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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.07.2003
Aktenzeichen: 24 U 331/02
Rechtsgebiete: StrReinG
Vorschriften:
StrReinG § 5 Abs. 3 | |
StrReinG § 7 Abs. 1 | |
StrReinG § 2 Satz 1 | |
StrReinG § 2 Abs. 4 Satz 2 |
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 24 U 331/02
verkündet am: 14. Juli 2003
In dem Rechtsstreit
hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und die Richterin am Kammergericht Kingreen auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2003 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. September 2002 - 9 O 366/01 - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 7. Juni 2001 - 00-4174107-0-9 - wird in Höhe von 48.108,73 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2001 aufrechterhalten.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt Straßenreinigungsentgelt von dem Beklagten als Eigentümer des Grundstücks in Flurstücke 247 mit einer Größe von 61.346 m2. Das Grundstück grenzt mit einer Länge von 78 m an die Baggerseestraße, die im Straßenreinigungsverzeichnis C eingetragen ist, und mit einer Länge von 147 m an die Straße und der Weg, die beide im Straßenreinigungsverzeichnis A eingetragen sind. 32.835 m2 des Grundstücks entfallen auf einen Teil des, Baggersee. Für die Zeit von 1996 bis 2000 berechnet die Klägerin insgesamt 94.092,50 DM. Dabei legt sie die Gesamtfläche des Grundstücks und die Reinigungsklasse A zugrunde.
Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Wedding nach Zustellung eines Mahnbescheides am 8.1.2001 am 7.6.2001 - 00-4174107-0-9 - einen Vollstreckungsbescheid über 94.092,50 DM nebst Zinsen von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2000 erlassen. Nach Zustellung am 13.6.2001 hat der Beklagte mit Eingang vom 27.6.2001 Einspruch eingelegt.
Die Klägerin ist der Ansicht gewesen:
Der jeweilige Eigentümer habe das Straßenreinigungsentgelt auch insoweit zu tragen, als Wasserflächen innerhalb seines Grundstücks liegen würden. Sie habe bei ihrer Berechnung zutreffend die Reinigungsklasse A für das gesamte Grundstück zugrundegelegt.
Die Klägerin hat nach Rücknahme des weitergehenden Zinsantrages beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Wedding vom 7. Juni 2001 - 00-4174107-0-9 - mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass Zinsen erst seit dem 9. Januar 2001 zu zahlen sind.
Der Beklagte hat beantragt,
den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht gewesen:
Die Gewässerflächen seien bei der Berechnung des Straßenreinigungsentgelts nicht in Ansatz zu bringen. Wegen der Restfläche seien entsprechend den Grundstückslängen anteilig die Reinigungsklassen A und C zu berücksichtigen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 26.9.2002 den Vollstreckungsbescheid in Höhe von 14.600,35 Euro (= 28.555,80 DM) nebst 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz ab dem 9. Januar 2001 aufrechterhalten. Im Übrigen hat es den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin dürfe die 32.835 m2 Wasserflächen nicht ihrer Berechnung zugrundelegen. Aus § 7 Abs. 6 StrReinG folge, dass der Beklagte bezüglich des im hinteren Teil seines Grundstücks liegenden Gewässers nicht entgeltpflichtig sei, weil er insoweit nicht Anlieger sei. Von den verbliebenen 28.511 m2 seien nur 18.617,68 m2 zu berücksichtigen. Entsprechend § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG müsse die Klägerin "die Grundstücksfläche jeweils mit dem Anteil ansetzen, der sich aus dem Verhältnis der Grundstücksbreiten zu den angrenzenden öffentlichen Straßen ergebe. Da insgesamt 225 m zu reinigen gewesen seien, könne die Klägerin für die 147 m der im Straßenreinigungsverzeichnis A eingetragenen Straßen von nur 63,5 % der verbleibenden Fläche ausgehen.
Die Klägerin rügt:
Bei der Entgeltberechnung müsse sie nicht den Wasserflächenteil abziehen. Sie müsse auch keine Quotelung entsprechend § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG vornehmen. Es handele sich nur um eine untergeordnete Kollisionsregelung, der kein allgemeiner Rechtsgedanke zu entnehmen sei. Wegen der Regelung des § 5 Abs. 3 StrReinG fehle es an einer Regelungslücke. In Nr. 5 der Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie zu § 5 Abs. 3 StrReinG (ABl. 1999, S. 2934) würden die sog. A/C Grundstücke Berücksichtigung finden. Der Beklagte habe jedoch einen solchen Antrag nicht bei der zuständigen Behörde gestellt.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid in Höhe weiterer 33.508,38 Euro (65.536,70 DM) nebst 5 % Zinsen über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2001 aufrechtzuerhalten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, dass die Ausnahmeregelung des § 5 Abs. 3 StrReinG nur auf private Eigentümer und nicht auf ihn anwendbar sei.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg. Die weitere Klage ist begründet.
Der im Tenor näher bezeichnete Vollstreckungsbescheid war auf den zulässigen Einspruch des Beklagten - bis auf einen Teil des Zinslaufs nach der erstinstanzlichen Klagerücknahme -insgesamt nach §§ 700 Abs. 1, 343 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten.
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten die geltend gemachten Straßenreinigungsentgelte, deren Höhe nicht im Einzelnen hinreichend bestritten worden ist, nach § 7 Abs. 2 StrReinG zu.
Hinsichtlich der Einbeziehung der Wasserfläche wird zur Begründung auf die Urteile des Senats vom 17.7.2002 - 24 U 68/01, KGR 2003, 59 = GE 2003, 118; vom 4.11.2002 - 24 U 253/01 - und vom 19.5.2003 - 24 U 104/02 - Bezug genommen, die jeweils Parallelfälle der Parteien betrafen und von der Rechtsprechung des 13. Zivilsenats des Kammergerichts zum umgekehrten Rubrum abweichen (13 U 9125/99 - Teilurteile vom 7.4.2000, KGR 2000, 307; vom 20.5.2002; vom 31.5.2002, KGR 2002, 251; Schlussurteil vom 5.11.2002).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch keine Quotelung nach § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG analog vorzunehmen, weil das Grundstück des Beklagten auch an eine öffentliche Straße grenzt, die in dem Straßenreinigungsverzeichnis C aufgeführt ist und die er deshalb gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 StrReinG selbst zu reinigen hat.
Es fehlt schon an einer Regelungslücke.
Der Beklagte ist nach § 7 Abs. 2 StrReinG Anlieger einer Straße, die in dem Straßenreinigungsverzeichnis A aufgeführt ist. Hierbei handelt es sich um einen klaren Gebührentatbestand, der der Korrektur über eine Analogie nicht zugänglich ist (a.A. für den Fall des Hinterliegers mit zwei Zuwegen: KG - 13. Zivilsenat - Urteil vom 26.1.2001 - 13 U 6488/00 -KGR 2001, 172).
Das Gesetz bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch insoweit eine Ermäßigung über eine Mischkalkulation zugunsten des Beklagten möglich sein soll. § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG regelt nur die Fälle, in denen Grundstücke an mehrere öffentliche Straßen in unterschiedlichen Reinigungsklassen angrenzen, was sowohl auf Straßen unterschiedlicher Reinigungsklassen des Straßenreinigungsverzeichnisses A als auch auf solche einer Reinigungsklasse des Straßenreinigungsverzeichnisses A und des Straßenreinigungsverzeichnisses B zutrifft.
Nicht erfasst sind die Fälle, in denen Anlieger einer im Straßenreinigungsverzeichnis A eingetragenen Straße zugleich an eine im Straßenreinigungsverzeichnis C eingetragenen Straße angrenzen. Diese Fälle sind auch nicht vergleichbar mit den geregelten.
Das Angrenzen des Grundstücks zugleich an eine "C-Straße" spielt gebührenrechtlich keine Rolle. Die Kosten der Reinigung der "C-Straße" durch den Beklagten sind schon gar nicht Teil der Kosten der von der Klägerin gemäß § 4 Abs. 1 Sätze 1 und StrReinG durchzuführenden ordnungsgemäßen Reinigung, die gemäß § 7 Abs. 1 StrReinG zu 75 % durch Entgelte zu decken sind.
Auch rechtshistorisch ergibt sich keine Rechtfertigung für die Annahme einer Regelungslücke. Nach Auffassung des Gesetzgebers im Jahre 1988 sollte das Frontmetersystem gebührenneutral in das Quadratmetersystem übertragen werden, um die Hinterlieger einzubeziehen (vgl. OVG Berlin GE 1998, 435, 437). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 des Straßenreinigungsgesetzes vom 19.12.1978 (GVBl. S. 2501) hatte der Anlieger an einer im Straßenreinigungsverzeichnis A aufgeführten Straße u.a. nach der Straßenfrontlänge zu zahlen, unabhängig davon, ob sein Grundstück zugleich an eine von ihm selbst zu reinigende "C-Straße" grenzte. Die Umstellung von Frontmetern auf Quadratmeter sollte insoweit keine Gebührenermäßigung bringen. Der Vorteil, der den Anliegern der "A-Straßen" dadurch erwächst, dass die Klägerin diese Straßen in einem sauberen und sicher begeh- und befahrbaren Zustand hält (vgl. OVG Berlin a.a.O.), ist gleich. Er ändert sich nicht, sofern manche Anlieger zugleich noch solche einer "C-Straße" sind.
Dass der Beklagte die Situation der Anlieger von A/C-Grundstücken auch selbst als vom Gesetz erfasst gesehen hat, ergibt sich aus den Ausführungsvorschriften der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie über die Zulassung von Ausnahmen von der mit der Anlieger- und Hinterliegereigenschaft verbundenen Straßenreinigungsentgeltpflicht bei privaten nicht gewerblich genutzten Grundstücken vom 12.7.1999 (ABl. 1999, S. 2934).
Darin heißt es unter 5 "Anlieger von im Straßenreinigungsverzeichnis A ... eingetragenen Straßen, die auch an im Straßenreinigungsverzeichnis C eingetragenen Straßen ... angrenzen": "Eine unzumutbare Härte kann vorliegen, wenn bei solchen Grundstücken zusätzlich zu dem nach dem StrReinG festzusetzenden Entgelt eine C-Straße ... zu reinigen ist. Hier kann hinsichtlich der A-Straße ... eine anteilige Heranziehung analog der Berechnungsformel nach § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG zugelassen werden".
Damit ist die analoge Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 2 StrReinG für private nicht gewerblich genutzte Grundstücke der zuständigen Behörde im Rahmen der Entscheidung gemäß § 5 Abs. 3 StrReinG über die Zulassung von Ausnahmen überlassen. Dem Zivilgericht, das über Entgeltforderungen zu befinden hat, ist es verwehrt, auf der Grundlage des Straßenreinigungsgesetzes und der dazu erlassenen Ausführungsvorschriften in eigener Kompetenz weitere Ausnahmen von der gesetzlich vorgeschriebenen Entgeltpflicht zuzulassen. Wenn der Beklagte auch insoweit die Entgeltpflicht für unbillig oder unzumutbar hält, kann er sich nur an die gesetzgebende Gewalt (Abgeordnetenhaus) wenden (vgl. schon KGR 2003, 61).
Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen richten sich nach §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Ende der Entscheidung
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