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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: 1 U 55/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249 Abs. 1
BGB § 276 Abs. 2
Behauptet der Mandant im Anwaltsregress die Erteilung eines unbeschränkten Mandats, während der in Anspruch genommene Rechtsanwalt ein beschränktes Mandat behauptet, so liegt die Beweislast für den Umfang des Auftrags beim Mandanten (wie BGH NJW 1996, 2929, 2931). Zur Frage des Schutzzwecks der Norm wenn der Mandant geltend macht, der Rechtsanwalt habe ihn im Zusammenhang mit der Beratung über eine Aufhebungsvereinbarung, mit der ein bestehendes Arbeitsverhältnis beendet worden ist, nicht darauf hingewiesen habe, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld I nicht vorliegen.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 1 U 55/06

verkündet am : 14.12.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Hinze als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11. Mai 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 30 des Landgerichts Berlin - 30.0.395/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Landgericht Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagten wegen der von der Klägerin geltend gemachten Falschberatung verneint.

a) Entgegen der Ansicht des Landgerichts kann schon eine Verletzung der sich aus dem Anwaltsvertrag ergebenden Beratungspflichten durch die Beklagten nicht festgestellt werden. Die Beklagten haben im einzelnen vorgetragen, die Klägerin sei zum Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits fest entschlossen gewesen, das Arbeitsverhältnis mit der Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH zu beenden. Gegenstand der Auftragserteilung sei es lediglich gewesen, eine höhere Abfindung auszuhandeln. Erhält ein Rechtsanwalt aber nur ein beschränktes Mandat, so kann von ihm grundsätzlich nicht verlangt werden, über dieses begrenzte Mandat hinaus, von sich aus eine Aufklärung über Tatsachen zu betreiben, die das Mandat nicht unmittelbar betreffen (BGH, NJW 1996, 2929, 2931 ff; Vollkommer-Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., Rdnr. 158; vgl. auch BGH NJW 2006, 501 ff). Die Beweislast für die Erteilung eines unbeschränkten Mandats liegt beim Auftraggeber, hier also der Klägerin (vgl. BGH NJW 1996, 2929, 2931 m. w. N.). Der Auffassung des Landgerichts, der entsprechende Vortrag der Beklagten sei nicht substantiiert, kann nicht gefolgt werden. Es ist nicht ersichtlich, was die Beklagten ergänzend hätten vortragen sollen. Auch das angefochtene Urteil verhält sich hierzu nicht.

Zum Beweis für die von ihr behauptete uneingeschränkte Auftragserteilung sowie für ihre Behauptung, sie habe die Beklagten über ihre wirtschaftliche Situation informiert und die Frage des Arbeitslosengeldes ausdrücklich angesprochen, hat sich die Klägerin lediglich auf die Vernehmung ihrer selbst als Partei gemäß § 447 ZPO berufen. Da die Beklagten die hierzu erforderliche Zustimmung nicht erteilt haben, ist die Klägerin für ihre Sachverhaltsdarstellung beweisfällig geblieben.

b) Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass ein Schaden der Klägerin auf Grund der behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden kann.

aa) Es bestehen bereits erhebliche Bedenken hinsichtlich der Schlüssigkeit der klägerischen Sachverhaltsdarstellung. Die Klägerin macht geltend, sie hätte im Fall einer Belehrung seitens der Beklagten über die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld I ihre Tätigkeit im Wnnnn Krankenhaus wieder aufgenommen und zunächst zwei Jahre gearbeitet um so die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld I zu schaffen. Es wäre ihr möglich gewesen, zwei Jahre später, also etwa im Oktober 2004, mit ihrem Arbeitgeber eine vergleichbare Aufhebungsvereinbarung mit einem Abfindungsbetrag von ca. 30.000,00 EUR auszuhandeln und sodann Arbeitslosengeld I in Anspruch zu nehmen. Dabei lässt die Klägerin jedoch unberücksichtigt, dass auch in diesem Fall ein etwaiger Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 143 a Abs. 1 SGB III für ein Jahr, also bis etwa Oktober 2005 geruht hätte (vgl. BSG, Urteil vom 24. Mai 2006 - B 11 a AL 21/05 R - bei JURIS). Zu diesem Zeitpunkt erfüllte die Klägerin die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld I aber schon deshalb nicht mehr, weil sie bereits im Mai 2004 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Klägerin ihre Behauptung, sie hätte ihren Erziehungsurlaub vorzeitig beendet und ihre Tätigkeit als Krankenschwester im Wnnnn Krankenhaus wieder aufgenommen, nicht in ausreichender Weise unter Beweis gestellt hat.

bb) Jedenfalls ist dem Landgericht darin zu folgen, dass die Klägerin ihre Behauptung, sie hätte auch im Jahre 2005 einen Aufhebungsvertrag mit der Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH zu denselben Konditionen schließen können, wie sie in der Abfindungsvereinbarung vom 24. September 2002 enthalten sind, nicht bewiesen hat. Die Angriffe der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts greifen nicht durch. § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Dies bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf; so darf er beispielweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rdnr. 13 m. w. N.). Das Gericht ist andererseits aber auch verpflilchtet, den ihm gewährten Freiraum auszuschöpfen und alle Erkenntnisquellen der Beweiswürdigung (Parteivortrag, Prozessverhalten, Ergebnis der Beweisaufnahme, Erfahrungssätze sowie beigezogene Akten und Unterlagen) im Rahmen einer Gesamtschau zu würdigen; die unvollständige Beweiswürdigung verstößt gegen § 286 ZPO. Ferner sind die leitenden Gründe und wesentlichen Gesichtspunkte für die Überzeugungsbildung nachvollziehbar und widerspruchsfrei im Urteil darzustellen.

Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht im angefochtenen Urteil nicht verstoßen. Das Gericht schließt sich der Beweiswürdigung des Landgerichts an (§ 286 ZPO). Soweit die Klägerin auf Seite 4 der Berufungsbegründung gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts einwendet, das Landgericht hätte nicht der Aussage des Zeugen Bnn sondern derjenigen des Zeugen Lnnn folgen müssen, weil dieser bekundet habe, dass er im fraglichen Zeitraum die Entscheidungsbefugnis gehabt habe, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Denn der Zeuge Bnn hatte bei seiner Vernehmung durch das Landgericht bekundet, im Hinblick auf die Personalsituation im Wnnnnn -Klinikum, bei dem eine Personalunterdeckung von etwa 15 Personen bestanden habe, hätte er einen entsprechenden Antrag der Klägerin auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses schon nicht an den Zeugen Lnnn weitergeleitet. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn sich das Landgericht im Hinblick auf die Aussage des Zeugen Bnn nicht davon zu überzeugen vermocht hat, dass im Jahre 2005 ein Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und der Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH zu den Konditionen der Abfindungsvereinbarung vom 24. September 2002 zustande gekommen wäre.

c) Soweit die Klägerin mit der Berufung zum ersten Mal den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch damit zu begründen versucht, ihr sei im Hinblick auf die mit ihrem damaligen Arbeitsgeber geschlossene Aufhebungsvereinbarung Arbeitsentgelt aus einer möglilchen Tätigkeit als Krankenschwester entgangen, kann dahinstehen, ob hierin der Sache nach eine Klageänderung zu sehen ist, die im zweiten Rechtszug nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zulässig wäre. Denn die nunmehr vorgetragene Begründung trägt den geltend gemachten Anspruch nicht. Der von der Klägerin begehrte Verdienstausfallschaden wird von dem Schutzzweck der verletzten Norm nicht gedeckt. Eine Schadensersatzpflicht besteht grundsätzlich nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fällt; es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzten Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rdnr. 62 m. w. N.). Ein Rechtsanwalt hat für solche Nachteile einzustehen, die im Schutzbereich der verletzten vertraglichen Pflichten liegen. Zu ersetzen sind solche Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflilcht übernommen wurde (BGH NJW 1996, 4851 m. w. N.). Hier wirft die Klägerin den Beklagten vor, sie hätten sie nicht darauf hingewiesen, dass ihr im Fall des Abschlusses einer Aufhebungsvereinbarung mit ihrem Arbeitgeber ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zustand. Die nach Darstellung der Klägerin verletzte Vertragspflicht diente also dazu, die Klägerin davor zu schützen, im Fall einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht durch einen gesetzlichen Anspruch auf Arbeitslosengeld abgesichert zu sein. Demgegenüber ist die Klägerin das Risiko, im Fall einer Auflösung des bestehenden Arbeitsverhältnisses ihren Arbeitsplatz zu verlieren und angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt keinen oder zumindest keinen gleichwertigen Arbeitsplatz zu finden, im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Abstandszahlung von knapp 30.000,00 EUR durch die Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH bewusst eingegangen. Dies war gerade Zweck der Vereinbarung, die die Beklagten für die Klägerin aushandeln sollten. Die Klägerin kann einen Schadensersatzanspruch daher nicht mit Erfolg damit begründen, sie habe aufgrund der von ihr selbst angestrebten Aufhebungsvereinbarung die Möglichkeit verloren, ihre Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen.

Es kommt hinzu, dass die Klägerin bei ihrer geänderten Schadensberechnung die gezahlte Abfindung in Höhe von 29.842,50 EUR nicht in Abzug gebracht hat. Zudem müsste die Klägerin sich auch diejenigen Einnahmen anrechnen lassen, die sie aufgrund ihrer selbständigen Tätigkeit seit Mai 2004 erzielt. Die Schadensberechnung der Klägerin läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass sie für die Zeit ab Mai 2004 sowohl die durch ihre Arbeitskraft tatsächlich erzielten Einnahmen beanspruchen will, also auch diejenigen Einnahmen, die sie im Fall einer Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Wnnnnn -Krankenhaus hätte erzielen können, obwohl auf der Hand liegt, dass sich diese Einnahmen gegenseitig ausschließen.

d) Schließlich weisen die Beklagten zu Recht darauf hin, dass die Klägerin aufgrund ihrer Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB) dazu verpflichtet gewesen wäre, den von ihr behaupteten Schaden durch Anfechtung des Auflösungsvertrages vom 24. September 2002 gegenüber der Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH abzuwenden. Ohne Erfolg wendet die Klägerin demgegenüber ein, eine Täuschung ihr gegenüber durch die Verhandlungsführer der Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH sei "nicht ansatzweise erkennbar". Im Auflösungsvertrag heißt es hierzu ausdrücklich, das Arbeitsverhältnis werde "zur Vermeidung einer ordentlichen Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 und 3 des Kündigungsschutzgesetzes" beendet. Die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin unterstellt, sie habe ihr Arbeitsverhältnis als bedroht angesehen, hätte die Vnnnn Nnnnn fn Gnnnnn GmbH durch die gewählte Formulierung im Auflösungsvertrag einen bei der Klägerin bestehendenm Irrtum zumindest verstärkt und ausgenutzt.

2. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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