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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.09.2003
Aktenzeichen: 22 U 271/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 92
ZPO § 97
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 3
ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 22 U 271/01

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Ubaczek, die Richterin am Kammergericht Schulz und den Richter am Kammergericht Schneider auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin, die bis zum und durch den Erlass dieses Beschlusses entstandenen sind, hat die Beklagte zu 1) die Hälfte zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die Klägerin verlangt Zahlung rückständigen Mietzinses, und zwar von der Beklagten zu 1) als Mieterin und von der Beklagten zu 2) als Bürgin.

Durch das am 28. Juni 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 29 O 308/00 - sind beide Beklagte verurteilt worden, einen Teil der Forderung zu bezahlen, im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Danach ist über das Vermögen der Beklagten zu 2) das Insolvenzverfahren eröffnet worden, der Insolvenzverwalter hat erklärt, den Rechtsstreit nicht aufzunehmen (Blatt 199, 207).

Durch Versäumnisteilurteil des Senats vom 27. März 2003 ist die Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden; zugleich ist die Beklagte zu 1) auf die Berufung der Klägerin in teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang dem Klageantrag entsprechend verurteilt worden.

Im Hinblick auf die Ungewissheit, wann der Rechtsstreit wird fortgesetzt und mit einer Kostenentscheidung versehen werden können, insbesondere wegen der aus der personellen und wirtschaftlichen Verknüpfung beider Beklagten folgenden Gefahr, dass auch die Beklagte zu 1) insolvent werde, beantragt die Klägerin eine Kostenteilentscheidung zu Lasten der Beklagten zu 1).

Über die Kosten des Rechtsstreits ist grundsätzlich einheitlich zu entscheiden; soweit eine Aufteilung der Kostenlast angezeigt ist, hat diese nach Bruchzahlen oder Prozentsätzen zu erfolgen.

Es ist jedoch anerkannt, dass Prozesssituationen eintreten können, die ein Abweichen von diesen Grundsätzen erfordern. Insbesondere dann, wenn mehrere Beklagte in Anspruch genommen werden und der Rechtsstreit gegen einen von Ihnen durch Teilurteil abschließend beschieden wird, kann der Erlass einer Teilkostenentscheidung in Frage kommen (BGH, NJW 1960, 484; NJW-RR 2001, 642; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO, 60. Aufl. 2002, § 301 Rdnr. 19; Musielak, ZPO, 2. Aufl. 2002, § 301 Rdnr. 27; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 301 Rdnr. 11). Unproblematisch ist dies zumindest für die Fälle, in denen ein ausgeschiedener Streitgenosse die Erstattung seiner Kosten von der Gegenseite verlangen kann (BGH, AnwBl. 1991, 53; Schneider, Die Kostenentscheidung im Zivilurteil, 2. Aufl. 1977, Seite 215; jeweils mit Nachweisen).

Ob eine solche Ausnahme auch für den hier gegebenen Fall zuzulassen ist, in dem der ausscheidende Streitgenosse dem Gegner zur Erstattung dessen Kosten verpflichtet ist, hat der Bundesgerichtshof in der zuletzt genannten Entscheidung (AnwBl. 1991, 53) ausdrücklich offen gelassen.

Der Senat bejaht diese Frage jedenfalls für den Fall, dass die Gegenseite eine Teilkostenentscheidung unter Darlegung ihres schutzwürdigen Interesses daran ausdrücklich beantragt (ebenso OLG München, NJW 1969, 1123 f; OLG Zweibrücken, JurBüro 1983, 1881; Schneider a.a.O., Seite 216 f). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Über das Vermögen der Beklagten zu 2) ist nach Berufungseinlegung das Insolvenzverfahren eröffnet worden, der Insolvenzverwalter hat erklärt, den Rechtstreit nicht aufnehmen zu wollen. Ob und wann das Verfahren fortgesetzt und abgeschlossen werden kann, ist unter diesen Umständen gänzlich ungewiss. Zudem ist die Befürchtung der Klägerin nicht von der Hand zu weisen, dass mit zunehmendem Zeitablauf die Gefahr besteht, dass ihr Kostenerstattungsanspruch auch gegen die Beklagte zu 1) nicht mehr zu realisieren sein könnte. Dies beruht insbesondere auf der engen Verbindung beider Beklagten, sowie dem Umstand, dass das Unterliegen der Beklagten zu 1) im Wege eines Versäumnisurteils auszusprechen war, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter mitgeteilt hatte, diese nicht mehr zu vertreten, und ein neuer Bevollmächtigter nicht benannt worden ist. Das damit hinreichend belegte schutzwürdige Interesse der Klägerin an einer Teilkostenentscheidung rechtfertigt ausnahmsweise auch ein Abweichen von dem Grundsatz, die Kosten nicht nach Zeitabschnitten zu verteilen (OLG München a.a.O.; Schneider a.a.O.).

Bei der Entscheidung, in welchem Umfang die Beklagte zu 1) mit Kosten zu belasten ist, geht der Senat zu ihren Gunsten davon aus, dass die Berufung der Klägerin im Übrigen erfolglos bleiben könnte. Die Kostenentscheidung beruht somit auf §§ 92, 97, 100 Abs. 1 und 3 ZPO (so auch OLG München a.a.O.).

Da - soweit ersichtlich - eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu der Frage der Zulässigkeit einer Teilkostenentscheidung in der hier gegebenen Fallkonstellation bislang nicht ergangen ist (in BGH, AnwBl. 1991, 53 ausdrücklich offen gelassen), hat der Senat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nummer 2, Abs. 3 und 2 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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