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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.07.2005
Aktenzeichen: 19 UF 65/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1587 c Nr. 1 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 19 UF 65/05
In der Familiensache
hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Hartung und Feskorn am 26. Juli 2005 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch das am 3. März 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Pankow/ Weißensee - 16 F 5234/02 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Wert von 1.000,-- EUR zu tragen.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr für die Beschwerdeinstanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er sich gegen einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wendet, ist zulässig aber nicht begründet. Das Amtsgericht hat mit Recht den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB ausgeschlossen.
Bei der Entscheidung über den durchzuführenden Versorgungsausgleich ist auf Seiten der Antragstellerin von ehezeitlichen Rentenanwartschaften von monatlich 64,47 EUR und Gesamtanwartschaften von 354,50 EUR sowie angleichungsdynamischen ehezeitlichen Anwartschaften von 90,93 EUR und angleichungsdynamischen Gesamtanwartschaften von 110,25 EUR auszugehen, wie sich aus der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 4. November 2004 ergibt. Der Antragsgegner hat bei der BfA ehezeitliche Rentenanwartschaften von 58,16 EUR und Gesamtanwartschaften von 102,89 EUR erworben, wie sich aus deren Auskunft vom 20. Juli 2004 ergibt. Käme es zu einer Durchführung des Versorgungsausgleichs, wären zu Lasten der Antragstellerin angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 45,47 EUR und nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von 3,16 EUR auf das Versicherungskonto des Antragsgegners zu übertragen, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat.
Aufgrund der Feststellungen des landgerichtlichen Urteils vom 20.1.2003 - nnnnnnnnnnnnnnnnn -, das für das vorliegende Verfahren beigezogen worden ist und dessen Feststellungen die Parteien vorliegend nicht in Frage stellen, ergibt sich folgendes Tatgeschehen: Der Antragsgegner führte am 19. Juli 2002 in der gemeinsamen Wohnung der Parteien mit der rechten Hand ein scharfes Küchenmesser mit einer 15 cm langen Klinge in Richtung des Halses der Antragstellerin, traf sie mit dem Messer zunächst seitlich am Hals und verletzte sie insgesamt in der Weise, dass er ihr seitlich am Hals eine sieben Zentimeter lange und zwei Zentimeter tiefe Schnittverletzung, in der Drosselgrube des Halses eine einen Zentimeter tiefe Weichteilverletzung sowie an der rechten Ohrmuschel eine einen Zentimeter lange Verletzung zufügte. Der Antragsgegner betätigte anschließend den Notruf. Gegenüber einer Nachbarin äußerte er, dass er seine Frau habe umbringen wollen. Der eintreffenden Polizei sagte er, dass er sich die Sache genau überlegt habe, er habe "die Alte abgestochen". Die Ehefrau wurde in der Nacht von 19. auf den 20. Juli 2002 operativ versorgt. Seitdem leben die Parteien getrennt. Die oberflächliche Heilung dauerte 2 Monate. Am Hals der Antragstellerin befinden sich zwei große sichtbare Narben. Die Antragstellerin beschrieb während des Strafverfahren noch zeitweilige Beschwerden im Halsbereich sowie psychische Beeinträchtigungen. Der Antragsgegner, der sich 6 Monate in Untersuchungshaft befand, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen mit diesen Vorgängen nicht zusammenhängenden Waffenbesitzes durch Urteil des Landgerichts vom 20. Januar 2003 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten auf Bewährung verurteilt.
Die große Strafkammer hat festgestellt, dass der Antragsgegner die Körperverletzung mit einem gefährlichen Werkzeug begangen habe, dass diese geeignet gewesen sei, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, und die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung erfolgt sei. Das Landgericht ist weiterhin davon ausgegangen, dass der Antragsgegner ursprünglich mit Tötungsvorsatz gehandelt habe, dann aber von dem Tötungsdelikt strafbefreiend zurückgetreten sei. Nach der Haftentlassung kam es zu Kontakten zwischen den Parteien.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist unbegründet. Die Antragstellerin kann ihr Ausschlussverlangen mit Erfolg auf § 1587 c Nr. 1 BGB stützen. Die Durchführung der Versorgungsausgleichs wäre unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, zu denen auch ein persönliches schwerwiegendes Fehlverhalten gehören kann (vgl. OLG Hamm FamRZ 1981, S. 473 (474); Schwab-Hahne Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., VI Rdn. 274), grob unbillig, § 1587 c Nr. 1 BGB. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist daher in vollem Umfang zurückzuweisen. Gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB ist ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs, der auf der gemeinsamen Leistung der Eheleute während der Ehe beruht, dann zulässig, wenn seine Durchführung dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Hierbei sind strengere Maßstäbe anzulegen als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB (vgl. BGH FamRZ 1981, S. 756 (757); Schwab-Hahne a.a.O., Rdn. 267; Wick Versorgungsausgleich 2004 Rdn. 238, 240).
Neben den rein wirtschaftlichen Verhältnissen kommen auch persönliche Lebensumstände als Ausschlussgrund in Betracht. Ein Ausschluss kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte schuldhaft eine schwerwiegende Straftat gegen den Verpflichteten oder dessen nahe Angehörige begangen hat (vgl. Wick a.a.O., Rdn. 257 m.w.N.; Palandt-Brudermüller Kommentar zum BGB, 64. Aufl., § 1587 c Rdn. 26 - jeweils m.w.N. -).
Hierbei kann dahingestellt bleiben, inwieweit Gründe, die gemäß § 2335 BGB den Entzug des Ehegattenpflichtteils rechtfertigen, als Orientierungshilfe bei der Anwendbarkeit des § 1587 c Nr. 1 BGB in Fällen strafbarer Handlungen dienen können ( vgl. OLG Hamm FamRZ 1981, 473 f; OLG Frankfurt FamRZ 1990, S. 1259 f; offengelassen in BGH FamRZ 1990, 985 (986 f)). Die während des Zusammenlebens der Parteien verübte Straftat des Antragsgegners, die zur Trennung der Parteien führte, war sowohl von der Art des Tatwerkzeuges her als auch von der Art der Begehung von einer solchen Schwere, dass eine Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Lasten der Antragstellerin für diese unzumutbar ist. Es ist lediglich glücklichen Umständen zu verdanken, dass die Antragstellerin nur schwere Schnittverletzungen und keine lebensgefährlichen oder sogar tödlichen Verletzungen erlitten hat. Dass die Wunden nach operativer Versorgung inzwischen verheilt sind, stellt einen Ausschluss gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB ebenso wenig in Frage wie der Umstand, dass der Antragsgegner von seinem ursprünglichen Tötungsvorsatz strafbefreiend zurückgetreten ist.
Insofern ist im Rahmen des § 1587 c Nr. 1 BGB entgegen der Auffassung des Antragsgegners durchaus eine differenzierende Beurteilung gegenüber der strafrechtlichen Bewertung möglich und geboten. Der Antragsgegner hat die Tat auch schuldhaft begangen, er hat insbesondere nicht unter einer affektiven Bewusstseinsstörung gehandelt. Dies ergibt sich aus den strafgerichtlichen Feststellungen und dem dort eingeholten Sachverständigengutachten.
Der Versorgungsausgleich ist angesichts der Schwere der Tat auch insgesamt auszuschließen und nicht lediglich herabzusetzen.
Der Senat vermag dem Antragsgegner insoweit nicht zu folgen, als er unter Berufung auf die Entscheidung des OLG Bamberg (FamRZ 1999, S. 932) meint, ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs käme bereits deswegen nicht in Betracht, weil es bei der Antragstellerin nicht zu bleibenden Schäden gekommen sei. Das ist bereits deswegen fraglich, weil sich an ihrem Hals zwei große sichtbare Narben befinden und sie jedenfalls zum Zeitpunkt des Strafverfahrens noch unter psychischen Beeinträchtigungen litt. Hier ist jedoch ein Ausschluss unabhängig von der Frage bleibender Schäden bereits mit Rücksicht auf die Schwere und Gefährlichkeit der Tathandlung geboten. Das OLG Bamberg bejaht im übrigen gerade dann einen Ausschluss gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB, wenn das Delikt "nahe an ein Tötungsdelikt heranreicht". Dies ist hier der Fall. Der Umstand, dass es inzwischen wieder zu Kontakten zwischen den Parteien gekommen ist, ändert nichts an der Schwere der Tat des Antragsgegners und deren Bewertung gemäß des § 1587 c Nr. 1 BGB. Dass insoweit eine Verzeihung seitens der Antragstellerin vorliegt, wird vom Antragsgegner mit der Beschwerde nicht mehr geltend gemacht. Soweit er vorträgt, nach seiner Haftentlassung hätten die Parteien wieder miteinander "kommuniziert", führt dies auch im Hinblick darauf, dass die Parteien einen gemeinsamen Sohn haben, nicht zu einer abweichenden Beurteilung im Rahmen des § 1587 c Nr. 1 BGB. Einer weiteren Aufklärung und Beweisaufnahme bedarf es nicht.
Da die schwere vorsätzliche Körperverletzung, die der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin begangen hat, bereits zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587c Nr. 1 BGB führt, kann die weitere Frage, ob es nicht auch unbillig wäre, diejenigen Anwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, die die Antragstellerin während der Inhaftierung des Antragsgegners erworben hat (vgl. hierzu Wick a.a.O., Rdn. 253 m.w.N.), dahingestellt bleiben.
Der Senat sieht von einer mündlichen Verhandlung ab. Einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedarf es nicht mehr. Der Sachverhalt ist im wesentlichen unstreitig. Es geht in der Beschwerdeinstanz lediglich noch um Bewertungsfragen, inwieweit die gefährliche Körperverletzung, die der Antragsgegner begangen hat, einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigt. Dies ist nach Auffassung des Senats - wie bereits ausgeführt - der Fall. Zur Entscheidung dieser Fragen bedarf es keiner mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz mehr (vgl. hierzu BGH NJW 1983, S. 824 f; OLG München FamRZ 1978, S. 696; Schwab-Maurer, a.a.O., I Rdn. 593).
Das Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin war zurückzuweisen. Sie hat ihrem Antrag vom 21. Juni 2005 die erforderliche Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt. Da sie deren Nachreichung ausdrücklich angekündigt hat, ohne dem nachzukommen, war auch eine Auflage des Senats nicht veranlasst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 49 GKG.
Ende der Entscheidung
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