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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.01.2004
Aktenzeichen: 24 W 297/03
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 101 I | |
ZPO § 269 III |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 24 W 297/03
In dem Beschwerdeverfahren
hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige Beschwerde des Streithelfers der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. Oktober 2003 - 103 O 172/00 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 7. Januar 2004 beschlossen:
Tenor:
Vorsorglich überträgt der Senatsvorsitzende die Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache auf den Senat.
Unter Änderung des angefochtenen Beschlusses werden den Klägerinnen die Kosten des Streithelfers nach einem Streitwert von 1.294.174,63 Euro (2.531.185,5.6 DM) auferlegt.
Die Klägerinnen haben auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 16.188,00 Euro zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die zu einer verbundenen Klägerinnen haben mit der Beklagten einen Bauvertrag geschlossen und mit der Klage die Rückzahlung von angeblich überzahltem Werklohn in Höhe von 791.253,26 DM sowie die negative Feststellung verlangt, dass der Beklagten aus deren Schlussrechnung vom 25. November 1998 die behauptete Schlussrechnungsforderung in Höhe von 1.739.932,30 DM nicht zustehe. Mit der auch auf Zahlung gestützten Widerklage hat die Beklagte ihre Schlussrechnungsforderung verteidigt. Mit Beschluss vom 20. April 2001 hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen beim Landgericht den Streitwert für Klage und Widerklage auf 2.531.185,56 DM festgesetzt, weil die Widerklage denselben Streitgegenstand wie der Klageantrag zu 2. betreffe. Mit den Schriftsätzen vom 17. Juli 2001 (Bd. I Bl. 218) und 18. Juli 2001 (Bd. I Bl. 221) haben sich die Parteien mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch die Vorsitzende Richterin einverstanden erklärt. Mit Schriftsatz vom 26. März 2002 (Bd. II Bl. 152) ist der Streithelfer dem Rechtsstreit in vollem Umfang auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat beantragt, den Klägerinnen die durch die Streithilfe verursachten Kosten aufzuerlegen. In der streitigen mündlichen Verhandlung am 26. März 2002 vor der Kammer für Handelssachen hat sich der Streithelfer den Anträgen der Beklagten angeschlossen. Nach gescheiterten Vergleichsverhandlungen erging auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2002 ein umfangreicher Beweisbeschluss.
Mit Schriftsatz vom 17. April 2003 teilte der Klägeranwalt mit, dass die Parteien sich außergerichtlich verglichen hätten und aus diesem Grunde die weitere Durchführung der Beweisaufnahme nicht notwendig sei. Mit Schriftsatz vom 11. August 2003 hat der Klägervertreter die Klage zurückgenommen und mitgeteilt, dass die Beklagte sich im Rahmen der außergerichtlichen Vergleichsvereinbarung verpflichtet habe, ihrerseits die Widerklage zurückzunehmen, und die Parteien dementsprechend keine Kostenanträge stellen würden (Bd. III Bl. 191). Mit Schriftsatz vom 21. August 2003 hat der Beklagtenanwalt die Widerklage zurückgenommen und mitgeteilt, dass nach dem außergerichtlichen Vergleich die Klägerin alle Gerichtskosten übernommen habe (Bd. III Bl. 192). Der Streithelfer der Beklagten hat daraufhin mit Schriftsatz vom 27, August 2003 (Bd. III Bl. 196) eine gerichtliche Kostenentscheidung zu seinen Gunsten beantragt. Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2003 (Bd. III Bl. 202) hat der Klägeranwalt darauf hingewiesen, dass sich die Parteien in der außergerichtlichen Vergleichsvereinbarung vom 16./17. April 2003 darauf geeinigt hätten, dass die Parteien die ihnen jeweils entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits selbst tragen würden und sich demgemäß auch verpflichtet hätten, keine Kostenanträge zu stellen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Oktober 2003 hat die Vorsitzende Richterin der Kammer für Handelssachen beim Landgericht den Erlass einer Kostenentscheidung zugunsten des Streithelfers abgelehnt (Bd. III Bl. 204, 205). Gegen diesen am 20. Oktober 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die am 25. Oktober 2003 eingegangene sofortige Beschwerde des Streithelfers (Bd. III Bl. 209). Zusammen mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 21. November 2003 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde dem Kammergericht vorgelegt (Bd. III Bl. 212, 213). Die Beklagte hat erklärt, sich an dem vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht beteiligen zu wollen. Der Klägeranwalt verteidigt die ablehnende Kostenentscheidung des Landgerichts unter Hinweis darauf, dass sich "sämtliche Zivilsenate des BGH" unterdessen der Entscheidung vom 3. April 2003 angeschlossen hätten (NJW 2003, 1948; BGH NJW 2003, 3354).
II.
1. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache überträgt der nach dem senatsinternen Geschäftsplan zuständige Vorsitzende vorsorglich die Sache auf den Senat, weil nach wohl überwiegender Meinung die Kostenentscheidungen des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen keine Einzelrichterentscheidungen im Sinne des § 568 ZPO sein sollen. Aus Gründen der Vereinfachung ist die vom eventuell zuständigen Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 ZPO getroffene Entscheidung in die Senatsentscheidung aufgenommen worden, aber gleichwohl vom Einzelrichter erlassen worden.
2. Die nach §§ 101 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO a. F. zulässige sofortige Beschwerde ist sachlich gerechtfertigt und führt dazu, dass den Klägerinnen die gesamten außergerichtlichen Kosten des Streithelfers durch Beschluss aufzuerlegen sind.
3. Nach den zwingenden gesetzlichen Vorschriften erwirbt der Streitverkündete mit seinem Beitritt wie der Beklagte durch Zustellung der Klage einen durch die spätere gerichtliche Entscheidung aufschiebend bedingten Kostenerstattungsanspruch für den Fall, dass die von ihm unterstützte Partei obsiegt bzw. die Gegenpartei unterliegt (vgl. Zöller/Herget, ZPO 24. Aufl., vor § 91 Rdnr. 10 m. w. N.). Nach § 101 Abs. 1 ZPO sind die durch eine Nebenintervention (Streithilfe) verursachten Kosten dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 - 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Über die vom Gesetz zitierten Vorschriften ist insoweit auch der zwingende § 269 ZPO anzuwenden (Zöller/Herget, § 101 Rdnr. 2). Im Übrigen wird auch die Auffassung vertreten, dass bei einer Rücknahme von Klage und Widerklage § 92 ZPO entsprechend anzuwenden ist, so dass die maßgebliche Vorschrift auch unmittelbar in § 101 Abs. 1 ZPO zitiert wäre.
4. Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist der Kläger, der die Klage zurückgenommen hat, verpflichtet die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Nach einhelliger Auffassung steht diese Kostenentscheidung nicht im Ermessen des Gerichts, sondern ergibt sich zwingend aus dem Gesetz. Jedenfalls ist eine beantragte gerichtliche Entscheidung rein deklaratorisch, nicht etwa konstitutiv. Dem Gericht steht insoweit kein Ermessensspielraum zu, wenn die unwiderrufliche Prozesshandlung der Klagerücknahme vorliegt.
5. Auf welchen Überlegungen oder Vereinbarungen die Klagerücknahme beruht, ist für den Charakter der Klagerücknahme als Prozesshandlung unerheblich (Stein/Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 269 Rdnr. 5). Der außergerichtliche Vergleich der Parteien über die Rücknahme von Klage (und Widerklage) mag sich indirekt auf den weiteren Prozessgang auswirken, indem etwa Einreden begründet werden, hat jedoch nicht die Qualität einer Prozesshandlung im Sinne einer Klagerücknahme (bzw. Widerklagerücknahme). Der Weg über eine gerichtliche Kostenentscheidung über §§ 91 a, 98 ZPO ist dem Gericht versperrt, wenn prozessual lediglich eine Klagerücknahme bzw. Widerklagerücknahme vorliegt.
6. Den Klägerinnen sind die gesamten außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten nach dem vollem Streitwert aufzuerlegen. Neben ihrem Rückzahlungsanspruch hat die Klägerin die gesamte Schlussrechnungsforderung der Beklagten im Wege der negativen Feststellung in Frage gestellt. Mit der Rücknahme der Klage hat die Klägerin demzufolge dieses Rechtsschutzziel insgesamt aufgegeben. Rechtlich ohne Bedeutung ist, dass die Form der negativen Feststellungsklage sich erledigt hat, soweit die Beklagte ihrerseits Zahlungsansprüche aus ihrer Schlussrechnung verfolgt hat. Die Widerklage hat demgemäß auch nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes geführt. Mit der Rücknahme der Widerklage hat die Beklagte nicht mehr aufgegeben, als sie mit der Abweisung der negativen Feststellungsklage hätte erreichen können.
7. Die von dem Kläger zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 3. April 2003 und 14. Juli 2003 (NJW 2003, 1948 bzw. 3354) geben keine Veranlassung zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung Beide Entscheidungen betreffen die Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers bei einem Prozessvergleich der Parteien auch in Bezug auf die Kosten des Rechtsstreits ohne Hinzuziehung und ohne Berücksichtigung des Streithelfers. Im Falle eines Prozessvergleiches ermöglicht § 98 ZPO den Parteien auch eine Regelung der gesamten gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, womit eine gerichtliche Kostenentscheidung (jedenfalls in Bezug auf die Parteien) überflüssig wird. Erst wenn die Parteien eine Kostenentscheidung aussparen und damit dem Prozessgericht überlassen, hat dieses zwingend eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO zu treffen, wobei der Gesichtspunkt als billig erscheinen mag, dass auch dem Streithelfer einer unterstützten Partei, der keine Kostenerstattung auferlegt wird, ebenfalls die Kostenerstattung versagt wird. Zumindest im zweiten Fall handelt es sich um eine gerichtliche Entscheidung mit einem Ermessensspielraum.
8. Demgegenüber hat das Prozessgericht bei einer Klagerücknahme nur scheinbar noch eine Kostenentscheidung zu treffen. In Wahrheit handelt es sich um eine zwingende gesetzliche Regelung, die mit einer gerichtlichen Entscheidung nur deklaratorisch festgestellt wird. Demzufolge ist der angefochtene Beschluss des Landgerichts zu ändern und eine Kostenentscheidung zugunsten des Streithelfers zu erlassen. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 ZPO.
9. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof zu (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Der Senat verkennt nicht, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14. Juli 2003 (NJW 3354) am Ende auch Ausführungen dazu gemacht hat, dass der Streithelfer nachteilige Auswirkungen von Prozesshandlungen der Hauptpartei zu tragen habe, insbesondere auch in Fällen der Klage- oder Rechtsmittelrücknahme. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um Nebenbemerkungen, weil sich sowohl seine Entscheidung vom 14. Juli 2003 wie auch die vom 3. April 2003 auf einen Prozessvergleich beziehen. Demgemäß enthalten die BGH-Entscheidungen auch keine Ausführungen dazu, weshalb der zwingende gesetzliche Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers, der nicht von einer gerichtlichen. Entscheidung abhängig ist, sondern durch eine solche nur verlautbart wird, ebenfalls beseitigt werden kann und soll. Dementsprechend sind die Zulassungsgründe des § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO n. F. nach Auffassung des Senats gleichermaßen zu bejahen.
10. Die Festsetzung des1 Beschwerdewerts beruht auf § 3 ZPO i. V. m. § 12 GKG und bemisst sich nach dem Kosteninteresse des Streithelfers.
Ende der Entscheidung
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