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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.05.2008
Aktenzeichen: 12 U 212/07
Rechtsgebiete: ZPO, AKB
Vorschriften:
ZPO § 91 | |
AKB § 7 II Nr. 5 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 89/08 12 U 212/07
In Sachen
Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 28. November 2007 - 24 O 60/06 - in der Sitzung vom 30. Mai 2008 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Beklagten zu 2) vom 09. Oktober 2007 auf Kostenfestsetzung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 2) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Der Kläger verklagt aufgrund eines Verkehrsunfalls die Beklagte zu 1) als Haftpflichtversicherer und den Beklagten zu 2) als Halter und Führer des beteiligten Fahrzeugs gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Die Klageschrift wurde beiden Beklagten am 02. März 2006 mit der Aufforderung und Notfristsetzung gemäß § 276 ZPO zugestellt. Mit Schriftsatz vom 08. März 2006, eingegangen am 09. März 2006, meldete sich Rechtsanwalt Dr. G aus Stralsund als Prozessbevollmächtigter beider Beklagten und zeigte Verteidigungsbereitschaft an. Rechtsanwalt S , der den Beklagten zu 2) in Angelegenheiten des Verkehrsunfalls schon vorher vertreten hatte, zeigte mit Schriftsatz vom 14. März 2006 ebenfalls die Vertretung des Beklagten zu 2) an, beantragte für ihn die Klageabweisung und bat um Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung wegen eigener Arbeitsüberlastung bis 13. April 2006. Die Klageerwiderung von Rechtsanwalt Dr. G für beide Beklagten erfolgte mit Schriftsatz vom 29. März 2006, die von Rechtsanwalt S für den Beklagten zu 2) mit Schriftsatz vom 13. April 2006. Am Termin am 22. Mai 2006, in dem Beweis erhoben wurde, nahmen Rechtsanwalt Dr. G für beide Beklagten und Rechtsanwalt S für den Beklagten zu 2) teil, an einem weiteren Verhandlungstermin am 27. August 2007 nahm Rechtsanwalt S für den Beklagten zu 2) und zugleich als Terminsvertreter für Rechtsanwalt Dr. G teil. Die Klage wurde auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Auf den Antrag von Rechtsanwalt Dr. G vom 12. Oktober 2007 hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. November 2007 die im Antrag berechneten Kosten einschließlich der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG festgesetzt. Mit gesondertem Kostenfestsetzungsantrag vom 09. Oktober 2007 hat Rechtsanwalt S die ihm aus der Vertretung des Beklagten zu 2) erwachsenen Gebühren angemeldet, die das Landgericht im Beschluss vom 28. November 2007 mit Ausnahme der Terminsgebühr festgesetzt hat. Gegen die Festsetzung der Gebühren eines weiteren Anwalts überhaupt wendet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, während der Beklagte zu 2) sein gegen das Absetzen der Terminsgebühr gerichtetes Rechtsmittel zurückgenommen hat.
II.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Sie ist auch begründet. Der Festsetzung der für die Prozessvertretung des Beklagten zu 2) durch Rechtsanwalt S entstandenen Gebühren steht entgegen, dass die Kosten seiner Vertretung durch Rechtsanwalt Dr. G in voller Höhe festgesetzt worden sind und die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten eines weiteren Anwalts nach § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht erfüllt sind.
1. Der Senat hat allerdings früher (vgl. JurBüro 98, 198) die Auffassung vertreten, aus dem Grundsatz, dass der zusammen mit dem Kfz-Haftpflichtversicherer verklagte Versicherungsnehmer (gleiches gilt für den mitversicherten Fahrer) berechtigt sei, seinen eigenen Prozessbevollmächtigten auch neben einem vom Versicherer bestellten gemeinsamen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, folge die Erstattungspflicht gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs. Dieser liege erst vor, wenn der Versicherungsnehmer von der auch für ihn erfolgten Anwaltsbestellung seitens des Versicherers Kenntnis erlangt habe und gleichwohl einen weiteren Rechtsanwalt in Anspruch nehme, ohne dass hierfür besondere Gründe, wie bei einem erkennbaren Interessengegensatz zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, vorlägen. Diese Auffassung wurde von mehreren Oberlandesgerichten geteilt (vgl. OLG Oldenburg JurBüro 90, 1479; OLG Bremen JurBüro 89, 98; OLG Hamburg JurBüro 88, 762).
Eine Gegenmeinung vertritt dem gegenüber die Auffassung, die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines eigenen Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers neben den Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten sei unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Beauftragung und hänge nur vom Vorliegen sachlicher Gründe für die gesonderte Bestellung ab (OLG München MDR 95, 263; OLG Koblenz JurBüro 94, 230 und MDR 95, 263; OLG Hamm JurBüro 90, 1480 = MDR 90, 1019; OLG Saarbrücken JurBüro 89, 1417). Dies wird damit begründet, bei der Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines eigenen Prozessbevollmächtigten durch den Versicherungsnehmer gemäß § 91 Abs. 1 ZPO sei das in §§ 7 II Nr. 5, 10 V AKB geregelte Prozessführungsrecht des aufgrund seiner Direkthaftung mitverklagten Versicherers zu beachten mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer sich mit dem Versicherer über die Prozessvertretung abzustimmen, in der Regel also die gemeinsame Vertretung durch einen vom Versicherer bestellten Rechtsanwalt hinzunehmen und die diesbezügliche Nachricht abzuwarten habe. Wenn nämlich die Vertretung durch einen eigenen - weiteren - Prozessbevollmächtigten nicht durch besondere Gründe gerechtfertigt sei, seien die Mehrkosten entsprechend § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht zu erstatten.
2. Der BGH (Beschluss vom 20. Januar 2004 - VI ZB 76/06 -, NJW-RR 2004, 536) hat sich der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen. Dem folgt auch der Senat unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung. Es ist sachgerecht, die an sich nur das Innenverhältnis des Versicherungsnehmers zum Haftpflichtversicherer betreffende Regelung in §§ 7 und 10 AKB auch im Rahmen der Erstattungspflicht nach § 91 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen, da dem Versicherungsverhältnis im Falle der Direktklage nach § 3 PflVersG Außenwirkung für den Haftpflichtprozess zukommt. Dann aber ist es auch folgerichtig, von dem gemeinsam mit dem Versicherer verklagten Versicherungsnehmer (oder Versicherten) zu verlangen, sich mit dem Versicherer abzustimmen, ehe er einen eigenen Anwalt mit der Rechtsverteidigung beauftragt. Hier lediglich auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs abzustellen, erscheint zu eng. Da der Versicherer in aller Regel auch für kurzfristige Rückfragen erreichbar ist, kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer bereits bei der Mandatierung seines eigenen Anwalts Kenntnis von den vom Versicherer eingeleiteten Maßnahmen zur gemeinsamen Rechtsverteidigung hatte.
Dementsprechend kommt es auf die zeitliche Reihenfolge der Mandatierung und damit überhaupt auf den Zeitpunkt der Mandatserteilung durch den Versicherungsnehmer nicht an (OLG München a.a.O., OLG Koblenz JurBüro 94, 230). Das hat der BGH ausdrücklich bestätigt. Wenn es im Beschluss vom 20. Januar 2004 heißt, der dortige Beklagte zu 1) (Versicherungs-nehmer) hätte, "wollte er von ihm zu tragende Kosten vermeiden, seine Prozessbevollmächtigte von ihrem Mandat entbinden müssen, sobald ihm mitgeteilt worden ist, dass sich die Beklagte zu 2) über die von ihr beauftragten Rechtsanwälte gegen die Klage verteidigen wird", besagt das nicht, dass die bis zu dieser Mitteilung entstandenen Kosten vom Prozessgegner zu erstatten seien. Jedenfalls in Höhe der verminderten Verfahrensgebühr VV 3101 (damals § 32 BRAGO) und der Pauschale VV 7002 (§ 26 BRAGO) waren solche Gebühren bereits durch die Beratung anlässlich der Mandatserteilung entstanden (Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO). Der BGH hat die Sache aber nicht zur Festsetzung einer solchen Gebühr, sondern wegen der angegriffenen Absetzung - auch - der Erhöhungsgebühr nach § 6 BRAGO an die Vorinstanz zurückverwiesen. Der insoweit abweichenden Interpretation der Entscheidung des BGH durch den von der Rechtspflegerin herangezogenen Beschluss des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 12. September 2006 - 5 W 90/06 - folgt der Senat aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht.
3. Die vom Beklagten zu 2) geschilderten Umstände, die ihn zur Erteilung des Mandates an Rechtsanwalt S veranlasst haben, führen nicht zur Festsetzbarkeit der hieraus erwachsenen Gebühren gegen den Kläger. Dabei kann offen bleiben, ob der Beklagte zu 2) - wie behauptet - die Fax-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 10. März 2006 von der erfolgten Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. G mit der gemeinsamen Vertretung erst am 17. März, also nach Ablauf der gemäß § 276 ZPO gesetzten Notfrist zum 16. März, oder - entsprechend seinem Schreiben an Rechtsanwalt S vom 22. März 2006 - bereits 3 Tage vor Fristablauf erhalten hatte, so dass die Entbindung des Prozessbevollmächtigten von seinem Mandat bereits vor dessen Verteidigungsanzeige vom 14. März 2006 möglich war. Denn auf diesen Zeitpunkt kommt es - wie gesagt - nicht an. Unerheblich ist auch, dass der Beklagte zu 2) von Rechtsanwalt S bereits zuvor bei Geltendmachung seiner Ersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung und bei der Stellungnahme im polizeilichen Ermittlungsverfahren vertreten worden war, so dass dieser Rechtsanwalt auf das bereits geführte eingehende Mandantengespräch zurückgreifen konnte, während der in Stralsund ansässige Rechtsanwalt Dr. G seine Stellungnahme in der Klageerwiderung anhand der ihm von der Beklagten zu 1) überlassenen Unterlagen gefertigt hat. Ein möglicher Interessengegensatz, der die Beauftragung eines je eigenen Prozessbevollmächtigten der Beklagten erforderlich machte, ist damit nicht dargetan. Der Beklagte zu 2) macht auch nicht geltend, durch die Beauftragung durch Rechtsanwalt S notwendige Kosten, die etwa mit einem in Stralsund zu führenden Informationsgespräch verbunden gewesen wären, erspart zu haben. Ob eine "unzureichende Kooperation" seitens des mitverklagten Versicherers eine "persönliche zusätzliche Interessenvertretung" des Versicherungsnehmers auch dann rechtfertigen könnte, wenn ein Interessengegensatz nicht erkennbar ist - was der BGH im zitierten Beschluss offen lässt -, kann auch hier offen bleiben. Denn die vorgelegte Korrespondenz lässt einen solchen Fall nicht erkennen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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