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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 09.11.2007
Aktenzeichen: 1 VAs 69/07
Rechtsgebiete: BZRG, EGGVG


Vorschriften:

BZRG § 39 Abs. 1 Satz 1
EGGVG § 28 Abs. 3
Die Ablehnung der Nichtaufnahme einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen - hier von Patienten unter Ausnutzung der ärztlichen Vertrauensstellung - in das Führungszeugnis kann nur auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung überprüft werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Registerbehörde dem öffentlichen Interesse an der Vollständigkeit des Führungszeugnisses bis zum Ablauf der im Gesetz bestimmten Aufnahmefrist (§ 34 BZRG) den Vorrang vor den persönlichen und beruflichen Belangen des Betroffenen eingeräumt hat. Bei der von dem Antragsteller angestrebten Tätigkeit als Nervenarzt sind unabdingbar hohe Anforderungen an seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit zu stellen, die es grundsätzlich geboten erscheinen lassen, dem für die Einstellung zuständigen Arbeitgeber Kenntnis von der Eintragung im Führungszeugnis mit ihren Hinweisen auf persönlichkeitsbestimmende Tatsachen zu geben.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 1 VAs 69/07

In der Justizverwaltungssache betreffend

wegen vorzeitiger Nichtaufnahme einer Eintragung in das Führungszeugnis

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 9. November 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Justiz vom 13. September 2007 wird verworfen.

2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Gegenstandswert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

4. Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Betroffene ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie.

Er erstrebt die Anordnung, daß seine im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung durch das Landgericht Görlitz vom 29. September 1995 nicht (mehr) in das Führungszeugnis aufgenommen wird. Mit dem Urteil war gegen Betroffenen wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen (minderjährigen männlichen Patienten) in elf Fällen auf eine (Gesamt-)Freiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erkannt und ihm zugleich für immer untersagt worden, männliche Kinder und Jugendliche ärztlich zu behandeln. Auf seinen Antrag hat das Kammergericht mit Beschluß vom 13. Februar 2007 die ablehnenden Bescheide des Generalbundesanwalts und des Bundesministeriums der Justiz aufgehoben und die Registerbehörde zur Neubescheidung des Betroffenen verpflichtet. Mit den Bescheiden des Bundesamtes für Justiz vom 20. Juli 2007 und des Bundesministeriums der Justiz vom 13. September 2007 ist das Begehren des Betroffenen erneut zurückgewiesen worden. Seine Anträge auf gerichtliche Entscheidung und Bewilligung von Prozeßkostenhilfe bleiben ohne Erfolg.

1. Die nach den §§ 39 Abs. 1 Satz 1 BZRG, 28 Abs. 3 EGGVG auf eine ordnungsgemäße Ermessensausübung beschränkte Überprüfung des angegriffenen Bescheides deckt keine durchgreifenden Rechtsfehler auf.

Es ist nicht zu beanstanden, daß die Registerbehörde im Ergebnis ihrer umfassenden Gesamtabwägung dem öffentlichen Interesse an der Vollständigkeit des Führungszeugnisses bis zum Ablauf der im Gesetz bestimmten Aufnahmefrist (§ 34 BZRG) den Vorrang vor den persönlichen und beruflichen Belangen des Betroffenen eingeräumt hat. Bei der von dem Antragsteller angestrebten Tätigkeit als Nervenarzt sind unabdingbar hohe Anforderungen an seine persönliche Integrität und Zuverlässigkeit zu stellen, die es grundsätzlich geboten erscheinen lassen, dem für die Einstellung des Betroffenen zuständigen Arbeitgeber Kenntnis von der Eintragung im Führungszeugnis mit ihren Hinweisen auf persönlichkeitsbestimmende Tatsachen zu geben. Denn er muß über alle Informationen verfügen, die es ihm ermöglichen, neben der fachlichen Befähigung des Betroffenen auch dessen charakterliche Eignung für die Ausübung seines Berufes hinreichend sicher beurteilen zu können (vgl. KG, Beschluß vom 13. Oktober 2005 - 4 VAs 72/05 -). Das gilt hier insbesondere deshalb, weil der Betroffene die der Eintragung zugrundeliegenden Straftaten zum Nachteil von Patienten unter Ausnutzung seiner ärztlichen Vertrauensstellung begangen hatte, wie die Beschwerdebehörde zu Recht hervorhebt. Daß sie die Gefahr derart schwerer Straftaten bei dem Betroffenen nicht mehr sieht, steht der getroffenen Entscheidung nicht entgegen. Denn es ist nicht Aufgabe der Registerbehörde, durch die Entscheidung über die vorzeitige Nichtaufnahme von Eintragungen im Führungszeugnis im Ergebnis selbst anstelle des (potentiellen) Arbeitgebers darüber zu befinden, welche Informationen er für das Eingehen oder die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses benötigt und wie er sie im Einzelfall bewerten will (vgl. Senat, Beschluß vom 7. November 2007 - 1 VAs 51/07 -). Daß die Registerbehörde bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr nicht berücksichtigt hat, daß der Betroffene sich offenbar zu Unrecht verurteilt glaubt oder jedenfalls seine Straftaten zu bagatellisieren sucht, beschwert ihn nicht. Anlaß zu einer Auseinandersetzung mit der (fehlenden) Unrechtseinsicht des Betroffenen hätten sein Antragsvorbringen zu einem beabsichtigten Wiederaufnahmeverfahren und sein Schreiben an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen vom 29. August 2006 geben können, in dem er behauptet, die damaligen "Strafvorwürfe" hätten "im Tatsächlichen keinen Realitätsbezug" gehabt und seien "durchgehend durch hochsuggestive Einflüsse auf empfängliche Belastungszeugen gekennzeichnet" gewesen.

Unzutreffend ist auch die Auffassung des Betroffenen, das Regierungspräsidium Dresden und das Landgericht Görlitz hätten bereits "verbindlich" festgestellt, daß kein öffentliches Interesse mehr am Fortbestand der Eintragung im Führungszeugnis bestehe. Denn darüber haben diese Stellen nicht zu befinden. Die Entscheidung obliegt allein der Registerbehörde. Daß die Wiedererteilung der Approbation durch das Regierungspräsidium Dresden am 16. Februar 2006 und die Aussetzung des Berufsverbots zur Bewährung mit dem Beschluß des Landgerichts Görlitz vom 27. Oktober 2005 für den Betroffenen sprechende Indizien sind, ist in dem angegriffenen Bescheid nicht verkannt worden.

Der Antragsteller rügt zwar zu Recht, daß die Beschwerdebehörde die nach dem Gesetz noch verbleibende Eintragungsdauer als einen "längeren Zeitraum" bezeichnet habe. Denn gemessen an der in § 34 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BZRG festgelegten Frist von hier insgesamt 13 1/2 Jahren konnte schon bei Erlaß des angefochtenen Bescheides mit einem Fristenlauf von nur noch 1 1/2 Jahren von einem "längeren Zeitraum" nicht mehr die Rede sein. Auf diesem Wertungsfehler beruht der Bescheid aber nicht, wie dessen Begründung zeigt. Danach hat die noch verbleibende Dauer der Eintragung als nicht tragende Hilfserwägung nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Der Senat schließt aus, daß die Registerbehörde bei zutreffender Bewertung des Fristenlaufs zu einer für den Antragsteller günstigen Entscheidung gelangt wäre.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 30 Abs. 1 EGGVG, 130 KostO.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 30 Abs. 3, 30 KostO.

4. Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kam nicht in Betracht, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben ist (§§ 29 Abs. 3 EGGVG, 114 Satz 1 ZPO) und der Betroffene die vorgeschriebene formularmäßige Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§§ 29 Abs. 3 EGGVG, 117 Abs. 4 ZPO) nicht beigefügt hat.

Ende der Entscheidung

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