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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.11.2004
Aktenzeichen: 8 U 20/04
Rechtsgebiete: VZOG, ZGB-DDR, BGB, VermG, ZPO


Vorschriften:

VZOG § 2 Abs. 3
VZOG § 8 Abs. 1 a Satz 3
VZOG § 11 Abs. 1 Satz 2
VZOG § 11 Abs. 2 Satz 1
ZGB-DDR § 68 Abs. 2
BGB § 571
VermG § 16
VermG § 16 Abs. 2 Satz 1
VermG § 17
ZPO § 68
ZPO § 74 Abs. 3
ZPO § 565 Abs. 2
Die Bindungswirkung des § 2 Abs. 3 VZOG tritt ohne Weiteres nach außen hin gegenüber solchen Dritten ein, die unter keinen denkbaren Umständen als Zuordnungsberechtigte in Betracht kommen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 8 U 20/04

verkündet am: 01.11.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber und die Richterinnen am Kammergericht Spiegel und Dr. Henkel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1. August 1995 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 613,55 EUR nebst 7 % Zinsen seit dem 17. Januar 1995 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Soweit die Klage im Berufungsrechtszug erweitert worden ist, wird sie abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens 8 U 4358/99 und des Verfahrens XII ZR 60/97 des Bundesgerichtshofs hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.100,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

1.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen das am 1. August 1995 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Nachdem das Urteil des Senats vom 6. November 2000 durch das Bundesverfassungsgericht mit dessen Urteil vom 7. Januar 2004 - 1 BvR 31/01 - deshalb aufgehoben und der Rechtsstreit zurückverwiesen worden ist, weil der Senat in dem angefochtenen Urteil die Revision nicht zugelassen hat, beantragt die Klägerin nach teilweiser Klagerücknahme nunmehr,

1. das am 1. August 1995 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 29.132,77 EUR (= 56.978,74 DM) nebst 11 % Zinsen auf 7.827,67 EUR (= 15.309,59 DM) seit Rechtshängigkeit und 11 % Zinsen auf 21.305,10 EUR (= 41.669,15 DM) seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen;

2. die Revision zuzulassen.

Die Beklagte, die die Klageforderung in Höhe von 613,55 EUR nebst 7 % Zinsen seit dem 11. Januar 1995 anerkannt hat, beantragt,

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 1.8.1995 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 32 O 793/94 - geändert:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 613,55 EUR nebst 7 % Zinsen seit dem 11.1.1995 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

b) Die Klage wird, soweit sie in der Berufungsinstanz um weitere 21.305,10 EUR nebst 11 % Zinsen seit Zustellung erweitert worden ist, abgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens 8 U 4358/99 und das Verfahren XII ZR 60/97 des BGH hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien nach Aufhebung des Urteils des Senats wird auf ihre Schriftsätze vom 18. August, 10. und 15. September 2004 verwiesen, im Übrigen auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen bis zum Erlass des Urteils des Senats vom 6. November 2000 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

2.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 6. November 2000 Folgendes ausgeführt:

"Die Berufung der Klägerin ist bis auf einen Betrag von 613,55 EUR nebst Zinsen unbegründet.

Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen beruht auf dem Anerkenntnis der Beklagten (§ 307 ZPO).

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, weil die Beklagte nicht Schuldnerin der geltend gemachten Ansprüche ist.

Der BGH hat in seinem Urteil vom 14. April 1999 folgende Fragen als aufklärungsbedürftig bezeichnet:

1. Ob der Vertrag auch ohne das Vorkaufsrecht abgeschlossen worden wäre,

2. welche Aufwendungen die Klägerin im Einzelnen geltend macht.

Insoweit ist eine prozessleitende Verfügung vom 23. März 2000 ergangen.

Zur Frage, ob der Vertrag insgesamt nach § 68 Abs. 2 ZGB-DDR unwirksam ist, weil in ihm unter Nr. XII. 3. der Klägerin formunwirksam ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden ist, bringen beide Parteien einander widersprechenden Vortrag. Die Darlegungslast für die Teilnichtigkeit von Nr. XII 3 des Vertrages hat die Klägerin, die sich darauf beruft, dass der Vertrag im Übrigen wirksam sei (BGH GE 1994, 1049).

Die Klägerin beruft sich auf XV.1. des Mietvertrages. Dieser lautet:

"Sollten Vertragsbestimmungen unwirksam sein, so wird die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhaltes hiervon nicht berührt. Die Vertragsparteien verpflichten sich, die unwirksame Bestimmung durch eine der wirtschaftlichen Zielsetzung entsprechende wirksame Klausel zu ersetzen."

Damit haben die Parteien für den Fall, dass eine Vertragsbestimmung unwirksam ist, die Wirksamkeit des übrigen Vertragsinhalts vereinbart und damit § 68 Abs. 2 ZGB-DDR abbedungen.

Soweit sich die Beklagte auf ihre mangelnde Passivlegitimation für die Zeit nach dem 20. September 1994 wegen des Vermögenszuordnungsbescheides der Präsidentin der Treuhandanstalt von diesem Tage beruft, gilt Folgendes:

Der BGH hat in dem Urteil vom 14. April 1999 - XII ZR 60/97 - auf S. 10 ausgeführt, dass Eigentümerin des Grundstücks seit dem 1. Juli 1990 die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die BGHG, sei. Der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich dazu auf das Urteil des 5. Zivilsenats des BGH vom 9. Januar 1998 berufen, das in einem Räumungsprozess zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der BvS gegen die hiesige Klägerin und deren Geschäftsführer ergangen ist (BGH WPM 1998, 987, 989).

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG wird die Rückübertragung eines Vermögenswertes nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass dieser gemäß § 11 Abs. 2 des Treuhandgesetzes in das Eigentum einer Kapitalgesellschaft, deren sämtliche Aktien oder Geschäftsanteile sich noch in der Hand der Treuhandanstalt befinden, übergegangen ist.

Sämtliche Geschäftsanteile der BGHG befinden sich in der Hand der Treuhandanstalt bzw. der BvS, da die BGHG durch Umwandlung aus dem ehemaligen volkseigenen Betrieb Gaststätten-HO hervorgegangen ist.

Die Tatsache, dass das Eigentum an dem Grundstück auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die BGHG, übergegangen war, schloss daher nach § 11 Abs. 1 Satz 2 VZOG die Rückübertragung des Eigentums an dem Grundstück nicht aus. Das bedeutet, dass mit Wirkung ab 20. September 1994 die Bundesrepublik Deutschland Eigentümerin des Grundstücks ist.

Das hat nach § 8 Abs. 1 a Satz 3 VZOG zur Folge, dass § 571 BGB entsprechend gilt mit der Folge, dass der Mietvertrag in entsprechender Anwendung von § 571 BGB auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist. Damit ist die Haftung der Beklagten für die nach dem 20. September 1994 entstandenen Ansprüche erloschen. Die Beklagte haftet nur noch für die davor entstandenen Ansprüche.

§ 8 Abs. 1 a Satz 3 VZOG gilt zwar unmittelbar nur für die in § 8 Abs. 1 genannten Verfügungsberechtigten und deren Verfügungsbefugnis. Der dort ausgesprochene Grundsatz muss aber auch in Fällen wie dem vorliegenden gelten. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 VZOG werden Vermögenswerte in dem Zustand übertragen, in dem sie sich im Zeitpunkt des Zuordnungsbescheides befinden. Damit wird eine Rechtslage hergestellt, die der in § 16 VermögensG geregelten entspricht. Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VermögensG tritt der Berechtigte mit der Rückübertragung von Eigentumsrechten oder Aufhebung der staatlichen Verwaltung in alle in Bezug auf den jeweiligen Vermögenswert bestehenden Rechtsverhältnisse ein. Nach § 17 VermG werden durch die Rückübertragung von Grundstücken und Gebäuden bestehende Miet- oder Nutzungsrechtsverhältnisse nicht berührt.

§ 565 Abs. 2 ZPO steht der hier vertretenen Rechtsansicht nicht entgegen. Danach hat das Berufungsgericht der rechtlichen Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seine Entscheidung zugrunde zu legen. Denn der BGH hat sich nur zum Eigentumserwerb der BGHG zum 1. Juli 1990 geäußert. Daran ist der Senat gebunden. Zum Eigentumserwerb der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vermögenszuordnungsgesetz hat sich der BGH nicht geäußert. Insoweit ist der Senat in seiner Entscheidung frei.

Die Rechtskraft des Urteils des BGH vom 9. Januar 1998 - V ZR 263/96 - (WPM 1998, 987) hindert den Senat nicht, einen Eigentumserwerb der Bundesrepublik Deutschland nach dem Vermögenszuordnungsgesetz anzunehmen. Zwar hat der BGH im Urteil vom 9. Januar 1998 die Räumungsklage, die von der Bundesrepublik Deutschland und der BvS gegen die hiesige Klägerin und deren Geschäftsführer Gerhard Spitzer erhoben worden war, mit der Begründung abgewiesen, dass die BGHG, die Rechtsvorgängerin der hiesigen Beklagten, Eigentümerin des Grundstücks sei, nicht die Bundesrepublik Deutschland. Die Rechtskraft des Urteils vom 9. Januar 1998 gilt aber nur für die Parteien des damaligen Rechtsstreits, nicht für die hiesige Beklagte, die nicht Partei des Räumungsprozesses war (§ 325 ZPO).

Der Beklagten war zwar in dem Räumungsprozess der Streit verkündet worden. Nach § 74 Abs. 3 ZPO sind gegen den Streitverkündeten die Vorschriften des § 68 ZPO anzuwenden. Nach § 68 ZPO wird der Nebenintervenient im Verhältnis zur Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei. Nach dem Tatbestand des Urteils des BGH vom 9. Januar 1998 ist der Vermögenszuordnungsbescheid vom 20. September 1994 nicht Gegenstand der Entscheidung des BGH gewesen. Allerdings ist der Vermögenszuordnungsbescheid vom 20. September 1994 ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Senats vom 10. Juni 1996 in den Rechtsstreit eingeführt worden. Auf S. 18 unten dieses Berufungsurteils ist dargestellt, dass sich die dortige Klägerin zu 1), die Bundesrepublik Deutschland, auf den Vermögenszuordnungsbescheid der Treuhandanstalt vom 20. September 1994 berufen hat.

Die Beklagte macht aber nicht geltend, dass der Rechtsstreit, wie er dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei. Sie beruft sich vielmehr auf die Tatsache, über die der BGH sich in dem Urteil vom 9. Januar 1998 nicht geäußert hat. Das ist der Beklagten durch § 68 ZPO nicht verwehrt.

Der Vermögenszuordnungsbescheid wirkt nach § 2 Abs. 3 VZOG für und gegen alle an dem Verfahren Beteiligten."

An dieser Betrachtungsweise hält der Senat weiter fest.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie an dem Verfahren letztlich nicht beteiligt war und der Vermögenszuordnungsbescheid vom 20. September 1994 deshalb ihr gegenüber keine Bindungswirkung in Bezug auf den Eigentumserwerb der Bundesrepublik Deutschland entfalten könne, verkennt sie den Regelungsgehalt des § 2 Abs. 3 VZOG. Nach dessen Wortlaut wirkt der Bescheid für und gegen alle an dem Zuordnungsverfahren Beteiligten. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die in dem Verfahren getroffenen Regelungen für die sonstigen am Verfahren nicht Beteiligten nicht gelten sollen. Beteiligte im Sinne des § 2 Abs. 3 VZOG können nur der Antragsteller und sonstige für das Vermögenszuordnungsverfahren in Betracht kommende potentielle Zuordnungsberechtigte sein (vgl. Schmitt-Habersack/Dick in Kimme, Offene Vermögensfragen, Band 2, § 2 VZOG Rdn. 4); für diese Beteiligten musste klargestellt werden, dass der ergehende Bescheid zwischen ihnen Wirkung entfaltet. Die Wirkung tritt aber nach außen hin ohne Weiteres gegenüber solchen Dritten ein, die - wie die Klägerin - unter keinen denkbaren Umständen als Zuordnungsberechtigte in Betracht kommen (so für die grundbuchrechtlichen Wirkungen ausdrücklich: Schmitt-Habersack/Dick, a.a.O., Rdn. 39; vgl. auch OLG Rostock, OLG-R Rostock 1997, 61; andererseits aber: OLG Dresden, VIZ 1999, 111).

Damit steht der Eigentumserwerb der Bundesrepublik Deutschland ab dem 20. September 1994 mit bindender Wirkung auch für die Klägerin fest, so dass der Mietvertrag mit dem 20. September 1994 auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.

Es verbleiben deshalb als Ansprüche gegen die Beklagte nur die aus den Rechnungen der Firma Vogel vom 30. Mai 1994 für die Zeit ab 23. April 1994 in Höhe von 707,95 DM, die Ansprüche aus der Rechnung Vogel vom 5. April 1994 in Höhe von 735,30 DM und die Ansprüche aus der Rechnung der Berliner Wasserwerke vom 4. Oktober 1994, soweit sie die Zeit vor dem 20. September 1994 betrifft. Das sind 365,00 DM - 13,20 DM = 351,80 DM. Insgesamt ergeben sich 1.795,05 DM. Dieser Betrag ist durch das Teilanerkenntnis der Beklagten und die teilweise Klagerücknahme durch die Klägerin erledigt.

Die Ansprüche, die mit der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz geltend gemacht worden sind, datieren aus der Zeit nach dem 20. September 1994, nämlich Rechnung der Firma Kälteanlagen vom 24. Mai 1995 und Ansprüche aus der Rechnung der Firma Elektroanlagen Zepernick vom 28. April 1995.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Weil die Klägerin mit ihrer Berufung letztlich keinen Erfolg hat, waren ihr auch die Kosten des Revisionsverfahrens XII ZR 60/97 des Bundesgerichtshofs aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO in Bezug auf die Wirksamkeit eines Vermögenszuordnungsbescheides gegenüber am Verfahren nicht beteiligten Dritten hat.

Ende der Entscheidung

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