Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.05.2004
Aktenzeichen: 5 Ws 184/04 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG, GG


Vorschriften:

StVollzG § 109 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
Zur Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 Abs. 1 StVollzG, mit dem beanstandet wird, der Vollzugsplan erfülle nicht die gesetzlichen Mindestanforderungen. Zur Auslegung des Antrags vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG.
5 Ws 184/04 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Vollzugsplanung

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 28. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 8. März 2004 aufgehoben, soweit der Antrag des Gefangenen vom 21. August 2003 als unzulässig verworfen worden ist.

Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine Freiheitsstrafe. Er hat beantragt, "den Vollzugsplan vom 7. August 2003 aufzuheben" und die Vollzugsbehörde "zu verpflichten, einen Vollzugsplan entsprechend den legislativen und judikativen Entscheidungen zu errichten". Aus der Begründung geht die Auffassung des Gefangenen hervor, der Inhalt des Vollzugsplans entspreche nicht den gesetzlichen Mindestvoraussetzungen. Insbesondere enthalte er keine Angaben zu Lockerungsmaßnahmen (§ 7 Abs. 2 Nr. 7 StVollzG) und zum Datum der nächsten Fortschreibung (§ 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG). Außerdem meint er, in dem Plan müßten die Teilnehmer der Vollzugskonferenz, in der er beschlossen worden ist, namentlich aufgeführt sein. Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Berlin seinen Antrag als unzulässig verworfen, soweit er die Vollzugslockerungen betrifft. Insoweit beanstande der Gefangene keine nach § 109 Abs. 1 StVollzG anfechtbare Maßnahme, sondern er wende sich nur gegen die negative Beurteilung seiner Persönlichkeit. Als unbegründet hat sie die Auffassung zurückgewiesen, die Mitwirkenden an der Vollzugskonferenz müßten im Vollzugsplan namentlich aufgeführt werden. Zum Fehlen des Datums der nächsten Fortschreibung hat sie sich nicht geäußert. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat einen vorläufigen Erfolg, soweit der Antrag als unzulässig verworfen worden ist. Im übrigen bleibt es erfolglos.

1. Mit der Sachrüge erfüllt das Rechtsmittel die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG für seine Zulassung, soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag für unzulässig erachtet hat. Die Rüge scheitert nicht daran, daß die mit dem Inhalt des Vollzugsplans zusammenhängenden Fragen obergerichtlich geklärt sind (vgl. KG, Beschluß vom 9. März 1999 - 5 Ws 124/99 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 9. Aufl., § 7 Rdn. 2 mit Rsprnachw.). Denn der Beschluß des Landgerichts verkürzt den Rechtsschutz des Gefangenen.

Sowohl die Ansicht, der Gefangene wende sich "nach sachgerechter Auslegung" nur gegen die negative Beurteilung seiner Persönlichkeit und die Feststellung der Justizvollzugsanstalt, er sei für Vollzugslockerungen ungeeignet, als auch das gänzliche Fehlen von Ausführungen zu § 7 Abs. 3 Satz 2 StVollzG verkennen den Streitgegenstand und entziehen dem Begehren des Antragstellers den nach Art. 19 Abs. 4 GG gewährten Rechtsschutz. Dessen Antrag läßt eine solche einengende Auslegung nicht zu, denn der Gefangene wendet sich ersichtlich nicht gegen die Beurteilung seiner Person, die ihm von der Vollzugskonferenz zuteil geworden ist. Vielmehr beanstandet er mit seinem deutlich nur auf formelle Merkmale bezogenen Vorbringen, der Vollzugsplan erfülle nicht die gesetzlichen Mindestvoraussetzungen an seinen Inhalt. Ein solcher Antrag ist zulässig (vgl. BVerfG NStZ 1993, 301). Die Strafvollstreckungskammer wird den Inhalt des Plans festzustellen (§ 120 Abs. 1 StVollzG, § 267 Abs. 1 StPO) und an den Voraussetzungen des § 7 StVollzG und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu messen haben.

2. Im übrigen hat das Rechtsmittel keinen Erfolg; denn es erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG für seine Zulassung. Die Rechtsbeschwerde ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Gewährung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung geboten, soweit sie die Zurückweisung des Antrages angreift, im Vollzugsplan die Mitwirkenden der Vollzugskonferenz zu benennen. Zur Fortbildung des Rechts muß die Rechtsbeschwerde nur zugelassen werden, wenn es eines klärenden Wortes des Senats zu einer Rechtsfrage des Strafvollzugsrechts bedarf. Das ist dann der Fall, wenn sie obergerichtlich nicht entschieden ist oder sich ihre Beantwortung nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt. Die letztgenannte Situation bietet sich hier.

Daß die Mitwirkenden der Vollzugskonferenz nicht im Vollzugsplan benannt werden müssen, folgt unmittelbar aus dem Gesetz; denn einen derartigen Inhalt sieht § 7 StVollzG nicht vor. Der Vollzugsplan soll einen Orientierungsrahmen bilden und die einzelnen Behandlungsmaßnahmen und deren Ausgestaltung benennen (vgl. Calliess/Müller-Dietz, § 7 StVollzG Rdn. 1). Er gibt das Ergebnis der Vollzugskonferenz wieder, nicht ihren Verlauf und die an ihr Beteiligten. Angaben über das bei seiner Aufstellung eingehaltene Verfahren sind ihm daher fremd. Sie befinden sich indes in der über die Vollzugskonferenz regelmäßig angefertigten Niederschrift (vgl. Rotthaus in Schwind/Böhm, StVollzG 3. Aufl., § 159 Rdn. 8; Calliess/Müller-Dietz, § 159 StVollzG Rdn. 3). Nur mit ihr kann der Gefangene gegebenenfalls den Beweis zu führen versuchen, daß der Vollzugsplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei.

Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück