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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.11.2005
Aktenzeichen: 1 W 17/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 2084 | |
BGB § 2265 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 1 W 17/05
In der Nachlasssache
hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Sieveking, den Richter am Amtsgericht Müller und den Richter am Kammergericht Dr. Müther in der Sitzung am 29. November 2005
beschlossen:
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird nach einem Wert von 387.605,13 EUR zurückgewiesen.
Gründe:
A.
Die Beteiligte zu 1) hat aufgrund einer notariellen Erbscheinsverhandlung vom 11. April 2003 die Erteilung eines sie als Alleinerbin nach dem am 9. August 2001 verstorbenen Erblasser ausweisenden Erbscheins beantragt. Sie beruft sich insoweit auf ein privatschriftliches Testament vom 15. Juni 1981. Dieses Testament hatte der Erblasser, der nicht der leibliche Vater der Beteiligten zu 1) ist, gemeinsam mit seiner am 22. Dezember 1998 vorverstorbenen Ehefrau, der Mutter der Beteiligten zu 1), errichtet. Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 19. März 2004 zurückgewiesen und der Beschwerde vom 2. April 2004 nicht abgeholfen. Das Landgericht hat die Beschwerde mit einem Beschluss vom 27. September 2004 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 23. November 2004.
B.
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten ist zulässig, sie hat aber keinen Erfolg.
Die Annahme des Landgerichts, dass die Beteiligte zu 1) nicht testamentarische Alleinerbin des Beteiligten zu 1) geworden ist, lässt Rechtsfehler, auf die die weitere Beschwerde allein mit Erfolg gestützt werden kann, §§ 27 Absatz 1 Satz 2 FGG, 546f. ZPO, nicht erkennen.
1. Das Landgericht hat ausgeführt: Die in dem Testament vom 15. Juni 1981 enthaltene Formulierung, der Einsetzung der Beteiligten zu 1) zur Erbin der Testierenden für den Fall des Versterbens durch einen Unfall oder sonstige beide Unterzeichner betreffende Ereignisse sei dahin zu verstehen, dass ein Versterben so kurz nacheinander vorliegen müsse, dass jedenfalls der überlebende Ehegatte nicht mehr in der Lage sei, eine neue Erbeinsetzung vorzunehmen. Dies folge daraus, dass die Regelung für den Fall eines plötzlichen Todes getroffen worden sei. Demnach hätten die Eheleute nur für diesen Fall eine Vorsorge treffen wollen.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
a) Die Auslegung eines Testaments obliegt als im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegend in erster Linie dem Tatrichter und kann von dem Gericht der weiteren Beschwerde nur darauf hin überprüft werden, ob die Vorinstanz alle wesentlichen Tatsachen berücksichtigt hat, gesetzliche und allgemein anerkannte Auslegungsregeln, allgemeine Erfahrungssätze und Denkgesetze beachtet oder eine in Betracht kommende andere Auslegung überhaupt nicht erwogen hat, Umstände zu Unrecht verwertet oder nicht beachtet oder nicht erschöpfend aufgeklärt hat (vgl. Keidel/Meyer-Holtz, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl., § 27 Rn. 49f.; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rn. 21). Die Auslegung muss dabei nicht zwingend sein, es reicht, wenn sie nur möglich ist. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden.
b) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Testamentsauslegung zwar vom Wortlaut der Erklärung auszugehen hat, zur Ermittlung des Inhalts der Verfügung aber der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen ist (vgl. BGH NJW 1993, 256; Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2084 Rn. 2). Denn Ziel der Testamentsauslegung ist es, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen, § 133 BGB. Dabei kommt es auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an (BayObLG NJW 1996, 133). Bei gemeinschaftlichen Testamenten kommt nur eine Auslegung in Betracht, die dem Willen beider Testierenden entsprochen hat (vgl. BGHZ 112, 229, 233 = MJW 1991, 169, 170; BayObLGZ 1981, 79). c) Insoweit ist es eine mögliche - wenn nicht sogar nahe liegende - Auslegung des Testaments, die im zweiten Absatz enthaltene Formulierung dahin zu verstehen, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 1) als Schlusserbin nur für den Fall gelten sollte, dass die Eheleute durch einen beide treffenden Unfall oder ein oder mehrere sonstige Ereignisse so kurz nacheinander zu Tode kommen, dass jedenfalls der überlebende Ehegatte nicht in der Lage war, eine neue Erbeinsetzung vorzunehmen. Diese Auslegung wird durch den ersten Absatz des Testaments, nach dem sich die Testierenden gegenseitig zu ihren Erben eingesetzt haben, ohne eine Schlusserbeneinsetzung vorzunehmen, und der von ihnen gesondert unterschrieben worden ist, getragen. Es entspricht auch dem allgemeinen Wortsinn, wenn das Landgericht aus der Formulierung "plötzlicher Tod" beider Unterzeichner geschlossen hat, dass damit der Fall des kurzzeitigen Nacheinanderversterbens gemeint ist.
d) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht bei dieser Auslegung auch nicht andere Umstände rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen. Anhaltspunkte dafür, dass die Eheleute ein grundsätzlich unrichtiges Verständnis von der gesetzlichen Erbfolge hatten, sind nicht ersichtlich. Wenn - was das Landgericht fehlerfrei angenommen hat (vgl. Senat, FamRZ 1970, 148, 149) - die Eheleute durch die fehlende Schlusserbeneinsetzung bei einem nicht nur kurzzeitigen Nacheinanderversterben die Testierfreiheit des Letztversterbenden erhalten wollten, war weder eine Entscheidung über einen endgültigen Ausschluss der Beteiligten zu 1) von der beiderseitigen Erbfolge getroffen, noch geht daraus hervor, dass der Erblasser in jedem Fall die Beteiligte zu 1) wie ein eigenes Kind behandeln und als alleinige Schlusserbin einsetzen wollte.
Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Angaben der Söhne der Beteiligten zu 1) und der Freundin der Eheleute, Frau Onnn, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Denn deren Äußerungen könnten allenfalls belegen, wie der Erblasser bzw. die Eheleute den Inhalt ihres am 15. Juni 1981 verfassten Testaments verstanden haben wollten. Insoweit fehlt es aber - wie das Landgericht zu Recht betont - an ausreichenden Hinweisen, dass der nach den Angaben zu späterer Zeit geäußerte Wille der Eheleute bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments, auf den es allein ankommt, bestanden hat. Dagegen spricht der im Testament zum Ausdruck gebrachte Wille der Eheleute, den Überlebenden in seiner Testierfreiheit nicht zu beschränken.
Ob sich auch aus dem Testament des Erblassers vom 21. März 2001 schließen lässt, dass dieser sich durch das Testament vom 15. Juni 1981 nicht gebunden sah, weil er nicht von einer Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) ausgegangen ist, kann letztlich dahinstehen, weil das Landgericht diesem Umstand für die Auslegung keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat. Umgekehrt kann aus dem Testament vom 21. März 2001, auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2087 Absatz 2 BGB nicht auf eine Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments vom 15. Juni 1981 im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) auch für den Fall des nicht kurzzeitigen Nachversterbens geschlossen werden.
Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht deshalb als unrichtig, weil der Erblasser der Beteiligten zu 1) am 3. Februar 1998 eine umfassende Vollmacht für seine Konten bei der Berliner Sparkasse erteilt hat und der Beteiligten zu 1) ca. 760.000 DM von diesen Konten geschenkt haben soll.. Dieser Vortrag - der als neuer Tatsachenvortrag im Verfahren der weiteren Beschwerde ohnehin nicht zu berücksichtigen wäre - lässt ebenfalls keinen Schluss auf den Willen der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu.
3. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht keine ergänzende Auslegung des Testaments vom 15. Juni 1981 erwogen hat. Denn eine solche ergänzende Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn der Erblasser eine Veränderung der tatsächlichen Umstände nicht vorausgesehen hat, die sich hieraus ergebende Sachlage aber in einem bestimmten Sinne geregelt hätte, falls er das spätere Ereignis bedacht hätte (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 64. Aufl., § 2084 Rn. 10 mN). Denn nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Landgerichts dienten die Regelungen des Testaments vom 15. Juni 1981 gerade der Erhaltung der Testierfreiheit des Überlebenden, so dass es bereits an einem nicht bedachten späteren Ereignis fehlt. Dabei haben die Eheleute in Kauf genommen, dass der Überlebende es unterlassen könnte, zu Gunsten der Beteiligten zu 1) zu testieren. Wenn der Erblasser - was unterstellt werden mag - dies in dem Glauben unterließ, er habe in dem gemeinschaftlichen Testament vom 15. Juni 1981 bereits eine ausreichende letztwillige Verfügung getroffen, rechtfertigt auch dies keine ergänzende Auslegung dieses Testaments. Denn mit der Offenhaltung der Schlusserbeneinsetzung haben die Eheleute auch ein solches Risiko bewusst in Kauf genommen (vgl. Senat, FamRZ 1970, 148, 149).
II. Eine Kostenentscheidung gemäß § 13a Absatz 1 Satz 2 FGG ist nicht zu treffen, weil eine Anhörung des weiteren Beteiligten zu 2) und der als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen im Verfahren der weiteren Beschwerde unterblieben ist. Die Festsetzung des Geschäftswertes ergibt sich aus den §§ 131 Absatz 2, 30 KostO. Dabei ist von dem von der Beteiligten zu 1) angegebenen Nachlasswert von 387.605,13 EUR auszugehen.
Ende der Entscheidung
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