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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.10.2005
Aktenzeichen: 1 W 162/05
Rechtsgebiete: FGG, ZPO
Vorschriften:
FGG § 20 Abs. 1 | |
ZPO § 607 Abs. 2 Satz 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 162/05
In der Betreuungssache betreffend
hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde und die Beschwerde vom 7. April 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. März 2005 - 87 T 89/05 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch und den Richter am Amtsgericht Müller in der Sitzung vom 4. Oktober 2005 beschlossen:
Tenor:
1. Die weitere Beschwerde wird bei einem Verfahrenswert von bis zu 1.000,00 EUR zurückgewiesen.
2. Unter Abänderung des Beschlusstenors zu 2. des Beschlusses des Landgerichts vom 14. März 2005 wird dem Beschwerdeführer Akteneinsicht gewährt.
Gründe:
A.
I. Das Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist als weitere Beschwerde statthaft, soweit das Landgericht seine Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 29. November 2004 als unzulässig verworfen hat, § 27 Abs. 1 FGG. Aus dieser, für den Beschwerdeführer nachteiligen Entscheidung folgt seine Beschwerdeberechtigung (Keidel/Kuntze/Winkler/Meyer-Holz, FGG, 15. Aufl., § 27, Rdn. 10).
II. Die weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Beschluss des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG. Zutreffend hat das Landgericht die Beschwerde mangels Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
Da die Voraussetzungen der speziellen, im Gesetz geregelten Fälle einer Beschwerdebefugnis des Ehegatten gegen seinen Ehegatten betreffende vormundschaftsgerichtliche Entscheidungen nicht vorliegen, vgl. §§ 69g Abs. 1, 69 i Abs. 1 und 3 FGG, konnte sich die Befugnis des Beschwerdeführers, die Entscheidung des Amtsgerichts vom 29. November 2004 anzufechten, nur aus § 20 Abs. 1 FGG ergeben. Danach steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch eine Verfügung des Gerichts der ersten Instanz beeinträchtigt ist. Vorliegend sind keine Rechte des Beschwerdeführers beeinträchtigt.
Soweit der Gesetzgeber die Wirksamkeit bestimmter Handlungen eines Betreuers von der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig gemacht hat, wird damit regelmäßig das Ziel verfolgt, den Betreuten vor Fehlentscheidungen seines Betreuers zu schützen. In der Rechtsprechung ist es seit jeher anerkannt, dass etwa die Frage der Erteilung oder Versagung von Genehmigungen nach § 1828 BGB nur das Verhältnis des Vormundschaftsgerichts zu dem Vormund betrifft und daher in die Rechtssphäre eines Dritten, der auf die Erteilung der Genehmigung kein Recht hat, grundsätzlich nicht eingegriffen wird (KG, KGJ 52, 46, 47; KGJ 27, 172, 175). Infolgedessen steht dem Dritten ein Recht zur Beschwerde gemäß § 20 Abs. 1 FGG gegen die gerichtliche Genehmigung regelmäßig nicht zu (KG, JFG 13, 23, 24). Entsprechendes gilt für die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO. Der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten soll nicht uneingeschränkt die Scheidung beantragen bzw. die Aufhebungsklage erheben können, weil dies dem höchstpersönlichen Charakter der Ehe widerspräche (Wieczorek/Schütze/Becker-Eberhard, ZPO, 3. Aufl., § 607, Rdn. 1; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 607, Rdn. 1; Musielak/Borth, ZPO, 4. Aufl., § 607, Rdn. 1). Seine Entscheidung hat das Vormundschaftsgericht allein danach auszurichten, ob die Genehmigung dem wohlverstandenen Interesse des geschäftsunfähigen Ehegatten entspricht (Wiczorek/Schütze/Becker-Eberhard, a.a.O., § 607, Rdn. 17; Stein/Jonas/Schlosser, a.a.O., § 607, Rdn. 5; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 607, Rdn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 63. Aufl., § 607, Rdn. 5; vgl. auch BGH, FamRZ 2002, 316 ff). Auf die Interessen des anderen Ehegatten kommt es dabei nicht an.
Durch die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO wird auch nicht das durch Art. 6 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB geschützte Recht des Beschwerdeführers zur ehelichen Lebensgemeinschaft unmittelbar beeinträchtigt, was Voraussetzung für eine Beschwerdebefugnis nach § 20 Abs. 1 FGG wäre (vgl. Jansen, FGG, FGG, 2. Aufl., § 20, Rdn. 42). Die Genehmigung gewinnt für den anderen Ehegatten keine unmittelbare Bedeutung. Dabei ist es unerheblich, dass durch die Genehmigung vorliegend der Mangel der Vertretungsbefugnis des Betreuers im bereits anhängigen Scheidungsverfahren geheilt wird (vgl. OLG Hamm FamRZ 1990, 166, 167), so dass die Genehmigung unmittelbare Rechtswirkungen entfaltet. Diese betreffen aber - noch - nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Rechtssphäre des Beschwerdeführers. Durch die Genehmigung wird der Scheidungsantrag der Betroffenen nur zulässig; ob er begründet ist, prüft das Familiengericht selbständig. Das gilt insbesondere für den Trennungswillen des geschäftsunfähigen Ehegatten, § 1567 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. BGH, FamRZ 1989, 479 ff; FamRZ 2002, 316 ff.; OLG Hamm, FamRZ 1990, 166, 167; OLG Frankfurt/Main, FamRZ 2002, 514). An die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts ist es nur insoweit gebunden, als die Genehmigung Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist (vgl. Stein/Jonas/Schlosser, a.a.O., § 607, Rdn. 4).
Die Genehmigung stellt nur das - durch die Prozessunfähigkeit beeinträchtigte - Recht der Betroffenen wieder her, ihrerseits bei gescheiterter Ehe deren Auflösung herbeizuführen, betrifft also nur ihre Rechtssphäre nach Art. 2, Art. 6 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer wird letztlich nicht anders gestellt, als wenn die Betroffene noch prozessfähig wäre und den Scheidungsantrag selbst gestellt hätte. Auch diesen Scheidungsantrag könnte der Beschwerdeführer nicht verhindern, sondern müsste seine Einwendungen - die Ehe sei nicht gescheitert, es liege keine Trennung mit Willen der Betroffenen vor - im Scheidungsverfahren geltend machen (vgl. LG Berlin, BtPrax 1999, 204, 205).
Aus diesem Grund hat der Beschwerdeführer auch kein Recht auf Anhörung im vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahren. Das gilt auch im Hinblick auf die erbrechtlichen Folgen des Scheidungsantrags nach § 1933 BGB: Auch in seinem Ehegattenerbrecht, Art. 14 GG, ist der Beschwerdeführer durch die Genehmigung nach § 607 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht betroffen. Denn die Folgen des Antrages treten nur ein, wenn die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe materiell gegeben waren. Auch hier stellt die Genehmigung des Scheidungsantrags nur das Recht der Frau her, mit ihrem Antrag die erbrechtlichen Folgen nach § 1933 BGB herbeizuführen. Das betrifft ausschließlich ihre Rechtssphäre nach Art. 2, 6 Abs. 1, 14 GG.
B.
I. Soweit das Landgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht zurückgewiesen hat, ist seine hiergegen eingelegte Erstbeschwerde statthaft (BayObLG, FamRZ 2001, 1246).
II. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 S. 1 FGG liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Einsicht der Gerichtsakten jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Ausreichend ist jedes nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage gerechtfertigte Interesse, das auch tatsächlicher Art sein kann und nicht auf bereits vorhandenen Rechten beruhen muss (BayObLG, FamRZ 1990, 430; Keidel/Kuntze/Winkler/Kahl, a.a.O., § 34, Rdn. 13).
Ob die Akteneinsicht zu verwehren ist, wenn der Antragsteller - wie vor dem Landgericht vorgetragen - die gewonnenen Erkenntnisse zur Begründung einer ohne Beschwerdeberechtigung eingelegten Beschwerde verwenden will, kann dahinstehen. Mit der Beschwerde wird nunmehr zudem geltend gemacht, die Akteneinsicht diene nicht nur und auch nicht wesentlich dem Zweck, die Beschwerde begründen zu können. Ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers, die Grundlagen der Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - zu denen er nicht gehört wurde (und werden musste) - zu erfahren, um im anhängigen Scheidungsverfahren hierzu Stellung nehmen zu können, kann vorliegend aber nicht verneint werden.
Über die Art und Weise der Akteneinsicht wird das Amtsgericht zu entscheiden haben, weil dort die Akten geführt werden und, nachdem das Beschwerdeverfahren mit diesem Beschluss beendet worden ist, dorthin zurückzugeben sind.
C.
Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 131 Abs. 2, 30 KostO. Eine Kostenentscheidung gemäß § 13a FGG war nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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