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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.09.2006
Aktenzeichen: 1 W 186/06
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO §§ 103 ff.
UWG § 8 Abs. 4
BGB § 226
BGB § 426
BGB § 840
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 1 W 186/06

In Sachen

Der 1. Zivilsenat des Kammergerichts - Einzelrichter - hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 18.8.2005 - 15 O 283/05 - am 29.9.2006 beschlossen:

Tenor:

In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13.5.2005 - 15 O 283/05 - von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf - nur - 145,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.8.2005 festgesetzt.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe:

I.

1. Auf den Antrag der Antragstellerin vom 4.5.2005 wurde der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 13.5.2005 - 15 O 283/05 - die dort wiedergegebene Werbung, insbesondere in Form einer Google-Anzeige, untersagt. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Zuvor wurde auf den Antrag der Antragstellerin vom 25.4.2005 durch einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 2.5.2005 - 16 O 260/05 - der Bn Snn -GmbH, gesetzlich vertreten durch die Antragsgegnerin des hiesigen Verfahrens, die dort in gleicher Weise wiedergegebene Werbung, insbesondere in Form einer Google-Anzeige, untersagt. Ihr wurden ebenfalls die Kosten des Verfahrens auferlegt.

2. Den Wert des Verfahrens 16 O 260/05 hat das Kammergericht durch Beschluss vom 22.7.2005 - 5 W 88/05 - auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Durch Beschluss vom 5.8.2005 - 5 W 89/05 - hat das Kammergericht alsdann den Wert des landgerichtlichen Verfahrens in der vorliegenden Sache auf 10.000,00 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, gegenüber dem Wert des Verfügungsverfahrens 16 O 260/05 sei ein weiterer Abschlag geboten, weil die Antragsgegnerin nur als Geschäftsführerin des gesondert in Anspruch genommenen Unternehmens verfolgt worden sei; die eigene Störerhaftung des Organs habe regelmäßig nur eine bloße Sicherungsfunktion, die vorliegend von untergeordneter Bedeutung sei.

3. Die Kosten des Verfahrens 16 O 260/05 sind durch Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 2.8.2005 gegen die dortige Antragsgegnerin antragsgemäß auf 859,80 EUR festgesetzt und inzwischen bezahlt worden.

Auf den Antrag der Antragstellerin vom 11.8.2005 hat das Landgericht mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.8.2005 die Kosten gegen die hiesige Antragsgegnerin in Höhe von 651,80 EUR festgesetzt.

4. Hiergegen richtet sich die am 31.8.2005 eingegangene sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese die Herabsetzung der festzusetzenden Kosten auf 145,60 EUR verlangt. Sie macht geltend: Das Vorgehen gegen die GmbH und deren Geschäftsführerin in getrennten Verfügungsverfahren sei rechtsmissbräuchlich. Bei Geltendmachung in einem einheitlichen Verfahren wären nach den zusammenzurechnenden Streitwerten der Unterlassungsansprüche Kosten in Höhe von 1.005,40 EUR entstanden, so dass nach Absetzung des gegen die GmbH festgesetzten Betrages von 859,80 EUR noch 145,50 EUR verblieben.

Die Antragstellerin hält den Einwand nach dem rechtskräftigem Abschluss der Kostenfestsetzung im Verfahren 16 O 260/05 im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren nicht für berücksichtigungsfähig. Im Übrigen verteidigt sie ihr Vorgehen in getrennten Verfahren damit, dass verschiedene Anspruchsgrundlagen nach § 8 UWG geltend gemacht worden seien, so dass mit unterschiedlichen Möglichkeiten der Rechtsverteidigung zu rechnen gewesen sei. Sie habe durch ihr Zuwarten der hiesigen Antragsgegnerin die Möglichkeit gegeben, nach Erlass der einstweiligen Verfügung gegen die GmbH doch noch die strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet. Da die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche in getrennten Verfügungsverfahren missbräuchlich war, beschränkt sich der Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin auf diejenigen außergerichtlichen Kosten, die ihr bei einer Geltendmachung in einem einheitlichen Verfahren unter Zusammenrechnung der Streitwerte entstanden wären. Nach Erledigung der Kostenfestsetzung im vorangegangenen Verfahren 16 O 260/05 ist gegen die Antragsgegnerin dieses Verfahren daher nur der noch verbleibende Betrag festzusetzen.

Im Einzelnen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat eine Partei, der mehrere rechtlich getrennte, aber gleichartige und aus dem selben Lebenssachverhalt herrührende Ansprüche zustehen, grundsätzlich die Wahl, ob sie die Ansprüche in einem einzigen oder in mehreren Verfahren geltend macht. Sie ist jedoch erstattungsrechtlich gehalten, ihre Ansprüche in einem einzigen Verfahren geltend zu machen, wenn sachliche Gründe für eine getrennte Geltendmachung nicht bestehen. Dies folgt allerdings nicht aus einer Anwendung des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern aus dem auch das Prozessrechtsverhältnis beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben, der rechtsmissbräuchliches und schikanöses Verhalten verbietet (vgl. Senat JurBüro 1989, 1697; 2001, 99).

2. Diese Grundsätze gelten auch für die Kostenerstattung bei der Verfolgung von Unterlassungsansprüchen nach dem UWG. Zwar bestimmt § 8 Abs. 4 UWG - früher § 13 Abs. 5 UWG -, dass bereits die Geltendmachung dieser Ansprüche unzulässig ist, wenn sie nach den Umständen missbräuchlich ist, was sich auch daraus ergeben kann, dass der Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 17.11.2005 - I ZR 300/02 -, MEGA SALE m.w.N.). Ein anderer Maßstab für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs wird dadurch aber nicht aufgestellt. Der Schuldner ist nicht gehalten, den Einwand im Erkenntnisverfahren zu erheben, er kann ihn auf die Kostenfestsetzung beschränken. Damit erstrebt er auch keine - unzulässige - Abänderung der für die Kostenfestsetzung bindenden Kostenentscheidung, da eine Möglichkeit, diesen Einwand gegenüber der Kostenentscheidung nach §§ 91 ff. ZPO zur Geltung zu bringen, infolge der Trennung der Verfahren nicht besteht (vgl. OLG Koblenz JurBüro 1983, 271).

3. Ist der Einwand begründet, so haben die unterliegenden Beklagten den Kläger nur insgesamt die Kosten zu erstatten, die bei der Verfolgung der Ansprüche in einem einzigen Verfahren entstanden wären (vgl. OLG München MDR 1987, 677). Das bedeutet aber nicht, dass der Einwand in beiden getrennten Kostenfestsetzungsverfahren von den jeweiligen Antragsgegnern geltend zu machen ist. Insbesondere hindert die Rechtskraft des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2.8.2005 - 16 O 260/05 - nicht die Geltendmachung ausschließlich im Rahmen der Kostenfestsetzung für das Verfahren 15 O 283/05. Denn die Antragsgegner beider Verfahren haften - unabhängig von der Anwendbarkeit des § 100 Abs. 4 ZPO - nach materiellem Recht für die sich aus einer gemeinsamen Inanspruchnahme ergebende Kostenschuld als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB. Nachdem die im Verfahren 16 O 260/05 festgesetzte Erstattungsschuld beglichen worden ist, kann sich die Antragsgegnerin des hiesigen Verfahrens den festgesetzten Betrag in voller Höhe anrechnen lassen, bleibt jedoch im Innenverhältnis zum Ausgleich verpflichtet, §§ 425 Abs. 2, 426 BGB.

4. Die Geltendmachung in getrennten Verfahren war missbräuchlich, da sachliche Gründe für ein solches Vorgehen der Antragstellerin nicht bestanden.

a) Die Antragstellerin hatte im Abmahnschreiben vom 15.4.2005 zunächst die GmbH, vertreten durch deren Geschäftsführerin, zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung bis 20.4.2005, und sodann im Abmahnschreiben vom 22.4.2005 die Antragsgegnerin als Geschäftsführerin der GmbH zur Abgabe einer solchen Erklärung bis 27.4.2005 aufgefordert. Nach erbetener Fristverlängerung bis 25.4.2005, 12.00 Uhr, teilten die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerinnen mit Fax-Schreiben vom 25.4.2005 unter Vertretungsanzeige auch für die hiesige Antragsgegnerin für beide Mandantinnen mit, dass die geforderten Erklärungen nicht abgegeben würden. Zugleich reichten sie am 25.4.2005 eine Schutzschrift ein, in der die GmbH als mutmaßliche Antragsgegnerin zu 1) und die hiesige Antragsgegnerin als mutmaßliche Antragsgegnerin zu 2) bezeichnet wurden.

b) Gleichwohl beantragte die Antragstellerin nach Erhalt des Fax-Schreibens vom 25.4.2005 am selben Tage den Erlass einer einstweiligen Verfügung lediglich gegen die GmbH und nach deren Erlass am 2.5.2005 (ihr zugestellt am 3.5.2005) dann am 4.5.2005 den Erlass einer weiteren einstweiligen Verfügung gegen die hiesige Antragsgegnerin. In der Antragsschrift führte die Antragstellerin aus, die GmbH werde aus Repräsentantenhaftung nach § 8 Abs. 2 UWG, die Geschäftsführerin als Handelnde (§ 8 Abs. 1 UWG) in Anspruch genommen. Beide hätten am 25.4.2005 die Unterlassungsverpflichtungserklärungen nicht abgegeben, sondern einen Verstoß nach § 3 UWG geleugnet. Die Antragstellerin ging demnach nicht von einem unterschiedlichen Verteidigungsverhalten der Antragsgegnerinnen aus. Hierfür gab es nach der Vorkorrespondenz auch keine Anhaltspunkte. Sie ergaben sich auch nicht aus den Verfahrensabläufen, was nach der Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen wäre (Beschluss vom 14.11.2005 - 1 W 307/05 -, siehe auch OLG Hamburg MDR 2004, 787). Denn die Prozessbevollmächtigten haben unter dem 20.5.2005 für beide Antragsgegnerinnen die erforderliche Abschlusserklärung abgegeben.

c) Die Antragstellerin kann das getrennte und zeitversetzte Vorgehen auch nicht damit rechtfertigen, dass sie dadurch der hiesigen Antragsgegnerin die Möglichkeit gegeben habe, den Erlass der einstweiligen Verfügung gegen sie nach deren Erlass gegen die GmbH durch Abgabe einer Unterwerfungserklärung abzuwenden. Denn sie hat die Antragsgegnerin nicht erneut zur Abgabe der Erklärung aufgefordert und ihr nicht einmal nach Kenntnisnahme vom Erlass der einstweiligen Verfügung vom 2.5.2005 und angemessener Überlegungsfrist hierzu Gelegenheit gegeben.

5. Die unter Anrechnung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2.8.2005 verbleibende Kostenerstattungsforderung hat die Beschwerdeführerin nach dem zusammengerechneten Streitwert von 30.000,00 EUR zutreffend errechnet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.8.2005 war dementsprechend herabzusetzen.

Nach alledem hat das Rechtsmittel mit der Kostenfolge des § 91 ZPO in vollem Umfang Erfolg.

Ende der Entscheidung

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