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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.09.2007
Aktenzeichen: Not 4/06
Rechtsgebiete: BNotO


Vorschriften:

BNotO § 24
BNotO § 94 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Not 4/06

In der Dienstaufsichtssache gegen

hat der Senat für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Notar Dr. von Buttlar und den Richter am Kammergericht Frey am 24. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Missbilligung des Präsidenten des Landgerichts Berlin vom 23. Juni 2006 - ... - wird aufrecht erhalten.

Der Notar hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Der am ... 1953 geborene Notar ist seit 1990 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und wurde im März 1991 zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts bestellt.

II.

Im Grundbuch des Amtsgerichts Lichtenberg von Neukölln Blatt 19405 waren in Abteilung III unter Nummern 1 und 2 - lastend auf den im Bestandsverzeichnis zu laufenden Nummern 1, 2, 4 und 5 eingetragenen Grundstücken (...straße 3-4, ...straße 26 und 27 sowie ...straße 6) - Grundschulden ohne Brief über 6.300.000,00 DM zu Gunsten der ... Hypothekenbank AG und über 5.300.000,00 DM zu Gunsten der ... (nachfolgend ... Bank) eingetragen worden. Den Grundschulden lagen die vom Notar am 25. Januar 2000 zur UR-Nr. 28/2000 sowie am 17. und 20. April 2000 zu den UR-Nrn. 204/2000 und 207/2000 aufgenommenen Grundschuldbestellungsurkunden zugrunde.

Am 13. Juni 2000 beurkundete der Notar zu seiner UR-Nr. 287/2000 den Verkauf des Grundstücks ...straße 3-4 (lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses). Gemäß § 3 des notariellen Vertrages erfolgte der Verkauf frei von eingetragenen Belastungen in den Abteilungen II und III, soweit diese nicht ausdrücklich übernommen wurden.

Nachdem der Notar die beteiligten Banken um Übersendung der jeweiligen Pfandhaftentlassungserklärungen gebeten hatte, erteilte ihm die ... Bank unter dem 22. Mai/ 6. Juni 2001 einen Treuhandauftrag betreffend die Verwendung der von dem Notar ... dem Grundbuchamt bereits vorgelegten Pfandfreigabeerklärung. Mit Treuhandauftrag vom 16. Mai 2001 übersandte die ... Hypothekenbank AG dem Notar eine Verzichtserklärung zu der im Grundbuchblatt 19405 in Abteilung III zu lfd. Nr. 1 eingetragenen Grundschuld, die aufgrund einer Beanstandung des Grundbuchamtes berichtigt werden musste. Auch die berichtigte Verzichtserklärung vom 25. Januar 2002 bezog sich lediglich auf das Grundstück ...straße 3-4 (lfd. Nr. 1 des Bestandsverzeichnisses).

Am 30. Juli 2001 beurkundete der Notar zur UR-Nr. 379/2001 den Verkauf des Grundstücks ...straße 6 (lfd. Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses). Im Rahmen des Vollzugs dieses Vertrages übersandte ihm die ... Hypothekenbank AG mit Treuhandauftrag vom 9. August 2001 eine Verzichtserklärung bezgl. der Grundschuld für das im Bestandsverzeichnis unter lfd. Nr. 5 eingetragene Grundstück.

Der Notar nahm die erteilten Treuhandaufträge an.

Die Verzichtserklärungen der ... Hypothekenbank AG reichte der Notar mit Schreiben vom 9. Juli 2001/30. Januar 2002 (zur UR-Nr. 287/00) und 19. Dezember 2001 (zur UR-Nr. 379/01) bei dem Grundbuchamt ein und beantragte unter Bezugnahme auf die durch Notar ... bereits eingereichten Pfandhaftentlassungserklärungen der ... Bank die Löschung der Mithaft für das jeweilige Grundstück hinsichtlich der entsprechenden Grundpfandrechte.

In der Folge wurden die Grundschulden zu Gunsten der ... Hypothekenbank AG und der ... Bank gelöscht, jedoch nicht nur entsprechend der Verzichtserklärungen bezgl. der im Bestandsverzeichnis unter lfd. Nrn. 1 und 5 gebuchten Grundstücke, sondern auch bezgl. der im selben Grundbuchblatt eingetragenen weiteren Grundstücke ...straße 26 (lfd. Nr. 2) und ...straße 27 (lfd. Nr. 4).

Aus der dem Notar am 15. Februar 2002 zugegangenen Eintragungsmitteilung des Grundbuchamtes vom 12. Februar 2002 ergab sich, dass die im Grundbuch von Neukölln, Blatt 19405 in Abteilung III zu lfd. Nr. 1 und 2 eingetragenen Grundschulden am 7. Februar 2002 gelöscht worden sind. Darin heißt es u.a. wie folgt:

"Dritte Abteilung (Spalten 8 bis 10)

 LNr1 Betrag Löschungen
1 6.300.000,00 DM Je hier gelöscht am 07.02.2002
2 5.300.000,00 DM

Nitschke"

Die Eintragungsmitteilung enthält die Empfehlung, den Inhalt der Eintragungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen.

Das Grundbuchamt hat am 17. Oktober bzw. am 21. November 2003 Widersprüche nach § 53 GBO betreffend die im Bestandsverzeichnis zu laufenden Nummern 2 und 4 genannten Grundstücke zu Gunsten der ... Hypothekenbank AG und hinsichtlich der in Abteilung III Nr. 2 zu Gunsten der ... Bank eingetragenen Grundschuld eingetragen.

III.

Mit Verfügung vom 23. Juni 2006 hat der Präsident des Landgerichts gegen den Notar eine Missbilligung wegen fahrlässiger Verletzung seiner Dienstpflichten aus § 24 BNotO ausgesprochen. Gegen die ihm am 6. Juli 2006 zugestellte Missbilligung hat der Notar am 2. August 2006 Beschwerde eingelegt, die die Präsidentin des Kammergerichts mit Verfügung vom 6. Oktober 2006 - ... -, zugestellt am 17. Oktober 2006, zurückgewiesen hat.

Am 14. November 2006 hat der Notar Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Er macht geltend, dass die Missbilligung nicht gerechtfertigt sei, weil er Amtspflichten nicht verletzt habe. Die Eintragungsnachricht des Grundbuchamtes habe er nur darauf hin prüfen müssen, ob die Mithaft an den Grundstücken erloschen sei. Ob weitere Grundstücke aus der Mithaft entlassen worden seien, sei nicht Gegenstand seiner Prüfungspflicht gewesen. Die ... Hypothekenbank AG habe als sach- und rechtskundige Beteiligte die Grundbuchlage nach Zugang der Eintragungsmitteilung selbst prüfen können und müssen. Der Notar verweist ferner auf das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. Januar 2007 (84 O 14/06), mit dem das Landgericht eine gegen ihn gerichtete Schadensersatzklage der ... Rechtsnachfolgerin der ... Hypothekenbank AG -abgewiesen hat. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass der Notar zu einer Überprüfung der Eintragungsmitteilung des Grundbuchamtes nicht verpflichtet gewesen sei, weil er die Verzichtserklärungen der Grundschuldgläubiger weder beurkundet noch beglaubigt habe. Nach den Bedingungen der Treuhandauflage sei der Notar berechtigt gewesen, über die Urkunde unter Bedingungen zu verfügen, die er eingehalten habe. Zu mehr habe ihn die Treuhandauflage nicht verpflichtet. Hinzu komme, dass sich die Überschreitung des Antrags aus der Löschungsmitteilung des Grundbuchamtes nicht evident antrags- und gesetzeswidrig ergeben habe.

Die Präsidentin des Kammergerichts beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf die ergangenen Bescheide und hält den Ausspruch der Missbilligung nach wie vor für zutreffend.

IV.

Der gemäß §§ 94 Abs. 2 Satz 5, 75 Abs. 5 Satz 2 BNotO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist in der Sache nicht begründet; die mit Verfügung vom 23. Juni 2006 gegen den Notar ausgesprochene Missbilligung ist aufrechtzuerhalten.

Der Präsident des Landgerichts als Aufsichtsbehörde war gemäß § 94 Abs. 1 BNotO befugt, dem Notar eine Missbilligung auszusprechen, weil diesem eine Pflichtverletzung leichterer Art in Form eines Verstoßes gegen die aus § 24 BNotO folgenden Amtspflichten zur Last fällt.

1. Der Notar hat pflichtwidrig gehandelt, indem er die ihm hinsichtlich der Löschung der Grundschulden übersandte Eintragungsnachricht des Grundbuchamtes vom 12. Februar 2002 nicht ausreichend überprüft und es unterlassen hat, die Eintragung eines Widerspruchs (§ 53 GBO) zu veranlassen.

Der Senat verweist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der Verfügung der Präsidentin des Kammergerichts vom 6. Oktober 2006. Erhält der Notar Löschungsbewilligungen oder Pfandfreigaben zu treuen Händen und nimmt er diese Aufträge an, so übernimmt er damit eine Treuhandtätigkeit (vgl. Schippel/Bracker, BNotO, 8. Aufl., § 24 BNotO, RNr. 62), die ihre Rechtsgrundlage in § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO findet (vgl. Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, 2. Aufl., § 24 BNotO, RNr. 40; Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, S. 817, RNr. 2121). Nach dieser Vorschrift gehört zum Amt des Notars auch die sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiet vorsorgender Rechtspflege.

Das Verfahren nach Übernahme eines Treuhandauftrages dient der Sicherung der Grundschuldgläubiger. Der Notar muss nach Annahme eines Treuhandauftrages sicherstellen, dass von Verzichts- bzw. Pfandhaftentlassungserklärungen nur in dem von den dinglichen Gläubigern bestimmten Umfang und unter den von ihnen festgelegten Voraussetzungen Gebrauch gemacht wird. Im Rahmen einer Vollzugstätigkeit, die Gegenstand eines Betreuungsauftrages (§ 24 BNotO) ist, hat der Notar daher nicht nur die entsprechenden Eintragungsanträge beim Grundbuchamt zu stellen, sondern auch deren ordnungsgemäße Bearbeitung zu überwachen, d.h. zu prüfen, ob die gestellten Anträge durch Eintragung erledigt sind und ob die Art der Erledigung den gestellten Anträgen entspricht und gesetzmäßig ist (vgl. Lerch/Sandkühler, BNotO, 5. Aufl., § 24 BNotO, RNr. 42; Zugehör/Ganter/ Hertel, Handbuch der Notarhaftung, S. 595 - 596, RNrn. 1517/1518). Die ihm vom Grundbuchamt übermittelten Eintragungsnachrichten hat er auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der Notarhaftung, S. 819, RNr. 2128).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 123, 1, 9; ebenso: Haug, Die Amtshaftung des Notars 1989 RNr. 632) ist der Notar zur Überwachung des Vollzugs der Eintragungsanträge allerdings im Grundsatz dann nicht verpflichtet, wenn er dem Grundbuchamt lediglich den Eintragungsantrag eines Antragsberechtigten übermittelt und nicht von der Ermächtigung des § 15 GBO Gebrauch gemacht hat. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Wenn Beteiligte - wie vorliegend die Grundschuldgläubigerinnen -, um allen Schwierigkeiten und Gefahren zu entgehen, einen rechtskundigen Notar mit der grundbuchmäßigen Abwicklung eines Rechtsgeschäfts betrauen, dürfen sie sich vielmehr darauf verlassen, dass der Notar alles Erforderliche tun werde. Ohne besonderen Anlass muss sich der Beteiligte nicht persönlich vergewissern, ob das Grundbuchamt alle beantragten Eintragungen entsprechend vorgenommen hat (vgl. BGH, NJW 1984, 1748).

Seiner Pflicht zur Überwachung ist der Notar - trotz Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der Eintragungen und entsprechender Prüfungsaufforderung durch das Grundbuchamt in der Mitteilung vom 12. Februar 2002 - nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen. Auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Missbilligung sowie auf die Verfügung der Präsidentin des Kammergerichts wird insoweit Bezug genommen. Danach durfte der Notar sich nicht damit begnügen, die Eintragungsnachricht nur daraufhin zu überprüfen, ob die Mithaft an den im Bestandsverzeichnis unter lfd. Nrn. 1 und 5 gebuchten Grundstücke erloschen war. Auf den Umstand, dass der Notar die Verzichtserklärungen der ... Hypothekenbank AG - die auch nicht Partei des Kaufvertrages vom 13. Juni 2000 war - im Sinne von § 15 GBO nicht beurkundet oder beglaubigt hat, kommt es - da die Prüfungspflicht an die übernommene Treuhandtätigkeit anknüpft - nicht an.

Dass der Notar die Eintragungsnachricht an die ... Hypothekenbank AG weitergeleitet hat, ist unerheblich. Ob diese als sach- und rechtskundige Beteiligte die fehlerhafte Eintragung hätte erkennen können, kann in der vorliegenden Dienstaufsichtssache dahinstehen. Für das Vorliegen der Pflichtverletzung kommt es auf ein etwaiges Mitverschulden der Beteiligten nicht an. Denn bei der Missbilligung handelt es sich um eine Maßnahme der Dienstaufsicht, die im Wesentlichen vorbeugenden Charakter hat und den Notar im Interesse der rechtsuchenden Bevölkerung zur sorgfältigen Wahrnehmung seiner Amtspflichten anhalten soll (BGH, DNotZ 1993, 465, 467; DNotZ 1985, 98, 100). 2. Wegen dieser Pflichtverletzung hat der Präsident des Landgerichts zu Recht eine Missbilligung gegen den Notar ausgesprochen. Es handelt sich um eine Maßnahme, die keinen disziplinarischen Charakter hat und vom Gesetz ausdrücklich als Reaktion auf Pflichtverletzungen leichterer Art vorgesehen ist. Andere Erfolg versprechende Maßnahmen, den Notar zur sorgfältigeren Ausübung seiner Amtspflichten anzuhalten, sind nicht ersichtlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 94 Abs. 2 Satz 6, 75 Abs. 5 Satz 4, 96 Satz 1 BNotO, §§ 107, 109 LDO in der am 1. März 2001 geltenden Fassung, § 154 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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