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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.02.2006
Aktenzeichen: 8 U 131/05
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 263
BGB § 389
BGB § 388 Satz 2
BGB § 535 Abs. 2
Erklärt der Beklagte im Prozess hilfsweise die Aufrechnung, ist die danach vom Kläger erklärte Gegenaufrechnung unbeachtlich.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 131/05

verkündet am: 16.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, die Richterin am Kammergericht Dr. Henkel und der Richterin am Kammergericht Spiegel für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. Juni 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten der ersten und zweiten Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 13. Juni 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Beklagte trägt zur Begründung der Berufung vor:

1.

Die Klägerin habe die Höhe des geschuldeten Mietzinses nicht schlüssig darlegen können. Aus der Tatsache dass die Beklagte lediglich eine Gesamtsumme für beide Läden schulde, ergebe sich, dass die Klägerin weder eine Garantiezahlung noch eine Mietzinszahlung für nur eine Mietfläche gesondert geltend machen könne. Die Parteien hätten keine isoliert auf das streitgegenständliche Ladenlokal bezogene Quadratmetermiete vereinbart. Im Übrigen sei eine Überleitung vom Mietgarantieverhältnis zum Generalmietverhältnis hinsichtlich der Ladenflächen II noch nicht erfolgt.

2.

Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Hilfsaufrechnung der Beklagten durch eine zeitlich nachfolgende Gegenaufrechnung der Klägerin wirkungslos geworden sei .

Die Gegenaufrechnung durch die Klägerin sei unzulässig, da durch sie die Voraussetzungen der Klageänderung nach § 263 ZPO umgangen und der prozessuale Grundsatz der Waffengleichheit verletzt würde. Daneben verstoße die Auffassung des Landgerichts gegen den sachenrechtlichen Prioritätsgrundsatz, wonach eine frühere Aufrechnung der späteren (Gegen-)Aufrechnung in jedem Fall vorgehe.

3.

Die von der Klägerin vorgetragene und zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung sei nicht schlüssig dargelegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 13. Juni 2005 verkündeten Urteils der Zivilkammer 25 des Landgerichts Berlin abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:

1.

Sie, die Klägerin, habe die Höhe des geschuldeten Mietzinses schlüssig dargelegt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei die Höhe des von der Beklagten geschuldeten Mietzinses anhand der tatsächlichen Flächengröße von 150,02 qm zu berechnen und könne der Mietzinsanspruch der Klägerin ohne weiteres isoliert für einzelne Mietflächen geltend gemacht werden. Die Höhe des geschuldeten Mietzinses ergebe sich aus Teil A § 3 Ziffer 1 des Generalmietvertrages i.V. mit den Anlagen 2 und 3.

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten habe das Landgericht zutreffend festgestellt und begründet, dass die von den Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 1. Juli 2004 zur Hilfsaufrechnung gestellte Gegenforderung aus Rückzahlungsansprüchen aus dem Jahr 2001 in Höhe von 814.545,89 € aufgrund der unbedingten außerprozessualen Gegenaufrechnung der Klägerin vom 29. Oktober 2004 mit Ansprüchen aus der Mietgarantieabrechnung 2002 in Höhe von 1.954.689,07 € erloschen ist. Die zeitlich später erklärte aber unbedingte außerprozessuale Gegenaufrechnung der Klägerin gehe der zeitlich früher erklärten Hilfsaufrechnung der Beklagten vor.

3.

Sie, die Klägerin, habe die zur Gegenaufrechnung gestellt Forderung schlüssig dargelegt.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Der geltend gemachte Mietzinsanspruch in Höhe von 24.601,44 € für die streitgegenständliche Kleinladenfläche in der nnnnnnnnn betreffend den Zeitraum Januar 2003 bis März 2004 ist zwar gemäß § 535 Abs. 2 BGB begründet, aber gemäß § 389 BGB durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einem Zahlungsanspruch in Höhe von 814.545,89 € aus der Abrechnung der Mietgarantie für das Jahr 2001 erloschen.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die genaue Höhe des geschuldeten Mietzinses schlüssig dargelegt hat.

Die streitgegenständliche Kleinladenfläche hat eine Größe von 150,02 qm. Dies hat die Klägerin schlüssig unter Vorlage des Aufteilungsplanes nebst Flächenaufmaß zur Abgeschlossenheitsbescheinigung des Bezirksamtes Hnnnnnnnnnnn vom 30. März 1998 dargelegt. Diese Flächengröße ist gemäß Teil A § 3 Ziffer 1 des Generalmietvertrages Berechnungsgrundlage für den von der Beklagten zu zahlenden Mietzins.

Auf die streitgegenständliche Ladenfläche findet Teil A und nicht Teil B des Vertrages Anwendung, da das im Eigentum der Klägerin stehende streitgegenständliche Ladenlokal nicht nach dem Wohnungsbauförderungsgesetz errichtet wurde und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Generalmietvertrages mit der Beklagten auch noch kein Mietvertrag mit einem Dritten bestand. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das andere Ladenlokal, das mit dem hier streitgegenständlichen in der Anlage 2 gemeinsam als "Kleinläden II" erfasst ist, nach Auffassung der Beklagten Teil B des Vertrages unterliegt.

Das Landgericht hat auch zutreffend ausgeführt, dass weder dem Wortlaut der in Ziffer 5 in der Präambel des Generalmietvertrages enthaltenen Regelung noch dem Gesamtkonzept des Vertrages entnommen werden kann, dass die in der Anlage 2 des Vertrages aufgeführten Objekte einheitlich zu behandeln sind und nur vollständig Gegenstand entweder von Teil A oder von Teil B des Vertrages sein sollen. Vielmehr ist, wie sich aus den Ziffern 3 und 4 der Präambel ergibt, stets auf die Bedingungen der einzelnen Vermietungseinheit abzustellen.

Nach der hier einschlägigen, in Teil A § 3 enthaltenen Regelung, ergibt sich der Mietzins für die in § 1 Ziffer 1 aufgeführten Mietobjekte aus der Anlage 3. Gemäß Anlage 3 (dort auf Seite 9, dritte und vierte Spalte, 17. Zeile von oben) ergibt sich für die Kleinläden II, die nach dem schlüssigen Vortrag der Klägerin eine Gesamtgröße von 199,09 qm haben, für das Jahr 2003 ein Jahresmietzins für das Jahr 2003 in Höhe von 40.060,00 DM und für das Jahr 2004 eine Jahresmietzins in Höhe von 40.860,00 DM. Teil A § 3 Ziffer 1 des Generalmietvertrages bestimmt weiter, dass es sich bei diesem in Anlage 3 ausgewiesenen Mietzins um einen Festmietzins, abhängig von der jeweiligen Mietfläche, handelt und dass eine Unterschreitung der in der Anlage 2 angegebenen Mietflächen den geschuldeten Mietzins verringert und eine Überschreitung der in der Anlage 2 angegebenen Mietflächen den geschuldeten Mietzins erhöht.

Da die hier streitgegenständliche Kleinladenfläche, statt wie in Anlage 2 ausgewiesen, nicht 132,76 qm (181,83 qm - 49,07qm), sondern tatsächlich (199,09 qm - 49,07 qm) 150,02 qm groß ist, ergibt sich unter Zugrundelegung eines Quadratmeterpreises für das Jahr 2003 in Höhe von 112,6456 € (20.482,36 € ./. 181,83 qm) und für das Jahr 2004 in Höhe von 114,89517 € (20.370,26 € ./. 181,83 qm) ein Jahresmietzins für das Jahr 2003 in Höhe von netto 16.899,09 € (112,6456 €/qm x 150,02qm) und ein Jahresmietzins für das Jahr 2004 in Höhe von netto 17.236,57 € (114,89517 €/qm x 150,02 qm). Der monatliche Mietzins für das Jahr 2003 beträgt demnach netto 1.408,25 € (16.899,09 € ./.12) und brutto 1.633,57 € und der monatliche Mietzins für das Jahr 2004 beträgt demnach netto 1.436,38 € (17.236,57 € ./.12) und brutto 1.666,20 €.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass der Zusammenfassung zweier Ladenflächen in der Anlage 2 zum Vertrag nicht entnommen werden kann, dass die Miete nur für beide Flächen gemeinsam gefordert werden dürfte. Da die Parteien in Teil A § 3 Ziffer 1 des Generalmietvertrages ausdrücklich vereinbart haben, dass der Mietzins von der Größe der jeweiligen Mietfläche abhängig sein soll, ist der in der Anlage 2 ausgewiesene Jahresmietzins für die beiden Ladenflächen ohne weiteres teilbar. Das Argument der Beklagten, es bestünde die Gefahr einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin, wenn diese den Quadratmetermietzins nur für eine der beiden Mietflächen geltend machen könne, greift nicht. Bei dem vereinbarten Mietzins handelt es sich um einen Mindestmietzins, denn in Teil A § 3 Ziffer 5 des Generalmietvertrages ist ausdrücklich geregelt, dass ein etwaiger Mietzinsmehrerlös des Mieters aus den Untermietverhältnissen dem Vermieter zusteht.

Der Mietzinsanspruch der Klägerin ist aber entgegen den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einem Zahlungsanspruch in Höhe von 814.545,89 € aus der Abrechnung der Mietgarantie für das Jahr 2001 gemäß § 389 BGB erloschen.

Der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 1. Juli 2004 erklärte Hilfsaufrechnung steht, wie das Landgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, nicht das Aufrechnungsverbot in Teil A § 3 Ziffer 3 Abs.3 des Vertrages entgegen.

Die Gegenforderung, mit der die Beklagte hilfsweise aufgerechnet hat, ist aber nicht, wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung insoweit unzutreffend ausgeführt hat, durch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2004 erklärte Aufrechnung mit einem Nachzahlungsanspruch aus der Mietgarantieabrechnung für das Jahr 2002 in Höhe von 1.954.689,07 € gegen den Guthabenanspruch der Beklagten aus der Mietgarantieabrechung 2001 gemäß § 389 BGB erloschen.

Der Senat folgt der in der herrschenden zivilprozessualen Lehre vertretenen Auffassung, wonach die Gegenaufrechnung des Klägers im Prozess unbeachtlich ist ( Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 145, Rdnr. 12; Münchener Kommentar, BGB, 2003, § 389, Rdnr. 4; Palandt / Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 389, Rdnr. 1; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Auflage, § 145, Rdnr. 23; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 145, Rdnr. 30; Andreas Möller, JA 2001, 49; a.A. Staudinger, BGB, 2000, Vorbem. zu §§ 387 ff, Rdnr. 35; Braun, die Aufrechnung des Klägers im Prozess, ZZP 89, 93; Pawlowski, die Gegenaufrechnung des Klägers im Prozess, ZZP 104, 249).

Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Rechtssprechung bisher nicht ausdrücklich mit den in der Literatur vertretenen Auffassungen und Argumenten zur Gegenaufrechnung des Klägers auseinandergesetzt. Er vertritt vielmehr - ohne nähere Begründung - die Auffassung, dass anerkannt sei, dass es - auch im Falle der Hilfsaufrechnung durch den Beklagten im Prozess - entscheidend auf die zeitliche Reihenfolge der beiderseitigen Aufrechnungserklärungen ankomme (BGH, NJW-RR 1994, 1203; BGH, NJW-RR 1999, 1080; so auch LG Freiburg, WuM 1978, 122). Da die Beklagte die Hilfsaufrechnung zuerst, nämlich mit Schriftsatz vom 1. Juli 2004, erklärt hat, geht die von der Klägerin erst mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2004 erklärte Gegenaufrechnung auch nach der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, ins Leere.

Das Landgericht und die in der Literatur vertretene Minderauffassung verkennen, dass die im Prozess erklärte Hilfsaufrechnung des Beklagten materiell unbedingt wirksam ist (Zöller, a.a.O., § 145 Rdnr. 12). Wenn die Hilfsaufrechnung unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben würde, wäre sie gemäß § 388 Satz 2 BGB unwirksam. Sie hängt aber nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, sondern vom Bestehen der Klageforderung, also von einem bestimmten Umstand ab (Baumbach, a.a.O., § 145, Rdnr. 13). Entgegen der Auffassung des Landgerichts soll die Hilfsaufrechnung ihre Wirkung also nicht erst am Schluss der mündlichen Verhandlung und somit zeitlich bedingt, sondern in Abhängigkeit von dem Bestehen der Klageforderung entfalten. Da die Klageforderung zum Zeitpunkt der Erklärung der Hilfsaufrechnung bestand, hat die Hilfsaufrechnung auch sofort und nicht erst am Schluss der mündlichen Verhandlung ihre Wirkung entfaltet, so dass die zeitlich nachfolgende Gegenaufrechnung die Forderung mit der hilfsweise aufgerechnet wird, nicht mehr zum Erlöschen bringen konnte.

Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 57, 242) es auch nicht etwa deshalb für zulässig erachtet, dass der Beklagte die Forderung mit der er im Prozess hilfsweise aufrechnet, selbständig einklagt, weil die Hilfsaufrechnung erst am Schluss der mündlichen Verhandlung verbraucht werde, sondern weil die Aufrechnungserklärung die zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht rechtshängig macht. Dies gilt aber gleichermaßen für Hilfsaufrechnung wie für die Aufrechnung und kann kein Argument für die Auffassung sein, dass die Gegenaufrechnung der Hilfsaufrechnung vorgehe.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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