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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: (5) 1 Ss 321/05 (56/05)
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 81 a Abs. 1 Satz 2
StPO § 127 Abs. 1 Satz 1
StPO § 127 Abs. 1 Satz 2
StPO § 163 a Abs. 4 Satz 1
StPO § 163 b
StPO § 163 b Abs. 1 Satz 2
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 113 Abs. 3 Satz 1
StGB § 113 Abs. 3 Satz 2
StGB § 113 Abs. 4
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5
Die Beschränkung einer Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist ausgeschlossen, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht treffen kann, ohne erneut die Schuldfrage zu prüfen (hier unzulängliche Feststellungen zum Schuldspruch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Körperverletzung).
(5) 1 Ss 321/05 (56/05)

In der Strafsache gegen

wegen vorsätzlicher Körperverletzung

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 30. November 2005 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Mai 2005 gemäß § 349 Abs. 4 StPO hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwürfe der vorsätzlichen Körperverletzung sowie des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung und Beleidigung und im Gesamtstrafenausspruch einschließlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Kammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung und wegen Erschleichens von Leistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und diese jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Das Landgericht Berlin hat die Berufung des Angeklagten verworfen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat es das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung entfällt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Verfahrensrüge ist ohne Begründung geblieben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hält die Sachrüge teilweise für begründet und beantragt, das Urteil hinsichtlich des dem Angeklagten zur Last gelegten Tatvorwurfs des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung sowie im Gesamtstrafenausspruch einschließlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die weitergehende Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen. Nach Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft muß das Urteil teilweise aufgehoben werden, weil die Rechtsmittelbeschränkung mangels ausreichender Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil zum Schuldspruch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte unwirksam gewesen ist. Dem hat sich der Revisionsführer in seiner Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft angeschlossen. Außerdem hat er zur Begründung der Sachrüge noch Folgendes ausgeführt. Das Landgericht habe ihm zu Unrecht angelastet, daß er nicht bereit sei, seine Alkoholprobleme mittels einer Therapie aufzuarbeiten. Eine Alkoholabstinenz habe nicht notwendigerweise eine Therapie zur Voraussetzung. Auch habe das Landgericht in seiner Entscheidung über die Rechtsfolgen sein Geständnis nicht genügend berücksichtigt.

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge ist unzulässig. Es fehlt an der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Begründung.

2. Die zulässig eingelegte Sachrüge gibt zunächst Anlaß zu beurteilen, ob das Landgericht zu Recht angenommen hat, daß der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft ihre Berufungen gegen das amtsgerichtliche Urteil wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben. Das ist weitgehend nicht der Fall.

Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf die Rechtsfolgen hat zur Voraussetzung, daß eine tragfähige Grundlage für die neu festzusetzenden Rechtsfolgen vorhanden ist. Der Schuldspruch und die ihm zugrunde liegenden Feststellungen müssen eine isolierte Betrachtung der Rechtsfolgen ermöglichen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 318 Rdnr. 16 m. w. Nachw.). Eine Beschränkung ist daher ausgeschlossen, wenn die Feststellungen zum Schuldspruch so knapp, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, daß das Berufungsgericht eine Entscheidung über die Rechtsfolgen nicht treffen kann, ohne erneut die Schuldfrage zu prüfen (vgl. BGHSt 33, 59; KG NJW 1976, 813; Meyer-Goßner, § 318 StPO Rdnr. 16). Auch dann, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen nicht hinreichend klar erkennen lassen, ob überhaupt die Voraussetzungen strafbaren Handelns gegeben sind, kann eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch keine Anerkennung finden (vgl. OLG Hamburg StV 2000, 608; OLG Köln NStZ-RR 2000, 49; KG, Beschluß vom 27. April 2004 - [3] 1 Ss 493/03 [31/04] -). Einen Mangel dieser Art weist das amtsgerichtliche Urteil sowohl im Hinblick auf den Vorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte als auch hinsichtlich des Vorwurfs einer vollendeten vorsätzlichen Körperverletzung auf.

a) Die Feststellungen zum Schuldspruch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sind unzulänglich, weil sie nicht ausreichend über die Diensthandlung informieren, gegen die sich der Angeklagte zur Wehr gesetzt hat. Mitgeteilt wird lediglich, daß der alkoholisierte Angeklagte, der zuvor in einem Regionalzug ohne Fahrschein angetroffen worden war, eine Nachentrichtung des Fahrpreises verweigert und nach der Ankunft auf dem Bahnhof Zoo die Zugbegleiterin angerempelt hatte, sich "seiner anschließenden Festnahme" durch zwei Polizeibeamte widersetzte. Damit hat das Amtsgericht die Diensthandlung lediglich ihrer Art nach gekennzeichnet. Nötig sind aber auch Feststellungen zum Zweck und zur Ausführung der Diensthandlung sowie zu Begleitumständen.

Der Grund dafür ist, daß nach § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB eine Widerstandshandlung straflos bleibt, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig war. Die negative Fassung dieser Vorschrift bedeutet nicht, daß die Diensthandlung im Regelfall als rechtmäßig angesehen werden kann und eine Erörterung nur dann erforderlich ist, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, daß die Diensthandlung ausnahmsweise rechtswidrig gewesen ist. Mit der negativen Fassung der Vorschrift wollte der Gesetzgeber lediglich die Verbindung zwischen dem objektiven Merkmal der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung und dem subjektiven Merkmal des Vorsatzes lockern und spezielle Irrtumsregelungen ermöglichen, wie sie in § 113 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 StGB zu finden sind. In objektiver Hinsicht bleibt es dabei, daß die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung eine positive Strafbarkeitsvoraussetzung bildet (vgl. Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl., § 113 Rdnr. 19; Paeffgen in NK-StGB, 2. Aufl., § 113 Rdnr. 33; Arzt/Weber, Strafrecht Besonderer Teil, § 45 Rdnr. 29 ff., jeweils m. w. Nachw. auch zu dem für die Praxis bedeutungslosen Meinungsstreit über die dogmatische Einordnung des Merkmals). Die objektive Rechtmäßigkeit der Diensthandlung ist somit stets zu prüfen und erfordert entsprechende tatrichterliche Feststellungen.

Allerdings genügen bereits Feststellungen, die eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach einem strafrechtlichen Maßstab ermöglichen, welcher hinter den Anforderungen der speziellen Rechtsgrundlage zurückbleibt. Strafrechtlich hängt die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung nach gefestigter Rechtsprechung allein davon ab, ob der Vollstreckungsbeamte sachlich und örtlich zuständig gewesen ist, die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten und ein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat (vgl. BGHSt 4, 161, 163 f.; 5, 93, 94; 21, 334, 363; 24, 125, 132; BayObLG NJW 1989, 1815, 1816; OLG Celle NJW 1971, 154; KG NJW 1972, 781, 782 und NJW 1975, 887, 888; weitere Nachweise bei Küper, Strafrecht Besonderer Teil, 6. Aufl., S. 413). Zudem ist denkbar, daß gesonderte Feststellungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung entbehrlich sind, weil diese sich mit Selbstverständlichkeit aus Darlegungen zum Verhalten des Beschuldigten ergibt, das der Widerstandshandlung voranging.

Auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen lassen im vorliegenden Fall die amtsgerichtlichen Feststellungen jedoch nicht hinreichend klar die Rechtmäßigkeit der Diensthandlung erkennen. Das beruht wesentlich darauf, daß sich bereits kein eindeutiger Bezug zu einer bestimmten Rechtsgrundlage herstellen läßt. Es kommen vielmehr mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht. Die Festnahme könnte einmal in Wahrnehmung des Rechts zur vorläufigen Festnahme nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO erfolgt sein, das voraussetzt, daß jemand auf frischer Tat betroffen wird und Fluchtgefahr besteht oder die Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Anlaß zu einer Festnahme nach dieser Vorschrift könnte hier gegeben haben, daß der Angeklagte zuvor ein öffentliches Verkehrsmittel ohne Fahrschein benutzt und die Zugbegleiterin körperlich attackiert hatte. Sofern die Festnahme die Identitätsfeststellung bezweckte, waren von den Polizeibeamten nach § 127 Abs. 1 Satz 2 StPO die zusätzlichen Anforderungen zu beachten, die sich aus § 163 b StPO ergeben. Dazu gehört auf Grund des Verweises in § 163 b Abs. 1 Satz 2 StPO auf § 163 a Abs. 4 Satz 1 StPO das Erfordernis, dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Denkbar ist ferner, daß dem angetrunkenen Angeklagten eine Blutprobe entnommen werden sollte; die dafür maßgebliche Rechtsgrundlage in § 81 a Abs. 1 Satz 2 StPO erstreckt sich auch auf die Vorbereitung des Eingriffs durch eine vorläufige Festnahme (vgl. Meyer-Goßner, § 81 a StPO Rdnr. 29). Weiterhin könnte die Festnahme zum Zweck der Gefahrenabwehr erfolgt sein, weil weitere Angriffe auf die Zugbegleiterin oder ein sonstiges die öffentliche Sicherheit oder Ordnung störendes Verhalten des Beschuldigten befürchtet wurden. In diesem Zusammenhang ermöglicht das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Landes Berlin (ASOG) - unter zusätzlichen Voraussetzungen - polizeiliche Festnahmeaktionen. Sie können etwa der Identitätsfeststellung dienen (§ 21 Abs. 3 Satz 2 und 3 ASOG) oder darauf zielen, den Betroffenen in Gewahrsam zu nehmen (§ 30 ASOG).

Zwar waren die Polizeibeamten nach allen diesen Vorschriften sachlich und örtlich zuständig. Ob sie jedoch die wesentlichen Förmlichkeiten eingehalten haben, hängt je nach Rechtgrundlage von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Ferner ist nicht erkennbar, ob die Beamten ihr Ermessen - auch hinsichtlich der Beurteilung der Sachlage - pflichtgemäß ausgeübt haben, weil sich die Eingriffsvoraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, wie dargelegt, deutlich unterscheiden.

Da das Landgericht diesen Mangel unbeachtet gelassen und daher rechtsfehlerhaft eine Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung angenommen hat, muss das Urteil im Hinblick auf den Tatvorwurf des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und die damit verbundene Rechtsfolgenentscheidung aufgehoben werden. Davon werden auch die mit der Widerstandshandlung tateinheitlich begangenen Taten der versuchten Körperverletzung und der Beleidigung erfaßt (vgl. Meyer-Goßner, § 318 StPO Rdnr. 13; Ruß in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Aufl., § 318 Rdnr. 6). Ferner sind der Gesamtstrafenausspruch und die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung betroffen; sie müssen ebenfalls aufgehoben werden.

b) Auch der Schuldspruch wegen vollendeter Körperverletzung entbehrt einer Grundlage, wie sie für eine gesonderte Rechtsfolgenentscheidung erforderlich ist, und kann daher gleichfalls einschließlich der dazu ergangenen Rechtsfolgenentscheidung keinen Bestand haben. Die insoweit getroffenen Feststellungen geben nicht zu erkennen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen einer körperlichen Mißhandlung nach § 223 Abs. 1 StGB erfüllt sind. Von diesem Merkmal werden Handlungen erfaßt, die in einer üblen und unangemessenen Behandlung bestehen, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird (vgl. BGHSt 25, 277, 278; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 223 Rdnr. 3 a). Zwar behandelte der Angeklagte die Zugbegleiterin übel und unangemessen, als er sie anrempelte. Zu den Folgen hat das Amtsgericht aber nur festgestellt, daß die Zugbegleiterin "Schmerzen in der rechten Schulter" erlitt. Dadurch ist noch nicht belegt, daß ein mehr als nur unerheblicher Verletzungserfolg eingetreten ist. Vielmehr bedarf es näherer Angaben zur Intensität der Schmerzen. Denn Schmerzen schwächerer Art eignen sich nicht als Begründung für ein Überschreiten der Erheblichkeitsschwelle. Das zeigen Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen eine Körperverletzung mangels Erheblichkeit abgelehnt wurde, obwohl schmerzhafte Folgen ausdrücklich festgestellt wurden oder den Umständen nach anzunehmen ist, daß sie eingetreten sind (vgl. BGH StV 2001, 680 [Schlag auf den Brustkorb]; OLG Düsseldorf, NJW 1991, 2918 [Tritt in die Seite einer am Boden liegenden Person]; OLG Köln StV 1985, 17 [Schlag oder Stoß gegen den Oberkörper]; vgl. auch KG, Beschluß vom 8. September 2004 - [5] 1 Ss 104/04 [15/04] - , sowie die Übersicht bei Lilie in LK, StGB 11. Aufl., § 223 Rdnr. 9).

c) Hinsichtlich der Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen ist das Landgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen. Die daraufhin getroffene Entscheidung über die Rechtsfolgen ist frei von Rechtsfehlern, wie die durch die Sachrüge veranlaßte Überprüfung ergeben hat. Die Revision hat also insofern keinen Erfolg.

Entgegen dem Revisionsvorbringen ist es nicht zu beanstanden, daß im Rahmen der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten der Umstand berücksichtigt worden ist, daß er es ablehnt, sich zur Bekämpfung seiner Alkoholprobleme einer Therapie zu unterziehen. Zutreffend hat die Kammer in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß in Fällen der Alkoholsucht das Erreichen des Zustandes der Abstinenz noch keine dauerhafte Heilung verbürgt und daß zur Vermeidung eines Rückfalls therapeutische Maßnahmen geboten sind. Da der Angeklagte schon vielfach unter Alkoholeinfluß Straftaten begangen hat, kann von ihm verlangt werden, daß er sich zum Schutz anderer einer Therapie unterzieht.

Ohne Grund beanstandet der Revisionsführer ferner, daß sein Geständnis nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Die Kammer hat ausdrücklich als strafmildernd bewertet, daß der Angeklagte ein Geständnis abgelegt und sein Verhalten bedauert hat. Die Bestimmung des Umfangs der Strafmilderung ist grundsätzlich dem Tatgericht überlassen. Die revisionsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Strafmilderung unvertretbar gering ausgefallen ist. Das ist hier nicht der Fall.

3. Die für die neue Verhandlung und Entscheidung zuständige Strafkammer sollte die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß die tateinheitlich mit der Widerstandshandlung verwirklichte versuchte Körperverletzung den straferschwerenden Anforderungen einer lebensgefährdenden Behandlung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB genügt. Nach ständiger Rechtsprechung reicht dafür eine objektive Eignung der Behandlung zur Lebensgefährdung aus; eine konkrete Lebensgefahr braucht nicht eingetreten zu sein (vgl. BGHSt 2, 160, 163; 36, 1, 9; Lackner/Kühl StGB, 25. Aufl., § 224 Rdnr. 8). Den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils ist insoweit zu entnehmen, daß der Angeklagte, als er von den Polizeibeamten zu einem Treppenabsatz geführt wurde, dort mit beiden Beinen in die Luft sprang und sich auf die Treppe fallen ließ, um die Beamten die Treppe hinabzustürzen. Für eine Eignung der von dem Angeklagten geplanten und auch ansatzweise verwirklichten Handlung, die Beamten in Lebensgefahr zu bringen, würde es sprechen, wenn die Treppe aus vielen Stufen bestand und die Beamten keine Möglichkeit hatten, den Sturz abzumildern. Zwar mag fraglich sein, ob der Angeklagte mit entsprechendem Vorsatz handelte, weil er sich selbst in Gefahr brachte. Es ist aber auch zu bedenken, daß die Rechtsprechung für den Vorsatz die Kenntnis der gefahrbegründenden Umstände genügen lässt und eine Bewertung als lebensgefährdend nicht voraussetzt (vgl. BGHSt 19, 352, 353; 36, 1, 15; Tröndle/Fischer, § 224 StPO Rdnr. 13) und daß der Angeklagte - auch auf Grund der Alkoholbeeinflussung - bereit gewesen sein könnte, die Selbstgefährdung hinzunehmen.

Ende der Entscheidung

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