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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.05.2004
Aktenzeichen: 1 W 102/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 102/03

in Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Abhilfebeschluss des Amtsgerichts Wedding vom 4. Februar 2003 durch die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch als Einzelrichterin am 4. Mai 2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Abhilfebeschluss wird aufgehoben.

Die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Wedding vom 2. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert bis 300,00 EUR zu tragen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den richterlichen Abhilfebeschluss ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes, d. h. die Differenz zwischen den beanspruchten und den im Abhilfebeschluss festgesetzten Kosten (184,20 EUR - 122,73 EUR), mit 61,47 EUR die erforderliche Beschwer von 50,00 EUR (§ 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG ist das Kammergericht zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde, weil der Kläger im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Rechtsstreits seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hatte.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte hat Anspruch auf Erstattung der mit Kostenfestsetzungsantrag vom 9. April 2002 angemeldeten und im Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Wedding vom 2. Dezember 2002 ursprünglich festgesetzten Kosten in Höhe von insgesamt 184,20 EUR, die die Mehrkosten für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch einen Unterbevollmächtigten einschließen. Dementsprechend ist der angefochtene Abhilfebeschluss aufzuheben und die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Dezember 2002 zurückzuweisen.

Die Kosten eines Unterbevollmächtigten sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des auswärtigen Hauptbevollmächtigten erspart werden, die bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten selbst entstanden wären (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 -, NJW 2003, 898, 899 ff.). Voraussetzung für die Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten ist demnach zunächst, dass die dem Hauptbevollmächtigten bei eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten wären. Dies scheitert im vorliegenden Fall nicht schon daran, dass der Hauptbevollmächtigte der Beklagten nicht am Sitz der Partei in 6nn Nn -Innnn residiert, sondern seine Kanzlei in 5nn Knn an einem dritten Ort hat.

Wie der Bundesgerichtshof für den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich entschieden hat, ist die Zuziehung eines nicht bei dem Prozessgericht zugelassenen, aber in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig (vgl. NJW 2003, 898). Gleiches gilt nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs auch für den Fall, dass die Partei keinen in der Nähe ihres Geschäftsorts ansässigen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - I ZB 21/03, Rpfl. 2004, 618 = FamRZ 2004, 618). Die Reisekosten des an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalts seien bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung - was dem Regelfall entspreche - zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung erforderlich gewesen wäre (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Denn dürfe bei einem Streitfall eine vernünftige und kostenbewusste Partei den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen, sei sie, soweit dessen Reisekosten nicht überschritten werden, nicht daran gehindert, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung einen an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen. Dieser Auffassung ist zuzustimmen und die frühere Rechtsprechung des Senats überholt, wonach die Terminsreisekosten eines an einem dritten Ort residierenden Prozessbevollmächtigten nur dann als erstattungsfähig angesehen wurden, wenn der Prozessbevollmächtigte tatsächlich durch die Partei unmittelbar mündlich und prozessbezogen informiert worden war (vgl. Senat, JurBüro 2002, 152 und Beschluss vom 14. Mai 2003 - 1 W 98/03). In Kostenfestsetzungsverfahren werden einfache Maßstäbe benötigt, die in der Vielzahl der Fälle zeitnahe Entscheidungen ohne großen Ermittlungsaufwand ermöglichen. Schutzwürdige Belange der gegnerischen Partei, nicht mit zusätzlichen Kosten belastet zu werden, werden wegen der Begrenzung der Kostenerstattung auf die Reisekosten des am Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts nicht betroffen.

Danach sind hier die Mehrkosten in Höhe von 61,46 EUR, die durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten verursacht worden sind, erstattungsfähig. Sie liegen sowohl unter den Kosten einer Terminsreise nach Bnnn von Nn -Innnn aus, als auch unter den Kosten einer Terminsreise von Knn nach Bnnn .

Entgegen der im Abhilfebeschluss vertretenen Auffassung des Amtsgerichts Wedding war die Beklagte als ein größeres, international tätiges Wirtschaftsunternehmen auch nicht ausnahmsweise gehalten, einen in Berlin ansässigen Prozessbevollmächtigten nur schriftlich zu instruieren. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei den Reisekosten eines Rechtsanwalts zwar dann nicht um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts feststand, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein würde. Dies ist unter anderem regelmäßig der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 -, NJW 2003, 898). Die Voraussetzungen einer solchen Ausnahme liegen hier jedoch nicht vor, nachdem die Beklagte unbestritten darauf hingewiesen hat, dass sie keine solche Rechtsabteilung besitzt. Die Beklagte braucht sich auch nicht so behandeln zu lassen, als ob sie eine eigene Rechtsabteilung hätte. Das Amtsgericht verkennt, dass es im Rahmen des Kostenerstattungsrechts lediglich auf die tatsächliche Organisation eines Versicherers ankommt (BGH, Beschluss vom 11. November 2003, VI ZB 41/03, Rpfl. 2004, 182).

Eine weitere Ausnahme, bei der die unmittelbare Hinzuziehung eines Rechtsanwalts beim Prozessgericht zumutbar sein kann, ist zudem bei einfach gelagerten, sog. Routineangelegenheiten gegeben. Um eine solche Routineangelegenheit handelt es sich indes nicht. Die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Frage, ob der Verlust eines Teils eines Gepäckstücks nach den Regelungen des Warschauer Abkommens als Verlust von Reisegepäck oder als Beschädigung von Reisegepäck anzusehen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung höchst umstritten (vgl. Giemulla/Schmid, Kommentar zum Warschauer Abkommen, Art. 26 Rdnr. 24 ff., Rdnr. 28). Der um diese Frage bestehende Streit spiegelt sich in den zahlreichen, zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen wieder, in denen um die Auslegung der vom Bundesgerichtshof hierzu entwickelten Grundsätze gestritten wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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