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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 1 W 165/05
Rechtsgebiete: PStG, FGG


Vorschriften:

PStG § 30
FGG § 16 a
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes wird durch die Beischreibung des Randvermerks über die adoptionsbedingte Änderung des Geburtsorts nicht verletzt.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 165/05

In der Personenstandssache

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts am 20. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, die Richterin am Kammergericht Dr. Rasch sowie den Richter am Kammergericht Hinze beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 PStG, 29 Abs. 2 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO) beruht.

1) Nach §§ 41 Abs. 2, 16, 21 Abs. 1 Nr. 2 PStG hat der Standesbeamte Ort, Tag und Stunde der Geburt eines außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes geborenen Kindes in das Geburtenbuch einzutragen. Nach § 30 Abs. 1 PStG ist ein Randvermerk einzutragen, wenn sich der Personenstand des Kindes ändert. Da durch die Annahme als Kind das angenommene Kind aus der Familie, der es durch Geburt entstammt, in eine andere Familie, zu der durch staatlichen Rechtsakt ein neues Verwandschaftsverhältnis begründet wird, wechselt, stellt die Annahme als Kind eine Änderung des Personenstandes dar, die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 PStG im Geburtseintrag zu vermerken ist (Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, § 30 PStG Rdnr. 84). Wurde die Annahme des Kindes - wie im vorliegenden Fall - nicht durch ein deutsches Gericht, sondern durch ein ausländisches Gericht ausgesprochen, hat der Standesbeamte als Vorfrage die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung zu prüfen (OLG Karlsruhe, NJW 2004, 516 ff m. w. N.). Da die russische Föderation dem Hager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993 bislang nicht beigetreten ist, richtet sich die Frage der Anerkennung der Wirksamkeit einer in der russischen Föderation ausgesprochenen Adoption allein nach § 16a FGG.

Gründe, die der Anerkennung der Entscheidung des Gebietsgerichts Leningrad in St. Petersburg nach § 16 a FGG entgegenstehen würden, liegen nicht vor.

a) Die nach § 16 a Nr. 1 FGG erforderliche internationale Zuständigkeit des Gebietsgerichts Leningrad ist gegeben, denn das nn Valentin war im Zeitpunkt des Beschlusses Staatsangehöriger der russischen Föderation und hatte dort (nämlich im nnnnnnnnnn ) seinen Wohnsitz, so dass spiegelbildlich die tatbestandlilchen Voraussetzungen des § 43 b Abs. 1 und 2 FGG vorliegen.

b) Die Entscheidung des Gebietsgerichts in Leningrad verstößt auch nicht gegen den ordre public (§ 16 a Nr. 4 FGG). Anders als bei der Anwendung ausländischen Rechts durch deutsche Gerichte ist für die Frage der Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheidungen auf den - großzügigeren - anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen (BGHZ 48, 327, 331; OLG Karlsruhe a.a.O.; krit. Looschelders, IPRax 2005, 28). Danach ist eine ausländische Entscheidung nur dann nicht anzuerkennen, wenn sie mit Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere mit den Grundrechten, in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint, sie als wirksam anzusehen (OLG Karlsruhe a.a.O.).

Soweit die Beteiligte zu 3) einen Verstoß gegen den ordre public annimmt, weil die Eintragung eines tatsächlich unzutreffenden Geburtsortes gegen den den Personenstandseinträgen innewohnenden Grundsatz der Wahrheit verstoße, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Allerdings trifft es zu, dass die Beischreibung eines entsprechenden Randvermerks, wie ihn das Amtsgericht Schöneberg mit Beschluss vom 6. Januar 2005 angeordnet hat, über die bloße Wiedergabe der Entscheidung eines ausländischen Gerichts hinausgeht. Grundsätzlich kommt einem Randvermerk die volle Beweiskraft gemäß § 60 PStG zu (Hepting/Gaaz a.a.O. § 30 PStG Rdnr. 25). So bedeutet ein Randvermerk über einen Adoptionsbeschluss nicht nur, dass ein derartiger Beschluss erlassen wurde, sondern dass die Adoption rechtswirksam erfolgt ist (Hepting/Gaaz a.a.O.). Hieraus folgt grundsätzlich eine materielle Prüfungspflicht des Standesbeamten (Hepting/Gaaz a.a.O.). Diese bezieht sich vorliegend auf die Frage, ob die Eintragung des durch Gerichtsbeschluss geänderten Geburtsorts gegen den ordre public verstößt. Insoweit ist im Ausgangspunkt der Auffassung des Fachausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten (StAZ 1997, 181, 182) zu folgen, bei der Anerkennung der ausländischer Adoptionsentscheidung könnten solche Wirkungen ausgeschlossen werden, die dem deutschen Recht ihrer Art nach unbekannt sind. In einem solchen Fall - wie er bei Eintragung eines bewusst den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Geburtsorts vorliege - stehe der ordre public der Anwendung einer entsprechenden Teilwirkung entgegen. Das OLG Karlsruhe (a.a.O.) hat dem allerdings entgegengehalten, die Frage, ob es dem deutschen Recht widerspreche, wenn in das Personenstandsregister Tatsachen bewusst unzutreffend eingetragen würden, gehe in die falsche Richtung. Sei das Geburtsdatum durch die Entscheidung des ausländischen Gerichts geändert und sei diese Entscheidung in Deutschland nach § 16 a FGG anzuerkennen, würde der deutsche Standesbeamte, der das geänderte Geburtsdatum in das Familienbuch eintrüge, keine unzutreffende, sondern eine zutreffende Tatsache eintragen. Das OLG Karlsruhe geht dabei davon aus, ein entsprechender Beschluss eines ausländischen Gerichts könne "das Geburtsdatum mit rechtsgestaltender Wirkung" ändern. Dasselbe wäre für einen den Geburtsort ändernden Gerichtsbeschluss anzunehmen.

Ob dem OLG Karlsruhe darin zuzustimmen ist, dass Geburtsdatum bzw. Geburtsort unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten durch Gerichtsbeschluss mit rechtsgestaltender Wirkung geändert werden können, erscheint als zweifelhaft (vgl. Hepting/Gaaz a.a.O. § 30 PStG Rdnr. 20). Nach Auffassung des Senats scheidet ein Verstoß gegen den ordre public im Ergebnis jedenfalls dann aus, wenn - wie hier - bei Beischreibung des Randvermerks gem. § 30 PStG auch die durch den Adoptionsbeschluss angeordnete Änderung der "Angabe zum Geburtsort des Kindes" eingetragen wird. Da der Geburtsgrundeintrag nach § 42 Abs. 2, 3 PStG damit nicht geändert oder berichtigt wurde, ist der Grundsatz der Wahrheit der Personenstandseintragungen noch gewahrt. Denn auch bei Beischreibung dieses Randvermerk ist dem Geburtenbuch weiterhin zu entnehmen, dass "nnnnnnnnnnnnnnn (Kindesmutter) am 28. November 1996 in nnnn Gebiet nnnnnnnnnn einen Knaben geboren hat", überdies bleibt die adoptionsbedingte Änderung des Geburtsorts in Personenstandsurkunden erklärbar. Allein der Umstand, dass dem deutschen Recht eine Änderung des Geburtsortes als Wirkung der Adoption nicht bekannt ist, begründet daher keinen Verstoß gegen den ordre public.

c) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Grundrechte des Kindes durch die Beischreibung des Randvermerks über die Entscheidung des Gebietsgerichts nnnnn in nn nnnnn nicht verletzt werden.

Für eine Verletzung der Menschenwürde des betroffenen Kindes ist nichts ersichtlich (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Looschelders, IPRAX 2005, 28, 30).

Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes wird durch die Beischreibung des Randvermerks über die Änderung des Geburtsorts im Geburtenbuch nicht verletzt. Zwar umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 I, 2 I GG) auch das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, mit der Folge, dass die Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe in das Grundrecht eingreift (BVerfGE 79, 256, 269; NJW 1997, 1769 ff). Dieses Recht gilt jedoch nicht uneingeschränkt (BVerfG NJW 1997, 1769 ff; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, FamRZ 2003, 1367). Wie weit das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung reicht, braucht für den vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Durch die Beischreibung des von der Beteiligten zu 3) beanstandeten Vermerks wird die ursprüngliche Eintragung im Geburtenbuch, wonach der Geburtsort nnnn im Gebietnnnnnn ist, nicht beseitigt. Das betroffene Kind hat also die Möglichkeit, wenn es sich für seine Abstammung interessiert, durch Einsichtnahme in das Geburtenbuch den tatsächlichen Geburtsort in Erfahrung zu bringen und so seine leiblichen Eltern zu ermitteln.

Die durch den gewählten Randvermerk allenfalls eintretende mittelbare Beeinträchtigung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist nicht unverhältnismäßig. Denn der Randvermerk dient dem Schutz des Adoptionsgeheimnisses und damit den eigenen Interessen des Kindes. Diese werden auch von der deutschen Rechtsordnung als schutzwürdiges Gut anerkannt. Insoweit kann auf die angefochtenen Entscheidungen sowie den Beschluss des OLG Karlsruhe (a.a.O.) verwiesen werden. Soweit demgegenüber Looschelders (a.a.O.) der Entscheidung des OLG Karlsruhe im Ergebnis widerspricht, weil die im dortigen Fall vorgenommene Änderung des Geburtsdatums einen so schweren Eingriff darstelle, dass sie nur dann anerkannt werden könnte, wenn sie zur Abwehr schwerwiegender Gefahren für das Wohl des Kindes oder die Rechte der Adoptiveltern erforderlich wäre, greift diese Überlegung im vorliegenden Fall nicht. Looschelders begründet seine Kritik damit, dass die Änderung des Geburtsdatums, etwa wegen der Folgen für den Eintritt der Volljährigkeit, einen eigenständigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes darstelle, der von der möglichen Beeinträchtigung des Rechts auf Kenntnis der leiblichen Eltern und des Geburtsdatums zu unterscheiden sei (Looschelders, a.a.O. Seite 31). Ein solcher weitergehender Eingriff liegt hier gerade nicht vor. Rechtsfolgen aus einer Änderung des Geburtsorts (etwa bei Anknüpfung der Staatsangehörigkeit) sind hier nicht ersichtlich.

2. Für eine Kostenentscheidung nach § 13 a FGG besteht kein Anlass.



Ende der Entscheidung

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