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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.06.2006
Aktenzeichen: 7 U 48/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 |
Kammergericht
Beschluss
Geschäftsnummer: 7 U 48/06
16.06.2006
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichtes durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Stummeyer und die Richter am Kammergericht Sellin und Renner am 16. Juni 2006 beschlossen:
Tenor:
Das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin vom 6. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Februar 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 30 des Landgerichts Berlin - 30 O 127/05 - wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 38.584,18 EUR festgesetzt.
Gründe:
A.
Wegen des Sachverhalts in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das am 23. Februar 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 30 des Landgerichts Bezug genommen, das der Klägerin am 8. März 2006 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat am 28. März 2006 dagegen Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Mai 2006 verlängert worden. Die Berufungsbegründung ist per Telefax am 26. Mai 2006 beim Landgericht Berlin und am 30. Mai 2006 beim Kammergericht eingegangen. Am 6. Juni 2006 hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Die Klägerin macht geltend: Das Landgericht habe die Fürsorgepflicht verletzt und ihren Prozessbevollmächtigten nicht angerufen, der am 29. Mai 2006 noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Berufungsbegründung fristwahrend beim Kammergericht einzureichen. Die Angestellte ihres Prozessbevollmächtigten habe zunächst ein Deckblatt der Berufungsbegründung mit der Fax-Nummer des Kammergerichts gefertigt, dieses aber später ohne erneute Vorlage an den Prozessbevollmächtigten gegen ein Deckblatt mit der Fax-Nummer des Landgerichts ausgetauscht, weil sie gegen 15:00 Uhr am 26. Mai 2006 zunächst mehrfach vergeblich versucht habe, die Berufungsbegründung an das Kammergericht zu faxen. Eine Fax-Verbindung sei nicht zustande gekommen. Das Deckblatt habe die Angestellte in der irrigen Annahme ausgetauscht, die zunächst eingetragene Fax-Nummer des Kammergerichts sei unrichtig. Am 29. Mai 2006 habe die Angestellte dem Prozessbevollmächtigten berichtet, sie habe die Berufungsbegründung auftragsgemäß an das Kammergericht gefaxt. Bei Erstellung der mit den Anlagen versehenen Berufungsbegründung habe der Prozessbevollmächtigte den Sendebericht und die Fax-Nummern verglichen. Die Nummern seien identisch gewesen. Deshalb sei der Prozessbevollmächtigte davon ausgegangen, dass die Berufungsbegründung an das Kammergericht übersandt worden sei.
B.
Der form- und fristgerecht gestellte Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat keinen Erfolg. Die Klägerin, die sich ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, war nicht schuldlos gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO).
Die zu den Gerichtsakten gelangte Berufungsbegründung enthält in deutlich lesbaren Ziffern eine falsche Fax-Nummer, nämlich die des Landgerichts Berlin. Es war Sache des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, diese Fax-Nummer auf ihre Richtigkeit zu überprüfen; denn er trägt die Verantwortung für die richtige Adresssierung seiner Schriftsätze (vgl. BAG NJW 1998, 924 m.w.N.).
Soweit die Klägerin behauptet, auf dem Deckblatt der unterzeichneten Berufungsbegründung habe sich zunächst die richtige Fax-Nummer befunden, folgt der Senat dem nicht. Die Behauptung ist nicht glaubhaft. Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass eine Büroangestellte ohne Einwilligung des Rechtsanwalts Schriftsätze verändert. Dass der von der Klägerin im Schriftsatz vom 12. Juni 2006 geschilderte Geschehensablauf nicht den Tatsachen entsprechen kann, ergibt sich insbesondere auch daraus, dass die Angestellte nicht erst gegen 15:00 Uhr versucht haben kann, die Berufungsbegründung an das Kammergericht zu faxen; denn das Fax war bereits um 14:41 Uhr beim Landgericht eingegangen.
Selbst wenn die Angestellte das Deckblatt der Berufungsbegründung eigenmächtig ausgetauscht haben sollte, entlastet dies den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht. Ihn trifft in diesem Fall der Vorwurf, sein Büro nicht in der Weise organisiert zu haben, dass derartige Fehler, wie sie angeblich der Angestellten unterlaufen sein sollen, zu vermeiden sind. Es liegt auf der Hand, dass ein Rechtsanwalt die Anweisung zu erteilen hat, dass sämtliche Veränderungen in Schriftsätzen, die er bereits unterzeichnet hat, nur mit seinem Einverständnis vorgenommen werden dürfen. Das hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin offenbar versäumt; denn sonst wäre die Angestellte nicht auf die Idee gekommen, die falsche Fax-Nummer in einen bereits unterschriebenen Schriftsatz durch Austausch des Deckblattes einzufügen.
Hinzu kommt, dass der Prozessbevollmächtigte noch am 29. Mai 2006 Sendebericht und Fax überprüft haben will. Wenn er eine solche Prüfung vornimmt, kann er sich nicht nur auf die Identität der Nummern auf dem Schriftsatz und im Sendebericht beschränken, sondern muss sich auch die Frage stellen, ob die Fax-Nummer dem Adressaten zuzuordnen ist. Seiner Verantwortung für den Inhalt der von ihm unterschriebenen Schriftsätze ist der Prozessbevollmächtigte auch dadurch nicht nachgekommen, dass selbst die per Post an das Kammergericht übersandte Berufungsbegründung, die am 31. Mai 2006 eingegangen ist, die falsche Fax-Nummer trägt.
Schließlich kann die Klägerin sich nicht auf die Verletzung der Fürsorgepflicht durch das Landgericht berufen. Wird ein fristgebundener Schriftsatz statt an das Rechtsmittelgericht an das Ausgangsgericht adressiert und verzögert sich die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist nur dann zu gewähren, wenn der Schriftsatz bei unverzögerter Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingegangen wäre (BAG, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall. Das Landgericht hat die bei ihm eingegangene Berufungsbegründung unverzüglich an das Kammergericht weitergeleitet. Die Berufungsbegründung ist am Freitag, dem 26. Mai 2006, um 14:41Uhr beim Landgericht eingegangen. Wenn der Schriftsatz dann am darauf folgenden Dienstag an das Kammergericht weitergeleitet wird, liegt zwischen dem Eingang beim Landgericht und dem Eingang beim Kammergericht lediglich ein Arbeitstag. Der Schriftsatz ist daher angesichts der täglich vom Landgericht zu bewältigenden Post ohne schuldhaftes Zögern weitergeleitet worden. Die Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang erfordert nicht die telefonische Benachrichtigung des Rechtsmittelführers über die falsche Adressierung oder die Weiterleitung des Schriftsatzes an das Rechtsmittelgericht per Telefax (BAG, a.a.O.).
Nach alledem ist die Berufung erst nach Ablauf der bis zum 29. Mai 2006 verlängerten Frist begründet worden. Das Rechtsmittel war daher gemäß § 520 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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