art. 34 GG entfällt und für ihn der Beklagte zu 2), das Land Berlin, als Anstellungskörperschaft haftet.

2. Soweit der Kläger mit seiner Berufung geltend macht, der Beklagte zu 2) hafte ihm nicht nur - wie das Landgericht festgestellt hat - nach einer Quote von 50 %, sondern dem Grunde nach in vollem Umfang, ist das Rechtsmittel begründet, da es dem Beklagten zu 2) nicht gelungen ist, unfallursächliche Tatsachen zu beweisen, die eine Mithaftung des Klägers zu mindestens 50 % rechtfertigen aufgrund der Betriebsgefahr des Taxi und/oder einer Sorgfaltspflichtverletzung des Taxifahrers.

a) Zum Mitverschulden des Klägers ist zu bemerken, daß grundsätzlich ein schon längere Zeit vor der Einfahrt in eine Kreuzung eingeschaltetes Martinshorn und betätigtes Blaulicht von einem aufmerksamen Kraftfahrer rechtzeitig wahrgenommen werden kann und muß (KG Urteile vom 17. September 1979 - 12 U 1647/79 -; 9. März 1987 - 12 U 3597/86; 12. Juni 1989 - 12 U 4127/88; 24. September 1990 -12 U 4980/89 -; 20. Januar 1994 - 12 U 4863/93 -; 14. Juni 1994 - 12 U 5202/98 -; 5. Dezember 1994 - 12 U 390/94 -; 23. November 1995 - 12 U 583/94 -). Etwas anderes kann gelten, wenn die Wahrnehmung beider Signale durch besondere Umstände (stürmisches Wetter und/oder geschlossene Bebauung bis an den Kreuzungsbereich) erheblich eingeschränkt war (vgl. KG, Urteil vom 14. April 1977 - 22 U 1518/77-; KG VersMitt 1989, 36 = NZV 1989, 192 = VersR 1989, 268; KG, Urteil vom 13. Februar 1997 - 12 U 7059/95 -).

Wie bereits unter 1. zur Berufung des Beklagten zu 2) dargelegt ist es im vorliegenden Fall nicht selbstverständlich, daß der Taxifahrer das vom Zollfahrzeug im Querverkehr ausgehende akustische Signal rechtzeitig aus einer Entfernung von 50 m hat wahrnehmen können.

Da der Anhalteweg bei einer normalen Abbremsung aus 45 km/h 32 bis 43,8 m (bei Notbremsung auf trockener Fahrbahn 23,7 bis 21,7 m) und aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h 52,5 bis 38,0 m beträgt (bei Notbremsung 27,7 bis 25,2 m, vgl. Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, 8. Aufl. S. 1341) und der Taxifahrers nach eigener Aussage als Zeuge vor dem Landgericht mit 50 km/h fuhr, muß zur Begründung einer Mithaftung des Klägers verlangt werden, daß das akustische Sondersignal des Zollfahrzeuges für den Querverkehr aus einer Entfernung von etwa 50 m deutlich hörbar gewesen ist. Derartiges hat der Beklagte zu 2) - wie bereits ausgeführt - jedoch nicht hinreichend dargelegt.

Der Taxifahrer hat als Zeuge vor dem Landgericht angegeben (Bl. 91): "Den Ton habe ich erst gehört, als das Fahrzeug in meinen unmittelbaren Sichtbereich kam. Blaulicht habe ich nicht gesehen."

Da auch nicht festgestellt werden kann, daß der Taxifahrer ein auf das Dach des Golf gesetztes Blaulicht bei einem Blick nach links über die Dächer der Reihe der etwa zehn Linksabbieger im linken Fahrstreifen (vgl. die Aussage des Zeugen, Bl. 88) hätte sehen müssen, trifft ihn im Hinblick auf die fehlende Wahrnehmung des Blaulichts keine Sorgfaltspflichtverletzung.

Eine Möglichkeit, das Blaulicht des von links im Querverkehr herannahenden und durch die Linksabbieger verdeckten Zollfahrzeuges erkennen zu können, folgt auch nicht aus den weiteren Angaben des Zeugen des Beifahrers im verunfallten Zollfahrzeug, der u. a. erklärt hat (Bl. 87): "Dort standen die Linksabbieger, die uns weiterfahren ließen. Über die Dächer der Linksabbieger habe ich die Geradeausspuren eingesehen. Soweit wie ich die einsehen konnte, waren sie frei. Ich schätze, daß ich die Spur etwa 10 m einsehen konnte."

Daß der Zeuge als Beifahrer in einem VW Golf über Dächer anderer Pkw hinwegblicken und Pkw in dem dahinter befindlichen Fahrstreifen wahrnehmen kann, erscheint nicht glaubhaft, denn in diesem Fall hätte er auch die Geradeausspur weit mehr als nur 10 m einsehen können.

Ein Mitverschulden des Klägers am Zustandekommen des Unfalls läßt sich daher nicht feststellen, so daß sich auch die Frage der Abwägung von Verschuldensanteilen nicht stellt. Der Beklagte zu 2) haftet für den Unfallschaden allein.

b) Angriffe des Klägers gegen die teilweise Abweisung seiner Klage der Höhe nach (Unkostenpauschale, Umbaukosten) fehlen. Mit dem Landgericht ist daher von einem ersatzfähigen Schaden des Klägers in Höhe von insgesamt 25.053,71 DM auszugehen.

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück