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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 1 W 120/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 119 Abs. 2
BGB § 1944 Abs. 2
BGB § 1954 Abs. 2
1. Ein Irrtum über die Zugehörigkeit von Rechten oder Verbindlichkeiten zum Nachlass kann gemäß §§ 119 Abs. 2 BGB, 1954 Abs. 1 BGB zur Anfechtung einer Erbausschlagung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses berechtigen, wenn er zur Vorstellung einer tatsächlich nicht bestehenden Überschuldung führt.

2. Für den Beginn der Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Anfechtende zuverlässige Kenntnis von den seinen Eigenschaftsirrtum begründenden Tatsachen erlangt.

3. Haben mehrere Erben nacheinander die Erbschaft ausgeschlagen, beginnt die Anfechtungsfrist für den nachrangigen Erben nicht erst mit der Kenntnis davon, dass vorrangige Erben von ihrem Anfechtungsrecht keinen (wirksamen) Gebrauch gemacht haben.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 120/01

in dem Erbscheinsverfahren

betreffend den Nachlass

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die weitere Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 20. Dezember 2000 in der Sitzung vom 16. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 27, 29 FGG. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung, mit der das Landgericht die Beschwerde des Beteiligten gegen die Zurückweisung seines Erbscheinsantrags zurückgewiesen hat, beruht nicht auf einem Rechtsfehler, auf den eine weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546f. ZPO).

Das Landgericht hat angenommen, der Beteiligte sei nicht gesetzlicher Erbe der Erblasserin geworden, weil seine mit notarieller Urkunde vom 13.März 2000 erfolgte Erklärung der Anfechtung seiner am 13. Januar 1997 gegenüber dem Nachlassgericht wirksam erklärten Ausschlagung der Erbschaft dem Nachlassgericht nicht innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB zugegangen sei. Der Lauf dieser Frist habe in der Woche vor dem 13.März 2000 begonnen, als ihn seine Mutter über die Ende Februar 2000 erhaltene Mitteilung des Erbenermittlers aus der Schweiz informiert habe, dieser habe Bankkonten des 1972 vorverstorbenen Bruders der Erblasserin in der Schweiz ermittelt, an denen der Erbanteil der Erblasserin ca. 100.000 DM ausmachen werde. Die hinreichende Zuverlässigkeit der dadurch erlangten Kenntnis des Beteiligten von seinem Irrtum über die Zugehörigkeit dieses Vermögenswerts zum Nachlass folge bereits aus der Tatsache der Abgabe der Anfechtungserklärung und Stellung des Erbscheinsantrags in der notariellen Verhandlung vom 13.März 2000. Nach § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB sei Voraussetzung für den Fristbeginn allein die Kenntnis der für den Anfechtungsgrund maßgeblichen Tatsachen, nicht aber auch die Kenntnis des Anfechtungsrechts. Daher habe die für ihn geltende Anfechtungsfrist nicht erst mit dem Ablauf der für seine Mutter als vorrangiger Erbin gegebenen Anfechtungsfrist begonnen. Die sechswöchige Frist habe spätestens am 25.April 2000 geendet, sodass die am 26.April 2000 bei dem Nachlassgericht eingegangene Anfechtungserklärung verspätet sei. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler von der Wirksamkeit der am 13. Januar 1997 zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklärten Ausschlagung der Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses ausgegangen. Nach §§ 1944 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 1945 BGB musste die Ausschlagung binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem der Beteiligte von dem Erbfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erhielt, durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen. Da zur Kenntnis der den Anfall begründenden Tatsachen auch die der Ausschlagung der Erbschaft durch seine - zunächst berufene - Mutter gehörte, ist die Frist jedenfalls gewahrt. Denn seine Mutter hatte die Ausschlagung am 10.Januar 1997, also binnen sechs Wochen seit dem Tode der Erblasserin, zur Niederschrift des Nachlassgerichts erklärt.

Auch die weitere Annahme des Landgerichts, die Anfechtung der Ausschlagungserklärung sei nicht wirksam, weil sie dem Nachlassgericht nicht innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB zugegangen sei, und habe deshalb nicht zur Nichtigkeit der Ausschlagung und gemäß § 1957 Abs. 1 BGB zur Annahme der Erbschaft geführt, erweist sich als rechtsfehlerfrei.

1. Der Beteiligte hat die Anfechtungserklärung auf einen Irrtum hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses gestützt, von der er bei der Ausschlagung ausgegangen sei. Er macht geltend, seine Mutter habe ihn in der Woche vor dem 13.März 2000 darüber informiert, dass sich bei ihr Ende Februar 2000 ein - mit Namen und Anschrift benannter - Erbenermittler aus der Schweiz gemeldet und ihr mitgeteilt habe, er habe Bankkonten des im Jahre 1972 vorverstorbenen Bruders der Erblasserin in der Schweiz ermittelt, an denen der Erbanteil der Erblasserin ca. 100.000 DM ausmachen werde.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zugehörigkeit von Rechten und Verbindlichkeiten zum Nachlass eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB darstellen und ein Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses insbesondere dann gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB zur Anfechtung einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung berechtigen kann, wenn er zur Annahme einer tatsächlich nicht bestehenden Überschuldung des Nachlasses führt (vgl. BGHZ 106, 359/363; Senat OLGZ 1993, 1/4; BayObLGZ 1983, 9/11; NJW-RR 1999, 590/591 und 904/905rFaffiRZ 1994, 848/849; 1998, 924/925; 2003, 121/126f.; OLG Zweibrücken FGPrax 1996, 113/114). Es konnte jedoch von näheren Feststellungen zum tatsächlichen Vorliegen des geltend gemachten Anfechtungsgrundes absehen, weil es rechtsfehlerfrei annehmen durfte, dass die Anfechtung jedenfalls nicht rechtzeitig erfolgt sei.

2. Gemäß § 1954 Abs. 1 und 2 Satz 1 BGB kann die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung der Erbschaft nur binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an erfolgen, in welchem der Anfechtungsberechtigte Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erlangt hat. Da das Gesetz in den §§ 1954-1957 BGB zwar von der Möglichkeit einer Anfechtung ausgeht, jedoch keine besonderen Bestimmungen zu den Gründen enthält, die eine Anfechtung rechtfertigen können, sind insoweit die allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB maßgebend (vgl. BayObLG NJW-RR 1999, 590/591; MünchKomm-BGB/Leipold, 3. Aufl., § 1954 Rdn. 3; Staudinger/Otte, BGB, Neubarb.2000, § 1954 Rdn. 2).

Der hier geltend gemachte Anfechtungsgrund eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses gemäß § 119 Abs. 2 BGB umfasste die mangelnde Kenntnis von der Zugehörigkeit von Bankguthaben im Werte von ca. 100.000 DM zum Nachlass und die sich daraus ergebende Werthaltigkeit und fehlende Überschuldung des Nachlasses. Die gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderliche Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt der Anfechtende in solchem Fall, wenn ihm die diesen begründenden Tatsachen zuverlässig bekannt werden und er erkennt, dass seine Erklärung eine andere Bedeutung oder Tragweite hatte, als er ihr beimaß. Dabei genügen bloßes Kennenmüssen oder bloßes Vorliegen von Verdachtsgründen nicht. Eine volle Überzeugung vom Bestehen des Anfechtungsgrundes ist aber nicht erforderlich. Dagegen setzt die Kenntnis vom Anfechtungsgrund nicht voraus, dass der Anfechtende auch über sein Anfechtungsrecht als solches unterrichtet ist und dass die Anfechtung auch durchgreift (allg.M., vgl. zu Vorstehendem BayObLG FamRZ 1998, 924/925; zu § 1956 BGB: OLG Hamm OLGZ 1985, 286/289; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1954 Rdn. 10; Staudinger/Otte a.a.O. Rdn. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 121 Rdn. 2; Palandt/Edenhofer a.a.O. § 1954 Rdn. 5 m.w.N.). Hieraus folgt, dass die für den Fristbeginn erforderliche Kenntnis des Anfechtungsgrunds nicht die Kenntnis davon umfasst, dass vorrangige Erben von ihrem Recht, die erklärte Ausschlagung ihrerseits anzufechten, keinen Gebrauch gemacht haben. Denn dieser Umstand betrifft nicht die den jeweiligen Anfechtungsgrund gemäß §§ 119 ff. BGB begründenden Tatsachen, sondern allein die Auswirkung der Anfechtung des nachrangigen Erben auf den Anfall der Erbschaft.

3. Mit Recht ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass die Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht erst mit dem Ablauf der Anfechtungsfristen für etwaige vorrangige Erben, die ebenfalls ausgeschlagen hatten, beginnt. Die Vorschrift enthält zum Beginn - wie auch zur Dauer - der Anfechtungsfrist eine eigenständige gesetzliche Regelung, nach der es insoweit nur auf die Kenntnis vom Anfechtungsgrund ankommt. Sie unterscheidet sich damit wesentlich von der gesetzlichen Regelung des Fristbeginns in § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB, wonach die Ausschlagungsfrist mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt. Danach ist bei gesetzlicher Erbfolge Kenntnis vom Anfall der Erbschaft gegeben, wenn dem Erben die das Erbrecht begründenden Familienverhältnisse einschließlich des Wegfalls vorrangig erbberechtigter Verwandter bekannt sind und er keine begründete Vermutung vom Vorhandensein einer ihn ausschließenden letztwilligen Verfügung hat (vgl. Palandt/Edenhofer a.a.O. § 1944 Rdn. 4-6 m.w.N.). Der nachrangige Erbe hat diese Kenntnis, wenn er erfährt, dass der vorrangige Erbe die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Die Auffassung des Beteiligten, eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze auf den Fristbeginn nach § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB müsse dazu führen, dass zur Kenntnis vom Anfechtungsgrund eines nachrangigen Erben auch die Kenntnis davon gehöre, dass die Erbschaft im Falle der Anfechtung ihm anfallen würde, und sich folglich die Kenntnis auch darauf beziehen müsse, dass der - ebenfalls anfechtungsberechtigte - vorrangige Erbe die Ausschlagung nicht innerhalb der Frist angefochten habe, ist nicht haltbar. Unrichtig ist bereits die dem anscheinend zugrunde liegende Auffassung, es handele sich dann, wenn ein gleichartiger Irrtum beider Erben zur Ausschlagung geführt habe, um ein einheitliches Anfechtungsrecht, das von den jeweils Anfechtungsberechtigten nur in der Reihenfolge des Anfalls der Erbschaft ausgeübt werden könne. Das Gestaltungsrecht der Anfechtung ist jedoch gesondert hinsichtlich der jeweiligen Annahme- oder Ausschlagungserklärung auszuüben, wenn dafür die Voraussetzungen vorliegen, wozu jeweils der Anfechtungsgrund und die Fristwahrung gehören. Für die Anfechtung gilt nichts anderes als für Annahme und Ausschlagung (§ 1957 Abs. 1 BGB). Diese Erklärungen können abgegeben werden, sobald der Erbfall eingetreten ist (§ 1946 BGB). Auf den Anfall der Erbschaft gemäß § 1942 Abs. 1 BGB kommt es nicht an. Nachberufene können diese Erklärungen daher wirksam schon vor einem Wegfall des Erstberufenen abgeben (vgl. Palandt/Edenhofer a.a.O. § 1946 Rdn. 2).

Es ist auch nicht geboten, wie der Beteiligte meint, zum Schütze des nachberufenen Erben die Anfechtungsfrist erst beginnen zu lassen, wenn dieser sichere Kenntnis davon hat, dass die Erbschaft nicht dem ebenfalls anfechtungsberechtigten erstberufenen Erben anfällt. Eine analoge Anwendung des § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB scheidet aus, weil § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB hinsichtlich der zum Fristbeginn erforderlichen Kenntnis eine eigene, abschließende Regelung enthält. Im Übrigen wären die Voraussetzungen des § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB auch bei dessen entsprechender Anwendung erfüllt; denn der Beteiligte hatte Kenntnis davon, dass die Mutter als zunächst berufene Erbin die Erbschaft ausgeschlagen hatte, so dass sie ihm bei Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung angefallen wäre. Dass dies unter dem Vorbehalt stand, dass die Mutter ihre Ausschlagungserklärung nicht ihrerseits fristgerecht anfocht, steht der Kenntnis vom - bedingten - Anfall nicht entgegen, solange sie ihre Erklärung nicht anfocht. Die Kenntnis der Anfechtbarkeit ist nur dann nach § 142 Abs. 2 BGB wie die Kenntnis der Nichtigkeit zu behandeln, wenn die Anfechtung tatsächlich erfolgt.

Hinsichtlich der gemäß § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Kenntnis ist maßgeblich, ob dem Erben die für den Eintritt seines Erbrechts wesentlichen Umstände in so zuverlässiger Weise bekannt geworden sind, dass von ihm vernünftigerweise erwartet werden kann, in Überlegungen über Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft einzutreten (vgl. BGH MDR 1968, 477 = Rpfleger 1968, 283; FamRZ 2000, 1504; BayObLG FamRZ 1994, 264/265). Dabei dürfen die Anforderungen an die Sicherheit der Kenntnis nicht überspannt werden. Eine von Zweifeln gänzlich freie Gewissheit des Erben darf nicht verlangt werden. Denn sonst würde der Beginn der Ausschlagungsfrist entgegen dem Sinn und Zweck der Fristenregelung in §§ 1943f. BGB, im Interesse der Klarheit erbrechtlicher Verhältnisse alsbald die Fiktion der Annahme der Erbschaft eintreten zu lassen, unangemessen hinausgeschoben, ohne dass das im Interesse des Erben erforderlich wäre. Von ihm kann vielmehr auch dann eine Erklärung über die Annahme oder Ausschlagung verlangt werden, wenn die erhaltenen Informationen verbleibende Zweifel am Anfall der Erbschaft nicht gänzlich ausschließen können. Entsprechendes muss dann auch für die die Anfechtungsfrist des § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB in Lauf setzende Kenntnis gelten.

Im Übrigen sind auch sachliche Gründe für eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gegeben. Die Vorinstanzen haben mit Recht darauf hingewiesen, dass ein Hinausschieben des Beginns der Anfechtungsfrist auf den Zeitpunkt der Kenntnis von der Nichtausübung (oder nicht wirksamen Ausübung) des Anfechtungsrechts durch vorrangige Erben zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und sachlich nicht vertretbaren Rechtsunsicherheit hinsichtlich der erbrechtlichen Verhältnisse führen würde. Denn eine hinreichend sichere Kenntnis über Beginn und Ende von Anfechtungsfristen vorrangiger Erben wird regelmäßig nicht zu erlangen sein. Unter Berücksichtigung des vorrangigen öffentlichen Interesses der Rechtssicherheit ist es dem nachrangigen Erben zuzumuten, seine Anfechtungserklärung innerhalb der ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund laufenden Frist gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB selbst dann vorsorglich abzugeben, wenn er damit rechnen muss, dass vorrangige Erben ebenfalls ihre Ausschlagungserklärungen anfechten werden. Da die Anfechtungserklärung gemäß §§ 1955 in Verbindung mit 1945 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachlassgericht zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form (§ 129 Abs. 1 BGB) erfolgen muss, kann zwar der Fall eintreten, dass er die für die Entgegennahme der Erklärung nach § 112 Abs. 1 Nr. 2 KostO erhobene Gebühr von einem Viertel der vollen Gebühr vergeblich aufwendet. Im Interesse der Rechtssicherheit ist dieses finanzielle Risiko aber hinzunehmen. Der Beteiligte war auch nicht - wie er geltend macht - gehalten, mit der Anfechtungserklärung zugleich einen wesentlich höhere Kosten verursachenden Erbscheinsantrag zu stellen, sondern konnte insoweit zunächst den Ablauf der Anfechtungsfrist der Mutter abwarten. Die gegenteilige Auffassung des Beteiligten ist daher abzulehnen; sie wird in der veröffentlichten Rechtsprechung und in der Literatur - soweit ersichtlich - auch nirgends vertreten.

Nach allem ist das Landgericht mit Recht davon ausgegangen, dass für den Beginn der Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB allein der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Beteiligte hinreichend zuverlässige Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die den geltend gemachten Anfechtungsgrund eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses gemäß § 119 Abs. 2 BGB begründen, nämlich der Zugehörigkeit von Bankguthaben im Werte von ca. 100.000 DM zum Nachlass und der sich daraus ergebenden Werthaltigkeit und fehlenden Überschuldung des Nachlasses.

4. Bei der Frage, ob die vom Landgericht festgestellten Tatsachen die Kenntnis des Beteiligten vom Anfechtungsgrund bis spätestens 13.März 2000 begründet haben, handelt es sich im wesentlichen um eine Würdigung tatsächlicher Verhältnisse. Sie ist im Verfahren der weiteren Beschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt gemäß §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB ausreichend erforscht, bei der Beweiswürdigung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und dabei nicht gegen Verfahrensrecht sowie gegen die Denkgesetze, feststehende Erfahrungssätze oder den allgemeinen Sprachgebrauch verstoßen hat, ferner ob es vorliegend - entsprechend der Auffassung des Beteiligten - die Anforderungen an die Feststellung der Kenntnis im Sinne des § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB vernachlässigt hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27 Rdn. 42 m.w.N.). Auf Fehlern dieser Art beruht der angefochtene Beschluss nicht, so dass die Feststellung des Landgerichts, der Beteiligte habe am 13.März 2000 die erforderliche Kenntnis gehabt, für den Senat in tatsächlicher Hinsicht bindend ist.

Das Landgericht hat zunächst den Grad der erforderlichen Kenntnis im Sinne des § 1954 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht verkannt. Wie dargelegt, setzt die erforderliche Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus, dass der Anfechtende die maßgeblichen Umstände hinreichend zuverlässig erfährt, wobei bloßes Kennenmüssen oder bloße Verdachtsgründe nicht genügen, andererseits aber auch keine volle Überzeugung erforderlich ist (s.o. und BayObLG FamRZ 1998, 924/925). Die Anforderungen an die Sicherheit der Kenntnis dürfen nicht überspannt werden; insoweit gelten auch hier die zu § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB wiedergegebenen Grundsätze.

Das Landgericht durfte nach diesen Grundsätzen die dem Beteiligten durch seine Mutter vermittelte Information des Erbenermittlers bereits aufgrund seines eigenen Vertrags und aktenkundigen Verhaltens als hinreichend zuverlässige Kenntnis werten. Zwar begründen zweifelhafte und unüberprüfbare private Mitteilungen regelmäßig noch nicht die für den Fristbeginn erforderliche Kenntnis. Eine solche Einschätzung war jedoch hinsichtlich der Mitteilung des mit Namen und Adresse bekannten Erbenermittlers nicht gerechtfertigt. Denn nach den Umständen war davon auszugehen, dass es sich um einen berufsmäßig tätigen Erbenermittler handelte, der aufgrund eigener Ermittlungen hinsichtlich des Nachlasses des Bruders der Erblasserin, an dem diese als Miterbin beteiligt war, an die Mutter des Beteiligten als eine gesetzliche Erbin der Erblasserin herantrat. Davon, dass auch der Beteiligte selbst die Mitteilung nicht als unzuverlässig einschätzte, konnte das Landgericht schon aufgrund seines eigenen Verhaltens ausgehen. Denn er selbst suchte daraufhin unverzüglich, nämlich weniger als eine Woche nach Erhalt der Information durch seine Mutter, den Notar zum Zweck der Erklärung der Anfechtung der Ausschlagung und zur Stellung des darauf gegründeten Erbscheinsantrags auf. Jedenfalls von Letzterem hätte er schon angesichts der dadurch ausgelösten Kosten, auf die er mit der weiteren Beschwerde selbst hinweist, bei anderer Wertung der Mitteilung zunächst abgesehen.

5. Nicht geprüft hat das Landgericht, ob der Lauf der Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 203 Abs. 2 a.F. (jetzt: § 206 n.F.) BGB möglicherweise deshalb gehemmt war, weil der Beteiligte durch höhere Gewalt an der rechtzeitigen Erklärung der Anfechtung gehindert war (§ 25 FGG). Der Senat kann diese Prüfung indessen nachholen, weil eine weitere Sachaufklärung in Anbetracht des Umstands, dass sich der Beteiligte selbst auf diesen Gesichtspunkt nicht - auch nicht hilfsweise - beruft, und die aktenkundigen Vorgänge das Vorliegen höherer Gewalt nicht ergeben, nicht geboten erscheint.

Höhere Gewalt liegt vor, wenn die Verhinderung auf einem Ereignis beruht, das auch durch die Beachtung der äußersten Sorgfalt nicht zu verhindern war. Jedes Verschulden des Betroffenen schließt daher höhere Gewalt aus. Auch Rechtsunkenntnis stellt grundsätzlich keine höhere Gewalt dar und vermag den Fristablauf nicht zu hemmen. Dem Betroffenen ist allerdings nur das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten, nicht aber dasjenige des von ihm als Amtsperson in Anspruch genommenen Notars zuzurechnen (vgl. zu Vorstehendem Senat NJW 1959, 295/296; OLG Köln OLGZ 1967, 496; BayObLG NJW-RR 1997, 72; OLG Hamm NJW-RR 1994, 522; MünchKomm-BGB/Grothe, 4. Aufl., § 206 Rdn. 4; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 206 Rdn. 4).

Die aktenkundigen Vorgänge bei und in Folge der Beurkundung des Erbscheinsantrags in der notariellen Verhandlung vom 13.März 2000, innerhalb derer auch die Erklärung der Anfechtung der Ausschlagung erfolgte, lassen indessen nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände die Urkunde nebst Anlagen erst am 26.April 2000 mit Schriftsatz gleichen Datums beim Nachlassgericht eingereicht wurde. Insbesondere fehlt ein Hinweis in der Urkunde, dass zunächst der Ablauf der Anfechtungsfrist für die Mutter des Beteiligten abgewartet werde. Auch die als Anlagen beigefügten Urkundskopien tragen jeweils Beglaubigungsvermerke vom 13.März 2000. Die ersichtlich vom Notar vertretene Auffassung des Beteiligten, dass der für ihn maßgebende Fristlauf erst nach dem Ablauf der Anfechtungsfrist seiner Mutter am 11.April 2000 begonnen habe, könnte zwar erklären, warum mit der Einreichung bis zum 26.April 2000 gewartet wurde. Die Möglichkeit, dass der Beteiligte insoweit auf die - unrichtige - Rechtsauffassung des Notars vertraute, rechtfertigt aber nicht die Feststellung, dass die verspätete Einreichung ausschließlich auf einem Verschulden des Notars beruhte, das dem Beteiligten als höhere Gewalt nicht zuzurechnen wäre.

Eine Kostenerstattungsanordnung nach der an sich zwingenden Vorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (§ 161 KostO).

Ende der Entscheidung

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