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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 249/06
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
1. An die Wahrscheinlichkeit des künftigen Wohlverhaltens eines "Erstverbüßers" ist dann ein strengerer Maßstab anzulegen, wenn er bewährungsbrüchig geworden ist und dadurch bewiesen hat, daß der von ihm vermittelte günstige Eindruck falsch war.

2. Das Gesetz sieht Vorgaben oder Fristen für den Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung über die Reststrafenaussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich nicht vor.


5 Ws 249/06 5 Ws 250/06 1 AR 468-469/06

In den Strafsachen gegen

wegen Körperverletzung u.a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen die gleichlautenden Beschlüsse des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 4. April 2006 werden verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

Der Beschwerdeführer verbüßt nacheinander aus den Urteilen

a) des Schöffengerichts Strausberg - 5 Ls 282 Js 50199/02 (6/03) - vom 19. Februar 2004, rechtskräftig hinsichtlich der festgestellten Tatsachen und angewandten Rechtsvorschriften seit dem 13. Mai 2004 und im Rechtsfolgenausspruch seit dem 26. Juli 2004, eine Gesamtfreiheitsstrafe von "18 Monaten" (einem Jahr und sechs Monaten, § 39 StGB) wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung und wegen fahrlässigen Vollrausches und

b) des Amtsgerichts Strausberg - 5 Ds 256 Js 28459/04 (908/04) - vom 10. Januar 2005, rechtskräftig seit dem 18. Januar 2005, eine Freiheitsstrafe von acht Monaten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 2. Februar 2005 in Haft. Die Hälfte der Strafe aus dem unter a) genannten Urteil war am 1. November 2005 verbüßt. Von der Strafe aus dem unter b) aufgeführten Urteil waren am 11. April 2006 zwei Drittel vollstreckt. Gemeinsamer Zweidrittelzeitpunkt ist der 9. Juli 2006; das gemeinsame Strafende ist auf den 31. März 2007 notiert.

Mit den angefochtenen Beschlüssen vom 4. April 2006 hat die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt, die Vollstreckung der Reststrafen zum "kombinierten Halbstrafen- und Zweidrittelzeitpunkt" am 11. April 2006 oder zum gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt am 9. Juli 2006 zur Bewährung auszusetzen. Die sofortigen Beschwerden des Verurteilten sind statthaft (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO), haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Strafvollstreckungskammer hat die beantragte Reststrafenaussetzung zum "kombinierten Halbstrafen- und Zweidrittelzeitpunkt" - es handelt sich der Sache nach um den gemeinsamen Halbstrafenzeitpunkt, der aufgrund der Mindestverbüßungsdauer in § 454 b Abs. 2 Nr. 1 StPO und in § 57 Abs. 2 StGB den Zwei-Drittel-Zeitpunkt in einem der Verfahren erreicht - zu Recht abgelehnt. Auch der Senat vermag dem Beschwerdeführer derzeit die für eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erforderliche günstige Prognose (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) nicht zu stellen.

Der Grundsatz, daß bei einem Erstverbüßer im allgemeinen erwartet werden kann, der Strafvollzug übe eine deutliche Wirkung aus und halte ihn von der Begehung weiterer Straftaten ab (vgl. KG NStZ-RR 1997, 27; std. Rspr.), kommt vorliegend nicht zum Tragen. Dieser Grundsatz erfährt wegen der vom Gesetzgeber in den Vordergrund gestellten Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine Einschränkung, wenn besondere Umstände vorliegen. Denn in welchem Maß es wahrscheinlich sein muß, daß der Täter nicht wieder straffällig wird, hängt von dem Gewicht der bedrohten Rechtsgüter und den Eigenheiten der Persönlichkeit des Verurteilten ab (vgl. Senat, Beschlüsse vom 15. März 2006 - 5 Ws 104/06 -, 11. November 2005 - 5 Ws 510/05 - und 4. November 2005 - 5 Ws 523/05 -; std. Rspr.). An die Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens ist insbesondere dann ein kritischerer Maßstab anzulegen, wenn der Verurteilte bewährungsbrüchig geworden ist und dadurch bewiesen hat, daß der von ihm vermittelte günstige Eindruck falsch war (vgl. KG, Beschlüsse vom 11. Januar 2006 - 5 Ws 12-13/06 -, 21. Dezember 2005 - 5 Ws 613-614/05 -, 21. Januar 2004 - 5 Ws 11/04 - und 8. Januar 2002 - 5 Ws 809/01 -).

Der Beschwerdeführer hatte sich in den Jahren 1995 und 1996 dreimal wegen Eigentumsdelikten (Tatzeit jeweils 1995) in Jugendstrafverfahren zu verantworten; die Verfahren wurden jeweils eingestellt. Am 10. Mai 1999 verwarnte ihn das Amtsgericht Strausberg wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Tatzeit: 22. Februar 1998; die Tat wurde unter Alkoholeinfluß begangen) und verhängte gegen ihn eine Geldauflage. Wenige Monate später wurde der Beschwerdeführer erneut zweimal straffällig. Am 15. Oktober 1999 beging er eine Körperverletzung, deretwegen ihn das Amtsgericht Strausberg am 6. März 2000 zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 30,-- DM verurteilte. Ferner verhängte das Landgericht Frankfurt (Oder) gegen ihn wegen einer am 24. Juli 1999 begangenen gefährlichen Körperverletzung durch Urteil vom 3. Mai 2001, rechtskräftig seit dem 11. Mai 2001, eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, deren Vollstrek-kung es für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aussetzte. Während des Laufes dieser Bewährungszeit beging der Beschwerdeführer erneut einschlägige Straftaten, nämlich am 9. Mai 2002 den Vollrausch (Rauschtaten: zwei Körperverletzungen) und am 28. Juni 2002 die Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung, die der unter a) genannten Verurteilung zugrunde liegen. Am 1. Juni 2004 und damit - soweit ersichtlich - nach Ablauf der Bewährungszeit aus der Verurteilung vom 3. Mai 2001, jedoch kurz nach der Verurteilung durch das Schöffengericht Strausberg vom 19. Februar 2004 beging der Beschwerdeführer das Kennzeichendelikt, das Gegen-stand der Verurteilung zu b) war.

Die wiederholte Begehung einschlägiger Straftaten, regelmäßig bereits kurz nach Verhängung einer gerichtlichen Sanktion, und insbesondere das (mindestens) zweimalige Bewährungsversagen des Verurteilten aber führen dazu, daß bei ihm an die Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit erhöhte Maßstäbe anzulegen sind (vgl. Senat, Beschlüsse vom 15. März 2006 - 5 Ws 104/06 - und vom 24. August 1993 - 5 Ws 278-279/93 -). Das sogenannte Erstverbüßerprivileg erfährt auch deshalb eine Einschränkung, weil der Verurteilte immer wieder - regelmäßig unter Alkoholeinfluß - Körperverletzungsdelikte begangen hat, die durch erhebliche Gewaltanwendung gekennzeichnet waren: Bei der Tat vom 24. Juli 1999 schlug der Verurteilte im alkoholisierten Zustand einem anderen nach Mißhandlung durch einen Mittäter mit einem Totschläger auf den Kopf. Am 9. Mai 2002 versetzte er nach exzessivem Alkoholkonsum zwei Menschen Faustschläge in das Gesicht, in deren Folge eines der Opfer blutüberströmt zur Rettungsstation verbracht werden mußte. Am 28. Juni 2002 würgte er einen anderen, den er zu Unrecht für einen Fahrraddieb hielt, und drohte ihm damit, ihn zusammenzuschlagen, wenn er seiner Forderung nicht nachkomme, ihm entweder 400 € zu geben oder für ihn zehn Fahrräder zu stehlen. Die besondere Schutzwürdigkeit der von einem Rückfall bedrohten Rechtsgüter im konkreten Fall stellt erhöhte Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 1999, 346; OLG Saarbrücken NJW 1999, 439; vgl. KG, Beschlüsse vom 11. Januar 2006 - 5 Ws 12-13/06 -, 29. September 2005 - 5 Ws 447/05 - und 17. Mai 2005 - 5 Ws 236/05 -).

Eine Reststrafenaussetzung könnte danach nur dann verantwortet werden, wenn erprobt und durch Tatsachen, die sich nicht nur auf äußere Umstände beziehen dürfen, belegt wäre, daß die charakterlichen Mängel und sonstigen Ursachen, die zu den Straftaten geführt haben, soweit behoben sind, daß die Rückfallgefahr nur noch sehr gering ist (vgl. KG NStZ-RR 2000, 170; Senat, Beschlüsse vom 15. März 2006 - 5 Ws 104/06 -, 21. Dezember 2005 - 5 Ws 613-614/05 - und 11. November 2005 - 5 Ws 510/05 -; std. Rspr.). Allein der Wille, sich künftig straffrei zu führen, reicht hierfür nicht aus (vgl. KG NStZ-RR 2000, 170). Maßgeblich ist vielmehr eine günstige Entwicklung während des Vollzuges, die von besonderem Gewicht sein muß. Dazu zählt etwa die Beseitigung von Defiziten im Sozialverhalten, vor allem aber die Behebung von tatursächlichen Persönlichkeitsmängeln, wie sie bei dem Beschwerdeführer zu Tage getreten sind. Dazu müssen Tatsachen feststehen; sie dürfen nicht lediglich unterstellt werden (vgl. KG, Beschluß vom 21. Dezember 2005 - 5 Ws 613-614/05 -).

Insbesondere ist es erforderlich, daß der Verurteilte sich aktiv und erfolgreich mit seinen Taten auseinandergesetzt hat. Der Beschwerdeführer hätte sich hiernach in einem Erkenntnisprozeß erarbeiten müssen, welche Charakterschwächen ihn haben versagen lassen, und er hätte Tatsachen schaffen müssen, die es überwiegend wahrscheinlich machen, daß er die Charaktermängel weitestgehend behoben hat und auch in Freiheit Tatanreizen zu widerstehen vermag. Von einer solchen Aufarbeitung kann nur gesprochen werden, wenn der Verurteilte seine Straftaten als Fehlverhalten erkannt und sie sich in ihrer konkreten Bedeutung, ihren Ursachen und Folgen so bewußt gemacht hat, daß eine Wiederholung dieses oder anderer Gesetzesverstöße wenig wahrscheinlich ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 15. März 2006 - 5 Ws 104/06 -, 11. Januar 2006 - 5 Ws 12-13/06 -, 21. Dezember 2005 - 5 Ws 613-614/05 - und 4. Februar 2005 - 5 Ws 49/05 -; std. Rspr.).

Gemessen an diesen Rechtsgrundsätzen kann eine vorzeitige Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft derzeit nicht verantwortet werden. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat dazu ausgeführt:

"Der Verurteilte erfüllt nicht die Voraussetzungen zum Nachweis eines charakterlichen Wandels. Er erkennt zwar inzwischen das Bestehen einer Alkoholproblematik, hat sich aber nicht um eine Aufarbeitung dieser Problematik bemüht. Der rechtsradikale Hintergrund seiner Taten besteht fort. Für seine Taten empfindet er keine Reue und kann sich nicht in seine Opfer hineinversetzen. Er ist von der Anstalt aufgrund seiner Gewaltproblematik als behandlungsbedürftig, aufgrund mangelnder Einsichtsfähigkeit aber als nicht behandlungsfähig eingestuft worden. Entsprechend musste er (bereits am 14. März 2005) vom offenen in den geschlossenen Vollzug verlegt werden. An dieser Einschätzung hat sich im Vollzugsverlauf nichts geändert. Während des Vollzuges kam es zu Verstößen gegen die Anstaltsordnung im Zusammenhang mit dem Besitz rechtsradikalen Gutes und eines selbst gebastelten Schlaginstruments. Ein Gesinnungswandel ist ausweislich seiner Kontakte in der Anstalt nicht erfolgt. Vollzugslockerungen konnten nicht gewährt werden."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an.

Da es bereits an einer günstigen Prognose nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 StGB fehlt, bedarf es eines Eingehens auf die zusätzlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 StGB für eine Halbstrafenaussetzung, die hinsichtlich der Verurteilung zu a) erfüllt sein müßten (vgl. Senat, Beschluß vom 21. Dezember 2005 - 5 Ws 613-614/05 -), nicht mehr.

Der Senat weist abschließend drauf hin, daß die zur Stützung des Begehrens eingereichten Zitate, die belegen sollen, daß der angefochtene Beschluß gegen höchstrichterliche Entscheidungen verstoße, unzutreffend sind. Verurteilte zitieren immer wieder dieselben Aktenzeichen und dieselben Sätze aus angeblichen Entscheidungen, die vom Bundesgerichtshof herrühren sollen. Dieses Verhalten beruht - wie dem Senat bekannt ist - auf einer in den Justizvollzugsanstalten kursierenden Mitteilung, die mit folgendem oder ähnlichem Wortlaut beginnt:

"Entgegen der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs werden Anträge von Gefangenen gemäß § 57 StGB wegen der Strafaussetzung häufig abschlägig beschieden, weil Gefangene in der Regel nicht die nötige Rechtskunde und die Mittel haben, bei den höheren Gerichten zu appellieren. Deshalb nachfolgend nochmals einige wichtige Entscheidungen des BGH im Auszug zur weiteren Information:"

Diese Aufstellung kann nicht - wie dort behauptet - die nötige Rechtskunde vermitteln. Tatsächlich trifft keines der Zitate zu und ist keines der Aktenzeichen richtig. Mehrere der zitierten Entscheidungen rühren ersichtlich nicht vom Bundesgerichtshof her (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Oktober 2004 - 5 Ws 531/04 - und vom 25. März 2003 - 5 Ws 149-150/03 -).

2. Die Strafvollstreckungskammer hat auch zu Recht bereits jetzt eine Reststrafenaussetzung zum gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt abgelehnt.

a) Nach derzeitiger Sachlage ist nicht zu erwarten, daß der Verurteilte bis Juli 2006 die Voraussetzungen für eine Reststrafenaussetzung wird erfüllen können. Er hat nach derzeitigem Erkenntnisstand bislang - trotz Verbüßung von Strafhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr - keinerlei Bemühungen zur Tataufarbeitung unternommen und läßt eine Einsicht in das Unrecht seiner Taten nicht einmal ansatzweise erkennen. Aus dem Bescheid der Justizvollzugsanstalt Hakenfelde zur Ablösung aus dem offenen Vollzug vom 24. März 2005 geht hervor, daß der Verurteilte zu Beginn seiner Haft konkreten Fragen zu seinen Straftaten auswich, indem er seine Alkoholisierung zur Tatzeit hervorhob, und für Gespräche über seine straftatverursachende Zugehörigkeit zur rechten Szene nicht zugänglich war. An dieser Haltung des Verurteilten hat sich in der Folgezeit nichts geändert. Auch in der Vollzugsplanfortschreibung vom 23. November 2005 heißt es, der Verurteilte - der seine Straftaten nicht eindeutig gestanden habe - habe noch in einem am 11. November 2005 geführten vollzugsplanerischen Gespräch weder Reue noch Empathie hinsichtlich seiner übel zugerichteten Opfer zeigen können. Die im Anhörungstermin am 29. März 2006 abgegebene Erklärung des Verurteilten, er sei durch das Gefängnis "kuriert" und werde keine Körperverletzungen oder Kennzeichendelikte mehr begehen, ist bislang nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Der Verurteilte hat im Anhörungstermin im übrigen eingeräumt, sich um ein Anti-Gewalt-Training nie bemüht zu haben. Die in der Vollzugsplanfortschreibung vom 23. November 2005 erwähnte Teilnahme an einer Alkoholsuchtberatungsgruppe hat er bestritten. Hierfür bestand aus seiner Sicht offenbar keine Notwendigkeit; denn er habe - so äußerte er im Anhörungstermin - zwar Probleme mit Alkohol gehabt, sei aber nicht alkoholkrank. Der Verurteilte konnte zudem wegen Mißbrauchsgefahr bislang nicht in Lockerungen - insbesondere Freigang - erprobt werden, so daß eine weitere wesentliche Voraussetzung für eine günstige Legalprognose fehlt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 11. Januar 2006 - 5 Ws 12-13/06 - und 4. April 2005 - 5 Ws 159/05 -).

Bei einer derart negativen Prognosesituation aber erscheint es so gut wie ausgeschlossen, daß der Verurteilte innerhalb von nur drei Monaten grundlegende und im Hinblick auf seine jahrelange Delinquenz ausreichende Veränderungen herbeizuführen vermag, um eine positive Prognose zu rechtfertigen. Dies gilt um so mehr, als die Vollzugsplankonferenz am 30. November 2005 beschlossen hat, daß der Verurteilte im geschlossenen Vollzugsbereich verbleiben und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen - die er auch nicht beantragt hatte - mangels Therapiefähigkeit weiterhin nicht durchgeführt werden sollten. Eine vollzugsplanerische Überprüfung dieser Entscheidung wurde erst für Mai 2006 in Aussicht genommen.

b) Die Strafvollstreckungskammer war an der Ablehnung der Reststrafenaussetzung mehr als drei Monate vor dem gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt nicht aus Rechtsgründen gehindert. Das Gesetz sieht zeitliche Vorgaben oder Fristen für die Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB nicht vor.

§ 454 a StPO regelt zwar ausdrücklich nur den (hier nicht gegebenen) Fall einer positiven Entscheidung über die Reststrafenaussetzung (vgl. die Fallkonstellationen bei OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2001, 311; Pfälzisches OLG Zweibrücken NStZ 1992, 148 und NStZ 1991, 207). So sieht Absatz 1, der die Aussetzung der Reststrafenvollstreckung mindestens drei Monate vor dem Entlassungszeitpunkt zuläßt, eine entsprechende Verlängerung der Bewährungszeit vor; Absatz 2 räumt dem Gericht die Möglichkeit ein, die Reststrafenaussetzung wieder aufzuheben, wenn nachträglich Tatsachen eintreten oder bekannt werden, die einer günstigen Prognose entgegenstehen. § 454 a StPO soll dem Gericht einen Anreiz bieten, Entlassungsentscheidungen frühzeitig zu treffen, da eine sachgerechte, die soziale Wiedereingliederung des Verurteilten fördernde Entlassungsvorbereitung die (möglichst frühzeitige) Kenntnis vom Entlassungszeitpunkt voraussetzt (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1987, 1046; Fischer in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Aufl., § 454 a Rdn. 2; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 454 a Rdn. 1).

Hieraus läßt sich jedoch nicht im Umkehrschluß folgern, eine ablehnende Entscheidung mindestens drei Monate vor dem Zweidrittelzeitpunkt sei generell unzulässig. So hat etwa das OLG Düsseldorf (MDR 1987, 1046) entschieden, daß ein Antrag nach § 57 Abs. 1 StGB mehr als drei Monate vor dem Zeitpunkt der theoretisch möglichen bedingten Entlassung gestellt werden dürfe, damit für den Fall einer ablehnenden Entscheidung der Strafvollstreckungskammer noch eine rechtzeitige Entscheidung des Beschwerdegerichts ermöglicht werde; auch die Entscheidung über die Aussetzung dürfe mehr als drei Monate vor dem möglichen Entlassungszeitpunkt ergehen. Eine entsprechende Konstellation aber liegt auch hier vor. Der Beschwerdeführer hat einen Antrag auf Reststrafenaussetzung gemäß § 57 Abs. 1 StGB für beide Freiheitsstrafen gestellt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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