Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: 12 U 202/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 708ff
ZPO § 718
Im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag nach § 718 ZPO findet eine Prüfung der Hauptsache nicht statt; vielmehr ist die Vollstreckbarkeitserklärung selbst lediglich auf ihre Richtigkeit nach §§ 708 ff. ZPO zu überprüfen.
Kammergericht Im Namen des Volkes Teilurteil

Geschäftsnummer: 12 U 202/08

verkündet am : 20.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 20.11.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Grieß und die Richter am Kammergericht Spiegel und Dr. Wimmer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. August 2008 verkündete Urteil des Landgerichts - 32 O 393/07 - bezüglich der Vollstreckbarkeitsentscheidung abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Kostenentscheidung bleibt der die Instanz abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

A.

Die am 15. September 2008 bei Gericht eingegangene und durch Schriftsatz vom 14. November 2008 begründete Berufung der Klägerin sowie die am 19. September 2008 bei Gericht eingegangene und durch Schriftsatz vom 19. November 2007 begründete Berufung des Beklagten richten sich gegen das am 14. August 2008 verkündete und beiden Parteien am 19. August 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts.

Durch das im Urkundenprozess ergangene Vorbehaltsurteil ist der Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin 23.348,69 EUR nebst anteiligen Zinsen als Miete für Kanzleiräume in der Mauerstraße 22 in Berlin in der Zeit von März 2006 bis Mai 2007 zu zahlen. Die weitergehende Klage hat das Landgericht abgewiesen.

Die Vollstreckbarkeitsentscheidung des Urteils lautet:

"Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar".

Wegen der weiteren Einzelheiten, auch des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Die Klägerin greift vorab die Vollstreckbarkeitsentscheidung des Landgerichts an.

Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe die Vorschrift des § 708 Nr. 4 ZPO übersehen. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Schriftsatz vom 15. September 2008.

Die Klägerin beantragt insoweit, die Vollstreckbarkeitsentscheidung abzuändern und wie folgt zu fassen:

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. August 2008 32 O 393/07 ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Beklagte beantragt,

den Antrag der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist darauf, das Landgericht habe zu Unrecht im Wege des Urkundenprozesses entschieden, so dass die Vollstreckbarkeitsentscheidung im Ergebnis richtig sei. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Schriftsatz vom 24. September 2008.

B.

Der Antrag der Klägerin auf Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 718 ZPO zulässig. Insbesondere ist er - wie erforderlich - im Rahmen der zulässigen Berufungen gestellt worden. Er ist auch begründet.

I. Im Verfahren nach § 718 ZPO ist "über die vorläufige Vollstreckbarkeit vorab zu verhandeln und zu entscheiden"; dabei ist lediglich zu prüfen, ob die §§ 708 ff. ZPO richtig, d.h. folgerichtig, angewendet worden sind. Eine Beurteilung der Hauptsache findet nicht statt. Grundlage für die Beurteilung ist vielmehr die Sachentscheidung des erstinstanzlichen Urteils (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1987, 496; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 718 ZPO, Rn. 3; MüKoZPO/Krüger, 3. Aufl. 2007, § 718 ZPO, Rn. 2).

Dieser eingeschränkte Prüfungsumfang ergibt sich aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes. In den §§ 708 ff. ZPO finden sich Vollstreckbarkeitsregelungen als Rechtsfolgeanordnungen für verschiedene, dort im einzelnen aufgeführte Urteilsarten. Zur Statthaftigkeit dieser Urteile in den jeweiligen Verfahrensarten regeln diese Vorschriften nichts; sie setzen ihren Erlass als Tatbestandsvoraussetzungen jeweils voraus und nehmen ihn hin. Damit ist das nachfolgend geregelte Verfahren nach § 718 Abs. 1 ZPO, in dem "über die vorläufige Vollstreckbarkeit" vorab zu verhandeln und zu entscheiden ist, nicht dazu bestimmt, weitergehend die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungstitel oder auch nur deren verfahrensmäßige Zulässigkeit oder Statthaftigkeit als Voraussetzung für die Vollstreckbarkeitsentscheidung zu überprüfen, sondern nur diese Entscheidung selbst.

Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die Gefahr hingewiesen hat, dass die Wirkungen eines rechtsfehlerhaft ergangenen erstinstanzlichen Urteils mit existenzbedrohenden Folgen durch eine unzutreffend "korrigierte" Vollstreckbarkeitsentscheidung noch vertieft werden könnten, führt dies nicht zur Verlagerung von Maßstäben des vollstreckungsrechtlichen Rechtsschutzes in dieses besondere Verfahren.

Denn es findet im Rahmen des § 718 ZPO nicht einmal eine summarische Überprüfung der Erfolgsaussichten der Berufung in der Hauptsache statt.

Insoweit wird Rechtsschutz vielmehr - unter weiteren besonderen Voraussetzungen, die nicht durch eine Entscheidung im Verfahren nach § 718 ZPO übergangen werden dürfen - durch andere vollstreckungsrechtliche Vorschriften (z. B. §§ 719, 707 ZPO) gewährleistet, auf die der Beklagte selbst im Vorprozess vor dem Senat (12 U 7/07) hingewiesen hat (vgl. auch Beschluss des Senats vom 1. Oktober 2007 - 12 U 7/07 -).

II. Nach diesem Maßstab führt der Antrag der Klägerin zur Abänderung der Vollstreckbarkeitsentscheidung des Landgerichts, denn sie ist - worauf das Landgericht selbst schon in seinem Beschluss vom 28. August 2008 hingewiesen hat - falsch:

Nach § 708 Nr. 4 ZPO sind Urteile, die im Urkundenprozess erlassen werden, ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. § 711 Satz 1 ZPO sieht lediglich eine Abwendungsbefugnis des Vollstreckungsschuldners vor.

Dem entspricht das angefochtene Urteil des Landgerichts nicht und ist entsprechend antragsgemäß zu korrigieren.

Die Ausführungen des Beklagten zur Statthaftigkeit der Verfahrensart sind unerheblich, weil - wie dargelegt - lediglich zu prüfen ist, ob die §§ 708 ff. ZPO richtig angewendet worden sind (vgl. sub I. sowie Baumbach u.a., ZPO, 66. Aufl. 2008, § 718 ZPO, Rn. 3, OLG Frankfurt, OLGZ 1994, 470).

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück