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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 1 ARs 21/09
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 1 ARs 21/09

(517) 70 Js 836/08 KLs (26/08)

In der Strafsache

wegen Vergewaltigung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 2. Juli 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Rechtsanwalts y auf Feststellung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Angeklagte wurde durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2009 wegen Körperverletzung in zwei Fällen und Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 180 Tagessätzen zu 15 EUR verurteilt und von Vorwürfen der Vergewaltigung in fünf Fällen sowie der gefährlichen Körperverletzung und der Bedrohung in zwei Fällen freigesprochen. Im Umfang des Freispruchs wurden seine notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegt. Das Urteil ist rechtskräftig. Der zunächst als Wahlverteidiger tätige Antragsteller war am 8. August 2008 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Die ihm dafür aus der Landeskasse zu zahlenden Gebühren wurde auf 1.545,00 EUR (netto) festgesetzt. Sein auf § 42 RVG gestützter Antrag auf Feststellung einer "Pauschgebühr für die Wahlverteidigervergütung" in Höhe von insgesamt 5.965,00 EUR (netto) hat keinen Erfolg.

Zwar kann auch der Pflichtverteidiger einen Antrag nach § 42 RVG stellen, wenn und soweit dem Beschuldigten ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht oder er, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts, zur (ratenweise) Zahlung der Pauschgebühr in der Lage ist (§§ 42 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 RVG). Das setzt aber voraus, daß für den Anwalt infolge des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Strafsache eine Beschränkung auf die in den Teilen 4 bis 6 des VV RVG bestimmten Gebühren eines Wahlanwalts nicht zumutbar ist. Da die Tätigkeit des Wahlverteidigers im Gegensatz zu der des gerichtlich bestellten Rechtsanwalts nicht nach (pauschalen) Festbeträgen, sondern mit Rahmengebühren vergütet wird, können die nach § 14 RVG gebührenerhöhenden Umstände bei der Bestimmung der im Einzelfall angemessenen Gebühr bereits weitgehend innerhalb des Betragsrahmens berücksichtigt werden. Die Anwendung des § 42 Abs. 1 Satz 1 RVG ist daher auf seltene Fälle beschränkt (vgl. BGH JB 2007, 531; BGH, Beschluß vom 20. Juni 2007 - 5 StR 461/06 -; AnwK-RVG/N. Schneider 3. Aufl., Rdn. 14 zu § 42; Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 18. Aufl., Rdn. 8 zu § 42), in denen selbst die gesetzlichen Höchstbeträge nicht ausreichen, um die Tätigkeit des Rechtsanwalts für ihn noch zumutbar zu honorieren. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Der insgesamt nur sechs Seiten umfassende konkrete Anklagesatz betraf ausschließlich überschaubar und gleichartig gelagerte Lebenssachverhalte, die keine schwierigen Rechtsfragen aufwarfen und im wesentlichen eine Auseinandersetzung mit den Angaben der Geschädigten erforderten, die einem erfahrenen Strafverteidiger keine erhebliche Mühe bereiten konnte. Welche besonderen Schwierigkeiten für den Antragsteller, einem Fachanwalt für Strafrecht, in der Bewertung der in dreitägiger Hauptverhandlung erhobenen Zeugenbeweise sowie der den Angeklagten betreffenden Gutachten bestanden haben und die Zuerkennung der - in Höhe der zulässigen Obergrenze (§ 42 Abs. 1 Satz 4 RVG) - beantragten Pauschgebühr rechtfertigen sollen, erschließt sich seinem Vorbringen nicht. Der Antragsteller führt zwar zu Recht als gebührenerhöhenden Umstand die große Bedeutung der Sache für den Angeklagten an, der im Falle einer Verurteilung wegen der ihm zur Last gelegten Vergewaltigungen mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe und einer möglichen Sicherungsverwahrung hätte rechnen müssen. Das kann aber im Verfahren nach § 464b StPO mit der Festsetzung einer Vergütung im jeweils oberen Bereich der für die Verhandlung vor dem Landgericht ohnehin schon erhöhten Gebührenrahmen (Nrn. 4112, 4114 VV RVG) ausreichend berücksichtigt werden. Die vom Antragsteller geltend gemachten Erschwernisse infolge der Inhaftierung des Angeklagten werden durch die Haftzuschläge (Nrn. 4101, 4103, 4105, 4113, 4115 VV RVG) ausgeglichen. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ebenfalls zu berücksichtigenden wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten sind unterdurchschnittlich. Nach den Urteilsfeststellungen hat er keinen Beruf erlernt und vor seiner Festnahme mit der Geschädigten und den gemeinsamen Kindern von staatlicher Unterstützung gelebt. Daß sich daran nach der Haftentlassung des Angeklagten etwas geändert hat, trägt der Antragsteller nicht vor.



Ende der Entscheidung

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