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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 1 W 114/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 1 Satz 2
Die höhere Verzinsung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der seit dem 1. Oktober 2001 geltenden Fassung gilt entsprechend Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nur für Kostenerstattungsansprüche, die ab diesem Zeitpunkt fällig geworden sind. Kostenerstattungsansprüche werden mit dem Erlass einer mindestens vorläufig vollstreckbaren Kostengrundentscheidung fällig.
1 W 114/02

Beschluss

in der Kostenfestsetzungssache

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 16. November 2001 in der Sitzung vom 21. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 101,00 bis 300,00 DM.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die nach § 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO (Fassung bis 31. Dezember 2001) erforderliche Mindestbeschwerdesumme von über 100,00 DM erreicht ist. Soweit es hier nur um die Höhe der Verzinsung ab 1. Oktober 2001 geht, beträgt die Differenz zwischen den mit 4 % festgesetzten Zinsen und der beantragten höheren Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (d. h. gegenwärtig 3,62 % + 5 % = 8,62 %) 4,62 %. Bei der festgesetzten Hauptforderung von 6.157,80 DM ergibt sich eine Differenz von monatlich 23,71 DM ab 1. Oktober 2001. Der Umfang der Beschwer beschränkt sich in solchem Fall nicht auf den Zeitraum bis zum Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses (hier: 16. November 2001) oder der Einlegung der Beschwerde (hier: 1. Dezember 2001). Vielmehr ist für die Bestimmung des Beschwerdewertes nach freiem Ermessen gemäß § 3 ZPO ein angemessener Zeitraum bis zum voraussichtlichen Ende des Zinslaufs hinzuzurechnen (vgl. Hansens, BRAGOReport 2001, 131/134). Dessen Dauer kann von verschiedenen Umständen des Einzelfalles abhängen, insbesondere bei - wie hier - eingelegter Berufung betreffend den nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Grundtitel, deren Aufklärung in Verfahren der vorliegenden Art nicht angebracht wäre. Es erscheint daher als sachgerecht, im Kostenfestsetzungsverfahren das Verzinsungsinteresse regelmäßig auf einen Zeitraum von einem Jahr ab Zinsbeginn zu schätzen (Hansens, a. a. O.), jedenfalls wäre hier bei einem Zinslauf von fünf Monaten die Mindestbeschwerdesumme bereits erreicht.

Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Die am 1. Oktober 2001 in Kraft getretene Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt zwar, dass die Höhe der auf Antrag auszusprechenden Verzinsung der festgesetzten Kosten nunmehr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (vgl. dazu § 247 BGB) beträgt. Diese Vorschrift ist jedoch in Übergangsfällen der vorliegenden Art nicht anwendbar. Insoweit enthält das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887), auf dessen Art. 2 Nr. 13 die Änderung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO beruht, allerdings keine Übergangsvorschrift. Insbesondere betreffen weder Art. 3 Nr. 3 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 i. V. m. § 26 EGZPO noch die lediglich das Inkrafttreten regelnde Vorschrift des Art. 53 Nr. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2001 die übergangsrechtliche Frage, auf welche im Verfahren nach §§ 104 ff. ZPO geltend gemachte Kostenerstattungsansprüche § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO n. F. anzuwenden ist. Daraus folgt aber entgegen einer abweichenden Meinung (OLG München, Rpfleger 2002, 280, Hansens, BRAGOReport 2001, 131/132 f. und dem folgend Enders JurBüro 2001, 510) nicht, dass § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO n. F. in allen Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar ist, die am 1. Oktober 2001 anhängig waren oder danach beantragt worden sind, auch wenn die dem Festsetzungsantrag zugrunde liegende Kostenentscheidung vor dem 1. Oktober 2001 ergangen ist (so jedoch OLG München, a. a. O.).

Vielmehr besteht eine Regelungslücke, die in entsprechender Anwendung der Übergangsregelung des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB dahin zu schließen ist, dass die Neuregelung in Kostenfestsetzungsverfahren anzuwenden ist, soweit diese sich auf Kostenerstattungsansprüche beziehen, die ab dem 1. Oktober 2001 fällig geworden sind (vgl. auch Schreiben des BMJ vom 19. November 2001, angeführt bei Hansens, BRAGOReport 2001, 180 f.). Kostenerstattungsansprüche werden mit dem Erlass einer mindestens vorläufig vollstreckbaren Kostengrundentscheidung fällig, mögen sie auch bereits mit der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens aufschiebend bedingt entstehen (vgl. etwa von Eicken in: Die Kostenfestsetzung, 17. Aufl., B 4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., Übers § 91 Rn. 34 m. w. N.). Hier ist der Kostenerstattungsanspruch vor dem 1. Oktober 2001 fällig geworden, da der Kostengrundtitel am 18. Juli 2001 verkündet worden ist. Das Landgericht hat daher auf die Verzinsung zutreffend insgesamt § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO in der bis zum 30. September 2001 geltenden Fassung angewendet.

Die entsprechende Anwendung von Art. 229 Abs. 1 Satz 3 (jetzige Gliederung: Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3) EGBGB in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBL I S. 330/331) ist sachgerecht. Denn mit der am 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen Neuregelung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO sollte offensichtlich, wenn auch mit Verzögerung, nunmehr anlässlich der Zivilprozessreform der Grundgedanke des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 30. März 2000 auf die im Verfahren nach §§ 104 ff. ZPO festzusetzenden Kostenerstattungsansprüche übertragen werden. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB beruht darauf, dass der Gesetzgeber dort unter mehreren in Betracht kommenden Gestaltungsmöglichkeiten nicht diejenige einer gesetzlichen Einwirkung auch auf bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung bereits fällige Forderungen gewählt hat. Vielmehr hat er sich damit begnügt, dem Interesse an einer Beschleunigung fälliger Zahlungen mit Hilfe der geänderten Vorschrift des § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB erst im Hinblick auf ab Inkrafttreten des Gesetzes vom 30. März 2001 fällig werdende Forderungen Rechnung zu tragen. Da der Gesetzgeber mit der Festlegung einer höheren Verzinsung in § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO das gleiche Ziel einer Beschleunigung der Bezahlung fälliger Forderungen verfolgt wie mit § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB (Fassung ab 1. Mai 2000), ist nicht anzunehmen, dass er damit abweichend von Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung bereits fällige Kostenerstattungsansprüche einbeziehen wollte. Vielmehr liegt es näher, angesichts des Fehlens einer ausdrückliche Übergangsvorschrift eine Regelungslücke anzunehmen und wegen Vergleichbarkeit der Regelungssachverhalte Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB entsprechend anzuwenden.

Die Argumente der abweichenden Meinung überzeugen demgegenüber nicht. Denn sie stellen zu sehr auf die eher formalen Gesichtspunkte der Geltung der Vorschrift ab 1. Oktober 2001 und das Fehlen einer Übergangsregelung ab. Insoweit werden die Anforderungen an die Feststellung einer Regelungslücke überspannt. Das OLG München (a. a. O.) meint, eine Regelungslücke liege nicht vor und eine entsprechende Anwendung des Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB komme nicht in Betracht, weil sich dafür weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der erst ab 1. Oktober 2001 in Kraft getretenen geänderten Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO etwas entnehmen lasse. Dabei wird jedoch der offensichtliche Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Forderungen nicht hinreichend einbezogen. Deren entsprechende Anwendung ordnet die Bestimmung des § 291 BGB ausdrücklich an, die den der Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO gleichartigen Anspruch auf Prozesszinsen regelt. Es liegt daher nahe, die von der höheren Verzinsung betroffenen Ansprüche für die Anwendung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO in gleicher Weise nach der § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB betreffenden Übergangsregelung zu bestimmen wie bei § 291 BGB. Der entsprechenden Anwendung von Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass sie eine materiellrechtliche Übergangsvorschrift ist. Ihre entsprechende Anwendung auf Kostenerstattungsansprüche ist jedenfalls sachgerechter als die vom OLG München (a. a. O.) bevorzugte Anwendung des Grundsatzes, dass Änderungen des Prozessrechts auch die bei ihrem Inkrafttreten schwebenden Verfahren ergreifen. Denn § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist keine im Sinne dieses Grundsatzes das Verfahren betreffende Vorschrift, sondern sie bezieht sich auf den Inhalt des im Verfahren zu errichtenden Titels, begründet also einen materiell-rechtlichen Zinsanspruch. Davon geht im Übrigen der selbe Senat des OLG München in JurBüro 2001, 370/371 m. w. N. zutreffend aus, so dass die spätere Entscheidung (Rpfleger 2002, 280) auch deshalb nicht überzeugt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes erfolgt in DM, da die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf der Grundlage der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden DM-Tabelle zu berechnen sein werden.

Ende der Entscheidung

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