Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.06.2005
Aktenzeichen: 1 AR 244/05 - 5 Ws 105/05
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 AR 244/05 - 5 Ws 105/05

In der Strafsache gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 1. Juni 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 26. Januar 2005 aufgehoben.

Der Antrag des Verurteilten, die weitere Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2000 zur Bewährung auszusetzen, wird abgelehnt.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Der Verurteilte verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, die das Landgericht Berlin am 30. Oktober 2000 gegen ihn wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen verhängt hat.

Der Verurteilte war über seinen drogensüchtigen Sohn mit dem Mitverurteilten L... in Kontakt gekommen. In der Folgezeit besorgte der Verurteilte, der Kontakte in die Niederlande hatte, von dort in der Absicht Gewinn zu erzielen, für L... Drogen und verkaufte sie gewinnbringend an ihn; es kam zu einer regelrechten Geschäftsbeziehung. Im März 1997 verkaufte der Verurteilte ihm 200 Gramm Amphetamin und ein Kilogramm Marihuana und im April 1997 ein Kilogramm Amphetamin. Im Januar 2000 lieferte der Verurteilte fünf Kilogramm Haschisch (etwa 1,8 Kilogramm davon wurden später sichergestellt) und im selben Monat 8729,2 Gramm Amphetamin, das bei L... sichergestellt wurde, als er die von B... für den Drogenhandel genutzte Wohnung verließ.

Zwei Drittel der Strafe waren am 28. Mai 2004 verbüßt; das Strafende ist auf den 28. Juli 2006 notiert.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Reststrafe ab dem 10. Februar 2005 zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeit auf vier Jahre bestimmt und den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

Die beantragte Strafaussetzung muß abgelehnt werden, weil sie unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit noch nicht verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Die Abwägung der für und gegen den Verurteilten sprechenden Umstände ergibt, daß es an einer tragfähigen Grundlage für eine günstige Legalprognose fehlt. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer war, da sie diesen Umstand an erster Stelle nennt, daß der Verurteilte Erstverbüßer ist. Dieser Tatsache kommt aber hier nicht die Bedeutung zu, die die Kammer ihr beigemessen hat.

1. Für einen Erstverbüßer wie den Verurteilten spricht zwar grundsätzlich die Vermutung, daß die erste Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ihn ausreichend beeindruckt und in Zukunft von weiteren Straftaten abhält (vgl. KG ZfStrVo 1996, 245 = NStZ-RR 1997, 27 und Beschluß vom 17. Mai 2004 - 5 Ws 165/04 -). Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung, wenn der Verurteilte mit Betäubungsmitteln gehandelt hat. Der Beschwerdeführer hat in mehreren Fällen mit großen Mengen Haschisch, Marihuana und Amphetamin Handel getrieben und sich damit als besonders gefährlich erwiesen. Die Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Täters verstößt nicht gegen den Grundsatz, daß es dem Vollstreckungsgericht versagt ist, in die allein an spezialpräventiven Gesichtspunkten ausgerichtete Prognoseentscheidung (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) die Schwere der Schuld des Täters einzubeziehen (vgl. BVerfG NStZ 1994, 53). Die Gefährlichkeit des Täters ist nicht schuldbezogen, sondern Teil seiner Persönlichkeit, der gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 StGB ein bedeutendes Gewicht für die Aussetzungsentscheidung zukommt (vgl. KG, Beschlüsse vom 11. August 2004 - 5 Ws 350-351/04 - und 8. September 2004 - 5 Ws 414-416/04 -). Mit der Gefährlichkeit des Täters steigt entsprechend das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und erhöht sich die Verantwortung, die der Senat mit einer günstigen Prognose übernimmt (vgl. BVerfG StV 1992, 25, 26; VerfGH Bln, Beschluß vom 17. Dezember 1997 - VerfGH 75/97 -; KG aaO und Beschluß vom 14. Juni 2002 - 5 Ws 271-272/04 -). Angesichts der schwerwiegenden Gefährdung, die der Drogenhandel für das Leben und die Gesundheit Dritter mit sich bringt, wiegt die Verantwortung hier besonders schwer.

Eine Reststrafenaussetzung käme danach nur in Betracht, wenn erprobt und durch Tatsachen, die sich nicht nur auf äußere Umstände beziehen dürfen (vgl. KG, Beschluß vom 8. September 2004 - 5 Ws 414-416/04 -), belegt wäre, daß die charakterlichen Mängel und sonstigen Ursachen, die zu den Straftaten geführt haben, soweit behoben sind, daß die Rückfallgefahr nur noch sehr gering ist (vgl. KG, aaO und Beschluß vom 18. Februar 2002 - 5 Ws 31/02 -). Der Verurteilte müßte die Fähigkeit erlangt haben, in Freiheit ohne die Einschränkung und Kontrollen der Haft Tatanreizen zu widerstehen (vgl. KG NStZ-RR 2000, 170 und Beschluß vom 1. Juni 2004 - 5 Ws 267/04 -). Weder der bloße Wille, sich künftig straffrei zu führen, noch beanstandungsfreies Vollzugsverhalten allein reichen dafür aus (vgl. KG aaO und ZfStrVo 1996, 245). Denn aus letzterem folgt im allgemeinen nur, daß der Gefangene sich unter den strengen Regeln des Vollzuges beanstandungsfrei verhalten kann. Für seine Führung in Freiheit lassen sich daraus keine tragfähigen Schlüsse ziehen (vgl. KG aaO). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NStZ 2000, 109, 110), daß bei langdauerndem Vollzug das Vollzugsverhalten zunehmend an Bedeutung gewinnt, besagt nichts anderes. Sie gebietet eine eingehendere Befassung mit der persönlichen Entwicklung, die der Gefangene im Vollzug durchlaufen hat. Eine günstige Prognose folgt aus dem Verhalten aber nur, wenn es tatsächlich Ausdruck eines Wandlungsprozesses ist und nicht nur die Fähigkeit zur taktischen Anpassung dokumentiert (vgl. Kröber NStZ 2000, 613, 614, Anm. zu BVerfG aaO). Maßgeblich ist jedenfalls eine günstige Entwicklung während des Vollzuges, die von besonderem Gewicht sein muß. Dazu zählt etwa die Beseitigung von Defiziten im Sozialverhalten, vor allem aber die Behebung von tatursächlichen Persönlichkeitsmängeln, wie sie bei dem Beschwerdeführer deutlich zu Tage getreten sind, in dem er ungeachtet der Drogensucht seines Sohnes aus unlauterem Gewinnstreben mit Betäubungsmitteln in erheblichem Umfang gehandelt hat.

Vor allem ist die aktive Auseinandersetzung mit den Taten erforderlich. Der Verurteilte muß sich in einem Erkenntnisprozeß tunlichst mit fachkundiger Hilfe erarbeiten, welche Charakterschwächen ihn zu seinem Versagen geführt haben und er muß Tatsachen schaffen, die es überwiegend wahrscheinlich machen, daß er die Charaktermängel weitestgehend behoben hat. Von einer Aufarbeitung der Taten in dem geschilderten Sinne kann nur gesprochen werden, wenn der Täter sie als Fehlverhalten verarbeitet und sie sich in ihrer konkreten Bedeutung und ihren Folgen so bewußt gemacht hat, daß eine Wiederholung dieses oder eines anderen Gesetzesverstoßes wenig wahrscheinlich ist (KG, Beschlüsse vom 28. April 2004 - 5 Ws 194/04 - und 11. Februar 2002 - 5 Ws 55/02 -). Solche Tatsachen müssen feststehen. Sie dürfen nicht lediglich unterstellt werden. Auf die Gründe, warum der Beschwerdeführer solche Tatsachen nicht schaffen konnte, kommt es nicht an (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 311; KG ZfStrVo 1996, 245; zu den vorstehenden Grundsätzen insgesamt vgl. Beschlüsse des Senats vom 11. August 2004 - 5 Ws 350-351/04 - und 14. April 2004 - 5 Ws 149/04 -; std. Rspr.).

2. Diesen Anforderungen genügt der Beschwerdeführer nicht.

a) Was die erforderliche aktive und erfolgreiche Auseinandersetzung mit seinen gravierenden Taten und die Behebung der dafür ursächlichen Charaktermängel, hier der ohne finanzielle Not von rücksichtslosem Gewinnstreben getragene Handel mit Drogen, neben Haschisch und Marihuana auch mit großen Mengen Amphetamin, das - wie das Urteil zu Recht feststellt - zu den eher gefährlichen Rauschgiften zu zählen ist, weiß die Vollzugsanstalt nichts Konkretes zu berichten. Sie führt nur aus, eine kritische Auseinandersetzung mit seiner Straftat und das spürbare Empfinden der ersten Inhaftierung seien erkennbar geworden (Stellungnahme vom 28. April 2004), was wenig besagt. An anderer Stelle wird nur ganz pauschal bemerkt, den Stellungnahmen bisher zuständiger Sozialdienste sei zu entnehmen gewesen, der Beschwerdeführer habe sich mit seiner Straftat auseinandergesetzt, die Sozialschädlichkeit erkannt und seine Handlungen bereut. Von der überaus wohlwollenden Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt vom 28. April 2004 war der Verurteilte wohl selbst überrascht, denn er kommentiert sie ausweislich des Sachverständigengutachtens (im folgenden: SVG) des Arztes für Neurologie und Psychiatrie R... vom 14. September 2004 mit den Worten: "Donnerwetter, der war o.k."; der Gruppenleiter habe ihm eine sehr gute Befürwortung (der Reststrafenaussetzung) gegeben (SVG S. 8). Welche Bemühungen konkret der Beschwerdeführer unternommen hat, ob er sich an Einzel- oder Gruppengesprächen unter fachkundiger Leitung beteiligt oder sonstige Hilfsangebote wahrgenommen hat, geht daraus nicht hervor. Daß er sich auch in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, wohin er am 23. Dezember 2002 verlegt worden war, sehr offen und mitteilsam gezeigt hat, besagt dazu ebenfalls nichts. Denn die Anstalt führt weiter nur aus, der Beschwerdeführer habe den für ihn zuständigen Mitarbeiter stets bezüglich seiner aktuellen Lebenssituation auf dem neuesten Stand gehalten. Hinsichtlich von Äußerungen zur Straftat im Aufnahmegespräch wird nur ausgeführt, der Beschwerdeführer habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er nur in vier der 26 im Urteil aufgeführten Fälle beteiligt gewesen sei und nie mit Kokain oder Heroin gehandelt habe. Von einer Aufarbeitung und Behebung tatursächlicher Charaktermängel zeugt auch nicht, daß er einräumte, Gewinnaussichten seien das Motiv seiner Deliktsbereitschaft gewesen, ohne daß ein akuter finanzieller Engpaß vorgelegen habe. All das ist nur die Darstellung von Umständen, die sich auch aus den mit seltener Nachlässigkeit und Ungenauigkeit gefaßten - und deshalb auch von der Strafvollstreckungskammer zu Recht kritisierten - Gründen des Urteils vom 30. Oktober 2000 entnehmen lassen. Dort wird allerdings nicht festgestellt, daß nach Angaben des zuerst geständigen Mitverurteilten L..., die die Kammer geprüft, die sie für richtig erachtet hat und denen sie gefolgt ist, ihm auch Kokain (nach der Anklage und dem Urteil geht es um eine Menge von 1,2 Kilogramm) von dem Beschwerdeführer geliefert worden ist.

Bezüglich dieser Kokainlieferungen (in den Fällen II. 1. und 2. der Anklage = Fälle 15 und 16 des Urteils) hat die Strafkammer aus nicht nachvollziehbaren Gründen betreffend den Verurteilten B... das Verfahren abgetrennt und die Verfolgung (nach § 154 a Abs. 2 StPO) auf den Handel mit den übrigen Drogen beschränkt. Die Strafvollstreckungskammer meint indes zu Recht, dem Verurteilten könne kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er diesen Umstand nutzt und das Handeltreiben mit Kokain auch dem Sachverständigen gegenüber in Abrede gestellt hat.

b) Von erfolgreicher Auseinandersetzung mit seinen Taten und nachhaltiger Behebung tatursächlicher Charaktermängel berichtet auch das von der Strafkammer eingeholte Gutachten vom 14. September 2004 nichts. Es macht im Gegenteil deutlich, daß der Beschwerdeführer seine Taten verharmlost, sich als im Drogenhandel unbedarft und nicht sich, sondern nur den Mitverurteilten L... als Drogenhändler sieht, sich selbst hingegen eher als dessen Opfer. So erklärte der Verurteilte, er habe L..., von dem er nicht gewußt habe, daß er Drogenhändler gewesen sei, ein paarmal "im Grammbereich Kraut (wohl Marihuana) und Hasch" mitgebracht (SVG S. 16). Erst vor seiner Festnahme (am 29. Januar 2000) habe er ihm einmal fünf Kilogramm Gras (Fall 25 des Urteils: fünf Kilogramm Haschisch) und danach 10 Kilogramm (laut Urteil: 8,72 Kilogramm) Amphetamine mitgebracht (SVG S. 21). Der Gutachter (SVG S. 23) erkennt darin zu Recht das Fehlen der Auseinandersetzung mit den Taten und den Versuch, das Handeltreiben mit erheblichen Mengen als "Ausrutscher" kurz vor seiner Verhaftung erscheinen zu lassen. Das Urteil weist dagegen aus, daß der Beschwerdeführer bereits im März 1997 200 Gramm Amphetamine und ein Kilogramm Marihuana aus den Niederlanden eingeführt und an L... verkauft hatte und im April 1997 erneut ein Kilogramm Amphetamine. Diese, so meinte der Verurteilte gegenüber dem Sachverständigen (SVG S. 19), könne man in jedem Coffee-Shop bekommen, während er zuvor erklärt hatte, "Speed" sei über Monate nicht zu bekommen gewesen (SVG S. 17); an Kokain sei er hingegen nicht herangekommen. Der Verurteilte erweckte gegenüber dem Sachverständigen - nachvollziehbar - den Eindruck, als habe er sich eher oberflächlich mit dem Urteil beschäftigt (SVG S. 23) und er erklärte, L..., der Freund seines Sohnes, sei ein Dealer gewesen. Auf den Vorhalt des Gutachters, nach dem Urteil sei er - der Verurteilte - Dealer von L... gewesen, entgegnete er, "da sind einige Dinge nicht so, wie es gewesen war", wenn man das Urteil so lese. Das Urteil sei zwar gerecht, aber eigentlich sei es falsch (SVG S. 17-18). Auch bedauerte der Beschwerdeführer, er sei - anders als L..., dem die Behauptung, selbst drogenabhängig zu sein, "Punkte gebracht" habe - "leider so dämlich gewesen", das nicht behauptet zu haben (SVG S. 19).

Ebenfalls zu Recht merkt der Gutachter an, die Beschreibung des Verurteilten durch die Vollzugsanstalt als sehr offen und mitteilsam, erscheine im Hinblick auf die recht selektive Offenheit eher wenig relevant, zumal er in seiner Darstellung (gegenüber dem Gutachter) eher hinter den Stand früherer Offenheit zurückgefallen sei (SVG S. 25). Der Sachverständige kommt schließlich - belegt und überzeugend - zu dem Ergebnis, eine ernsthafte und nachvollziehbare, mit einem Wandel seines Lebensstils verbundene innere Auseinandersetzung auch mit seiner Persönlichkeit und ihrer Selbstbewertung habe sich bei der Begutachtung nicht gefunden, obgleich sie auch im Bezug auf die Taten und ihre Folgen, eindrucksvoll verdeutlicht durch die Drogenabhängigkeit seines Sohnes, zu erwarten gewesen wäre (SVG S. 27).

Wenig aufrichtig zeigte sich der Beschwerdeführer auch auf nachdrückliche Fragen des Sachverständigen (SVG S. 16-18), ob und wann er gewußt habe, daß sein Sohn drogenabhängig gewesen sei. Er antwortete zunächst, sein Sohn sei später drogenabhängig gewesen und habe nur Haschisch geraucht - was er nicht als tragisch empfunden habe -, als er diesen in Berlin besucht und L... kennengelernt habe. Ab wann sein Sohn erkennbar abhängig gewesen sei, könne er nicht sagen, weil er jahrelang im Ausland gewesen sei. Auf Vorhalt erklärte er schließlich, aufgefallen sei ihm das erst, als sein Sohn - so etwa 1997-98 - in seiner (des Verurteilten) Wohnung Spritzen habe liegen lassen. Anfang 1999 habe er ihn ein zweites Mal nach Holland mitgenommen "weil er so runter war". Sein Sohn sei dann auch zur Substitutionsbehandlung bezüglich des Heroinkonsums in das Methadonprogramm aufgenommen worden. Dazu ist festzuhalten, daß der Verurteilte die letzten beiden Taten (betreffend 5 Kilogramm Haschisch und 8,792 Kilogramm Amphetamin) erst im Januar 2000 begangen hat, als er nach seinen Angaben von der Drogenabhängigkeit seines Sohnes wußte. Der Sachverständige kommt aufgrund dieser und weiterer Einzelheiten zu Recht zu dem Schluß, der Verurteilte habe mit einer erheblich geschönten Darstellung aufgewartet, sich nicht als Dealer gesehen, sondern eher als Opfer des Dealers L... (SVG S. 21). Eine eigentliche Auseinandersetzung mit den Straftaten sei nicht erkennbar (SVG S. 22). Es sei davon auszugehen, daß die Einschätzung der Justizvollzugsanstalt, der Verurteilte habe sich mit seinen Straftaten kritisch auseinandergesetzt, weitgehend einer Grundlage entbehrt (SVG S. 24-25).

c) Das Vollzugsverhalten des Beschwerdeführers war zwar auch im offenen Vollzug (seit Dezember 2002) und im Freigang (seit Februar 2004) ebenso wie in seiner Arbeit einwandfrei (Stellungnahmen der JVA vom 18. April 2004 und 6. Januar 2005). Dazu ist jedoch anzumerken, daß sich das Vollzugsverhalten des Verurteilten eher als eine gelungene Anpassung darstellt, denn als Ausdruck einer günstigen Persönlichkeitsentwicklung, wenn er (gegenüber dem Sachverständigen) ausführt, er wisse, er habe sich zu fügen; "wie man in den Wald reinschallt, so schallt es heraus" (SVG S. 7).

Der Beschwerdeführer arbeitete zunächst als Hausarbeiter in der Vollzugsanstalt und später (von März 2003 bis Januar 2004) leistete er der ARGE (Arbeitsgemeinschaft für Resozialisierung Strafgefangener der Straffälligen- und Bewährungshilfe Berlin e.V.) bei Sanierungs- und Renovierungsarbeiten (von Schulen, Kindergärten u. a.) gute Dienste. Nachdem er in der Gemeinnützigen Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft Lowtec eine befristete ABM-Stelle erhalten hatte, arbeitete er von Februar 2004 bis März 2005 als Helfer in der Holzwerkstatt so erfolgreich und auf hohem Niveau, daß er in Arbeitsgruppen mit Leitungsaufgaben betraut werden konnte, auch der des Werkstattleiters. Ein Arbeitsunfall am 12. Oktober 2004 (zwei Finger wurden abgetrennt und erfolgreich wieder angenäht), unterbrach diese Arbeit, die seit Ende März 2005 allerdings beendet ist. Nachdem auch die verlängerte ABM-Maßnahme ausgelaufen ist und der Beschwerdeführer angesichts seines Alters für die Vorbereitung für den "ersten Arbeitsmarkt" (das ist die Aufgabe der Lowtec gGmbH) nicht mehr in Frage kommt, spricht nichts für die Möglichkeit, daß er dort weiter arbeiten kann.

Die Arbeitsbereitschaft - und Fähigkeit des Beschwerdeführers in der Haftzeit besagt aber prognostisch wenig hinsichtlich einer günstigen Entwicklung im Vollzug, insbesondere der Beseitigung tatursächlicher Charaktermängel. Die Entwicklung eines soliden Arbeitsverhaltens im Vollzug kann zwar ein gewichtiges Argument für eine veränderte legale Lebensweise in Freiheit sein, dies indes nur dann, wenn früher auf diesem Gebiet Schwierigkeiten bestanden (vgl. Kröber NStZ 2000, 613, 614; Anm. zu BVerfG NStZ 2000, 109) und - hier zusätzlich von Bedeutung - der Verurteilte die Arbeit in Freiheit fortsetzen kann, die ihn in seinem Selbstwertgefühl stabilisiert und ihm eine auskommliche finanzielle Basis sichert und so die Geldbeschaffung durch Straftaten unwahrscheinlicher macht. So liegt es hier aber nicht. Sowohl die Feststellungen im Urteil wie die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem Sachverständigen (SVG S. 11-14) belegen, daß er - mit kurzen Unterbrechungen - zumeist gearbeitet hat, so auch in der Zeit der Begehung der Taten. Wie er gegenüber der Vollzugsanstalt einräumte, war nicht ein finanzieller Engpaß, sondern Gewinnstreben das Motiv für seine Deliktsbereitschaft. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer auch insoweit eine günstige Entwicklung vollzogen hätte.

d) Das ist um so bedenklicher, als er in Freiheit eine einträgliche Arbeit wohl nicht (mehr) finden wird, und er von der Mindestrente wird leben müssen, weil er nach seinen Angaben (SVG S. 20) das Geld für die Rentenkasse eingespart habe. Auch von seiner schwerkranken Freundin, die ein Imbiß betrieben hatte und später als Fleischverkäuferin tätig war (SVG S. 14-15), wegen schwerer Krankheit - nach seinen Angaben (SVG S. 20) - keinen wesentlichen Verdienst hat und berentet werden wird, kann er keinen erheblichen finanziellen Beitrag erwarten. Gegenüber der Strafvollstreckungskammer gab der Beschwerdeführer an, in den Niederlanden und in Deutschland Anspruch auf nur jeweils knapp 90 Euro Rente zu haben. Der Gutachter (SVG S. 26) sieht es deshalb zu Recht als fraglich an, ob selbst eine Arbeit mit einem monatlichen Verdienst von 700 Euro netto, wie ihn der Verurteilte bisher hatte, nach Einschätzung des Senats aber nicht mehr finden wird, ein prognostisch günstiger, weil Straftaten verhindernder Faktor wäre. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige zutreffend davon ausgeht, daß eine Auseinandersetzung mit dem Gewinnstreben nicht festzustellen ist, zumal da der Beschwerdeführer seinen Drogenhandel bagatellisiert und sich nicht als Dealer beurteilt. Der Senat sieht angesichts dieser Umstände die konkrete Gefahr, daß der Beschwerdeführer auf seine im Drogenbereich bestehenden kriminellen Verbindungen in die Niederlande zurückgreifen könnte; letzteres zieht auch die Strafvollstreckungskammer nicht in Zweifel. Anders als diese vermag der Senat die Gefahr nicht deshalb als gebannt ansehen, weil der Verurteilte durch dieses Strafverfahren erkannt habe, daß solche Taten aufgeklärt werden können und er bei einem Rückfall mit Strafverbüßung bis ins hohe Lebensalter zu rechnen habe.

e) Eine fortbestehende Bindung eines Verurteilten zur Familie oder zu einer Lebensgefährtin - wie hier nach Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Kindern und seiner langjährigen Freundin - können zwar grundsätzlich eine prognostisch günstige Wirkung haben, aber nur dann, wenn diese Beziehungen geeignet sind, ihn zu stabilisieren und von Straftaten abzuhalten. So ist es hier aber nicht. Weder seine Kinder, auch nicht sein drogenabhängiger Sohn, noch seine Lebensgefährtin, die er seit 15 Jahren kennt (SVG S. 15), vermochten den Beschwerdeführer von dem gewinnbringenden Drogenhandel abzuhalten, worauf auch der Gutachter hinweist (SVG S. 26).

f) Das Alter des Verurteilten (von jetzt 63 Jahren) kann hier nicht als prognostisch günstiger Umstand angesehen werden. Auch die Strafvollstreckungskammer führt aus, daß ihn sein hohes Alter nicht davon abgehalten habe, sich in den Drogenhandel einzulassen. Bei der Begehung der letzten beiden schwersten Taten im Januar 2000 war der Beschwerdeführer bereits 58 Jahre alt. Auf ihn trifft deshalb die kriminologische Erfahrung nicht zu, daß ab dem 30. Lebensjahr die allgemeine Kriminalitätsrate in der Regel sinkt (vgl. KG, Beschluß vom 7. März 2005 - 5 Ws 78/05 -).

g) Es mag zwar sein, daß der Verurteilte aufgrund seines Alters besonders strafempfindlich ist, was schon bei der Strafzumessung berücksichtigt worden ist. Erhöhte Strafempfindlichkeit eines Verurteilten besagt aber nur, daß er den Strafvollzug als besonders belastend empfindet. Sie sagt indessen nichts darüber aus, ob dies - worauf es allein ankommt - bei dem Verurteilten zu einer günstigen Persönlichkeitsentwicklung und einer Behebung der in seinen Taten zum Ausdruck kommenden ursächlichen Charaktermängel geführt hat (vgl. KG, Beschluß vom 28. März 2001 - 5 Ws 127/01 -). Dafür fehlt es - wie bereits ausgeführt - indes an Tatsachen.

3. Der von der Strafvollstreckungskammer gestellten günstigen Legalprognose und der - nach der Anhörung - geänderten nunmehr positiven Beurteilung des Sachverständigen liegen prognostisch relevante neue Tatsachen nicht zugrunde, und sie ist weder aufgrund des Vermerkes über die Anhörung, noch der angefochtenen Entscheidung und der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen (vom 23. April 2005) auf die Fragen des Senats (Schreiben vom 6. April 2005) für diesen nachvollziehbar.

a) Bezieht sich eine angefochtene Entscheidung auf die Würdigung auch von Ergebnissen einer Verhandlung (vgl. KG, Beschluß vom 11. November 2004 - 5 Ws 483/04 - betreffend eine Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft bei laufender Hauptverhandlung) oder - wie hier - einer Anhörung, an der der Senat nicht teilgenommen hat und über die kein Wortprotokoll zu fertigen ist, so kann das Beschwerdegericht die Bewertung der Ergebnisse zwar nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen (vgl. KG StV 2001, 689). Die angefochtene Entscheidung muß sich dann aber mit den Ergebnissen in einer Weise auseinandersetzen und diese darlegen, die dem Beschwerdegericht die Überprüfung der Plausibilität der Beurteilung ermöglicht. In welchem Umfang diese Darlegung erforderlich ist, hängt von ihrem Zweck ab, das Beschwerdegericht in die Lage zu versetzen, die Entscheidung nachzuvollziehen und ihm eine Grundlage für die Beschwerdeentscheidung zu bieten (vgl. KG, Beschluß vom 11. November 2004 - 5 Ws 483/04 -). Diesen Anforderungen genügt der Beschluß der Strafvollstreckungskammer, auch in Verbindung mit den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen, nicht.

b) Wenn die Strafvollstreckungskammer ausführt, die bei der Exploration durch den Gutachter gezeigte "reservierte Haltung des Verurteilten im Hinblick auf eine tiefere Auseinandersetzung mit den zugrundeliegenden Straftaten hat sich in der mündlichen Anhörung soweit relativiert, daß der Sachverständige seine skeptische Einschätzung zu einer positiven Beurteilung hin änderte", so ist das weder aus sich heraus plausibel, noch wird es in der weiteren Begründung durch prognoserelevante Tatsachen belegt, noch ist es aufgrund der Antwort des Sachverständigen auf die ihm gestellten Fragen nachvollziehbar.

Die Strafvollstreckungskammer führt in diesem Zusammenhang nur an, die im Gutachten ins Auge fallende mangelnde Fähigkeit des Verurteilten, seine engsten persönlichen Beziehungen mit früheren Ehepartnern und den heute erwachsenen Kindern emotionale Konturen zu verleihen, habe in der Anhörung eine eindrucksvolle Aufklärung gefunden. Der Verurteilte zeige sich unsicher und emotional kaum beteiligt bezüglich engster persönlicher Beziehungen und versuche durch Saloppheit bis fast zur Vulgarität seine tiefe Unsicherheit im Umgang mit Menschen zu überspielen und sich als unnahbar zu geben. Das mag sich zwar in der Anhörung, die sich praktisch ausschließlich mit diesem Aspekt befaßt (vgl. Anhörungsvermerk vom 26. Januar 2005), weitaus günstiger als in der Exploration durch den Gutachter dargestellt haben. Abgesehen davon, daß Tatsachen dazu weder in dem Anhörungsvermerk, noch in dem Beschluß oder den Antworten des Sachverständigen auf die Fragen des Senats genannt sind, hat dieser Aspekt aber für die Legalprognose wenig Bedeutung. Denn er belegt keine Auseinandersetzung mit den Taten, den tatursächlichen Charaktermängeln und ihre Behebung, zumal es hier nicht etwa um Gewalttaten gegen Familienangehörige geht. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten (SVG S. 20 ff) die ungünstige Prognose auch nicht damit begründet, der Beschwerdeführer habe sich über Familienmitglieder mit derber Sprache (Jargon) geäußert. Er hat nur im Rahmen des psychischen Befundes kurz angemerkt, es sei im Gespräch eine oft abschätzende Bewertung des "signifikanten anderen", zeitweiliger Lebenspartner oder Kinder aufgefallen. Bedeutung für eine erfolgreiche Tatauseinandersetzung erlangt dieser Aspekt - entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer (im Anhörungsvermerk) - auch nicht etwa deshalb, weil der Verurteilte mit Drogen in Kenntnis dessen Handel trieb, daß sein Sohn drogenabhängig war. Es ist eine Tatsache und nicht nur das Ergebnis ungeschickter Darstellung des Beschwerdeführers in der Exploration durch den Gutachter, daß er sich auch durch das warnende Beispiel seines Sohnes ohne eigene finanzielle Not von dem gewinnträchtigen Drogenhandel nicht hat abhalten lassen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß der Beschwerdeführer nur seine Unsicherheit im zwischenmenschlichen Bereich durch eine derbe Sprache (bezüglich seiner Familienangehörigen und seiner Lebensgefährtin) zu überspielen versucht haben mag. An keiner Stelle (weder in den Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt, noch in dem Anhörungsvermerk, dem schriftlichen Gutachten, dem Beschluß und den ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen) sind Tatsachen dafür erkennbar, der Beschwerdeführer habe - über die in der Anhörung bezüglich seiner Angehörigen günstiger beurteilte - Empathie auch für die potentiellen Opfer seines Drogenhandels (glaubhaft) empfunden. Selbst dahingehende Äußerungen des Verurteilten finden sich nirgends.

c) Prognostisch ist - wie bereits ausgeführt - auch von wenig Belang, daß das Auftreten des Verurteilten "schlagartig" an Sicherheit und Selbstbewußtsein gewann, wenn es um seine Arbeit und den Umgang mit Maschinen ging. Im Anhörungstermin führte der Sachverständige dazu aus, der Beschwerdeführer fühle sich im Umgang mit Maschinen und Werkzeugen sicher und könne insoweit auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen; dies zeige sich dann in einer gelassenen differenzierten Sprache. Schon dies macht deutlich, daß der Verurteilte diese Erfahrungen und das aus seiner Arbeitskompetenz gewonnene Selbstbewußtsein nicht erst im Rahmen seiner Tätigkeit während des Vollzuges gewonnen hat. Von der Begehung der Taten vermochten ihn diese positiven Erfahrungen indes nicht abzuhalten; warum dies in Zukunft anders sein soll, ist nicht erkennbar.

d) Weder aus dem Vermerk über die Anhörung, noch aus dem angefochtenen Beschluß ergeben sich neue Tatsachen dafür, warum die Legalprognose - entgegen dem schriftlichen Gutachten - nunmehr günstig sein soll. Soweit es in dem Anhörungsvermerk heißt, nicht zuletzt sei (für die nunmehr gute Prognose) maßgeblich gewesen, daß der Verurteilte psychisch gesund sei und es nicht um die Prognostizierung der Gefahr neuer Gewalttaten gehe, geht dies an der Sache vorbei. Denn weder stand je eine etwa tatursächliche psychische Störung des Verurteilten in Rede, noch hatte er Gewalttaten begangen; solche waren auch nicht zu erwarten. Abgesehen davon steht der Drogenhandel in erheblichem Umfange der Gefährlichkeit und Sozialschädlichkeit von Gewalttaten nicht nach.

Der Senat hat deshalb den Sachverständigen, auf dessen (überraschend) geänderte Prognosebeurteilung sich die Strafvollstreckungskammer stützt, mit Schreiben vom 6. April 2005 unter anderem dazu befragt, ob die Äußerung des Verurteilten bei der Untersuchung im schriftlichen Gutachten zutreffend wiedergegeben sind. Diese Frage hat der Sachverständige bejaht; Änderungen seien nicht vorzunehmen. Die zweite Frage nach dem - sich aus dem Anhörungsvermerk ergebenden - wesentlichen Inhalt der Anhörung hat der Sachverständige nicht beantwortet, der dargelegten Einschätzung des Senats indes auch nicht widersprochen, daß vor allem die Äußerungen des Verurteilten zu seinen persönlichen Beziehungen (Ehefrauen, Lebensgefährtin, Kinder) erörtert und im Hinblick auf Empathiemangel problematisiert worden seien.

e) Da nicht erkennbar war, welche - nach dem schriftlichen Gutachten - prognoserelevanten neuen Umstände nunmehr eine günstige Legalprognose begründen könnten, war es für den Senat wichtig zu wissen, welche bisher nicht bekannten Aktivitäten des Verurteilten vor der Anhörung oder Äußerungen in ihr Anlaß waren, nunmehr anzunehmen, der Beschwerdeführer habe sich aktiv und erfolgreich mit seinen Taten auseinandergesetzt, die in ihnen deutlich gewordenen Charaktermängel behoben und die Fähigkeit erlangt, künftig Tatanreizen zu widerstehen.

Dazu vermittelt die Antwort des Sachverständigen - obgleich elf Seiten lang - über die bereits erörterten Umstände hinaus keine neuen, maßgeblichen Tatsachen. Der Sachverständige betont vielmehr, er habe in keiner Weise erklärt, der Verurteilte habe sich nunmehr aktiv und erfolgreich mit seinen Taten auseinandergesetzt. Vielmehr habe er die Beobachtung gemacht und die Feststellung geteilt, daß die Fähigkeit zur selbstkritischen Reflexion, zur eigenen Infragestellung und zum Umgang mit Schuld und Schuldeingeständnis durch die Persönlichkeitseigenheiten des Verurteilten und seine Art der Selbstdarstellung beeinträchtigt sei. Der Senat vermag nicht zu erkennen, was daran nunmehr - anders als in dem schriftlichen Gutachten - prognostisch günstig sein soll. Daran ändert es auch nichts, wenn der Sachverständige spekulative Erwägungen darüber anstellt, welche Möglichkeiten auch bei nicht krankhaft gestörten Personen Grund dafür sein können, daß "dem Gutachter eine solche Auseinandersetzung nicht geliefert wird". Denn dabei zieht der Sachverständige - entgegen seiner Beurteilung in dem schriftlichen Gutachten - nicht in Betracht, daß der Verurteilte sich eben nicht aktiv und erfolgreich mit seinem Versagen und dessen Gründen auseinandergesetzt und keine Haltung gewonnen hat, die ihn befähigt, künftig Versuchungssituationen zu widerstehen.

Überflüssig sind (auch) die Ausführungen des Sachverständigen dazu, daß ein Prognosegutachten niemals die Gewißheit bieten kann, ein Verurteilter habe diese Fähigkeit erlangt. Denn Gewißheit verlangen insoweit weder das Gesetz noch die Rechtsprechung. Wohl aber ist die - angesichts der Sozialschädlichkeit der Delikte - deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Verhaltens für eine günstige Legalprognose erforderlich. Diese vermag der Gutachter nicht dadurch zu belegen, daß er prognostisch besonders nachteilige Umstände anführt (tatursächliche psychopathologische Persönlichkeitsmerkmale, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, eine eingewurzelte Disposition und Gewohnheit (Straftaten zu begehen), Gewaltbereitschaft und die Qualifikation als Gewohnheitskrimineller), die bei dem Verurteilten nie in Rede standen, und sodann feststellt, daß solche Umstände bei diesem nicht vorliegen und daraus - anders als in seinem Gutachten - nunmehr den Schluß auf eine günstige Legalprognose zieht, ohne für diese belegkräftige Tatsachen zu benennen. Daß die Taten des Beschwerdeführers "motivational" nicht auf einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, sondern vielmehr auf "normal psychologischer" krimineller Energie beruhten, ist keine solche Tatsache, denn auch sie macht einen Täter gefährlich. Straftaten - auch schwerste - werden in der Regel mit "normal psychologischer" krimineller Energie begangen.

Folgte man dieser Argumentationsweise des Sachverständigen, so wäre eine günstige Legalprognose bei Tätern, die mit "normal psychologischer" krimineller Energie handelten, stets - auch, wie hier, ohne diese belegende Tatsachen - dann anzunehmen, wenn nur besondere kriminogene Umstände und pathologische Persönlichkeitsstörungen nicht gegeben wären, die für ihre Taten indes ersichtlich nicht ursächlich waren. Dieser Methode vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Abgesehen davon war das Fehlen solcher besonders nachteiliger Umstände dem Sachverständigen schon bei der Erstellung seines Gutachtens bekannt, ohne daß er - zu Recht - daraus eine günstige Prognose abgeleitet hätte.

Die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung läßt sich nach alledem nicht rechtfertigen; denn es spricht keine höhere Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Verurteilte künftig straffrei leben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück