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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: (5 (A)) 4 AR 116/01 (2/07)
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 138 a | |
StPO § 138 c | |
StPO § 138 d |
KAMMERGERICHT Beschluss
Geschäftsnummer: (5 (A)) 4 AR 116/01 (2/07)
In der Strafsache
wegen Bestechlichkeit
hat der 5. (A) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 4. Juli 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Vorlage des Landgerichts Berlin vom 4. April 2007 betreffend die Ausschließung des Rechtsanwalts ... F..., ... B-----, ... Straße , von der Mitwirkung in dem Verfahren als Verteidiger des Angeklagten wird als unzulässig verworfen.
Gründe:
Der Angeklagte ist leitender Direktor einer Abteilung des ...-K...-Instituts. Mit der am 1. Juni 2005 vor dem Amtsgericht Tiergarten - Strafrichter - wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit erhobenen Anklage wird ihm zur Last gelegt, am 26. Januar 1999 von der Zeugin Dr. G... 10.000,-- DM Bestechungsgeld in bar angenommen und zwei Tage später auf sein eigenes Konto eingezahlt zu haben. Wegen der Einzelheiten und des Hintergrundes des Vorwurfs verweist der Senat auf die Anklageschrift vom 17. Mai 2005. Mit Beschluss vom 15. September 2005 wurde die Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Amtsgericht Tiergarten in Berlin - Strafrichter - zur Hauptverhandlung zugelassen. Nach Durchführung der Hauptverhandlung verurteilte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin den Angeklagten wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein. Die Staatsanwaltschaft legte ebenfalls form- und fristgerecht Berufung ein und beschränkte diese auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Verfahren ist seit dem 8. Mai 2006 bei dem Landgericht Berlin anhängig. Die Berufungshauptverhandlung hat noch nicht stattgefunden.
Der Angeklagte wird im vorliegenden Verfahren seit dem Jahre 2001 durch den von ihm gewählten Rechtsanwalt ... F... verteidigt, der ihn auch langjährig in zahlreichen Zivilrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit seinen beruflichen Tätigkeiten vertreten hat. Das Landgericht hat auf der Grundlage des Antrags der Staatsanwaltschaft Berlin vom 27. März 2007 durch Beschluß vom 4. April 2007 die Akten dem Senat nach § 138 c Abs. 2 Satz 2 StPO mit dem Antrag vorgelegt, den Verteidiger von der Mitwirkung in dem Verfahren auszuschließen, weil er eine Handlung begangen habe, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Strafvereitelung wäre (§ 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO). Die Vorlage erweist sich als unzulässig.
1. Der Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 4. April 2007 genügt im Ergebnis nicht den Anforderungen, die nach der obergerichtlichen Rechtsprechung an einen solchen Antrag zu stellen sind (vgl. KG, Beschlüsse vom 14. Juli 2003 - 4 ARs 50/03 - und vom 25. Juli 2001 - 4 ARs 73/01 - mit weit. Nachw.). Danach müssen mit der Vorlage diejenigen objektiven und subjektiven Tatsachen substantiiert dargelegt werden, die im Falle ihres Nachweises den gegen den Verteidiger erhobenen Verdacht einer nach § 138 a Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Ausschließung führenden Handlung stützen. Daran fehlt es hier.
Das Landgericht hat - unter Übernahme des Antrages der Staatsanwaltschaft - seinen Vorlagebeschluss damit begründet, es bestehe gegen den Verteidiger der dringende Verdacht der versuchten Strafvereitelung. Am 7. März 2007 hat die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Verteidiger beim Amtsgericht Tiergarten - Strafrichter - Anklage wegen des Vorwurfs der versuchten Strafvereitelung erhoben. Das Hauptverfahren ist noch nicht eröffnet.
2. Der dringende Verdacht der versuchten Strafvereitelung wird in dem Antrag der Staatsanwaltschaft, auf den das Landgericht Bezug genommen hat, wie folgt begründet: Rechtsanwalt F... habe dem (von ihm benannten) Zeugen Prof. Dr. M... auf dessen Anruf hin und dessen Frage, warum er als Zeuge zu der Verhandlung vor dem Amtsgericht Tiergarten geladen sei, in einem Telefongespräch im November 2005 mitgeteilt, dieser habe seinem Mandanten, dem Angeklagten Prof. Dr. T..., ein Darlehen in Höhe von 15.000,-- DM in zwei Teilbeträgen (in Höhe von 10.000,-- DM und in Höhe von 5.000,-- DM) zur Verfügung gestellt, obwohl er gewusst habe, dass diese Angaben zu den Darlehensmodalitäten falsch seien. Rechtsanwalt F... sei dabei sowohl bekannt gewesen, dass der Zeuge seinem Mandanten das Darlehen tatsächlich in einer Summe überwiesen habe als auch, dass der Zeuge selbst keine eigenen Erinnerungen an den Sachverhalt gehabt habe. Rechtsanwalt F... Verhalten habe dazu dienen sollen, dass das Amtsgericht die Bareinzahlung, die der Angeklagte T... am 28. Januar 1999 in Höhe von 10.000,-- DM auf sein Konto bei der B... Bank ... vornahm, nicht als die Weiterleitung der am 26. Januar 1999 von Frau Dr. G... erhaltenen 10.000,-- DM (deren Erhalt der Angeklagte Prof. Dr. T... bestritten hatte), sondern als Teil des vom Zeugen Prof. Dr. M... gewährten Darlehens bewertet und den Angeklagten Prof. Dr. T... von dem Vorwurf der Bestechlichkeit freispricht. Diese Begründung des Vorlagebeschlusses rechtfertigt einen Ausschluss des Verteidigers nicht.
a) Zwar erfüllt der Antrag die Vorlagevoraussetzungen in formaler Hinsicht in der Weise, als er die geschlossene Darstellung bietet, die es dem Senat ermöglicht, den zur Beurteilung erforderlichen Sachverhalt ausschließlich aus ihm heraus und ohne Einsicht in die Sachakten zu beurteilen (vgl. OLG Jena NStZ 2005, 49 mit abl. Anm. Freye; OLG Hamm NStZ-RR 1999, 50; OLG Karlsruhe NJW 1975, 943, 944; KG NJW 2006, 1537; Senat, Beschluß vom 2. April 2007 - (5 (A)) 2 AR 53/07 (1/07) -; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 138c Rdn. 9 mit weit. Nachw.). Es ist auch richtig, dass ein Verteidiger bereits dann von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen ist, wenn er zumindest hinreichend verdächtig ist (vgl. BGHSt 36, 133), zugunsten seines Mandanten eine Strafvereitelung versucht zu haben (vgl. Meyer-Goßner, § 138 a StPO Rdn. 11 mit weit. Nachw.).
b) Ein Antrag auf Ausschließung des Verteidigers ist aber auch dann als unzulässig zu verwerfen, wenn aus dem vollständig (siehe oben a) mitgeteilten Sachverhalt die Bewertung folgt, daß eine mündliche Verhandlung aus Rechtsgründen ohnehin nicht zu einer Ausschließung führen kann. Denn diese dient den Interessen des Verteidigers, der gegen seine Ausschließung kämpft, weil sie ihm eher als das schriftliche Verfahren Gelegenheit gibt, seine Sicht der Dinge darzulegen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1975, 943, 945; Meyer-Goßner, § 138d StPO Rdn. 1; Laufhütte in KK-StPO 5. Aufl., § 138d Rdn. 1; jew. mit weit. Nachw.). Ohne sachliche Notwendigkeit soll der Verteidiger jedoch nicht mit einer absehbar entbehrlichen mündlichen Verhandlung belastet werden (vgl. OLG Karlsruhe aaO). So liegt es hier.
Bei der Bewertung des Tatverdachts sind strenge Maßstäbe anzulegen. Denn eine Ausschließung greift nicht nur tief in die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts ein. Sie beraubt den Angeklagten auch seines langjährig tätigen, als einzigem Rechtskundigen mit der Sache und ihren zivilrechtlichen Zusammenhängen Vertrauten und schafft somit ein Ungleichgewicht zugunsten der Strafverfolgungsbehörden gegenüber dem Angeklagten, das - mit umgekehrten Vorzeichen - jenem ähnelt, das entsteht, wenn es in einer komplizierten Hauptverhandlung der Verteidigung gelingt, den einzigen sachkundigen Anklagevertreter ablösen zu lassen.
3. Die in dem Antrag angeführten Tatsachen belegen inhaltlich keinen hinreichenden oder gar dringenden Tatverdacht, der Verteidiger habe sich der versuchten Strafvereitelung strafbar gemacht. Strafverteidigung ist ihrer Natur nach auf den Schutz des Beschuldigten vor Bestrafung ausgerichtet (vgl. BGHSt 29, 99, 102). Tatbestandsmäßig sind allein solche Handlungen, die dazu dienen, den Beschuldigten mit unlauteren Mitteln der Bestrafung zu entziehen und auch mit dieser Zielrichtung vorgenommen werden (vgl. KG NStZ 1988, 178, 179). Es muss dem Rechtsanwalt also darauf ankommen, die Verhängung einer Strafe mindestens zum Teil mit Mitteln zu vereiteln, die anzuwenden ihm verboten sind (vgl. Ruß in LK-StGB 11. Aufl., § 258 Rdn. 21). Objektive Tatsachen, aus denen sich eine solche Zielrichtung des Verteidigers herleiten lässt, lassen sich dem Vorlagebeschluss in Verbindung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht entnehmen.
a) Eine zentrale Frage für die Beurteilung, ob sich der Angeklagte Prof. Dr. T... im Sinne der Anklage wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht hat, ist es, ob das Gericht der Zeugin Dr. G... folgt, sie habe dem Angeklagten 10.000,-- DM Bestechungsgeld übergeben. Der Angeklagte hat das bestritten. Die Zeugin habe die vorherige unrechtmäßige Entnahme dieses Betrages aus den Mitteln eines gemeinsam geführten Unternehmens mit dieser Behauptung zu rechtfertigen versucht, was bereits Gegenstand eines für jenes Unternehmen (und damit auch für ihn) obsiegenden Urteils des Landgerichts Berlin gewesen sei. Der Verteidiger hat in diesem Zusammenhang bereits auf den auffälligen Umstand hingewiesen, daß die Zeugin trotz des in ihrer Bekundung liegenden Eingeständnisses, sich selbst (spiegelbildlich) wegen Bestechung strafbar gemacht zu haben, nie von der Staatsanwaltschaft verfolgt worden sei. Jedenfalls läßt sich der Angeklagte dahin ein, er habe am 28. Januar 1999 einen Teilbetrag von 10.000,-- DM aus einem Darlehen von insgesamt 15.000,-- DM des Zeugen Prof. Dr. M..., das für eine Wohnungsrenovierung gedacht gewesen sei, auf sein Konto eingezahlt.
b) Davon daß der Zeuge dem Angeklagten tatsächlich 15.000,-- DM geliehen hatte, (so daß Prof. Dr. T... am 28. Januar 1999 in der Lage gewesen wäre, einen Teilbetrag von 10.000,-- DM einzuzahlen), geht auch der dem Senat vorliegende Antrag aus. Ferner wird auch nicht behauptet, der Verteidiger habe den Zeugen gegenüber dem Amtsgericht bereits mit dem Vorsatz der Strafvereitelung benannt (vgl. Ruß aaO Rdn. 20b) oder jenen von sich aus angerufen, um ihn zu einer bestimmten Aussage zu veranlassen. Sondern es wird dort bestätigt, daß es der Zeuge Prof. Dr. M... war, der den Rechtsanwalt anrief, um Näheres über den Verfahrensgegenstand herauszufinden. Denn einerseits hatte er wegen persönlicher Differenzen mit dem Angeklagten etwa zwei Jahre lang nicht mehr mit ihm gesprochen, andererseits hatte er ihm in der - mehrere Jahre zurückliegenden - Vergangenheit mehrfach Darlehen gewährt.
c) Unter diesen Voraussetzungen bedürfte es starker Beweisanzeichen, um das Vorbringen des Rechtsanwalts F..., vor allem seine Schilderung der näheren Umstände, wie es binnen weniger Minuten zu der fehlerhaften Auskunft gegenüber dem Zeugen Prof. M... gekommen sei, zu widerlegen. Die Einlassung des Rechtsanwalts, er habe auf den Anruf des Zeugen hin ohne Rückversicherung in den ihm vorliegenden Akten möglicherweise - aufgrund einer kürzlichen Rücksprache mit dem Angeklagten - eine unrichtige Auskunft über die Einzelheiten der - unbestrittenen - Geldzahlung gegeben, ohne dass damit eine Beeinflussung des Zeugen beabsichtigt gewesen sei, ist plausibel und wird durch die dem entgegen gesetzten Erwägungen in dem Vorlagebeschluss nicht entkräftet. Der hinreichende Verdacht der Strafvereitelung lässt sich nicht durch die Bewertung begründen, "die Einlassung des Rechtsanwalts F... zum Vorsatz überzeugt nicht. Zum einen hatte er aufgrund seiner Akteneinsicht in die Verfahrensakten und -bestandteile in dem Verfahren 2 Wi Js 178/01 gegen T..., insbesondere in das Beistück 5, positive Kenntnis davon, dass das von dem Zeugen M... gewährte Darlehen in Höhe von 15.000,-- DM bereits am 2. Oktober 1998 in einer Summe an seinen Mandanten T... überwiesen worden war".
Denn das Antragsvorbringen berücksichtigt in diesem Zusammenhang nicht, was nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus plausibel ist, dass sich ein Verteidiger - wie jedermann - im Rahmen einer ihn unvorbereitet erreichenden telefonischen Anfrage in einem umfangreichen Strafverfahren nicht spontan an alle aktenkundigen Einzelheiten eines Zahlungsvorgangs erinnern kann, zumal wenn es für seine Verteidigungsstrategie auf diese Einzelheiten nicht ankommt. Außerdem spricht der Umstand, daß die Auszahlung des Darlehens im Wege einer am 2. Oktober 1998 vorgenommenen einheitlichen Überweisung von 15.000,-- DM zu jeder Zeit seit dem Auswertungsbericht der KOK'in R... vom 19. April 2002 (Bl. 18 Antragsschrift) aktenkundig war, gerade gegen einen tauglichen Plan des Rechtsanwalts, den Zeugen zu einer Falschaussage anzustiften (§ 159 StGB) oder zu verleiten (§ 160 StGB) und auf diese Weise die Bestrafung seines Mandanten unlauter zu vereiteln. Denn ein solcher Plan hatte von vornherein keine Aussicht auf Erfolg, weil dem Amtsgericht dieselben Akten zur Verfügung standen wie dem Verteidiger.
Nach alledem ist der Verdacht der versuchten Strafvereitelung gegen den Verteidiger nicht hinreichend. Die Vorlage ist daher, ohne dass es einer mündlichen Verhandlung nach § 138 d Abs. 1 StPO bedurfte, als unzulässig zu verwerfen.
Ende der Entscheidung
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