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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 06.02.2007
Aktenzeichen: 6 U 199/06
Rechtsgebiete: ZPO, VVG


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
VVG § 61
Es stellt einen groben Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, ein Grablicht oder sogenannten Tagebrenner unbeaufsichtigt auf dem Nachttisch bei geschlossener Schlafzimmertür und geöffnetem Schlafzimmerfenster brennen zu lassen. Siehe auch 6 U 199/06 vom 8.12.2006.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 6 U 199/06

06.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard, den Richter am Kammergericht Ninnemann und die Richterin am Landgericht Muratori am 6. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. September 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 7 O 102/06 - wird auf ihre Kosten gemäß § 522 Abs.2 ZPO zurückgewiesen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 6.012,65 festgesetzt.

Gründe:

Die Berufung ist aus den Gründen des gerichtlichen Hinweises vom 8. Dezember 2006 zurückzuweisen. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 31. Januar 2007 rechtfertigen eine andere Beurteilung des Rechtsstreits nicht.

Auf den zutreffenden Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte die Beweislast für die Voraussetzungen des § 61 VVG trage, kommt es nicht an, denn die die grobe Fahrlässigkeit begründenden Umstände ergeben sich aus unstreitigen bzw. von der Klägerin selbst vorgetragenen Tatsachen und aus der auch dem Senat bekannten Beschaffenheit eines so genannten Grablichts oder Tagebrenners.

Die Klägerin trägt selbst vor, dass der Tagebrenner auf ihr Bett gefallen sei und dies nicht auf ein Durchschmelzen der Hülle zurückzuführen sei. Auf die Ausführungen der Klägerin dazu, ob das Licht Schutz gegen Funkenflug biete und ob sie die Brennbarkeit der Hülle habe erkennen können, kommt es deshalb nicht an; auf diese Aspekte hat der Senat den Hinweis erkennbar nicht gestützt. Die Überlegungen der Klägerin dazu, dass es einen hinreichenden bautechnischen Schutz gegen Sturz durch Luftzug gebe, überzeugen nicht. Nicht mit dem unstreitigen Sachverhalt in Einklang zu bringen ist bereits die "Versuchsanordnung" der Klägerin, in der das Licht noch mit Wachs von 2 cm Höhe gefüllt ist. Nach dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Mai 2006, den die Klägerin als unstreitig bezeichnet und dem auch die Ausführungen der Klägerin in der Klageschrift nicht widersprechen, betrug die Wachs-Füllhöhe nicht zum Schadenszeitpunkt 2 cm, sondern zu dem Zeitpunkt, als sie die Kerze am Nachmittag entzündete. Da dies nach Aussage der Klägerin gegenüber der Polizei gegen 15 Uhr war und das Licht deshalb bis zum Schadenszeitpunkt bereits ca. drei Stunden gebrannt hatte, muss sich auch die Wachs-Fülllhöhe erheblich reduziert haben. Schließlich ist auch der Versuch des Klägervertreters mit einem Fön nicht geeignet, die offenkundige Gefahr zu widerlegen, dass ein kaum noch befülltes, leichtes Kunststoffgefäß von den Ausmaßen eines Tagebrenners von einem Luftzug erfasst und umgestürzt werden kann. Luftzüge, die bei sog. "Durchzug" entstehen, zeichnen sich durch plötzliche und heftige Strömung aus, die nicht mit den zu diesem Zeitpunkt außerhalb des Raumes herrschenden Windstärken identisch sind oder auf deren Stärke beschränkt wären. Dies sind allgemeinkundige Tatsachen, die der Senat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zugrunde legen kann.

Der durchlöcherte Metalldeckel bietet, wie der Senat bereits ausgeführt hat, keinen Schutz dagegen, dass brennendes Material ausläuft, wenn der Tagebrenner umgestürzt ist. Dies allein zeigt, dass er im Falle des Umstürzens keine erhöhte Sicherheit bietet. Darüber hinaus kann der Deckel, wie auch die Klägerin im Grundsatz einräumt, abspringen, wenn das Licht nach einem Fall aufschlägt.

Die Klägerin kann sich, wie der Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat, auch nicht auf eine überraschende Ablenkung berufen. Selbst wenn die Klägerin, wie sie nunmehr vorträgt, den Fernseher nicht zu dem Zwecke eingeschaltet hat, den Film "Sommersby" zu sehen, hat sie ihn dennoch zu ihrer Abendunterhaltung eingeschaltet und damit das Risiko, von der Fernsehunterhaltung abgelenkt zu werden, bewusst, zumindest aber grob fahrlässig begründet. Der Vergleich der Klägerin mit einem zur Unterhaltung eingeschalteten Radio trägt insofern nicht, als bei einem Radio anders als bei einem Fernseher typischer Weise nicht die Gefahr besteht, der Unterhaltene könne von der Unterhaltung so gefesselt werden, dass er sich vor das Gerät setzt und auch von der optischen Wahrnehmung weiterer Umstände und Gefahren abgelenkt wird.

Abweichend von den Sachverhalten, zu denen die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung ergangen ist, hat die Klägerin zudem auch nicht bis zu der "überraschenden Ablenkung" die verkehrserforderliche Sorgfalt walten lassen. Denn sie hat das Grablicht bereits hinter der geschlossenen Schlafzimmertür brennen lassen, während sie für einen nicht nur ganz kurzen Zeitraum zum Duschen ins Bad begab, und damit sowohl bereits das Feuer in grob fahrlässiger Weise unbeobachtet gelassen als auch die - schließlich verwirklichte - Gefahr begründet, dass sie das Licht durch eine Ablenkung oder auch ohne Grund vergessen könnte.

Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht grundsätzlich zu entscheiden, "welche Sorgfaltsmaßstäbe je nach Bauartausführung einer Kerze im Einzelnen anzusetzen" sind, sondern ob im konkreten Einzelfall die Klägerin das konkrete Licht in einer Art und Weise verwendete, die die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzte. Diese Einzelfallbeurteilung hat auch kein tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht für den Rechtsverkehr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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