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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.10.2009
Aktenzeichen: 1 W 161/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 493
BGB § 1822 Nr. 8
BGB § 1901 Abs. 3
BGB § 1908i
Der Betreuer bedarf zum Abschluss eines Überziehungskredits ("Dispositionskredits") der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

Beruht der Antrag des Betreuers auf Genehmigung auf einem entsprechenden Wunsch des Betroffenen, kann die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Wunsch dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft. Hiervon kann bei einem angestrebten Kreditrahmen bis zu 500,00 EUR und regelmäßigen, diesen Betrag deutlichen übersteigenden Einnahmen des Betroffenen nicht ohne nähere Prüfung der vertraglichen Grundlagen nicht ausgegangen werden.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 161/08

13.10.2009

In der Betreuungssache betreffend

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde des Betroffenen vom 23. April 2008 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht B. Becker sowie die Richter am Kammergericht Hinze und Müller am 13. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

er Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. März 2008 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Gründe:

Die weitere Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie formgerecht durch den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen erhoben worden, § 29 Abs. 1 S. 2 FGG. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt aus § 20 Abs. 1 FGG (vgl. Klüsener, in: Jürgens, Betreuungsrecht, § 1828 BGB, Rdn. 24; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 20, Rdn. 14). Es finden die bis zum 31. August 2009 geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, weil Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens eine vor dem 1. September 2009 ergangene Entscheidung des Landgerichts ist, Art. 111 Abs. 1 FGG-ReformG.

Die weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat ausgeführt, der Umstand, dass die Postbank keinen Dispo genehmigen wolle, könne nicht dazu führen, dass der Betreuer ohne Beachtung der Voraussetzungen des § 1822 BGB die Genehmigung zur Einräumung eines Dispokredits erhält, zumal nicht erkennbar sei, dass ein solcher für den angemessenen Unterhalt des Betroffenen erforderlich sei oder eine sinnvolle, ohne große Risiken durchzuführende Maßnahme darstelle.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, vgl. §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

Allerdings ist es im Ausgangspunkt zutreffend, dass der Betreuer für die beabsichtigte Inanspruchnahme eines Dispositionskredits der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf, §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1822 Nr. 8 BGB (Klüsener, a.a.O., § 1822 BGB, Rdn. 26; Meyer, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 1822 BGB, Rdn. 21). Da es dem Betreuer hier nicht nur um die einmalige Inanspruchnahme eines solchen Kredits, sondern überhaupt um die Einräumung eines "Dispos" ging, ist sein Antrag dahin zu verstehen, dass die Genehmigung eines mit der das Girokonto des Betroffenen führenden Bank erst noch zu schließenden Verbraucherkreditvertrags im Sinn des § 493 BGB erstrebt wird. Denn die Einräumung eines Überziehungskredits erfolgt nicht einseitig durch die Bank, sondern auf Grundlage einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung mit dem Kontoinhaber (vgl. hierzu Schürnbrand, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 493, Rdn. 9). Auch ein solcher Vertrag setzt die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung voraus (vgl. Wagenitz, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 1822, Rdn. 52).

Die Entscheidung über die Genehmigung hat der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (BayObLG, DNotZ 2002, 547, 548; Bienwald, in: Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann, Betreuungsrecht, 4. Aufl., Anhang zu § 1908i, Rdn. 74). Diese Ermessensentscheidung unterliegt nur in beschränktem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde; sie erstreckt sich darauf, ob der Tatrichter von seinem Ermessen keinen oder einen rechtlich fehlerhaften, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat (OLG Hamm, FGPrax 2000, 228, 229; Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27, Rdn. 23). Solche Fehler liegen hier vor. Das Landgericht hat wesentliche Umstände des vorliegenden Falls nicht beachtet und den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt.

Zu Recht weist die weitere Beschwerde darauf hin, dass der Betreuer grundsätzlich an Wünsche des Betroffenen gebunden ist, § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB. Diese sind auch von dem Vormundschaftsgericht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen (Meyer, a.a.O.; § 1828, Rdn. 9). Bedarf der Betreuer, um einem Wunsch des Betroffenen zu entsprechen, der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, kann diese deshalb nur versagt werden, wenn der Wunsch dem Wohl des Betroffenen zuwiderläuft, § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB. Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn der Wunsch dem objektiven Interesse des Betroffenen widerspricht. Vielmehr entsteht ein beachtlicher Gegensatz zwischen Wohl und Wille des Betroffenen erst dann, wenn die Erfüllung der Wünsche höherrangige Rechtsgüter des Betroffenen gefährden oder seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde (BGH, NJW 2009, 2814, 2816). Der Tatrichter ist bei seiner Ermessensentscheidung insoweit gebunden. Das hat das Landgericht nicht ausreichend beachtet.

Allerdings ist die Erwägung des Landgerichts, die Eröffnung eines Dispositionskredits sei für den angemessenen Unterhalt des Betroffenen nicht erforderlich im Grundsatz nicht zu beanstanden Sie wird mit der weiteren Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Um die Sicherung des Unterhalts des Betroffenen geht es aber auch gar nicht. Der Betreuer hat seinen Antrag nicht hierauf gestützt, sondern mit dem Wunsch des Betroffenen zu größerer finanzieller Flexibilität begründet.

Soweit das Landgericht seine Entscheidung darüber hinaus damit begründet hat, es sei nicht ersichtlich, dass es sich insoweit um eine sinnvolle, ohne große Risiken verbundene Maßnahme handele, kann dem nicht gefolgt werden. Die weitere Beschwerde rügt zu Recht, dass es sich bei der Einräumung eines Dispositionsrahmens bis zu 500,00 EUR tatsächlich um ein überschaubares Risiko handelt. Dies um so mehr, als den Akten zu entnehmen ist, dass der Betroffene über monatliche Einnahmen aus Pension und Rente verfügt, die seine regelmäßigen Ausgaben deutlich übersteigen. Nach dem bei der Entscheidung des Landgerichts vorliegenden letzten Vermögensbericht des Betreuers zum 31. Oktober 2007 standen Guthaben in Höhe von 2.902,07 EUR Verbindlichkeiten von 400,00 EUR gegenüber. Der Betroffene war danach zwar nicht vermögend im Sinne des Betreuungsvergütungsrechts, vgl. §§ 1836c, 1836d BGB, aber auch keineswegs überschuldet. Die Einräumung des Kredits würde seine Lebens- und Versorgungssituation deshalb nicht erheblich verschlechtern.

Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, weil noch tatsächliche Ermittlungen erforderlich sind. Die Genehmigung zur Inanspruchnahme eines Dispositionskredits kann nicht abstrakt erfolgen. Wie eingangs erläutert, geht es vorliegend nicht um die Inanspruchnahme eines bereits vereinbarten Überziehungskredits, sondern in erster Linie um den Abschluss eines entsprechenden Vertrags mit der kontoführenden Bank. Ein Vertrag kann aber regelmäßig nur dann genehmigt werden, wenn der Vertragsinhalt im Wesentlichen feststeht (Lafontaine, in: jurisPK-BGB, 4. Aufl. 2008, § 1828 BGB, Rdn. 89).

Insoweit wird der Betreuer aufzufordern sein, nähere Angaben zu dem beabsichtigten Vertrag zu machen.

Ende der Entscheidung

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