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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 2 W 110/07
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO §§ 91 ff.
ZPO §§ 103 ff.
ZPO § 103 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 568 Satz 2
ZPO § 569
RPflG § 11 Abs. 1
In Bezug auf Kosten, die nicht bei Einleitung oder während des Prozesses anfallen, besteht die tatsächliche Vermutung, dass sie zu dessen Führung nicht erforderlich waren, weshalb sie nur ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzbar sind. Im Übrigen ist ein strenger Maßstab bei der Prüfung der Erforderlichkeit vorprozessualer Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren anzulegen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 110/07

11.10.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 11. Oktober 2007 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 29. März 2007 - Geschz. 33 O 537/02 - wird aufgehoben und die auf seinen Erlass gerichteten Anträge der Beschwerdegegnerin vom 2. Januar und 19. März 2007 zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.252,25 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdegegnerin hat im Hauptverfahren überwiegend erfolgreich die Auszahlung von Überschüssen verlangt, die aus der Bewirtschaftung zweier Berliner Miethäuser durch die Beschwerdeführerin entstanden waren. In dem darauf folgenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14. Mai 2004 berücksichtigte das Landgericht die Kosten für die beiderseitigen Prozessbevollmächtigten. Mit Antrag vom 2. Januar 2007, geändert durch Schriftsatz vom 19. März 2007, beantragte die Beschwerdegegnerin die Nachfestsetzung diverser weiterer Kosten, die ihr vorprozessual entstanden sind und - nach ihren Angaben - der Vorbereitung der Klageerhebung dienten. Dabei handelte es sich

a) um Kosten für die vorprozessuale Beratung durch die Berliner Rechtsanwälte

- Wnnnn u.a. (3.553,14 EUR, Pos. 1 des Antrags v. 2.1.07),

- Pnnnn (207,58 EUR, Pos. 4 des Antrags v. 2.1.07) und

- Snnn u.a. (1.283,54 EUR, Pos. 8 des Antrags v. 2.1.07), die nicht identisch mit dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin waren;

b) um Kosten für das Kopieren der Hausabrechnungsunterlagen durch

- H. Znnn Immobilien GmbH (43,06 EUR, Pos. 2 des Antrags v. 2.1.07),

- Rechtsanwälte Knnn u.a. (106,76 EUR, Pos. 6 des Antrags v. 2.1.07);

- Rechtsanwälte Knnn u.a. (81,25 EUR, Pos. 7 des Antrags v. 2.1.07);

d) um Kosten für die "professionelle Sichtung" der Hausabrechnungsunterlagen durch

- Herrn von Ennn (1.000,00 EUR, Pos. 9 des Antrags v. 2.1.07); und

c) um Kosten für die vorprozessuale Beratung zur Erstellung einer Finanzbuchhaltung durch

- Herrn Tnnnnn (2.500,00 EUR, Pos. 3 des Antrags v. 2.1.07) und

- Steuerberater Hnn u.a. (1289,98 EUR, Pos. 5 des Antrags v. 2.1.07).

Mit begründungslosem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29. März 2007, der Beschwerdeführerin zugestellt am 13. April 2007, berücksichtigte das Landgericht auch diese Kosten. Zuvor hatte der dort zuständige Rechtspfleger eine Auskunft bei der Amtsnachfolgerin des seinerzeit für das Hauptverfahren zuständigen Richters am Landgericht eingeholt, wonach "alle aufgeführten Kosten prozessnotwenig u. entscheidungserheblich scheinen" (Bd. 2 Bl. 18 d. AH). Mit einem als "Erinnerung" bezeichneten, bei Gericht am 19. April 2007 eingegangenen Rechtsmittel wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den zweiten Kostenfestsetzungsbeschluss. Sie macht u.a. geltend, dass die nachträglich festgesetzten Kosten zur Vorbereitung der Klageerhebung nicht erforderlich waren. Gleichwohl zahlte sie an die Beschwerdegegnerin "a conto" 4.000 EUR auf den Nachfestsetzungsbeschluss. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 1. Juni 2007 nicht abgeholfen und es dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung führt der Rechtspfleger an, entscheidend sei der Hinweis der Richterin am Landgericht gewesen sei. Der Senat hat die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 22. Juni 2006 auf Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit der von ihr geltend gemachten Kosten hingewiesen. Die Beschwerdegegnerin hat daraufhin ergänzend vorgetragen (Bd. 2 Bl. 4a ff., 12 ff. und 15 d.A.).

II.

1.

Das eingelegte Rechtsmittel ist als "sofortige Beschwerde" im Sinne von § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO auszulegen. Denn gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss findet allein dieses Rechtsmittel statt; das Rechtsmittel der "Erinnerung" gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Recht unbekannt.

2.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig; über sie hat nach § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

3.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.

Denn im Kostenfestsetzungsverfahren können nach § 103 Abs. 1 ZPO nur "Prozesskosten" geltend gemacht werden. Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass hierzu nicht allein die durch Einleitung und Führung des Prozesses ausgelösten Kosten, sondern auch vorprozessual angefallene Kosten gehören, wenn sie der Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Prozesses dienen (BGH, BGH-Report 2006, 270 [271]; OLG Hamburg, OLGR 2006, 691 [692]; Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 13 "Vorbereitungskosten"; Hartmann in Baubach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 270; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 39). Jedoch sind, wie im Kostenfestsetzungsverfahren generell, nur diejenigen Kosten festsetzbar, die für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung objektiv erforderlich waren (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 270; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 41). In bezug auf Kosten, die nicht bei Einleitung oder während des Prozesses anfallen, besteht allerdings die tatsächliche Vermutung, dass sie zu dessen Führung nicht erforderlich waren, weshalb sie nur ausnahmsweise festsetzbar sind (ebenso OLG Frankfurt, JurBüro 1984, 1083 [1083]; Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 91 Rdnr. 60). Zudem ist anerkannt, dass jede Partei die Kosten der Prozessführung so niedrig zu halten hat, dass es mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange noch vereinbaren ist (Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 12; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 55). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren mit seinem begrenzten prozessualen Instrumentarium auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakte vorzunehmende Überprüfung zugeschnitten ist (BGH, NJW-RR 2005, 1731 [1732]), weshalb die §§ 91 ff., 103 f. ZPO so auszulegen sind, dass umfangreiche Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht in diesem Verfahren vermieden werden. Insgesamt ist daher ein strenger Maßstab bei der Prüfung der Erforderlichkeit vorprozessualer Kosten anzulegen (ebenso Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 41). Bei Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend:

a)

Die Kosten für die vorprozessuale anwaltliche Beratung (s.o., lit. I.a.) waren nicht erforderlich, weil nicht zu erkennen ist, warum die Beschwerdegegnerin zur Vorbereitung eines Prozesses, in dem sie anwaltlich vertreten ist, zusätzlichen anwaltlichen Rat - zumal den Rat drei verschiedener Anwälte - benötigt. Grundsätzlich hat der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt den Mandanten so umfassend in der Prozesssache zu beraten und die Prozesssache so umfassend vorzubereiten, dass Bedarf für weiteren anwaltlichen Rat nicht besteht. Demgemäß sind im Regelfall nur die Kosten für einen Rechtsanwalt erstattbar (Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 91 Rdnr. 29). Ausnahmen mögen sich ergeben, wenn der prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt nicht am Wohnsitz der Partei seinen Kanzleisitz hat und daher ein Verkehrsanwalt hinzugezogen wird (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007; § 91 Rdnr. 13 "Verkehrsanwalt"); oder wenn aus Gründen, die weder die Partei noch ihr bisheriger Rechtsberater verschuldet haben, ein Wechsel in der Person des Rechtsanwalt stattfinden muss (Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 91 Rdnr. 29). Derartiges ist vorliegend weder geltend gemacht worden noch sonstig ersichtlich; sämtliche beteiligten Rechtsanwälte haben ihren Kanzleisitz in Berlin.

b)

Die Kosten für das Sichten und Kopieren der Hausabrechnungsunterlagen (s.o., lit. I.b. und c.) waren ebensowenig erforderlich. Soweit diese Arbeiten überhaupt für das zweckentsprechende Führen des Rechtsstreits eine Voraussetzung waren, wären sie nämlich bereits Teil der Pflichten des Prozessbevollmächtigten gewesen, die durch dessen Verfahrensgebühr abgegolten werden (für das Sichten der Unterlagen: vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 91 Rdnr. 274 "Durcharbeitung des Streitstoffes"; für das Kopieren der Unterlagen: vgl. Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG sowie Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rdnr. 60). Dass die zusätzliche Inauftraggabe von Sichtungs- und Kopierdienstleistungen arbeitserleichternd für den Prozessbevollmächtigten gewirkt haben mag, ist nicht von Belang. Denn sie führte nicht zu einer Verminderung der Verfahrensgebühren des Prozessbevollmächtigten.

c)

Die Kosten für die vorprozessuale Erstellung einer Finanzbuchhaltung (s.o., lit. I.d.) waren nicht erforderlich, weil das Erstellung einer Finanzbuchhaltung keine Voraussetzung für das zweckentsprechende Führen des Rechtsstreits war. Dass die Erstellung der Finanzbuchhaltung für die laufende und künftige Verwaltung der Immobilien durch die Beschwerdegegnerin von Vorteil sein mag, ist vorliegend nicht von Belang.

4.

Der angegriffene Beschluss ist auch in verfahrensmäßiger Hinsicht rechtsfehlerhaft.

Denn der zuständige Rechtspfleger hat - ausweislich seines Nichtabhilfebeschlusses - keine eigene abschließende Beantwortung in der Frage vorgenommen, ob die geltend gemachten Kosten notwendig im o.g. Sinne waren. Vielmehr hat er sich letztlich an den diesbezüglichen Hinweis der Richterin gebunden gefühlt. Die Feststellung des Umfanges der Prozesskosten und damit auch die Feststellung der Notwenigkeit bestimmter Kosten für das Führen des Rechtsstreites gehört jedoch zu den zentralen Aufgaben des Kostenfestsetzungsverfahren. Diese Feststellung ist daher alleinverantwortlich von dem zuständigen Rechtspfleger vorzunehmen. Zwar mag er zur Vorbereitung seiner Entscheidung die Auskunft des im Hauptverfahren zuständig gewesenen Richters erbitten. Diese Auskunft hat jedoch grundsätzlich keinen anderen Rang als andere Erkenntnisquellen im Kostenfestsetzungsverfahren und vermag vor allem nicht die Entscheidungsverantwortlichkeit von ihm auf den Richter zu verschieben. Dies gilt in besonderem Maße im Falle der Auskunft einer Richterin, die - ohne weiteres erkennbar - zum Zeitpunkt der Durchführung des Hauptverfahrens noch gar amtierte und daher gerade nicht über die detaillierte Aktenkenntnis aus dem Hauptverfahren verfügt, deren sich der Rechtspfleger bedienen möchte.

Dieser Verfahrensfehler ist im Regelfall analog § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geeignet, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das Kostenfestsetzungsverfahren zur Neubescheidung an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen. Denn bei Lichte betrachtet hat es der zuständige Rechtspfleger unterlassen, eine Sachentscheidung zu treffen. Aus Gründen der Prozessökonomie sieht der Senat jedoch vorliegend von einer Zurückverweisung ab und entscheidet in der Sache selbst.

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

6.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entsprach gemäß § 3 ZPO demjenigen Betrag, den das Landgericht in dem angegriffenen Beschluss an Kosten festgesetzt hat. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin trotz des eingelegten Rechtsmittels 4.000 EUR an Kosten erstattet hat, führt nicht zu einer Verminderung des Beschwerdewertes. Denn sie hat gleichwohl nicht nur einen Teil des Kostenfestsetzungsbeschlusses, sondern den gesamten Kostenfestsetzungsbeschluss zur beschwerdegerichtliche Überprüfung gestellt.

7.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen, nachdem weder die Beschwerdesache grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes für die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

Ende der Entscheidung

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