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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.04.2002
Aktenzeichen: 8 U 8/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 242 | |
BGB § 535 Satz 2 | |
BGB § 537 | |
BGB § 537 Abs. 2 | |
BGB § 539 | |
ZPO § 92 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 92 Abs. 2 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 713 |
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 8 U 8/01
Verkündet am: 8. April 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bieber, den Richter am Amtsgericht Dr. Müther und die Richterin am Kammergericht Spiegel auf die mündliche Verhandlung vom 8. April 2002 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5. Oktober 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.886,81 Euro nebst 8 % Zinsen seit dem 6. Oktober 1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist überwiegend unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 535 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung restlichen Mietzinses in Höhe von 43,85 Euro (85,77 DM) für den Monat Juli 1998 und in Höhe von 4.385,58 Euro (8.577,45 DM) für die Monate August 1998 bis Oktober 1999 (15 x 292.37 Euro bzw. 571,83 DM). Sie hat darüber hinaus gemäß § 535 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Zahlung weiterer 234,86 Euro (459,35 DM) auf die Betriebskostenabrechnung 1997 und einen Anspruch auf Zahlung weiterer 222,51 Euro (435,19 DM) auf die Betriebskostenabrechnung 1998.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der in der Betriebskostenabrechnung 1997 enthaltenen Position Schädlingsbekämpfung in Höhe von 87,80 Euro (171,73 DM). Ebenso hat sie keinen Anspruch auf Erstattung der in der Betriebskostenabrechnung 1998 enthaltenen Position Schädlingsbekämpfung in Höhe von 91,48 Euro (178,91 DM).
Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Einwendungen der Beklagten gegen den geltend gemachten Mietzinsanspruch keinen Erfolg haben.
1. Der Mietzins ist nicht gemäß § 537 BGB gemindert. Es kann dahin gestellt bleiben, ob überhaupt ein Fehler der Mietsache vorliegt, der ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert, denn der Beklagten war der Zustand des Hauses bei Abschluss des Mietvertrages am 8. März 1995 bekannt, § 539 BGB.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob die Klägerin bei Vertragsabschluss Mängelbeseitigung zugesagt hat. Zwar ist die Kenntnis des Mieters unschädlich, wenn der Vermieter bei Vertragsabschluss Mängelbeseitigung zusagt (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III.B., Rdnr. 1404), die Beklagte hat aber, obwohl Mängelbeseitigung nicht erfolgt ist, den Mietzins beinahe zwei Jahre lang gezahlt, ohne die nicht erfolgte Mängelbeseitigung zu beanstanden. Erstmals mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat die Beklagte gegenüber der Klägerin den Zustand des Treppenhauses gerügt. Wenn der Mieter - wie hier - die Mietsache über längere Zeit beanstandungslos benutzt, obgleich die bei Vertragsabschluss zugesagt Mängelbeseitigung nicht erfolgt, kann er sein Recht auf Mietminderung verwirken (Bub/Treier, a.a.O. III.B., Rdnr.1404). Von einer Verwirkung muss jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Mieter wie hier den Staffelmietzins nebst Erhöhung fast zwei Jahre lang beanstandungslos zahlt.
Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz vorträgt, der beanstandete Zustand sei erst in den letzten Jahren aufgetreten, ist ihr Vortrag unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar, da die vorgetragenen "Mängel" wie abgeplatzter Putz, verfaulte Wasserschenkel der Holzkastenfenster, auseinanderbrechende Plastikkanten der Linoleumbeläge etc. üblicherweise erst in einem jahrelangen Prozess und nicht von heute auf morgen entstehen. Die Auffassung der Beklagten, die in § 8 des Mietvertrages enthaltene Übertragung der Instandsetzungspflicht verstoße gegen § 9 Abs.2 Ziffer 1 AGBG ist schon deshalb nicht zutreffend, weil § 8 des Mietvertrages und die hierzu getroffene Zusatzvereinbarung von den Parteien individuell ausgehandelt worden ist.
2. Das Landgericht hat auch zutreffend erkannt, dass eine Minderung auch nicht wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft gemäß § 537 Abs.2 BGB vorliegt. Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden.
3. Es kann dahin gestellt bleiben/ob die Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz aus cic wegen schuldhafter Verletzung der Aufklärungspflicht bei Vertragsabschluss hat (vgl. insoweit BGH in NJW 2000,1718), denn gemäß § 5 des Mietvertrages ist sowohl die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes als auch die Aufrechnung mit bestrittenen und nicht rechtskräftig festgestellten Forderungen ausgeschlossen. Das in § 5 des Mietvertrages enthaltene Verbot der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes und der Aufrechnung verstößt nicht gegen das AGBGB (Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, II, Rdnr. 429).
4. Die Beklagte kann eine Reduzierung des Mietzinses auch nicht im Wege der Vertragsanpassung gemäß § 242 BGB verlangen.
Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegen nicht vor. Es ist bereits fraglich, ob die Ausführung der Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durch die Klägerin überhaupt Geschäftsgrundlage des Mietvertrages vom 8. März 1995 war.
Geschäftsgrundlage sind nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Auflage, § 242, Rdnr. 113). Fraglich ist, ob - unterstellt, Herr habe bei den Vertragsverhandlungen der Beklagten zugesichert, dass in den Jahren 1995 und 1996 umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, - für die Klägerin erkennbar war, dass die Beklagte nur deshalb mit dem vorgeschlagenen Stufenmietzins einverstanden war, weil sie von einer Modernisierung und Instandsetzung des Hauses ausging. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie bei den Vertragsverhandlungen zum Ausdruck gebracht habe, dass sie entscheidenden Wert auf die Sanierung und Modernisierung des Hauses legt. Auch aus dem Schriftverkehr zwischen den Parteien ist eine derartige Vorstellung der Beklagten nicht erkennbar. Insbesondere das Schreiben der Beklagten vom 31. März 1995, das wohl vor der eigentlichen Unterzeichnung des Vertrages abgefasst worden ist, erwähnt eine derartige Vorstellung auch nicht im Ansatz. Die Klägerin könnte allenfalls vermutet haben, dass die Beklagte den Vertrag nur deshalb unterzeichnet, weil sie bestimmte Vorstellungen über den zukünftigen Zustand des Hauses hatte. Zwingend ist diese Vermutung nicht. Letztlich kommt es aber auch auf diese Frage nicht an, da nach allgemeiner Auffassung eine Berufung auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage dort nicht möglich ist, wo dem Betroffenen zugemutet werden kann, trotz der veränderten Umstände an der Vereinbarung im unveränderten Ausmaß festzuhalten (Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Stand Juli 1990, § 242, Rdnr. 245; Palandt, a.a.O.-, § 242, Rdnr.129). Eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nur in Betracht, wenn dies zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin nicht vereinbarer und damit der betroffenen Vertragspartei nicht zumutbarer Folgen unabweisbar erscheint (BGH in NJW 1977, 320). Angesichts der Vielfalt der einfließenden Elemente ist eine generelle Aussage, wann die Grenze der Zumutbarkeit erreicht ist nicht möglich. Im Bereich der Äquivalenzstörungen sind verschiedene Sachverhalte behandelt worden, in denen Kostensteigerungen eingetreten sind oder Irrtümer unterliefen. Soweit sich die Abweichung unterhalb des doppelten bzw. bei Verlusten unterhalb der Hälfte bewegte wurde zumeist die Zumutbarkeit der Belastung bzw. Enttäuschung bejaht und dementsprechend ein Fortfall der Geschäftsgrundlage verneint. Die Verdoppelung bzw. Halbierung wird auch in der Literatur für die kritische Grenze gehalten (Soergel, a.a.O., § 242, Rdnr.248).
Nach der Behauptung der Beklagten beträgt der ortsübliche Kaltmietzins 20,00 DM/qm. Der streitgegenständlichen Nettomiete von 5.718,30 DM liegt ein Quadratmeterpreis von 30,00 zugrunde. Selbst wenn man die - im übrigen unsubstantiierte - Behauptung der Beklagten über die Höhe des ortsüblichen Quadratmeterpreise zugrunde legt, weicht der verlangte Mietzins lediglich um 50 % vom ortsüblichen Mietzins ab und liegt damit noch weit unter der Grenze der Sittenwidrigkeit. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte selbst einen Mietzins von 5.146,47 DM Netto kalt - dies entspricht einem Quadratmeterpreis von 27,00 DM - ohne Beanstandung gezahlt hat und demnach für angemessen hielt. Der von der Beklagten gemäß vertraglicher Vereinbarung zu zahlende Mietzins ist folglich mit Recht und Gerechtigkeit durchaus noch vereinbar und damit zumutbar.
5. Soweit die Beklagte gegen die geltend gemachten Betriebskosten einwendet, die Hausreinigung sei nur mangelhaft ausgeführt worden, hat sie mit ihrem Vortrag auch in der Berufungsinstanz keinen Erfolg. Selbst wenn die Beklagte das Treppenhaus selbst mehrfach wöchentlich gereinigt haben sollte, bedeutet dies nicht, dass die von der Reinigungsfirma in Rechnung gestellte Reinigung - die in der Regel einmal wöchentlich erfolgt - mangelhaft war. Je nach dem in welchem Ausmaß ein Treppenhaus frequentiert wird, kann dieses durchaus schon am nächsten Tag nach der Reinigung verschmutzt aussehen. Gleichwohl hat der Vermieter gegen die Mieter Anspruch auf Ersatz der verauslagten Reinigungskosten.
6. Die Berufung hat jedoch insoweit Erfolg, als sich die Beklagte gegen die Umlage der lediglich in den Jahren 1997 und 1998 angefallenen Kosten der Ungezieferbekämpfung wendet. Die Umlage der Kosten der Ungezieferbekämpfung setzt voraus, dass es sich um laufende Betriebskosten handelt. Für den erforderlichen jährlichen Turnus ist der Vermieter darlegungspflichtig (LG Siegen in WuM 1992, 630; AG Köln in WuM 1992, 630; Sobota, Die Nebenkosten im Wohnungsmietrecht, 7. Auflage, III.8). Die Klägerin ist dem Vortrag der Beklagten, die Kosten der Ungezieferbekämpfung seien lediglich in den Jahren 1997 und 1998 und damit nicht laufend angefallen, nicht entgegengetreten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, das die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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