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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 09.09.2005
Aktenzeichen: 1 W 166/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB a.F. § 1836 Abs. 2 Satz 4
FGG § 56g Abs. 1
1. Die Ausschlussfrist nach § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB (in der bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998) gilt auch für Nachlasspfleger.

2. § 56g Abs. 1 FGG begründet keine Verpflichtung des Gerichts, den berufsmäßig tätigen Nachlasspfleger von Amts wegen vor dem Verfall seines Vergütungsanspruchs nach § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB a. F. zu bewahren.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 166/05

In der Nachlasspflegervergütungssache

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts hat auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 29. April 2005 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 15. April 2005 - 87 T 459/02 - am 9. September 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Verfahrenswert wird auf 233,58 EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die sofortige weitere Beschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landgericht statthaft, §§ 75 S. 1, 56 g Abs. 7 und 5 S. 2 FGG. Sie ist auch zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 29 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG.

2. Das Rechtsmittel, mit dem der Beschwerdeführer die Festsetzung einer Vergütung für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger in der Zeit vom 1. Januar 1999 bis zum 25. März 2001 in Höhe von 233,58 EUR aus der Staatskasse erstrebt, ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Bewilligung einer Vergütung für diesen Zeitraum abgelehnt, weil der Beschwerdeführer den Vergütungsanspruch erst mit Schriftsatz vom 29. Juli 2002 und damit nach Ablauf der in § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB a. F. normierten Ausschlussfrist von 15 Monaten geltend gemacht hat.

Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass sich die Vergütung des Nachlasspflegers gemäß § 1915 Abs. 1 BGB nach den in § 1836 BGB in der bis zum 30. Juni 2005 maßgeblichen Fassung des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes enthaltenen Regelungen über die Vergütung eines Vormunds richtet (Senat, Beschluss vom 17.9.2002 - 1 W 7298/99). Dabei hat das Landgericht zu Recht auch § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. für entsprechend anwendbar gehalten, wonach der Vergütungsanspruch eines Vormunds erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Vormundschaftsgericht geltend gemacht wird. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt diese Vorschrift auch für den Nachlasspfleger (Senat, Beschlüsse vom 2. August 2005 - 1 W 433/03; vom 9. August 2005 - 1 W 434/03 und vom 16. August 2005 - 1 W 461/03).

Der Standpunkt des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetzes habe eine entsprechende Anwendung des § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. auf Nachlasspflegschaften nicht ausdrücklich vorgesehen und daher nicht gewollt, findet in den Gesetzesmaterialien keine Bestätigung. Dagegen spricht die durch das damalige Reformgesetz unverändert gebliebene Gesetzessystematik. Der Gesetzgeber hat nach wie vor die maßgeblichen Regelungen über Aufwendungsersatz und Vergütung von Berufsbetreuern nicht im Betreuungsrecht, sondern im Vormundschaftsrecht getroffen, das über § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB auf die Betreuung sinngemäß anzuwenden ist. Hätte der Gesetzgeber ausschließlich das Betreuervergütungsrecht neu regeln wollen, dann wäre es nahe liegend gewesen, abschließende Sondervorschriften im Betreuungsrecht selbst zu treffen. Gerade dies hatte der Gesetzgeber aber nicht im Sinn. Ihm ging es vielmehr ausdrücklich darum, die Vergütung von Vormündern und Betreuern weiterhin einheitlich zu regeln (BT-Drs. 15/7158, S. 14 li. Sp.). Dass der Gesetzgeber dabei die Auswirkungen auf das Pflegschaftsrecht übersehen hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Durch das (Erste) Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde § 56g FGG eingefügt, in dem die Verfahrensregelungen für vormundschaftsrechtliche Entscheidungen in Aufwendungsersatz-, Vergütungs- und Regressfragen getroffen werden. Nach § 56g Abs. 7 FGG sind diese Regelungen ausdrücklich auch auf Pflegschaften anzuwenden. Der Gesetzgeber verfolgte damit das Ziel, auch im Verfahrensrecht einen Gleichlauf zwischen Vormundschaft und Pflegschaft zu schaffen, weil sich materiell-rechtlich Aufwendungsersatz und Vergütung über § 1915 Abs. 1 BGB nach §§ 1835 ff BGB richten (BT-Drs. 15/7158, S. 36, li. Sp.). Das gilt insbesondere auch für die Nachlasspflegschaft, wie sich aus § 75 S. 1 FGG ergibt (BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1393).

Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers lassen auch Sinn und Zweck von § 1836 Abs. 2 S. 4 BGB a.F. die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf die Nachlasspflegschaft zu. Die Bestimmung ist vor allem im Interesse der Staatskasse geschaffen worden (BT-Drs. 15/7158, S. 23, re. Sp.). Der Vormund soll zur zügigen Geltendmachung seiner Ansprüche angehalten werden, um zu verhindern, dass Ansprüche in einer Höhe auflaufen, die die Leistungsfähigkeit des Mündels überfordert, dessen Mittellosigkeit begründet und damit eine Eintrittspflicht der Staatskasse auslöst, die bei rechtzeitiger Inanspruchnahme des Mündels nicht begründet gewesen wäre (BT-Drs. 13/7158, S. 27, li. Sp.). Außerdem soll die Vergütung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums geltend gemacht werden, um die Abrechnung besser nachvollziehen zu können (MüKo/Wagenitz, BGB, 4. Aufl., § 1836, Rdn. 57). Diese Gründe sind grundsätzlich auch auf die Tätigkeit von Nachlasspflegern übertragbar. Zwar wird eine Nachlasspflegschaft in der Regel nur dann angeordnet, wenn der Nachlass gewisse Vermögenswerte aufweist. Außerdem ist die festgesetzte Vergütung des Nachlasspflegers eine Nachlassverbindlichkeit, für die der Erbe haftet (Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 1967, Rdn. 6; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1960, Rdn. 55). Stellt aber ein Nachlasspfleger bei langjähriger Pflegschaft keinen Vergütungsantrag, besteht ebenfalls die Möglichkeit, dass Vergütungsansprüche gegen die Staatskasse begründet werden. Ist dann - wie auch im vorliegenden Fall - kein die Vergütung deckender Aktivnachlass mehr vorhanden, hat der Berufsnachlasspfleger nach § 1836a BGB a.F. in Verbindung §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse (BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1394; Soergel/Stein, a.a.O., § 1960, Rdn. 41; Palandt/Edenhofer, a.a.O., § 1960, Rdn. 26; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 2. Aufl., Rdn. 691; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 751).

Darüber hinaus ist der Nachlasspfleger ebenso wie der Betreuer gehalten, seine Vergütung nach Zeit und Stundensatz abzurechnen (Senat, Beschluss vom 17. September 2002, 1 W 7298/9), so dass auch in seinem Fall die Abrechnung zeitnah erfolgen muss, um überschau- und nachvollziehbar zu bleiben.

Dafür, dass hier die Beachtung der Ausschlussfrist gegenüber dem Beschwerdeführer treuwidrig wäre (vgl. OLG Koblenz, FamRZ 2003,190), liegen keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere brauchte das Nachlassgericht nicht gemäß § 56g Abs. 1 FGG tätig zu werden und die Vergütung des Beschwerdeführers von Amts wegen festzusetzen. § 56g Abs. 1 FGG ist der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 ZSEG (jetzt: § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG) nachgebildet, um dem Gericht die Möglichkeit zu erhalten, bei einfach gelagerten Vergütungsanträgen gegen die Staatskasse die Vergütung - wie die Entschädigung von Zeugen - nach Vorprüfung durch den Rechtspfleger durch den Urkundsbeamten auszahlen zu lassen (BT-Drs. 13/10709, S. 3, li. Sp.). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte der mit einer gerichtlichen Festsetzung der Vergütung - d. h. mit dem Erlass eines rechtsmittelfähigen Beschlusses - verbundene Verwaltungsaufwand auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Anspruchsberechtigte eine solche Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. § 56 g Abs. 1 FGG verleiht dem Gericht mithin lediglich die Befugnis, den gegen die Staatskasse gerichteten Vergütungsanspruch eines Betreuers bzw. Pflegers auch ohne dessen ausdrücklichen Antrag gerichtlich festzusetzen und auf eine schlichte Auszahlung im Verwaltungswege zu verzichten (vgl. Deinert/Lütgens, Die Vergütung des Betreuers, S. 202; anders Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 56 g Rdn. 7; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, Rdn. 757). Eine Fürsorgepflicht, den Anspruchsberechtigten vor dem gesetzlich vorgesehenen Verfall seines Vergütungsanspruchs zu bewahren, wird durch diese Vorschrift dagegen nicht begründet. Vielmehr ist die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs durch den Berechtigten selbst für den Erhalt des Anspruchs nach § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB a. F. in jedem Fall erforderlich.

Das Nachlassgericht war auch nicht gehalten, aufgrund seiner allgemeinen Beratungspflicht (§§ 1915 Abs. 1, 1837 Abs. 1 BGB) den Beschwerdeführer vor Fristablauf auf die Folgen einer verspäteten Antragstellung hinzuweisen (BayObLG, FamRZ 2004, 1137, 1138; OLG Dresden, FamRZ 2004, 137f.) Von einem berufsmäßig tätigen Nachlasspfleger kann die Kenntnis der für die Anmeldung von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen Fristen und der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen erwartet werden.

Für den Lauf der Ausschlussfrist nach § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB a. F. war es vorliegend unerheblich, dass das Amtsgericht bei der Bestellung des Beschwerdeführers zum Nachlasspfleger am 9. Februar 1994 die berufsmäßige Führung der Nachlasspflegschaft durch den Beschwerdeführer nicht ausdrücklich festgestellt hat. Zwar ist seit dem Inkrafttreten des (Ersten) Betreuungsrechtsänderungsgesetz am 1. Januar 1999 diese Feststellung des Gerichts für die Entstehung des Vergütungsanspruchs grundsätzlich erforderlich, so dass bei ihrer Nachholung die Ausschlussfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt (so OLG Frankfurt/Main, BtPrax 2003, 281f.; HK-BUR/Bauer/Deinert, § 1836, Rdn. 10a). Diese Betrachtungsweise ist jedoch nicht auf Altfälle wie dem vorliegenden übertragbar, bei denen nach alter Rechtslage kein Anlass für eine solche Feststellung bestand. Denn in diesen Fällen hat der berufsmäßig eingesetzte Pfleger einen Vergütungsanspruch und braucht nicht unentgeltlich tätig zu sein. Dieser Status darf aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht rückwirkend beeinträchtigt werden, so dass - im Umkehrschluss - auch einer nachträglich positiven Feststellung keine konstitutive Wirkung im Sinn von § 1836 Abs. 1 S. 2 BGB zukommen kann und selbst ein förmlicher Beschluss nur klarstellende Wirkung entfalten würde (BGH, NJW 2002, 366; OLG Zweibrücken, FGPrax 2000, 62, 63; BayObLG, NJW-RR 2000, 1392, 1394; MüKo/Wagenitz, vor § 1835, Rdn. 30; Zimmermann, a. a. O. , Rdn. 747).

3. Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 KostO.



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